AKK und Laschet: Szenario eines zweistufigen Machtwechsels nach Merkel

Einen offenen Kampf ums Kanzleramt wird es in der CDU wohl nicht geben. Vielleicht fädelt die Machterhaltungsmeisterin Merkel schon ein ihr genehmes Verfahren ein. Auf eine Urwahl sollten ihre Kritiker jedenfalls nicht allzu viele Hoffnungen setzen.

imago images / Future Image

In der CDU ist, so liest man allerorten, ein „Machtkampf“ entbrannt. Der Begriff „Kampf“ mag zur Beschreibung von Personalfragen in der merkelistischen CDU allzu martialisch sein. Wirklich kämpfen, also etwas riskieren, will in dieser Partei nach 19 Jahren Merkel-Opportunismus kaum jemand mehr. Aber es stimmt schon, es brodelt. Das bestätigt jeder in der CDU, den man danach fragt. Alles andere wäre nach dem jüngsten Wahlergebnis in Thüringen und angesichts der ungenierten Bereitschaft von Landes- und Bundespolitikern, mit der Nachfolgepartei der SED zusammenzuarbeiten, auch mehr als seltsam.

Andererseits sollten sich all jene, die sich nun auf das Spektakel einer stürzenden Kanzlerin und einer ultimativen Schlacht ums Kanzleramt freuen, an den Sommer des vergangenen Jahres erinnern. 

Amor fati
Die Radikalisierung der CDU
Nicht nur Horst Seehofer, sondern auch die deutsche Migrationswirklichkeit und erst recht die Vernunft schienen das Ende des Merkelismus zu besiegeln. Allein, es kam anders. Merkel gab die Parteiführung ab, aber sie regiert bekanntlich noch immer. Merkel ist auch heute noch die Meisterin des Machterhalts. Dazu verfügt sie über zweierlei, auf das sie sich stets verlassen kann: Ihr überlegenes taktisches Geschick, das ganz auf Machtsicherung durch Preisgabe vormaliger CDU-Positionen bei gleichzeitiger raffinierter Platzierung willfähriger, schwacher Vasallen auf Schlüsselpositionen ausgerichtet ist, und andererseits die einvernehmliche Unterstützung durch die de facto gar nicht oppositionelle Oppositionspartei der Grünen und das gesellschaftliche Establishment, vor allem in den Medien. 

Also gingen Seehofer und Söder als böse Buben aus dem Koalitionsstreitsommer hervor, die sich beide, als sie das realisierten, schnell als reumütige Gefolgsleute ganz und gar der Siegerin im Kanzleramt unterordneten. Hat man nach der Thüringen-Wahl ein kritisches Wort von beiden vernommen? Man muss sich, das war die eigentliche Lehre des Sommers 2018, die Berufspolitiker der Union (und wohl aller anderen Parteien auch) als Auslese von Menschen vorstellen, die sich mehrheitlich besonders durch größte annehmbare Feigheit auszeichnen. Nur so ist die anhaltende Regentschaft Angela Merkels zumindest seit 2015 nachvollziehbar. 

Wie schon seit dem Herbst 2015 angesichts des Regierungsversagens vor der Herausforderung der Massenmigration jeder Versuch eines fraktionsinternen Widerstands, geschweige denn des eigentlich jederzeit möglichen Sturzes der Kanzlerin kaum im Ansatz erkennbar war, so könnte auch nach der thüringischen Wahlniederlage (die wievielte war es eigentlich? Nach so vielen hat man aufgehört zu zählen) die Merkel-Ära noch länger dauern, als man es in anderen Ländern und im vormerkelschen Deutschland für möglich halten würde. 

Ein Szenario für Merkels Abgang

Ein mit dem real existierenden Merkelismus seit mehreren Legislaturperioden erfahrenes Mitglied des deutschen Bundestags könnte sich für Merkels Abgang aus dem Kanzleramt und ihre Nachfolge folgendes Szenario vorstellen: Sie wird in absehbarer Zeit aus gesundheitlichen Gründen freiwillig ihren Rückzug verkünden. Nach den Zitterattacken der jüngeren Vergangenheit dürfte das glaubhaft erscheinen. AKK wird dann geschäftsführend dem Kabinett vorsitzen. Aber nicht dauerhaft und als Kanzlerkandidatin für die Wahlen 2021. Dazu war ihre Performance in jüngster Zeit zu schwach. Sie wurde von Merkel gewogen – und für zu leicht befunden. Der neue, eigentliche Wunschkandidat der Kanzlerin für ihre Nachfolge ist möglicherweise Armin Laschet. In seiner offenbar grenzenlosen Bereitschaft zur Aufgabe christdemokratischen Tafelsilbers ist er der Kanzlerin ganz nahe. Eine Regierung Laschet würde wohl kaum eine Revision des Merkelismus einleiten – und darum auch Merkels Post-Kanzlerinnen-Leben nicht desavouieren. Eine Abrechnung würde ausbleiben, Merkel könnte in aller Ruhe zur elder stateswoman werden. Das würde ihr unter einem Kanzler Merz wohl kaum vergönnt sein.

"Die CDU befindet sich im Ausnahmezustand."
Hauptstadtjournalisten und Grüne verteidigen für Merkel das Kanzleramt
Merz, der immer noch der Liebling oder zumindest die einzige personelle Hoffnung aller derjenigen CDU-Mitglieder in Parlamenten und vor allem an der Basis ist, die sich „die alte CDU“ zurückwünschen, wird angesichts der offenkundigen und mehrfach belegten Feigheit der Bundestagsfraktion vor dem offenen Aufstand gegen die Meisterin vor allem dann eine Chance auf die Kanzlerschaft haben, wenn die Frage nicht in den Führungskadern der Berufspolitiker von CDU und CSU ausgeklüngelt, sondern dem Parteivolk in einer Urwahl überlassen wird.

Der Arbeitnehmerflüger (CDA) und wohl auch die Frauenunion halten (noch?) zu AKK, die Mittelstandsvereinigung der Union, der konservative Berliner Kreis stehen offen hinter Merz. Ob sich die Mehrheit der Bundestagsfraktion für Merz entschiede, ist aber fraglich. Einer Umfrage der Bildzeitung zufolge, an der bisher über 48.000 Bürger teilnahmen, halten 47 Prozent Merz für den besten Unionskandidaten, gefolgt von Söder mit 41 Prozent. Alle anderen, inklusive AKK (3 Prozent) und Laschet (4) sind völlig abgeschlagen.

Die Junge Union unter dem aufsässigen Tilmann Kuban vertritt die Forderung nach einer Urwahl ebenso offen wie die WerteUnion. Beide haben angekündigt, das Thema auch auf dem Bundesparteitag Ende November aufs Tableau zu bringen. Aber dass sie sich durchsetzen, ist eher unwahrscheinlich, glaubt ein anderer Merkel-Opponent und Merz-Anhänger in der Unionsfraktion. Nicht nur weil das Bild, das die SPD derzeit bei ihrer Urwahl einer neuen Führung abgibt, nicht gerade zur Nachahmung reizt. Vor allem die CSU werde da nicht mitmachen – selbst wenn der CDU-Parteitag dies fordert. 

In der CSU zumindest ist die oberste Personalfrage ja auch geklärt. Markus Söder ist der Boss. Und wer weiß, vielleicht hoffen er selbst und andere christsoziale Jungkarrieristen ja, dass in einem Hinterzimmerverfahren Söder schließlich sogar tatsächlich zum nächsten Kanzlerkandidaten gemacht wird. Einer der erfahrensten Kungelexperten der CDU, der mittlerweile abgesägte EU-Parlamentarier Elmar Brok, hatte Söder öffentlich ins Spiel gebracht. Nach dem Motto: Wenn AKK es nicht kann, Laschet keine eindeutige Mehrheit hat und Merz zu unbequem für die Merkelisten wäre, dann kann man sich ja auf Söder einigen. Merkel hat vielleicht auch gar nichts gegen ihn, da er als geübter Politische-Positionen-Aufgeber und Grünen-Anbiederer wohl keine tiefgreifende Anti-Merkel-Kurskorrektur durchziehen würde. 

Ob Merz allerdings – sollte er denn einen parteiinternen Aufstand nun wirklich wagen und gewinnen – die erhoffte Grundsatzkorrektur wirklich durchsetzen wollte und könnte, ist längst nicht sicher. Er hat in der Vergangenheit schon mehrfach im entscheidenden Augenblick, wenn Mut zum Risiko und kaltblütige Standfestigkeit erforderlich schienen, letztlich den Rückzug angetreten. Dass ein Mann, der vor 14 Jahren seinen Posten kampflos räumte und vor einem Jahr eine Abstimmung um den Parteivorsitz verlor, immer noch die große Hoffnung der innerparteilichen Erneuerung sein soll, offenbart den ganzen Jammer der CDU: Sie ist personell ebenso ausgebrannt wie programmatisch. 

 

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Kommentare ( 116 )

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RalledieQ
4 Jahre her

Dieser toten Hülle einer Partei sind wohlgesonnene Kommentare ungebildeter Schreiberlinge der deutschen Populismuspresse nunmal wichtiger als Wählerstimmen. Söder, Merz und Co. sind da auch keine Ausnahmen. Solche Politdarsteller braucht kein Mensch. Da kann man nix machen.

F18
4 Jahre her

Absolute Hochachtung vor dieser Frau AM. Unglaublich, wie sie es geschafft hat, mit Hilfe von rot/grünen Jüngern, die Leute so lange zu vera……, entweder sind wir alle blind oder taub oder blöd. Ich vermute, von allem etwas. Wenn ich schon die Raute sehe…., wer hat ihr das nur eingeredet als Markenzeichen? Das sieht schon gekünstelt aus, wie die ganze Frau auch. Es gibt nur einen Ausweg: Schnell weg mit der ganzenBagage, ohne Pensionsansprüche etc. Die haben alle schon genug Kohle für nichts bekommen, fügen wir dann noch die ÖR dazu, haben wir wieder eine Basis für den Aufbau.

GUMBACH
4 Jahre her

Ich weiß nicht, was viele von ihrem Heilsbringer Merz erwarten. Merz ist aus meinem Blickwinkel nur ein weiterer Soros- bzw. Globalisierungs-Jünger, der nichts von dem in Frage stellen wird, was Merkel verkauft: Bedingungslose Massenmigration (Bevölkerungsaustausch) und eine damit einhergehende Islamisierung, Ethno-Wahlen, schleichender Genozid an Weißen, Multikulturalismus etc. Merz wird niemandem helfen, ganz im Gegenteil, denn er dient auch nur seinen Freunden der Hochfimanz. Nein, die Menschen müssen sich selbst helfen.

Karl Heinz Muttersohn
4 Jahre her

. Das wird also nichts mehr mit der CDU. Ich selbst gehe davon aus, dass Merkel zur Zeit an einem Plan arbeitet, noch einmal zu kandidieren. AKK kanns nicht, Laschet will nicht, Merz ist ein Majestätsbeleidiger also muss Mutti wieder ran, wenns sein muss mit Unterstützung von Merkels alter Partei der SED.

Lizzard04
4 Jahre her

Der Laschet der offenen Grenzen und Mann der Abschaltung der Braunkohleverstromung ist ein 100-prozentiger Merkel Klon. Die AfD wird’s freuen, sollte sich die CDU auf den einigen, werden ihr doch die Wähler weiterhin ganz von selber zulaufen. Im Moment hält den ein oder anderen noch die Mär vom Fascho-Höcke von der AfD Wahl ab. Aber auch diese Schmerzgrenze wird im Zuge des weiteren Niedergangs dieses Landes fallen.

Michael M.
4 Jahre her
Antworten an  Lizzard04

Ach so, ja klar Höcke ist in Wahrheit ein Flower-Power-Jünger oder wie?!
Mit solchen Leuten ist diese Partei für >70% unwählbar, träumen Sie einfach weiter von ihrer sog. Mär die keine ist.

Sandrarichter
4 Jahre her

Die einzige Möglichkeit für einen grundlegenden Politikwechsel, und das hat ein Blick nach Österreich mit der Auferstehung der Kurz-ÖVP deutlich gezeigt, ist eine wirklich dicke Wahlklatsche für die CDU/CSU bei der nächsten Bundestagswahl. Die 12,6 Prozent bei der letzten BTW für die AfD waren einfach zu wenig, um die Merkelisten zum umkippen zu bringen. Schaut man sich die Zahlen genau an, hätten damals nur knapp 4 Prozent der CDU/CSU-Wähler für die AfD stimmen müssen, dann hätte es eine ähnliche Situation wie jetzt in Thüringen gegeben. Und da kommen wir zum nächsten Punkt, Stichwort Feigheit. Die liegt nämlich nicht nur den… Mehr

Simon Michael
4 Jahre her

Kann mir jemand erklären wieso die Medien immer noch die schützende Hand über Merkel halten. Ich versteh das nicht.

Wilhelm Cuno
4 Jahre her
Antworten an  Simon Michael

@Herrn Simon Michel:

Weil Frau Merkel die linke Politik macht, die sich die Mehrheit der Journalisten wünscht, da diese Mehrheit selbst linke Politik bevorzugt. Das geht so lange weiter, wie die Gesellschaft dies nicht durch ihr Verhalten bei Wahlen, Medienkonsum und bürgerlichem Engagement abbestellt. Erste Ansätze sind erkennbar.

Marc Hofmann
4 Jahre her
Antworten an  Simon Michael

Weil die Medien den gleichen Sozialistischen Gedanken innewohnen wie die Merkel…es ist ein Frontalangriff des sozialistischen Funktionär Diktat (SED, Kanzleramt, Merkel und GEZ Medien=Propaganda Medien) auf unsere freie Marktwirtschaft/Gesellschaft…auf die Freiheit des Bürgertum.

RalledieQ
4 Jahre her
Antworten an  Simon Michael

Weil es in diesem Land nur noch um Gefühle und nicht im Fakten geht und der verweichlichte ungebildete moderne Deutsche fühlt sich bei Mutti Merkel nunmal wohl.

Corvus
4 Jahre her

In einer Zeit, wo Realität (Merz) nicht gefragt ist, können sich die Hofschranzen der Frau Dr. Merkel weiter etablieren. Leider haben wir keinen Sebastian Kurz zur Wahl und müssen uns damit begnügen, was uns zur Wahl steht. „Sekt, oder Selters!“ Persönlich sehe ich keinen anderen geeigneteren Anwärter auf den Kanzlerposten, als Herrn Merz! Doch leider läuft das politische Geschäft in Berlin nicht so, wie dass sich der kleine Mann so wünscht. Es kommt auf die Wähler der nächsten Wahlen an, welcher Partei sie ihre Stimme geben. Merz ist derzeit der fähigste Anwärter der CDU. Doch die Entscheidung, wer der neue… Mehr

ludwig67
4 Jahre her
Antworten an  Corvus

Sie sehen aber schon mit wem der Kurz gerade koalitionär anbandelt, oder?

Leonor
4 Jahre her

Ich finde, dieses Szenario von geehrtem Autor basiert auf der Annahme, dass den Menschen weiterhin gut geht und die Bevölkerung relativ friedlich ist. Was, wenn nicht? Wenn wir tatsächlich in einem Jahr gewaltige Krise und Entzug vom Wohlstand erleben müssen? Was durchaus sehr wahrscheinlich ist. Dann passiert der Sinneswandel schlagartig und Reaktion kann tatsächlich wie eine Lawine sein. Eine gefährliche. Und die brenzlige Stimmung in den EU Ländern ist noch wichtiger als interner Kampf in der Cdu Partei. Da bin ganz der Meinung vom Herrn Georgen. Deutschland ist hinterher, aber wird dem Trend der EU Ländern Folgen. Die Lawine wird… Mehr

Unterfranken-Pommer aus Bayern
4 Jahre her
Antworten an  Leonor

Leonor – Ich stimme eigentlich allem von Ihnen gesagten zu. Es ist ein Dilemma…ich will keine Krise, ich will keinen Entzug des (bescheidenen) Wohlstands, ich will um Gottes Willen auch keinen Buergerkrieg in diesem Land oder andernorts in (West)-Europa. Nur…ich bin inzwischen an einem Punkt angekommen, wo ich einen solchen Nexus als notwendig erachte, um die verkrusteten Strukturen in Deutschland und der EU aufzubrechen. Mithin…es wird diesen Nexus wohl nicht geben. Es wird alles in vielen kleinen Ex- und Implosionen verrotten, und man wird sich daran gewoehnen. Die paar (von uns), die weitsichtiger sind, die noch wagen, ihre Stimme zu… Mehr

Johann Thiel
4 Jahre her

Titelbild:
Laschet: „Hast du gesehen Angie? In Dunkelrot sieht die auch schick aus, wär’ was für dich, und jetzt wo meine Jacke schon so eng ist…“
Merkel: „Jetzt lass mich endlich damit in Ruhe, du kriegst meine Jacke nicht.“