Keine Grundmandatsklausel mehr: Jetzt müssen CSU und Linkspartei zittern

Der Bundestag billigt die „Lex CSU“ – in Zukunft könnten ohne Grundmandatsklausel sowohl die CSU wie die Linkspartei aus dem Parlament fliegen. Der Abstimmung ging eine hitzige Debatte voraus, wie sie das Hohe Haus lange nicht mehr erlebt hat.

IMAGO / Christian Spicker
Der Bundestag hat am Freitagmittag die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition gebilligt. Damit entfällt in Zukunft die Grundmandatsklausel, die einer Partei zusicherte, bei der Erringung von drei Direktmandaten in den Bundestag einzuziehen, sollte sie die Fünf-Prozent-Klausel verfehlen. Direkt gewählte Kandidaten dürfen auch nicht mehr im Bundestag sitzen, wenn ihre Partei nicht die Fünf-Prozent-Hürde überspringt. Von dieser Regelung könnten in Zukunft insbesondere die Linkspartei und die CSU betroffen sein.

Der Abstimmung war eine hitzige Debatte vorausgegangen, wie sie der Bundestag seit langer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Während die Ampel vor allem den Wählerauftrag betonte, den Bundestag zu verkleinern, sahen CDU/CSU und die Linkspartei in dem Vorstoß eine Beschneidung des Direktmandats. Die AfD beließ es in der Debatte bei nur zwei Zwischenfragen.

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In einigen Teilen schaukelte sich die Debatte zu einer Streitfrage um den Verbleib der CSU im Parlament hoch. Alexander Dobrindt (CSU) nannte das Gesetz einen „Angriff auf das Existenzrecht der CSU“. Britta Haßelmann (Grüne) erwiderte, es könne nicht sein, dass „die Regionalpartei CSU dem Bundestag diktiert, „wie das Wahlrecht aussieht!“. Konstantin Kuhle (FDP) erklärte: „Die CSU hat Norbert Lammert die Wahlrechtsreform versaut, die CSU hat Wolfgang Schäuble die Wahlrechtsreform versaut und die CSU wird der Ampel nicht die Wahlrechtsreform versauen – das lassen wir nicht zu!“

Jan Korte (Linkspartei) griff die Bundesregierung scharf an. Es handele sich um den größten Anschlag auf das Wahlrecht als Grundpfeiler der Demokratie „seit Jahrzehnten“. Am Ende einer hitzigen und von Zwischenrufen unterlegten Rede rief er der Ampel entgegen: „Ich wünsche Ihnen politisch alles erdenklich Schlechte – wir werden uns in Karlsruhe sehen!“ Kortes Redebeitrag applaudierten Vertreter der Unionsfraktion.

Die SPD-Abgeordnete Leni Breymaier (SPD) trat der Rede entgegen. „Arsch hoch, dann kommt ihr auch über 5 Prozent!“, sagte sie. Auf eine Zwischenfrage, ob denn der Antrag nicht die Erststimme schwäche, entgegnete die SPD-Politikerin, dass die Erststimme auch etwas mit der Partei zu tun habe. „Beim personalisierten Verhältniswahlrecht ist das Verhältniswahlrecht das Substantiv!“, so Breymaier.

Thorsten Frei (CDU) nannte die Wahlrechtreform einen „Anschlag auf die Demokratie“, sprach von einem „Wahlrecht der Ampel für die Ampel“. Friedrich Merz (CDU) bot zuletzt den Koalitionsparteien an, wegen der erst in dieser Woche öffentlich gewordenen neuen Mechanik – der Aussetzung der Grundmandatsklausel – die Abstimmung um zwei Wochen zu verschieben. Rolf Mützenich (SPD) wiegelte ab, dass zwei weitere Wochen nach drei Wochen Beratung nichts ändern würden.

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Kommentare ( 64 )

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alter weisser Mann
1 Jahr her

Ich halte es längst für ein Unding, die 5%-Klausel mit der Grundmandatsklausel zu unterwandern und damit den Bundestag aufzublähen.

EddyNova3122
1 Jahr her

Mich würde interessieren was Herr Gauweiler dazu sagt – der Mann ist sehr schlau und rechtlich ein Profi ! Weiter würde mich interessieren ob wirklich Geld gespart wird wenn es 100 Parlamentarier weniger gibt. Die Ampel soll ja zeitgleich einen neuen Staatssekretär Rekord fabriziert haben ! Dazu weiterführend wäre ein Minus an Parlamentarierern nicht die gern genommene Begründung für noch mehr Personal ? Was ist eigentlich mit dem Satz „Alle Macht geht vom Volk aus“ – heisst das jetzt „Alle Macht geht von der Partei aus“ … Die weitere Frage wäre – wenn eine einfache Mehrheit für derart weitreichende Änderungen… Mehr

santacroce
1 Jahr her

Die Reduzierung bzw. Zusammenlegung von Wahlkreisen würde das alte System der Erst- und Zweitstimmen retten, wenn man es denn wollte, bei gleichzeitiger Verkleinerung des Buntentages.
Dies würde die CSU retten.
Das Gezänk wird dann aber weitergehen, weil beim Zuschnitt der neuen Wahlkreise kann man bevorzugt oder benachteiligt werden.
Egal, Streit gehört nunmal zur Politik.

bani
1 Jahr her

Nach dem Wagenknecht Basching der Linken ist diese Partei am Ende. Das wissen die auch. Auch die CoronaExtremisten von der linksgrünen Söder CSU braucht niemand. Der Niedergang mit der linksgrünen CDU dauert nur eben etwas länger als bei der Ökosekte und der entkernten peinlichen arbeitnehmerfeindlichen SPD.

verblichene Rose
1 Jahr her

Warum müssen Parteien eigentlich überhaupt zittern? Hatten und haben wir also DOCH NICHT das beste Deutschland aller Zeiten? Es klingt daher nach einer Pandemie, die wir laut Lauterbach nun doch nicht hatten und Nebenwirkungen niemals nicht ausgeschlossen waren. Nun, ich schaue diesem Treiben sehr gerne zu, denn nicht nur mit der Ablehnung der Spritze habe ich recht behalten. Dieses Land ist im Ar###! Ein „Augen zu und durch“ übertrifft allerdings alles, wozu ich ansonsten noch in der Lage bin! Es erschüttert mich deshalb, warum ich jemals glaubte und welchen Drangsalierungen ich bislang ausgesetzt war! Und das ALLES für dieses faulende… Mehr

Dudennutzer
1 Jahr her

Damit werden Bundestagswahlen zur Farce. Ausgerechnet das mehrheitlich bürgerliche Bayern wäre nach der nächsten Wahl eventuell nur noch durch linke Parteien vertreten. Jenes Land, das ganz wesentlich zur Finanzierung der Bundesrepublik beiträgt, wäre dann nicht mehr angemessen repräsentiert. Die eigentlichen Volksvertreter würden in vielen Fragen das genaue Gegenteil des Wählerwillens vertreten. In vielen Wahlkreisen wird es ähnlich aussehen, wenn nicht der vom Volk favorisierte Bewerber ins Parlament einzieht, sondern ein unbekannterer oder gar unbeliebterer Kandidat einer unterlegenen Partei. Hinzu kommt noch, dass bei einer Aussperrung von CSU und Linkspartei zusammen mit den Kleinparteien fast ein Fünftel der Stimmen unter den… Mehr

bani
1 Jahr her
Antworten an  Dudennutzer

Ja und? Wo ist denn der Unterschied in der Politik der etablierten Parteien? Kann leider nichts erkennen. Ein Einheitsbrei wie in der DDR Volkskammer.

Dudennutzer
1 Jahr her
Antworten an  bani

Man ändert trotzdem nicht einfach so das Wahlrecht, nur weil man gerade an der Regierung ist und die Mehrheit hat. Bei so manchen Wortmeldungen pro Ampelwahlrecht hat man ja geradezu den Eindruck, dass es sich bei der Abschaffung der Grundmandatsklausel um einen „Rachefeldzug“ gegen die CSU handelt. (Dabei wird auch gern der Eindruck erweckt, dass die CSU es in Bayern mit anderen Parteien genauso mache, was aber nicht stimmt.) Wieder mal ein Beispiel, wie ein populäres Thema (Mandatszahlbegrenzung) dazu genutzt wird, um parteipolitische Interessen durchzusetzen.

Thorben-Friedrich Dohms
1 Jahr her

„An appeaser is one who feeds a crocodile-hoping it will eat him last.“
Winston Churchill

Tja, liebe Unions-Politiker. Man sollte manchmal auf alte weiße Männer hören.

Altchemnitzer
1 Jahr her

Ich finde das einfach toll. Nachdem ständig die AfD diskriminiert wurde ist jetzt die nächste Partei dran. CDU/CSU haben sich sehr lange den Grünen und Linken angedient und ernen jetzt die Früchte. Es trifft schon die Richtigen.

Ede Kowalski
1 Jahr her

Und wenn schon das Wahlrecht geändert wird, kann man da bitte auch reinschreiben, dass eine abgeschlossene (oder zu Ende studierte) Berufsausbildung Voraussetzung für ein Bundestagsmandat sein sollte?
Es geht um die Geschicke des Landes und seiner Bürger. Da sollten Abgeordnete ein wenig mehr draufhaben als heiße Luft abzulassen. 
Bitte keine Listen mehr, die bieten nur beste Versorgung für Parteisoldaten ohne positive Gegenleistung für die steuerzahlenden Bürger.
Reine Parteigewächse haben jeglichen Bezug zur Realität verloren und ich habe es satt, mir von Ungelernten und Lebensversagern erzählen zu lassen, wie das Leben funktioniert.

bfwied
1 Jahr her

Das Demokratieverständnis der SPD zeigt sich in Breymaiers Antwort an die CSU: unter der Gürtellinie ordinär, unkultiviert, nur auf Macht aus. Diese rechtsstaatliche „Demokratie“ ist am Ende, ertrunken am Wohlstand und Gönnerhaftigkeit der Bürgerlichen, die die unfähigen Kindischen mitspielen ließen. Diese Haltung ist überall zu finden. Es beginnt bei der unverschämten Duzerei in Handbüchern und von Jungen in Läden und führt bis zur gönnerhaften Umwandlung des Titels Professor in Professorin im sozialistisch gebliebenen Leipzig – Herr Professorin!! Man gibt sich gönnerhaft und zerstört damit sinnvolle Strukturen, wozu auch die Rechtschreibung gehört, die unlogisch gemacht wurde und nun durch die Genderei… Mehr