Keine Mehrheit für die Ampel und Vertrauensverlust für alle Parteien

Die Ampel-Koalition verliert an Zustimmung unter den Wählern, aber längst nicht so sehr, wie es der verloren gegangene Glaube an ihre Problemlösungsfähigkeit erwarten ließe. Selbst sehr viele SPD- und Grünen-Wähler glauben nicht mehr, dass die Regierung die Lage im Griff hat.

imago images / Christian Spicker

Die Ampel-Koalition hätte nach dem Ergebnis der jüngsten Umfrage des ZDF-Politbarometers keine Regierungsmehrheit mehr, wenn jetzt Bundestagswahlen anstünden. Angesichts der desaströsen Lage und den noch desaströseren Aussichten des Landes – nicht nur ökonomisch –, und des selbst für gutgläubigste Beobachter des Politikbetriebes unübersehbaren Anteils der gegenwärtigen Bundesregierung an diesen, kommen Sozialdemokraten, Grüne und FDP aber noch glimpflich davon. Ausgerechnet die Partei, die in Person des Wirtschaftsministers Robert Habeck und ihrer seit spätestens 2011 unter einer grünen-freundlichen Angela Merkel die Agenda bestimmenden Energiewende-Politik besonders großen Anteil an der gegenwärtigen Misere hat, könnte sogar dennoch weiter regieren. Wegen des absoluten Bann-Strahls gegen die AfD und der abgestraften FDP wäre sie für einen Kanzlerkandidaten Friedrich Merz ein so gut wie alternativloser Partner.

Die letzte Sonntagsfrage des Allensbach-Instituts kommt zu einem nur unwesentlich abweichenden Ergebnis (Union: 30, SPD: 19, Grüne: 19, AfD: 14, FDP: 7, Linke: 5).

Angesichts der Dramatik der Lage hat der Vertrauensverlust in die Regierenden, den kurz zuvor das Allensbach-Institut feststellte, aber (noch?) geringe Auswirkungen auf das Wahlverhalten und damit den deutschen Politikbetrieb. Eine radikale Verschiebung der Machtverhältnisse und ein entsprechender Politikwechsel sind also trotzdem nicht zu erwarten. Ein CDU-Kanzler Merz würde mit einem Bundestag nach oben genannten Mehrheitsverhältnissen vermutlich unter der Ägide grünen Agenda-Settings eine nur unwesentlich andere Politik machen als jetzt ein SPD-Kanzler und ein FDP-Finanzminister unter grünem Leitgestirn. Erst wenn die Grünen ihre zentrale Position – sowohl was Mehrheitsverhältnisse im Bundestag als auch das Agenda-Setting in den Massenmedien angeht – verlören, wäre womöglich eine grundlegende Verschiebung der Machtverhältnisse und politischen Prioritäten zu erwarten.

Das ist aber noch nicht in Sicht. Stattdessen eher eine Art von verzweifelter Lethargie. Das Allensbach-Institut stellt zwar fest, dass das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in die Kompetenz der Regierung zur Bewältigung von Inflation und Energiekrise stark gesunken ist.

Auf die Frage „Haben Sie das Gefühl, die Regierung hat die Lage im Großen und Ganzen im Griff, oder haben Sie nicht das Gefühl?“, antworteten 65 Prozent der Befragten, sie hätten den Eindruck, die Regierung habe die Lage nicht im Griff, nur 21 Prozent bejahen. Dieses Urteil zieht sich laut Allensbach durch alle politischen Lager. Selbst Anhänger der Kanzler-Partei SPD antworten zu 46 Prozent mit Nein und nur zu 34 Prozent mit Ja. Sogar Grünen-Wähler sind nicht begeistert (32 ja, 47 nein).

Screenshot FAZ

Das ist insofern besonders interessant, als Allensbach-Forscher Thomas Petersen betont, dass das Vertrauen in die Politik zuvor in den vergangenen zwei Jahrzehnten eher gestiegen war. Die gegenwärtige Krise hat also durchaus eine Trendwende bewirkt. Aber: Angesichts dessen sind die Auswirkungen auf die Wahlabsichten (noch?) eher gering.

Verständlich wird das durch eine langfristige Umfrage der Allensbacher. Demnach stimmen 59 Prozent der Befragten der Aussage zu: „Nach all den Ereignissen der letzten Jahre, Umstürze, Veränderungen und so weiter, habe ich das Gefühl, ich kann die Welt nicht mehr verstehen.“ Ausgeprägter als die Wut auf die Regierenden scheint also ein Gefühl der Desorientierung und politischen Verunsicherung zu sein, das bisher kaum (partei-)politischen Ausdruck findet.

Screenshot FAZ

Es ist also offenbar eine Kombination aus Desillusionierung und Fatalismus, die die deutschen Wähler leitet. Man erwartet von den Parteipolitikern keine Problemlösung – und wählt sie in Ermangelung einer überzeugenden Alternative doch, abgesehen von einer zwar wachsenden, aber letztlich einflussfreien Minderheit der AfD- und Nichtwähler.

Der Bericht des Allensbach-Forschers Thomas Petersen zu den neusten Umfrageergebnissen endet mit den Sätzen: „Aktuell sind die Warnungen vor einer Radikalisierung der Bevölkerung übertrieben. Doch wir stehen erst am Anfang eines Winters, in dem der soziale Druck auf viele Bürger zunehmen könnte. Und soziale Not und politische Radikalisierung können durchaus Hand in Hand gehen.“

Die FAZ-Redakteure haben daraus in ihrer Meldung auf der ersten Seite und im Vorspann des Petersen-Beitrags gemacht: „Anders als in früheren Krisen gibt es Indizien für die politische Radikalisierung eines Teils der Bevölkerung.“ Beim oberflächlichen Leser bleibt also gerade nicht die Feststellung Petersens über die übertriebenen Warnungen vor der Radikalisierung hängen, sondern im Gegenteil und ganz im Sinne der Bundesregierung die Radikalisierung eines Teils der Bevölkerung (wodurch es umso angebrachter erscheint, deren Position die politische Legitimation abzusprechen). 

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 28 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

28 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Memphrite
1 Jahr her

Einer der größten (deutschen) Philosophen des 21. Jahrhunderts hat es doch schon längst erkannt: Überzeug einen Idioten das er ein Idiot ist! Es geht nicht“ So ist es mit den den (Bio)Deutschen. Selbst nach zwei verlorenen Weltkriegen und roten und brauen Diktaturen hat man nichts gelernt. Man glaubt immer noch jeden Blödsinn was im Fernsehen erzählt wird. Egal ob kommender Endsieg, Wunderwaffen, „Flüchtlinge als Fachkräfte“, die USA sind unsere Freunde und haben uns „befreit“ und sind ganz friedlich, COVID ist eine große Gefahr, Impfgegner sind „Volksschädlinge“, die EU bringt uns nur Vorteile, Putin und sein Russland sind böse, die Ukraine… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Memphrite
Cart
1 Jahr her

Das Problem ist doch, dass die Blockparteien immer die Mehrheit haben werden. Deswegen wird Deutschland auch absteigen in jeglichen Indizes.

Evero
1 Jahr her

Die Ampelregierung ist eine Wohlstandsverwahrlosungsdiktatur mit Lust am Untergang. Volksparteien, die nur wegen des Machterhaltungstriebs um die Gunst einer radikalsozialistischen, antinationalen, praxisfernen Ideologie-Sekte buhlen und die Notwendigkeiten einer hochkomplexen Volkswirtschaft zum Fenster hinauswerfen, die kann der deutsche Bundesbürger ein fürallemal streichen. Die werden unser Land in den Ruin führen. Die aktuelle sozialistische Versuchslaborpolitik an Volk und Volkswirtschaft mutet so dekadent an, wie seinerzeit die Tulpenzwiebelmanie in Holland in der ersten Hälfte des 17. Jhdts. Es werden politische Versprechungen auf Jahrzehnte in die Zukunft getätigt, die keiner je garantieren kann. Die Politik des Ökoterrorismus ist Scharlatanerie und könnte nur funktionieren mit… Mehr

Hueckfried69
1 Jahr her

Man wird uns erzählen, der Blackout sei Putins Schuld und der kalte Winter eine Folge der Erderwärmung(!). Die westdeutschen Lifestylelinken und die Merkel-Ömchen werden es glauben, und die Grünen bleiben stabil bei 20%. N i c h t s, aber auch gar nichts wirkt bei diesen Leuten, glauben Sie mir!

Last edited 1 Jahr her by Hueckfried69
eschenbach
1 Jahr her

Die Basis des derzeitigen Erfolges der Grünen und ihrer Satrapen ist die Erzählung von der „Klimakatastrophe“ plus Weltuntergang. Wenn es doch endlich einer Hundertschaft lautstarker Wissenschaftler und Journalisten gelänge, diesem Märchen den Garaus zu machen und dem Publikum einen entspannten Zugang zum Klimawandel zu ermöglichen, wären die Grünen schlagartig platt! Erst stirbt die Klimakatastrophe, danach die Grünen. Gendern sowie Vielfalts- und Willkommenskitsch reichen nicht….

Evero
1 Jahr her
Antworten an  eschenbach

Alles was die Grünen im Gepäck haben ist sozialistische Ideologie nicht Notwendigkeit.
Hoffentlich hat der Spuk bald ein Ende!

a.bayer
1 Jahr her

Fritz Goergen hat in einem seiner jüngsten Artikel darauf hingewiesen, dass die Wahlabsicht in hohem Maße davon abhängt, wohin man innerhalb der Gesellschaft gehören möchte. Eine urban-vegane Mutti mit Lastenrad z.B. identifiziert sich mit ihresgleichen, und da gehört die Präferenz für die Grünen zum guten Ton, völlig unabhängig vom tagespolitischen Geschehen. Und es muss das Blut in Strömen fließen und viel gestöhnt werden, bevor sich hier etwas ändert. Sollte man sich neu orientieren, behält man es in diesen Kreisen sowieso am besten für sich (Stichwort „Cancel Culture“). Dazu kommt noch eine zunehmende Anzahl von Wählern, die „grün“ ihr Geld verdienen,… Mehr

Last edited 1 Jahr her by a.bayer
Manfred_Hbg
1 Jahr her

Zitat: „Eine radikale Verschiebung der Machtverhältnisse und ein entsprechender Politikwechsel sind also trotzdem nicht zu erwarten.“ > Nö, natürlich ist hier mit Blick auf unser schwarzrotgrüngelben Einheitsaltparteien-Kartell nix an Veränderungen zu erwarten. Denn nachdem sich die sog. Volksparteien allesamt so schön links und grün eingerichtet und festgestellt haben daß das gemeinsame Kuscheln doch sooo schön einfach und bequem ist, werden die Pseudodemokraten in dem schwarzrotgrüngelben Kuschel-Club schon dafür sorgen das sie es auch weiterhin sooo schön einfach und bequem haben und am Volk vorbei herrschen können. Es scheint noch zu vielen Leuten im Land noch viel zu gut zu gehen… Mehr

Sonny
1 Jahr her

Warum sollten die Menschen auch ihr Wahlverhalten ändern? Sie ändern ihr Verhalten höchstens, in dem sie sich auch der größten Partei Deutschlands anschließen: den Nichtwählern. Denn egal, was man wählt, man wird immer der grünen Minderheiten-Sekte unterworfen und alles wird zerstört. Es sei denn, die Leute begreifen endlich mal, dass die blaue Partei keine Schwefelpartei ist, sondern der letzte Ausweg aus der Misere. Nach dieser Umfrage hätte die cdu/csu gemeinsam mit der AfD eine Mehrheit gegenüber grünrot. Es ist also eindeutig, dass die Deutschen eher konservativ sind, weil viele die cdu/csu noch in der konservativen Ecke verorten (was heute eben… Mehr

Fabian S.
1 Jahr her

Union, AfD und FDP hätten als bürgerliche Regierung ja die Mehrheit mit 372 Sitzen! Aber sie tun es einfach nicht, sondern beschimpfen andere als Nazis obwohl sie es offensichtlich eher selbst sind. Merz wäre Kanzler und Lindner Vize. Ich dachte die sind immer so machtgeil! Nein, die sind mediengeil und zerstören am liebsten das eigene Land!

Last edited 1 Jahr her by Fabian S.
November Man
1 Jahr her

Und die Frau Wagenknecht zerlegt gerade die Grünen in ihre Einzelteile.
Frau Wagenknecht sagte in einer ihrer regelmäßigen Videobotschaften: „Für mich sind die Grünen die heuchlerischste, abgehobenste, verlogenste, inkompetenteste und gemessen an dem Schaden, den sie verursachen, derzeit auch die gefährlichste Partei, die wir aktuell im Bundestag haben.“
Wie recht die Frau doch hat, die Frau hat Mut und sie hat absolut Recht. Sie spricht die Wahrheiten aus und mir aus dem Herzen, sie wird immer sympathischer.

peer stevens
1 Jahr her
Antworten an  November Man

…mit einer neuen Partei, das waere ihr groesster Fehler
…denn damit wuerde sie untergehen, sie wuerde sich unterhalb der 5% verzetteln
…die einzige Chance fuer einen Durchbruch sehe ich nur in der „strategischen Kooperation“ mit Frau Weigel und den qualifizierten und integeren Vertretern der AfD