AfD probiert es mit Kreide – „Remigration“ fehlt in Grundsatzpapier

Die Fraktion der AfD im Bundestag war in Klausur. Herausgekommen ist ein Positionspapier. Die AfD verzichtet darin auf den Begriff „Remigration“ und setzt auch sonst auf Kreide. Doch sie argumentiert weiter wie eine Partei, die sich auf die Opposition einrichtet.

Imago/ Metodi Popow

Linke mögen ihre Gegner gerne platt. Das ist die Ebene, auf der sie sich wohl fühlen. Die AfD-Fraktion im Bundestag hat sich an diesem Wochenende zu einer Klausur zurückgezogen, um ein politisches Grundsatzpapier zu erarbeiten. In der Berichterstattung linker Medien spielte vor allem das Vorhaben der Abgeordneten eine Rolle, Zwischenrufe im Parlament künftiger gezielter einsetzen zu wollen: spitz und treffend statt platt und häufig. Das ist die Ebene, auf der linke Medien die AfD haben wollen. Das erleichtert den Medienschaffenden die Eigenwahrnehmung und Fremddarstellung, sie seien die Guten und die AfD-Abgeordneten die Bösen. Details würden da stören.

Für die AfD ist das Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil es ihr schwerfällt, mit Themen durchzudringen. Seit gut zehn Jahren sitzt die Partei in Parlamenten. Allmählich erwarten die Anhänger, dass etwas passiert. Einem Teil genügt es, wenn die AfD ihre Forderungen definiert und von denen der Konkurrenz abgrenzt. Doch es gibt auch Anhänger, denen das zu komplex ist. Die sich und anderen sagen: Ich habe die gewählt, die sollen was machen.

Mit dem Grundsatzpapier hat die Fraktion nun eine geschlossene Sicht auf die Dinge. Punkt eins von sieben ist ihr Thema Nummer eins. Der Kampf gegen die illegale Einwanderung. Der hat der einstigen Professoren-Partei, die im Kampf gegen die Euro-Rettung der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gegründet worden war, seit 2015 zum Durchbruch und weiteren Wachstum verholfen. Die einzige Partei zu sein, die in diesem Feld bisher die Probleme beim Namen nennt, ist das Alleinstellungsmerkmal und wichtigste Verkaufsargument der AfD.

Manchen mag es nur wie ein Detail vorkommen, dass der Punkt Kampf gegen die illegale Einwanderung nun unter der Überschrift „Innere Sicherheit für Deutschland“ läuft. Aber es ist ein durchaus wichtiges Detail. Die AfD ändert sich zwar inhaltlich mit dem Papier nicht. Sie will weiterhin unberechtigte Einreisen verhindern, Pull-Faktoren abschaffen, nach Syrien oder Afghanistan abschieben, den Anspruch auf Einbürgerung abschaffen, „Nulltoleranz“ gegen Gewaltkriminalität zeigen und den „Islamismus als größte Sicherheitsgefahr für Deutschland benennen und bekämpfen“. Aber auf den Begriff „Remigration“ verzichtet die Fraktion. Im Abschnitt zum Wohnungsbau heißt es nur: „Illegale Zuwanderung stoppen“.

Das Vorhaben, verbale Stiche im Bundestag gezielter setzen zu wollen. Die Überschrift mit der inneren Sicherheit statt dem Kampf gegen illegale Einwanderung. Der Verzicht auf das Wort „Remigration“. Zusammen ergibt das ein Bild. Das aus dem Märchen, in dem der Wolf sich mit Kreide eine angenehmere Stimme verschafft, um ein Wolf bleiben zu können für die, die das mögen, ohne auf die wie ein Raubtier zu wirken, die Angst haben müssten, zu seinem Opfer zu werden.

Dass linke Medien, die in der deutschen Medienlandschaft mehr als eine Drei-Viertel-Mehrheit stellen, sich so konsequent weigern, die inhaltliche Arbeit der AfD aufzugreifen, ist für die Partei auch und meistens ein Segen. So enthält das Grundsatzpapier der Fraktion viele Forderungen, die in der Zielgruppe nicht im Geringsten kontrovers sind: Einkommens- und Körperschaftssteuer senken, Lieferkettengesetz abschaffen, Verbrennermotoren weiterhin erlauben, Stromsteuer für alle senken oder staatliche Zuteilung von Wohnungen verhindern. Das ist das Programm einer Oppositionspartei. Als solches durchaus gelungen.

Doch Regierungsparteien müssen künftig auch unangenehme Dinge angehen. Zwar haben Angela Merkel, Ampel und auch schon Schwarz-Rot fraglos fatale Fehler gemacht. Aber selbst eine Regierung, die alles richtig machen würde, hätte Entscheidungen zu treffen, die nicht allen gefallen – können. Diese Punkte sind den AfD-Abgeordneten durchaus bewusst. In ihrem Papier umschiffen sie diese offensichtlich oder bleiben an den entsprechenden Stellen reichlich unpräzise.

Etwa die Rente. Die AfD-Fraktion will das Rentenniveau anheben. Gut. Mehr Geld für verdiente Senioren. Wer könnte da etwas dagegen haben? Grundsätzlich. Die Fraktion will ein „Junior-Spardepot für jedes Kind“ einführen. Vorsorge für Kinder. Auch super. Wobei sich erste Fragen zu Details stellen. Und die Fraktion verspricht finanzielle Entlastungen für Familien, damit die wieder mehr Kinder bekommen. Nur: Wenn das funktioniert, greift es frühestens in 15 bis 20 Jahren. Und ob sich Soziologiestudentinnen aus reicher Familie für eine frühe Schwangerschaft entscheiden, weil der Stadt 80 Euro für die Krippe dazugibt?

Wie sie mit der Kostensituation in der Rente umgehen will, verrät die Fraktion in ihrem Papier nicht. Das ist aber für redlich arbeitende Parteien eine entscheidende – und relevante – Frage. Die deutsche Bevölkerung wird älter, die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente. Das treibt die Kosten für die Rente in die Höhe und schwächt die Wirtschaft, die diese Kosten wieder einspielen muss. Wer in der Situation das Rentenniveau anheben will, wird die Frage beantworten müssen, wie er das bezahlt. Spätestens, wenn er in die Verantwortung einer Regierung wechselt.

In der Finanzierung der Rente fordert die AfD das gleiche wie die Sozialministerin der SPD, Bärbel Bas: „Politiker und zukünftige Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen.“ Der jährliche, staatliche Zuschuss für die Rente überschreitet dieses Jahr voraussichtlich zum ersten Mal 120 Milliarden Euro. Dazu kommen die Beiträge aus der Rentenversicherung. 18 Cent von jedem in Deutschland erarbeitenden Euro. Das an erster Stelle mit den Beiträgen von rund 5000 Politikern in Deutschland sanieren zu wollen, ist platter Populismus.

Mit der Rentenpflicht für Beamte stellt sich die AfD in die Ecke der SPD und anderer linker Parteien. Damit verlässt sie die eigenen wirtschaftsliberalen Wurzeln der Partei. Und sie übersieht eine Kleinigkeit: Wenn Beamte in die Rentenversicherung einbezahlen, dann wollen sie aus dieser auch etwas herausbekommen. Dieser Lösungsansatz bedeutet nicht mehr als einen Verschiebebahnhof für Probleme. Was sich in der Opposition gut anhört, hilft einem in der Regierung bestenfalls eine kurze Zeit.

Ähnlich unkonkret bleibt die AfD-Fraktion in der Russlandfrage: Sie will ein „Friedensabkommen verhandeln“. Schön. Warum nicht. Über den Frieden reden, war noch nie verkehrt. Nur: Was ist, wenn diese Verhandlungen scheitern? Wenn der mächtigste Mann der Welt an dieser Stelle sein Wahlversprechen bricht, brechen muss, dann lässt sich die Möglichkeit nicht komplett ausschließen, dass Alice Weidel oder Tino Chrupalla als Verhandlungsführer ebenfalls ohne Ergebnis aus Moskau nach Hause kommen könnten. Im auf die Verhandlungen folgenden Punkt fordert die Fraktion: „Keine Beteiligung an Konflikten ohne sicherheitspolitische Relevanz für Deutschland.“ Nur: Ist denn ein Angriffskrieg 800 Kilometer vor der eigenen Grenze „ohne sicherheitspolitische Relevanz für Deutschland“? Zumindest im AfD-Grundsatzpapier bleibt diese Frage unbeantwortet.

Immerhin spricht die AfD sich an dieser Stelle in einer strittigen Frage klar aus. Sie befürwortet die Rückkehr der Wehrpflicht. Wie sie auch für ein Comeback der Atomkraft ist. Und dafür, eine „Grundsicherung“ mit „Bürgerarbeit“ zu verbinden. Also das Bürgergeld in „Grundsicherung“ umbenennen – was auch die CDU fordert – und es mit einer Arbeitspflicht zu verbinden. Damit könnte die AfD auch manch eigenem Wähler wie ein böser Wolf erscheinen.

An der Stelle zeigt sich, welcher Segen es für die AfD ist, dass linke Parteien nicht auf ihre Inhalte eingehen. Das Bürgergeld ist – aus guten Gründen – unbeliebt. In seiner jetzigen Form fördert es das Nichtstun auf absurde Weise. Der Kampf gegen das Bürgergeld hat, intern erhobene Umfragen bestätigen das, der AfD politisch mindestens genauso geholfen wie der gegen die illegale Einwanderung.

Linke Medien wollen die AfD vernichten, indem sie deren Inhalte totschweigen. Was wieder einmal zeigt, dass sich für schlau zu halten das Gegenteil von schlau sein ist. Denn es hilft der Partei, wenn sie maximal gegen das Bürgergeld wettert, ohne zugeben zu müssen, dass auch sie nicht an dem Fakt vorbei käme, dass der Staat sich um Menschen kümmern muss, die nicht arbeiten. Immerhin ist ihre Fraktion ehrlich genug, die Forderung nach einer „Grundsicherung“ in ihrem Positionspapier festzuhalten. Gut für sie, dass darauf kein linkes Medium eingehen wird.

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Kommentare ( 173 )

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Hans E.
10 Tage her

Durch andauernde Wiederholung wird es nicht wahrer.
Aus monetärer Sicht ist das Thema Nr. 1 der Klimairrsinn/Energiewende, Thema Nr. 2 aber schon die illegale Migtation, wobei diese auch noch zusätzlich aus dem Abendland ein Siedlungsgebiet für Kulturfremde gemacht hat. Wenn dann noch Waffen, EU und Entwicklungshilfe im weitesten Sinne addiert wird, könnte -sorry- selbst einem Politologen einfallen, woher das Geld für Rente, Straßen etc. etc. herkommen könnte. Allerdings muss man das auch sehen wollen. 😎

Micci
10 Tage her
Antworten an  Hans E.

Genau. Allein wenn man all die Dinge einstellt, die jeder Vernunftbegabte als puren Schwachsinn erkennen muss (Radwege in Peru, 200 Gender-Professuren, dreistellige Milliardenbeträge für „Asyl“ bei Anerkennungsquoten im Promillebereich …) ist eine Menge Geld da, um Probleme zu lösen.
A propos Gender und Peru – Karma is a bitch: dort hat man soeben das Sich-Divers-Fühlen als psychische Störung eingestuft!

Last edited 10 Tage her by Micci
Harry Hirsch
10 Tage her
Antworten an  Hans E.

Ich sehe es von der Reihenfolge andersherum. Das Geld wird irgendwann egal, wenn Bürgerkrieg herrscht, weil unterschiedliche Kulturen nicht mehr friedlich miteinander leben können, weil die Unterschiede einfach zu groß sind. Dieser Moment wird meiner Meinung irgendwann kommen. Dann spielt Klima, Energie und Wirtschaft keine Rolle mehr.

Dieter Rose
9 Tage her

Das war’s dann. Danke für die bisherigen Mühen. Das Fünkchen Hoffnung ist ausgetreten…

Apfelmann
9 Tage her

Nicht nur das die AFD ihr Wahlprogramm weichspült und sich den Altparteien anbietert. Gleichzeitig erhöhen Frau Weidel und Freund Tino ihre monatlichen Bezüge auf 24.000 EUR!!! Nicht im Jahr, im MONAT. Schön auf Steuerzahler Kosten. Und die ganze Fraktion bekommt auch noch einen ordentlichen Schluck aus der Pulle. Wer hier noch von anderer Politik und Opposition gegen die Altparteien spricht schläft und träumt!!!

lauterbachleugner
9 Tage her

Ich verstehe nicht, warum die Partei ihre wirtschaftsliberalen Wurzeln
verlässt, wenn Beamte in die Rentenversicherung einzahlen. Wirtschaftliberale Wurzeln könnte sie zeigen, wenn sie den Beamtenapparat halbiert. 16 Jahre hat Norbert Blüm erzählt, dass die Rente ’sischer‘ ist, was vielleicht ein paar naive geglaubt haben. Wenn die Brandmauer fällt und sich die AFD mit der CDU, die dieses Land zerstört hat, an einen Tisch setzt, habe ich sie das letzte Mal gewählt.

Aegnor
9 Tage her

Auweia. Was für ein schwacher Artikel. Fast in jedem Satz katastrophale Irrtümer und Fehleinschätzungen. Wie die AfD den Ukrainekrieg beenden kann? Ganz einfach. Gebt der Ukraine kein deutsches Steuergeld mehr und investiert es stattdessen in eine einsatzfähige deutsche Armee unter deutschem Kommando (und nicht als Nato oder EU Vasallenarmee). Schon ist der Krieg vorbei. Oder dass Beamte die in die Rentenkasse einzahlen dann auch Ansprüche hätten und deswegen das nichts bringen würde ist so dumm und falsch dass es fast körperlich weh tut. Denn natürlich würden diese Rentenansprüche dann ANSTELLE der absurd hohen Pensionsansprüche stehen. Das – und nicht die… Mehr

Deutsche
10 Tage her

„Nur: Ist denn ein Angriffskrieg 800 Kilometer vor der eigenen Grenze „ohne sicherheitspolitische Relevanz für Deutschland“? „ Gegenfrage: Ist ein Krieg, der uns nichts angeht und dessen Wurzeln bis ins Jahr 2014, bzw. bereits ab 1990 durch eine sich beständig nach Osten ausbreitende Nato provoziert wurde ein Grund komplett auf aggressive Kriegstrommelei (ohne die tatsächlichen Machtmittel zu haben (Gott sei Dank)) umzusteigen? Warum ist denn unsere Bundeswehr in diesem desolaten Zustand? Es sind doch über Jahrzehnte beachtliche Milliardenpaket hineingeflossen. Wird dieselbe politische Klasse, die diesen Zustand verursacht hat, jetzt mit einem ungeheuren Verschuldungspaket „Alles besser machen“? Vielleicht sollten wir erst einmal… Mehr

Eugen Karl
10 Tage her

Ich verstehe nicht, warum das Weglassen eines harmlosen Wortes mit Kreide in Zusammenhang gebracht wird. Man muß wirklich kein guter Lateiner sein, um zu wissen, daß remigrare zurückkehren heißt. UND NICHTS ANDERES. Die Substantivierung Remigration ist demnach überhaupt nichts Diabolisches. Und der Sache nach hat uns ja Merz genau dasselbe versprochen.

Calenberg
10 Tage her

Die AfD hat es mit der ihr eigenen Art doch recht weit gebracht. Sie liegt ziemlich robust zwischen 22 und 24 %. Zeitweise lag sie über oder gleich mit der CDU. Besser kann man es doch eigentlich gar nicht machen. Warum sollte sie also etwas ändern? Man kann im Bundestag bei den Reden das Vokabular mithilfe eines Thesaurus anpassen, die Ordnungsrufe werden sie trotzdem erhalten, das ist inzwischen Folklore der Altparteien (oder Kartellparteien, aber dafür gäbe es ja auch wieder einen Ordnungsruf). Die Wähler, die die AfD anspricht, werden aber durch eben diese Sprache viel eher oder überhaupt erst getriggert.… Mehr

maru
10 Tage her

Hey, AfD, ich habe euch gewählt, um das Problem Nummer EINS zu lösen: Die Invasion aus der dritten und der islamischen Welt.
Ich habe keinerlei Verständnis für eure eigenartigen Rückgratverkrümmungen und bestehe ganz entschieden auf REMIGRATION !!
Andernfalls bin ich als Wählerin dann mal weg.
Mit den besten Empfehlungen

Last edited 10 Tage her by maru
Deutsche
9 Tage her
Antworten an  maru

Es freut die große Kartellpartei sicher wenn die einzige Opposition durch Wählerstimmenentzug geschwächt wird.
Ja, die Remigration muss stattfinden ansonsten hört Deutschland auf zu existieren, ebenfalls die innere Sicherheit und jede Motivation auch nur einen Finger zu krümmen wenn man frech über Steuern oder bald direkt enteignet wird um diese eindeutige Schädigung Deutschlands auch noch zu finanzieren.

Marco Mahlmann
10 Tage her

Wer möchte, daß die AfD in Regierungsverantwortung kommt und Entscheidungsgewalt hat, dem ist es nicht zu komplex, daß sich die AfD heute nicht durchsetzt. Er wählt die AfD, weil er Probleme sieht und hofft, daß die AfD sie löst, weil er auch den Schaden sieht, den diese Probleme anrichten. Mit jedem Tag, an dem die AfD keine Chance hat, etwas zu ändern, vergrößert sich der Schaden.

November Man
10 Tage her

Besser mit Kreide, als jahrzehntelang die immer dreister werdenden Lügen, Wortbrüche und Betrügereien der Altparteien mitzumachen. Die Anständigen wählen AfD.