10 Fragen und Antworten zu den Wahlen im Osten

Zehn Fragen und Antworten zu den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen.

Frank Bienewald/LightRocket via Getty Images

In Sachsen könnte es nach den letzten Umfragen sehr knapp für eine sogenannte Kenia-Koalition reichen: CDU, Grüne, SPD. In Brandenburg ist Rot-Rot-Grün am wahrscheinlichsten, geführt von der SPD. Dafür gäbe es eine sichere Mehrheit.

1. Welche Koalitionen sind in Sachsen und Brandenburg am wahrscheinlichsten?

Schwierig würde die Regierungsbildung in Sachsen, wenn es für Kenia nicht reicht. Denn die FDP – wenn sie einzieht – könnte zwar rechnerisch die Koalition verstärken und für eine Mehrheit sorgen. Praktisch wäre das allerdings eine Konstellation mit einer ähnlichen Sollbruchstelle wie in der neuen italienischen Regierung: die Grünen stehen in Sachsen sehr weit links, und unterscheiden sich kaum von der Linkspartei. Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow dagegen, auf den die Landespartei zugeschnitten ist, positioniert sich und seine Truppe deutlich rechts von der Bundespartei.
Eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei schließt die deutliche Mehrheit der sächsischen CDU aus.

2. Bleiben die bisherigen Ministerpräsidenten?

Ministerpräsident Dietmar Woidke hat trotz zu erwartender Verluste der SPD gute Chancen, wieder die Regierung zu führen. Sein Wahlkreis in Forst gilt als sicher. Sowohl die Grünen als auch die Linkspartei waren in Brandenburg schon Koalitionspartner der SPD. Rot-Rot-Grün wäre für keine der beteiligten Parteien eine Hürde. Eine personelle Alternative zu Woidke drängt sich nicht auf.

Anders in Sachsen: Dort hängt das politische Schicksal von Michael Kretschmer daran, dass er seinen Wahlkreis in Görlitz gewinnt. Viele CDU-Landespolitiker machten intern schon deutlich, dass sie ihn anderenfalls nicht mehr an der Spitze von Regierung und Partei akzeptieren würden. Angesichts der zu erwartenden massiven Stimmenverluste auf Landesebene will die CDU nicht noch eine Figur mit persönlichem Verlierer-Image an der Spitze. Der Wahlkreis ist für Kretschmer sehr unsicher: dort tritt der AfD-Politiker Sebastian Wippel gegen ihn an, der vor kurzem nur ganz knapp bei der Oberbürgermeisterwahl in Görlitz verlor – allerdings gegen eine Allparteien-Allianz, die im zweiten Wahlgang den CDU-Bewerber unterstützt hatte. Eine solche alle-gegen-die-AfD-Koalition existiert in dem Wahlkreis nicht.
Es gibt gleich zwei Kandidaten, die Kretschmer ersetzen könnten: Fraktionschef  Christian Hartmann, ein Vertreter des konservativen Parteiflügels, und Landtagspräsident Matthias Rößler.

Viele CDU-Parteimitglieder nehmen Kretschmer übel, dass er sich gut eine Woche vor der Wahl öffentlich von Ex-Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen distanzierte, der in Sachsen bis dahin erfolgreich Wahlkampf für die CDU machte. Rößler hatte Maaßen zu einer Veranstaltung eingeladen, und sich auch der Distanzierung nicht angeschlossen.

3. Gibt es eine Aussicht auf eine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD?

Nicht gleich nach dieser Wahl. In Brandenburg steht die CDU dazu viel zu weit links; ihr Landeschef Ingo Senftleben schloss noch nicht einmal eine Kooperation mit der Linkspartei aus. Zwischen konservativen sächsischen CDU-Politikern und gemäßigten AfD-Vertretern gibt es dagegen intensive informelle Kontakte, aus denen sich mittelfristig eine Zusammenarbeit ergeben könnte. „Ich habe grundsätzlich nichts gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD“, sagt etwa Sachsens Ex-Innenminister Heinz Eggert. „Wir brauchen in Sachsen konservative Mehrheiten.“ Aber bis es dazu kommen könne, müsse die AfD „erst man ihre Hausaufgaben machen“, so Eggert. „Solange Björn Höcke mit dem Spaten durch Thüringen zieht und versucht, den Führer wieder auszugraben, wird es keine Koalition geben.“

4. Könnte es eine Minderheitsregierung geben?

Der sächsische Politikwissenschaftler Werner Patzelt, prominentes Mitglied der Werte-Union, schlägt für Sachsen eine Minderheitsregierung der CDU mit wechselnden Mehrheiten vor. In der Konstellation würde die Partei weniger Gefahr laufen, ihr Profil zu verwässern, als im Bündnis mit zwei linken Parteien. Außerdem gebe es dadurch die Möglichkeit, die Kooperationsfähigkeit der AfD zu testen. Allerdings spricht ein massiver Druck des Adenauerhaus gegen diese Variante.

5. Welchen Einfluss haben die Wahlen auf das gesellschaftliche Klima in Sachsen, Brandenburg und in Deutschland?

Durch den Stimmenzuwachs wird der Einfluss der AfD auf vielen Ebenen steigen, etwa in den Rundfunkräten. In Sachsen kann die AfD möglicherweise mit ihrer Abgeordnetenzahl Untersuchungsausschüsse erzwingen. In Sachsen dürfte die Konfrontation nicht nur im Landtag härter werden, sondern im gesamten Land: im Freistaat gibt es eine Mitte-bis-Rechts-Wählermehrheit, die Landesregierung dürfte dagegen weiter nach links rücken.

6. Hält die Koalition in Berlin?

Fällt die SPD in Brandenburg hinter die AfD, und landet sie in Sachsen wie vorausgesagt nur knapp über 5 Prozent, dann wäre das der gewünschte Anlass für die mächtigen SPD-Linken, das Ende der Koalition zu fordern.

7. Welche Folge haben die Stimmenzuwächse der AfD für den zukünftigen Kurs der Partei?

Beide AfD-Spitzenkandidaten Jörg Urban (Sachsen) und Andreas Kalbitz (Brandenburg) gehören dem so genannten „Flügel“ an, dem rechtskonservativen Gegenstück zum gemäßigt-bürgerlichen Teil der Partei. Der Einfluss des „Flügels“ wird also steigen. Wahrscheinlich kandidiert Brandenburgs AfD-Chef Kalbitz für den demnächst freiwerdenden Parteivorsitz.

8. Welche Folgen haben die Verluste der CDU in Sachsen für die Union?

Das Abschneiden der Brandenburger CDU, traditionell schwach, wird in der CDU kaum zu Erschütterungen führen. Aber jedes CDU-Wahlergebnis  in Sachsen unter 30 Prozent schwächt die ohnehin extrem angeschlagene Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer noch weiter. Ihr kreiden viele konservative Mitglieder weit über Sachsen hinaus ihre Offensive gegen Maaßen als schweren strategischen Fehler an.
Vor allem in der Sachsen-CDU wird die Debatte Fahrt aufnehmen, ob es sinnvoll ist, eine Zusammenarbeit mit der AfD dauerhaft abzulehnen. Es ist auch zu erwarten, dass das Zerwürfnis zwischen Werte-Union und Parteiführung mit Blick auf die nächste Bundestagswahl noch tiefer wird  – und möglicherweise die Partei zerreißt.

9. Welche Folgen hat das Urteil gegen den Tagebau Jänschwalde für die Wahlen in Brandenburg?

Nach Versicherung der Betreibergesellschaft betrifft der Betriebsstopp nur den Tagebau. Der Weiterbetrieb des Kraftwerks Jänschwalde – und damit die Stromversorgung – ist dagegen mittelfristig gesichert. Da kaum ein Kohlebeschäftigter Grüne wählen dürfte, haben die Grünen keine Stimmenverluste durch das Urteil zu erwarten.

10. Was steckt hinter den Enthüllungen von SPIEGEL und ZDF über den sächsischen Spitzenkandidaten der AfD?

Heiße Luft. Die angebliche Enthüllung, Jörg Urban sei privat an einer Solaranlage beteiligt, ist keine – der Umstand war längst bekannt, ebenso wie Urbans politische Position, dass er die Energiewende ablehnt.


Merkel war nicht zu Wahlkampfauftritten nach Sachsen eingeladen worden. Sie kam nur am 31. August nach Leipzig – um die Ehrendoktorwürde der Handelshochschule in Empfang zu nehmen


Angela Merkel signiert in Leipzig eine Merkel-Karikatur

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Kommentare ( 4 )

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horrex
4 Jahre her

GRÜN bedeutet „klassischer Linksfaschismus“.
Das grüne Mäntelchen der Grünen ist nur Tarnung. Ist nur das Trojanisches Pferd mit dessen Hilfe der Feind sich Zugang zur Macht verschafft. –
Mehr und mehr „enthüllt“ sich (kriecht aus dem hölzernen Pferd) auch die Kanzlerin von der man gestern nichts hörte. – (Warum eigentlich nicht???)
Siehe auch Göring Eckhard gestern: https://www.achgut.com/artikel/gruene_wahlpartie_feiern_mit_goering_eckardt_und_die_partei_hat_immer_recht

beat126
4 Jahre her

Und eine Antwort, die auf ganz Deutschland bezogen ist. Nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in den Redaktionsstuben wird das Wort „Partei“ als Synonym für Politik und das Wort „Politik“ als Synonym für Demokratie missbraucht. Jeder der Lesen kann weiss aber, dass zu einer Demokratie auch die Justiz gehört. Wer sich einmal mehr mit der Rolle der Justiz befassen würde, käme zum Schluss, dass ein Gericht als höchste Macht des Staates definiert, mit dem allerletzten Wort und einem Verfügungsrecht, niemals eine Demokratie sein kann. In einer Demokratie hat der Souverän das letzte Wort. Entweder direkt oder durch gewählte Repräsentanten.… Mehr

DerElfer
4 Jahre her

Die ganze Perversität dieser Parteien-Landschaft in einem Satz: (Zitat) „im Freistaat gibt es eine Mitte-bis-Rechts-Wählermehrheit, die Landesregierung dürfte dagegen weiter nach links rücken.“

heinzB
4 Jahre her

gute Analyse von Tichys-Einblick..
Dass die Altparteien irgendwie eine Regierung zusammenstellen werden nach der Wahl,ist sicher..
Diese unterscheiden sich ja kaum noch..
Interessant wird es sein,wenn Kretschmer kein Direktmandat bekommt,was ich für wahrscheinlich halte..
Dies wäre der GAU und Kretschmer könnte dann wohl kaum noch eine neue Regierung bilden