Ab 2028 droht der Bundeswehr ein 56-Milliarden-Loch – pro Jahr!

Für den Fall einer größeren kriegerischen Auseinandersetzung hätte die Bundeswehr drei Tage Munition. Mit dem derzeitigen Verteidigungsetat ist also die geforderte „Kriegstüchtigkeit“ kaum zu schultern. Die Kassen sind dabei so leer wie die Abgeordnetensitze im Bundestag.

IMAGO / Paul-Philipp Braun

Der Bundeswehr droht nach dem endgültigen Auslaufen des 100-Milliarden-„Sondervermögens“ ab dem Jahr 2028 ein Haushaltsloch von rund 56 Milliarden Euro pro Jahr. Dieses „Sondervermögen“ (eigentlich Sonderschulden) war von der „Ampel“ nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Jahr 2022 auch mit den Stimmen der CDU/CSU-Opposition auf den Weg gebracht worden.

Die Planer des Verteidigungsministeriums haben nun aktuell und vorausgreifend errechnet: Im Jahr 2028 benötigt die Bundeswehr inklusive jährlichem Regeletat (derzeit 51,95 Milliarden) rund 97 Milliarden Euro. Das entspräche dann den zwei Prozent der erwarteten Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt, BIP), die Deutschland wie alle Nato-Mitglieder sich gegenseitig zugesagt hatten. 2002 war das „Zwei-Prozent-Ziel“ verabredet (damals von einer Schröder-Regierung mitgetragen) und 2014 (von einer Merkel-Regierung) auf dem Nato-Gipfel von Wales bekräftigt worden. Je nach Rechenweise liegt Deutschland derzeit – ohne „Sondervermögen“ – bei rund 1,5 Prozent.

„Friedensdividende“ war vorgestern
Verteidigungsminister Pistorius sieht wachsende Kriegsgefahr
100-Milliarden-„Sondervermögen“: alles recht und schön. Die 100 Milliarden werden rasch abgeflossen sein, denn zwei Drittel sind bereits vertraglich verplant. Zum Beispiel für Großprojekte: 8,3 Milliarden Euro für das Kampfflugzeug F-35, 7,2 Milliarden für den schweren Transporthubschrauber CH-67F „Chinook“, 4 Milliarden für das Flugabwehrsystem Arrow. Zudem weiß man mittlerweile, dass die Bundeswehr für den Fall einer größeren kriegerischen Auseinandersetzung nur für zwei bis drei Tage Munition hat. Das einsatzbereit zu ändern, dafür wären allein rund 20 Milliarden Euro notwendig. Nicht berücksichtigt sind zudem die aus dem „Sondervermögen“ zu begleichenden Zinsbelastungen in Höhe von rund 13 Milliarden sowie die Inflationsraten.

In vier Jahren dann die Stunde der Wahrheit!

Und dann? Für 2024 bekommt Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) laut Haushaltsentwurf der „Ampel“ eben nur 51,95 Milliarden Euro. Eine kontinuierliche Steigerung hin Richtung der notwendigen fast 100 Milliarden pro Jahr findet nicht statt. Nach dem Motto: Nach mir die Sintflut? Wobei nicht vergessen sei, dass es 16 Merkel-Jahre waren, in denen die Bundeswehr nur noch sehr bedingt einsatz- und verteidigungsfähig wurde.

Nochmals also die Frage: Und dann? Dann führt im Interesse der „Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr“ (Ansage von Pistorius) und des 2-Prozent-Nato-Ziels kein Weg daran vorbei, dass der reguläre Verteidigungsetat ab 2026 (wer auch immer dann regiert) erheblich aufgestockt wird – auf mindestens 90 Milliarden pro Jahr. Wobei nicht kalkulierbar ist, ob eines Tages nicht doch wieder Auslandseinsätze notwendig werden.

Bundeswehrtagung
Deutschlands „Kriegstüchtigkeit“ – Verteidigungsminister stellt neue Richtlinien vor
Zur Erinnerung: Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan (2001 bis 2021) kostete 12,3 Milliarden, der Einsatz in Mali (2013 bis 2023) 4,3 Milliarden Euro. Kaum kalkulierbar ist, was die Stärkung der Nato-Nordostflanke definitiv kosten wird. Die bereits geplante Bundeswehr-„Brigade Litauen“, die 2028 voll einsatzfähig sein soll, wird mit geschätzt 5 bis 7 Milliarden zu Buche schlagen. Wobei hier und insgesamt nicht berücksichtigt ist, woher das Personal kommen soll. Die Bundeswehr soll ja von derzeit 183.000 „Mann“ bis 2030 auf 203.000 aufwachsen.

Mit dem bestehenden Etat ist all dies nicht im Entferntesten zu schultern. Zum Vergleich: Die Bundeswehr hatte für 2022 „regulär“ insgesamt 50,3 Milliarden Euro zur Verfügung; 2023 waren es nur noch 50,1 (zuzüglich 8,4 Milliarden aus dem „Sondervermögen“). 2024 sollen es 51,95 Milliarden (zuzüglich 19,8 Milliarden aus dem „Sondervermögen“) sein. Bei seinem Versuch, mehr Mittel für den Wehretat zu bekommen, ist Pistorius übrigens bereits im Februar 2023 gescheitert. Er wollte ein Plus an gut zehn Milliarden Euro, bekam aber schließlich nur ein Plus von 1,7 Milliarden. Noch ein anderer Vergleich: Deutschland gibt mittlerweile pro Jahr 48 Milliarden im Jahr (131,5 Millionen täglich; Stand: Ende 2023) für „Geflüchtete“ in Deutschland aus.

Allerdings wird die Truppe den Zahlen des Ministeriums zufolge zusätzliche 10,8 Milliarden Euro für absehbare weitere Bedarfe benötigen. Diesem Gesamtbedarf in Höhe von 107,8 Milliarden Euro stehen jedoch lediglich 51,95 Milliarden Euro aus dem regulären Wehretat gegenüber. Das ist der heutige Umfang des Wehretats, und die Planer rechnen nicht damit, dass dieser in den kommenden Jahren steigen wird. Aus der Differenz zwischen den benötigten 107,8 Milliarden und dem fortgeschriebenen Wehretat ergibt sich die Lücke von rund 56 Milliarden Euro.

Und dann eine lust- und farblose Etat-Debatte im Bundestag

Der Einzelplan 14 (Verteidigung) stand nun am 31. Januar von 18.00 bis 19.55 Uhr im Plenum (!) des Bundestages zur Debatte. Siehe Haushaltsplan Seiten 211 bis 246: „Plenum“? Die Regierungsbank war nahezu leer (nur Pistorius saß dort), von den Abgeordnetenplätzen waren nur die vorderen Reihen besetzt. Geschätzt verfolgte die Debatte körperlich anwesend nur ein Zehntel der theoretisch 736 Bundestagsabgeordneten.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ließ sich überhaupt nicht sehen. Klar, sie hat jetzt Wichtigeres zu tun, ist sie nun doch Spitzenkandidatin ihrer Partei für die „Europawahl“ vom 9. Juni. Ihr Fernbleiben am 31. Januar war nach ihren ordinären Ausfällen gegen Oppositionsführer und Oppositionsparteien auch kein großer Verlust.

Die CDU/CSU-Opposition bemühte sich, den Etat der Bundeswehr zu kritisieren. Gefesselt freilich waren und bleiben die CDU/CSU-Leute, weil es 16 Jahre Merkel und zum Teil sehr schräge Besetzungen des Chefpostens im Bendlerblock waren, die der Bundeswehr die Luft ausgehen ließen.

Pistorius agierte redlich, verzichtete auf scharfe Töne gegen die Opposition. Unter’m Strich aber musste er implizit eingestehen, dass er sich im Kabinett nicht hatte durchsetzen können. Drei seiner Aussagen waren immerhin relativ konkret:

  • „Wir brauchen mindestens zwei Prozent!“
  • „An einer Debatte um eine Wehr-/Dienstpflicht kommen wir nicht vorbei.“
  • „Unsere Rüstungsindustrie muss hochgefahren werden, dafür aber braucht sie erst einmal Planungssicherheit.“

Wir glauben nicht, dass Pistorius all das auf den Weg bringen wird. Kanzler Scholz, dem Pistorius längst zumindest gerüchteweise als derzeit beliebtestes Kabinettsmitglied und als Ersatzkanzler im Nacken sitzt, wird sich jedenfalls nicht für Pistorius’ Vorschläge starkmachen.


Unterstützung
oder

Kommentare ( 41 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

41 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Gerhard_F_Mossmayr
10 Monate her

Werter Herr Kraus, Sie begehen in Ihrer Schlussfolgerung einen Kardinalfehler, der Ihrer angesichts der sonst so klaren Beiträge unwürdig ist. Natürlich beschreiben Sie die Situation unserer Bundeswehr realistisch und ungeschönt, dass ist auch nicht mein Punkt. Allerdings glaube ich schon, dass Deutschland 2028 das Ziel erreichen wird, zwei Prozent des BIP in den Wehretat zu stecken. Da gibt es anhand des machtvollen Wirkens unseres Wirtschaftsministers durchaus eine zweite Möglichkeit, dieses Ziel in vier Jahren zu erreichen, ohne den Wehretat auch nur um einen Cent auszuweiten. Ob diese zweite „Lösung“ zur Erfüllung der Natoverpflichtung allerdings so wünschenswert ist, beurteilen wir vermutlich… Mehr

BK
10 Monate her

Wie in der Ukraine zu sehen, werden Kriege immer noch auf herkömmlichen Weg entschieden. Da nutzt selbst das intelligenteste Waffensystem nichts. Wenn der Gegner mehr Munition und Soldaten hat, dann ist der Krieg verloren. Abgesehen davon, sollte man sich nicht in einen Krieg hineinziehen lassen und es wie die Schweiz handhaben. Für so ein Land und seine friedenserhaltende Politik, kann dann auch jeder den Wehrdienst leisten.

Hinrich Mock
10 Monate her

Ein Verteidigungsminister, der im Bundestag wahrheitswidrig einem Oberst a.D. MdB sagt, er halte an der Duldungspflicht für eine dubiose und experimentelle Impfung fest, weil sie Ansteckungen verhindere, kann (auch angesichts der hervorragenden Kapazitäten der Bundeswehr im Bereich medizinischer Forschung) nicht mehr ernst genommen werden. Wo will denn so ein Irrlicht an der Spitze noch gewissenhafte Offiziere hernehmen? Die Wehrpflicht wieder aktivieren, mit Abermilliarden bei den Amerikanern einkaufen und Nichtstaatsbürger ausgerechnet an die Waffen zu rufen, das können auch andere, dazu braucht es nicht viel, ausser eben sehr viel Geld.

Berlindiesel
10 Monate her

Ich glaube, dass ganz Deutschland am Ende keinerlei Konzept für eine funktionierende Selbstverteidigung hat. Es wäre unfair, das nur auf die linken oder linksliberalen Parteien herunterzubrechen. Alle wissen, dass die Selbstverteidigungsfähigkeit dieser Nation nur dann überhaupt hergestellt werden kann (vielleicht das erste Mal wieder seit 1945) wenn es massive Einschnitte beim Sozialhaushalt und den konsumptiven Transferleistungen gibt. Auch der rechte Sektor (AfD) reagiert darauf nur mit einem eskapistischen Pazifismus oder Ausflüchten. Außerdem fehlt nach wie vor ein Konzept, wie eine deutsche Streitmacht überhaupt aufgestellt sein sollte, die in der Lage ist, das Land zu verteidigen. In den Beiträgen von Josef… Mehr

Lucius de Geer
10 Monate her
Antworten an  Berlindiesel

Was wollen Sie eigentlich hierzulande gegen wen „verteidigen“ unter Einsatz des eigenen Lebens (nicht anderer)? Das Recht ausgeplündert und als Ratte beschimpft zu werden? Um seine Grundrechte gebracht zu werden wie während der Corona-Nummer? Mir fällt dazu nichts ein. Die Gegner unserer Gesellschaft sind doch längst im Lande und es kommen täglich weitere in Bataillonsstärke hinzu. Der „Russe“, mit dem viele Deutsche wohl noch immer eine Rechnung offen haben (zur Klarstellung: bin selbst Flüchtlingskind und weiß, was die Rote Armee angerichtet hatte, nach dem die Wehrmacht sich ausgetobt hatte), der Russe also kann jederzeit mit dem Flixbus einreisen, die Uniform… Mehr

Berlindiesel
10 Monate her
Antworten an  Lucius de Geer

Ich verstehe nicht, warum sich so viele „rechte“ Deutsche (da Sie TE-Leser sind, gehe ich davon aus, dass Sie nicht links sind) damit so schwer tun, dass man als Soldat sein LAND und nicht ein System oder eine Regierung verteidigt. 90 % aller Wehrmachtssoldaten haben damals für Deutschland gekämpft, nicht für den „Führer“ so wie mein Vater, der mit den Nazis nie etwas anfangen konnte, und sich trotzdem sein Eisernes Kreuz an der Ostfront verdiente. Vielleicht ist es die postnationale Erziehung seit 1968. Sie haben völlig recht, dass die Russen, wenn die wollten, Deutschland mit drei betrunkenen Soldaten einnehmen könnten.… Mehr

November Man
10 Monate her

„Ab 2028 droht der Bundeswehr ein 56-Milliarden-Loch – pro Jahr!“
Da fragt sich der bescheidene Bürger wo die „100 Milliarden Sondervermögen“ hin gekommen sind?

Gernoht
10 Monate her
Antworten an  November Man

Das verdunstet irgendwie. Wie bei mir der klägliche Rest, den mir der Staat nach allen Abzügen gnädigerweise übrig läßt.

Haeretiker
10 Monate her

Pistorius prophezeit in ca. 5-8 Jahren einen großen Krieg gegen Russland. Gleichzeitig werden keinerlei Anstrengungen unternommen, um der Gefahr aus dem Osten irgendwie Widerstand entgegen zu setzen. Überfällt uns Putin nun oder nicht? Wenn man sich aber den Operationsplan Deutschland der Bundeswehr anschaut, dann lässt er nur zwei Schlüsse zu: man rüstet sich gegen die eigenen Bürger oder lässt alle Hoffnungen fahren und konzentriert sich nur noch auf Trümmerbeseitigung. D.h., mit einem Krieg ist zu rechnen, nur spielen in dem die Deutschen keine Rolle, denn es wir ein Krieg von privat organisierten Verbänden sein. Damit ist Putins Propaganda, die NATO… Mehr

cernunnos
10 Monate her

Es freut mich, dass meine Steuern die US-Rüstungsindustrie nähren. Davon ab: ein Volk gibt es nicht, Grenzen auch nicht, die werten Anführer finden das Land zum kotzen, aber ich soll mir die Rübe wegballern lassen? Wofür? Obendrein, sollten unsere äußerst vertrauenswürdigen und hochanständigen Anführer auf die Idee einer Mobilmachung kommen weil die Marsmännchen oder sonstwer anrückt. Nur zu, drückt uns Waffen in die Hand. Zu diesem Thema die letzte Zeit einige spannende Gespräche gehabt.

Lucius de Geer
10 Monate her

Der Autor weiß aber schon, dass die kostengünstigste und wirksamste Maßnahme gegen illegale Eindringlinge in der lückenlosen Kontrolle der Außengrenzen besteht, oder? Ganz ehrlich: Wenn der BW-Verein mit 50 Mrd. unfähig ist, auch nur sein vorhandenes, meist simples Material einsatzfähig zu halten, wie mag das wohl mit dem Doppelten sein? UNd wenn man partout so viel Geld verschwenden möchte, während Infrastruktur und Bildungssystem vor die Hunde gehen, warum überweist man es nicht gleich ohne den Umweg über die Bart und Bauch tragende bunte Beamtentruppe ans Ausland (USA, Ukraine, Polen usw.)?

fischer
10 Monate her

„Er hat sich bemüht“ Ist für einen Politiker doch ein super Zeugnis. Oder hatten Sie meßbare Erfolge erwartet ? Altgedienten Berufssoldaten stünden eigentlich für jede angekündigte und dann doch wieder versandete Reform eine Ordensspange zu.

Julischka
10 Monate her

Wir brauchen keine Munition! Man kann sich ja auch mit Pfeil und Bogen verteidigen! Hauptsache „KLIMANEUTRAL“!