Die Bundesregierung will, dass aus Philosophen Heizungsbauer werden

Das Kabinett hat eine Fachkräftestrategie vorgestellt. Kernidee ist es, die Lücke an Arbeitskräften durch Einwanderer und Umschuler zu stopfen. Das Thema finanzielle Anreize spart das Konzept wohlfeil aus.

IMAGO / Frank Ossenbrink
Kabinettssitzung der Bundesregierung am 12.10.2022 im Bundeskanzleramt, Berlin, 12.10.2022
Der Begriff „Fachkräftemangel“ ist ein Klassiker in politischen Debatten in Deutschland. Er bezeichnet das Phänomen, dass in anspruchsvollen Berufen gut ausgebildete Angestellte fehlen. Etwa im IT-Bereich. Diese Debatte führt Deutschland seit rund zwei Jahrzehnten – und ist dabei ein gutes Stück weitergekommen: Mittlerweile gibt es auch einen „Arbeitskräftemangel“. Nun fehlt es also auch an schlecht ausgebildeten Arbeitskräften.

Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung im Kabinett eine Fachkräftestrategie beschlossen. Nach deren Prognose werden in fünf Jahren unterm Strich 240.000 Arbeitsplätze nicht mehr zu besetzen sein. Zwar würden bis 2026 in vielen Bereichen Stellen abgebaut. Doch die so freigesetzten Mitarbeiter würden nicht ausreichen, um alle anderen Stellen zu besetzen. Es gelte also Menschen aus schrumpfenden Branchen auf Arbeitsplätze in boomenden Branchen zu bringen.

Zu den Branchen, die Arbeitsplätze verlieren, gehört demnach der Handel. Da das Geschäft immer stärker an Amazon und Co geht, braucht es folglich immer weniger Leute, die im deutschen Einzelhandel arbeiten. „Auch in „Lehr- und Forschungstätigkeiten an Hochschulen zeichnet sich ein Überangebot an potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern im Vergleich zu den zur Verfügung stehenden Stellen ab“, wie es in dem Bericht heißt. Philosophen, Theaterwissenschaftler und Genderexpertinnen können halt kein Klo reparieren.
Aber genau daran fehlt es künftig: Klempner, Heizungsbauer, Sanitärmitarbeiter, Energietechniker, Schweißer und Metallbauer zählt der Bericht auf. Das alles sind Berufe, in denen es der deutschen Wirtschaft massiv an Mitarbeitern fehlen wird. Diese Lücke soll durch Umschulung gefüllt werden. Philosophen an die Doppelflansch, die Kloschüsseln warten auf Euch.

Die Bundesregierung will vor allem an die Ausbildung ran. Die soll zeitgemäß statt unzeitgemäß sein. Gegen diese Überschrift lässt sich nicht wirklich was sagen, aber was bedeutet das? Regierung, Arbeitgeber und Gewerkschaften sollen die Berufe attraktiver wirken lassen. Auch dagegen lässt sich nichts sagen. Aber was bedeutet das? Die Attraktivität der Berufe soll dadurch geschaffen werden, dass sich Bund, Länder, Arbeitgeber, Gewerkschafter und Wissenschaft besser austauschen. Das wird helfen und den Philosophen motivieren, die Doppelflansch in die Hand zu nehmen. Genau so wenig konkret wird die Bundesregierung, wenn es um die Weiterbildung geht. Die soll „gezielt“ sein.

Am konkretesten wird das Konzept noch, wenn es um Gewinnung neuer Arbeitskräfte geht. Noch mehr Frauen sollen für den Arbeitsmarkt gewonnen werden – aber vor allem setzt die Bundesregierung auf Einwanderung. Die real existierende Einwanderung seit 2015 scheint nicht gereicht zu haben. Aber mit Einwanderungswellen, um Arbeitsplätze zu füllen, ist es wie mit Versuchen, den Kommunismus einzuführen: Die nächste Welle klappt bestimmt.

Ein Wort kommt in dem Konzept zu kurz: Geld. Die Bundesregierung sorgt sich um Qualität und Kultur der Arbeit, aber nicht um die Bezahlung. Keine steuerliche Entlastung für Arbeitnehmer. Kein Wort dazu, warum sie bereit sein sollen, 40 Stunden und mehr die Woche hart zu arbeiten, wenn sie als Bezieher von „Bürgergeld“ faktisch genauso viel Geld hätten? Um dann noch motiviert zu sein, die verstopften Klos anderer zu reparieren, muss man vielleicht wirklich Philosoph sein – am besten Stoiker.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 63 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

63 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
friedrich - wilhelm
1 Jahr her

….d a s möchte ich einmal erleben, daß ein philosoph ein werkzeug baut – er sollte es vorher auch noch selbst konstruieren, oder ein getriebe zusammenbaut. ich tat beides schon, habe es jedoch vorher gelernt und dann u.a. philosophie studiert. solche gelernten werkzeugmacher sind als gute fachkräfte mit ihren firmen schon länst abgewandert. so bleiben d-land nur noch fachkräfte in den alten industrien. die high tech fachräfte sind schon lange weg!
all the best from bc/can.!

Fieselsteinchen
1 Jahr her

Keine Sorge! Auch an den Universitäten dümpeln trübe Funzeln herum. Warum die Abitur haben? Weil sie den Lehrern so schön in den Arsch gekrochen sind, denn zur Gesamtnote zählen mündliche und schriftliche „Leistungen“ zu je 50 %, wobei der mündliche Teil nicht justiziabel ist, zumindest in Baden-Württemberg. Dh. mit einer miesen schriftlichen Leistung ist der Ofen noch lange nicht aus, dumm nachplappern hat schon manchem aus der Bredouille geholfen. Und dann schlagen unsere Abiturienten mit einem 3,x-Abschluss an den Universitäten auf und studieren auf Lehramt. Zum Schluss werden Lehrer, die dümmer und fauler als ihre Schüler sind, denen jegliche praktische/pragmatische… Mehr

abel
1 Jahr her

Vor allem treten die meisten von denen auf als wären Sie Helden. Am besten gleich das Büro vom Boss übernehmen. Vor 40-Jahren hätte es mit ach und krach bei den meisten für den Realschulabschluß gereicht. Was aber auch vor 40-Jahren anders war: Man hat sich erst einmal untergeordnet und dies hat man spätestens bei der Bundeswehr in der Grundausbildung gelernt.

Gerro Medicus
1 Jahr her

Wundert es, dass solche Ideen aus Regierungskreisen kommen? Die sind doch für sich selbst auch überzeugt, dass sie jeden Ministerposten einnehmen können, ohne Vorbildung, ja sogar ohne Eignung. Für jeden logisch denkenden Menschen muss doch klar sein, dass der Zustrom von Kostgängern, die hier monatlich besser versorgt sind, als in ihrem Heimatland das ganze Jahr über, diese nicht dazu anhält, zu arbeiten. Und dass die Bildungslevel auch gar nicht ausreichen, um in einem (noch) industriellen Land wie Deutschland überhaupt einen Job zu kriegen. Hof fegen und Regale einräumen gibt es als Einzeljob nicht mehr. Das erledigen jetzt Leute mit, die… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Gerro Medicus
Philokteta
1 Jahr her

Was ist denn mit zeitgemäßer Ausbildung gemeint? Etwa die Absenkung der Anforderungen?

Klaus D
1 Jahr her

Warum sollte wer aus dem ausland nach deutschland kommen also als fachkraft?

  • geringer lohn
  • hohe steuern
  • hohe abgaben
  • wohnungsnot
  • hohe mieten
  • wenig anerkennung
  • unbezahlte überstunden
  • befristete arbeitsverträge
  • usw usw
Ulrich
1 Jahr her

Alles gut und schön! Aber auch nach einer Lohnerhöhung (die letzten Endes der Kunde zahlt) stehen hinter dem Installateur von Staats wegen Beamte, Philosophen, ., die auch eine (nicht zu knappe) Erhöhung ihrer Bezüge aus Steuermitteln fordern. Das Einzige, was hilft, ist eine gezielte Lenkung bereits in der Bildung nach Leistung. Da kommt eben auf das Gymnasium nur noch, wer entsprechende Leistungen bereits in der Grundschule bringt. Und wenn der berühmte Knoten später platzt, sollte immer noch ein Wechsel auf die höhere Schule möglich sein. Und auch der umgekehrte Weg sollte begangen werden können. „Abitur“ hieß einmal „allgemeine Hochschureife“, und… Mehr

Delegro
1 Jahr her

An Naivität kaum mehr zu überbieten. Deutschland steht mit seiner Industrieproduktion im internationalen Wettbewerb. Sorgen Sie somit doch erst mal dafür, dass die deutsche Industrie mit den gleichen Waffen kämpfen kann (Lohnkosten, Energiekosten, Steuerbelastung, unfähige Behörden u.s.w.). Richten Sie Ihren Blick mal weg von Ihren Schuhspitzen weiter nach vorne (über den Tellerrand). Und der Begriff Lohnpreisspirale ist Ihnen wohl auch nicht geläufig, oder? Und ja, wir haben einen guten Arbeitnehmermarkt. Die Arbeitgeber, die Ihre Arbeitnehmer extra kurz halten (wenig zahlen) werden sowieso Umdenken müssen, da die MA jetzt bessere Alternativen haben. Wer da nicht vernünftig bezahlt, schaut sowieso in die… Mehr

alter weisser Mann
1 Jahr her

Ist eine prima Orientierung, da wird sich die rot-grüne Hüpfjugend sicher auf die umweltrettenden Handwerksberufe stürzen und den gender studies abschwören. …. so sehr wie Politikerkinder zur Bundeswehr gehen vermutlich.
Leider wirkt das nämlich als Verkündigung von Polit- und Parteitypen, die selbst berufsseitig das Gegenteil getan haben und oft Mühe haben, überhaupt einen Berufsabschluss zu haben, doch nicht so richtig überzeugend.

Hoffnungslos
1 Jahr her

Also Herr Thurnes, nun sein Sie doch nicht so. Deutschland hat sogar in der Regierung Seiteneinsteiger, ohne Fachkenntnisse. Da muss auch erst mal geübt werden. Ob Wirtschaftspolitik, Außenministerium, usw. alles keine Fachkräfte. Sie lernen noch – eventuell. Ungelernte Handwerker überfluten möglicherweise Küche und Bad, Politiker ohne Fachkenntnisse können das ganze Land gegen die Wand fahren. Aber was solls, das ist Abenteuerurlaub live und wir sind alle dabei. So, jetzt ziehe ich mir erst mal meine Wolljacke an. (Leider keine Satire)