Zwei von drei Türken in Deutschland stimmen für Recep Erdogan

Nationale Wahlen in der Türkei sind längst zu einer Art 17. Landtagswahl in Deutschland geworden. Nur, dass hier ein Rechtsextremer gewinnt – aber die üblichen Betroffenen deutlich leiser heulen als nach Erfolgen der AfD.

IMAGO / localpic
Wahllokal für in Deutschland lebende Türken auf dem Messegelände Hannover

Recep Tayyip Erdogan hat es nicht so mit der Meinungsfreiheit. Er lässt Bürger, vor allem Journalisten, einsperren, wenn sie etwas schreiben, das ihm nicht gefällt. Sogar, wenn sie in der Türkei nur zu Besuch sind. Selbst wenn sie den Beitrag nur in einem sozialen Netzwerk veröffentlicht haben. Kurzum: Er macht Dinge, von denen Linke, SPD, Grüne, FDP und CDU der AfD unterstellen, sie würde sie beabsichtigen. Doch während sie die Oppositionspartei bashen, sind sie im Umgang mit Erdogans Anhängern milder.

So war es 2018, als Erdogan seine Mehrheit auf die Stimmen der Deutschtürken stützen konnte, die ihn stärker unterstützt haben als ihre Landsleute in der Türkei. So ist es dieses Mal wieder. Bild zitiert einen Bericht des Senders CNN Türk: Demnach haben 65,4 Prozent der in Deutschland lebenden Türken Erdogan gewählt, und 32,6 Prozent seinen stärksten Herausforderer Kemal Kilicdaroglu. Insgesamt liegen die beiden derzeit etwa bei 49 zu 44 Prozent. Das heißt: Deutschland ist die Hochburg eines Gegners der Meinungsfreiheit. Auch in Österreich hat Erdogan ein überdurchschnittlich gutes Ergebnis geholt.

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Die türkische Wahl in Deutschland ist in ihrer Bedeutung nicht zu überschätzen. 1,5 Millionen in der Türkei Wahlberechtigte leben in Deutschland. Zwei von Dreien haben ein Herz oder zumindest eine Stimme für Erdogan. 1,5 Millionen Menschen sind mehr als drei Mal so viele, wie in Bremen wahlberechtigt waren, etwas mehr als in Mecklenburg-Vorpommern und etwas weniger als in Rheinland-Pfalz. Zwei von Dreien wählen radikal. Während Grüne und SPD einer ganzen „Kampf gegen Rechts“-Industrie mit Steuergeld zu einem Auskommen verhelfen, fehlt es an Programmen, um diese radikalen Wähler anzusprechen. An Willen fehlt es auch.

Geht es um konservative deutsche Parteien, gibt es von ARD, ZDF und ideologisch verwandten Zeitungen gerne mal Schelte für die Wähler. So kanzelte ARD-Aktivistin Tina Hassel am Sonntag die Wähler der „Bürger in Wut“ als „überfordert und verunsichert“ ab. Im Umgang mit Erdogan-Wählern sind deutsche Journalisten deutlich nachsichtiger, ebenso wie Politiker von Linke bis CDU. Als vor fünf Jahren Erdogan ebenfalls unter den Deutschtürken gewann, betonten sie die hohe Zahl der Nichtwähler und spekulierten, dass die alle zuhause geblieben seien, um ein Zeichen gegen Erdogan zu setzen. Auch dieses Mal dürften sie wieder phantasiereich in der Schuldzuweisung sein. Die Deutschtürken werden Erdogan gewählt haben, wegen des Klimas, der fehlenden Integrationskultur in Deutschland, also kurz: Alle werden schuld sein an der Erdogan-Wahl, nur nicht die Erdogan-Wähler.

Der Verlauf dieser 17. Landtagswahl in Deutschland ist bedenklich. Der Gesetzgeber macht bei deutschen Wahlen große Auflagen zur Transparenz. Der Bundes- und die Landeswahlleiter müssen alle Daten penibel genau veröffentlichen – seit der Verbreitung des Internets sind sie für alle jederzeit zugänglich. Offizielle Informationen über die türkische Wahl zu bekommen, ist deutlich schwerer. Die türkische Gemeinde informiert auf ihrer Internetseite, welche Zuschüsse sie bekommt und welche Projekte sie damit ins Leben ruft. Auf der Seite der Türkischen Botschaft Berlin finden sich keine Angaben zur Wahl, sodass die Deutschen auf die Informationen aus der Türkei angewiesen sind über eine Wahl, die in Deutschland stattgefunden hat – und größer als die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern ist.

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Kommentare ( 56 )

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Alliban
11 Monate her

Ich halte es für moralisch verwerflich, wenn im Ausland lebende Türken, die meist noch einigermaßen sozial abgesichert sind, signifikanten Einfluss auf die türkische Politik haben, die die „inländischen“ Türken ausbaden müssen. Kann mir aber egal sein, das ist ein Problem der Türken.

LiKoDe
11 Monate her

Einige Probleme für Deutschland begannen vor 60 Jahren mit der Ansiedlung türkischer Kontraktarbeiter und deren Familien sowie dann mit arabischen Kontraktarbeitern und deren Familien, denn gleichzeitig damit wurden massenhaft islamische Bethäuser [heute mehr als 2600] gegründet sowie kleine, mittlere und grosse Moscheen [heute mehr als 200] gebaut. Mit der Gründung der Organisation für Islamische Zusammenarbeit [OIC] 1969 wurde der Islam ja schliesslich auch in Deutschland systematisch verbreitet. Aus Unverständnis, Opportunismus und blanker Dummheit setzte/setzt man seitens deutscher Regierungen als auch seitens der Parteien, Kirchen, Medien … dem nicht nur nichts entgegen, sondern förderte/fördert das auch noch sehr massiv [‘Wir schaffen… Mehr

Hans Nase
11 Monate her

Wenn man sich die allumfassende links-grün-LGBTQ+-Propaganda vergegenwärtigt, der man auch als Türke in D hilflos ausgesetzt ist, da erscheint es mir nicht verwunderlich, daß man bei einer Wahl das Gegenteil dessen wählt.
Denn während man in D – außer bei der Wahl der AfD – nur links-grün wählen kann, so steht Erdogan für die Möglichkeit, diesen Wahnsinn nicht zu wählen.
Und wer hats möglich gemacht? Natürlich rot/grün mit ihrer Idiotie der doppelten Staatsbürgerschaft. Und Merkel wollte das entgegen des CDU-Parteitagsbeschlusses auch nicht abschaffen.

MarkusF
11 Monate her

Die ‚doppelte Staatsbürgerschaft‘ machts möglich. Hier im deutschen Sozialsystem wie die Made im Speck leben und sich bloß nicht integrieren. Zuhause Nationalismus und Islamismus wählen.
Das habt ihr wirklich toll gemacht mit der doppelten Staatsbürgerschaft.

Franz O
11 Monate her

Gestern Abend noch im Radio gehört:
Die türkische Opposition argumentiert nicht von den Medien in der Türkei entsprechend vertreten worden zu sein. Auch wäre die AKP zu positiv von den türkischen Medien worden und die Opposition zu negativ porträtiert worden.
…Man kann es sich nicht ausdenken.

Metric
11 Monate her

Es ist doch sonnenklar, dass die Erdogan-Wähler*innen ein Zeichen gegen den antimuslimischen Rassismus in Schland setzen wollten! Die AfD ist schuld, was denn sonst?? (Muss ich jetzt „Vorsicht Ironie“ dazuschreiben? Der ÖR aber wird mit genau dieser Deutung um die Ecke kommen, wetten?)

MichaelR
11 Monate her

1,5 Millionen Wahlberechtigte in D ist richtig, doch von denen sind gerade einmal die Hälfte wählen gegangen. Eine Erdogan-Hochburg ist D also ganz sicher nicht; die Zeit ist vorbei.

Spyderco
11 Monate her

Vielleicht sehen die hier lebenden Türken,wohin links-woke Politik in D führt und wollen das für die Türkei auf keinen Fall?!

ketzerlehrling
11 Monate her

Das wundert mich nicht. Er verfolgt eine Politik gegen Europa und Deutschland die ihnen zugute kommt und Deutschland und Europa massiv schädigt. Die Grünen hier im Land sind auf dank Türken und anderen Asozialisierten auf dem Vormarsch und auch sie begünstigen diesen sog. Kulturkreis.

IJ
11 Monate her

Die doppelte Staatsangehörigkeit ist und bleibt ein schwerer Fehler in mehrfacher Hinsicht. Sie führt im vorliegenden Fall zu einer nicht zu rechtfertigenden Diskriminierung sowohl der Deutschen als auch der Türken mit nur einer Staatsangehörigkeit. Denn die sog. Deutschtürken haben das durch nichts zu rechtfertigende Sonderrecht, bei zwei Regierungswahlen ihre Stimme abzugeben. Während bei der Steuer das Wohnsitzlandprinzip gilt und der Steuerpflichtige sinnvollerweise nur im Land seines Hauptwohnsitzes Steuern zu entrichten hat, gilt dies bei der Wahlberechtigung nicht. Ich plädiere dafür – in Analogie zu den internationalen Doppelbesteuerungsabkommen – das Wohnsitzprinzip auch bei doppelten und mehrfachen Staatsangehörigkeiten anzuwenden. Das grundlegende Demokratieprinzip… Mehr

puke_on_IM-ERIKA
11 Monate her
Antworten an  IJ

Genau: wer glaubt, zwei Staatsangehörigkeiten zu benötigen, soll auch in beiden Staaten steuerpflichtig sein!