Drohnen aller Art werden zur wachsenden Gefahr für Flughäfen. Doch Deutschland steckt bei der Abwehr im Technik-, Zuständigkeits- und Bürokratiechaos fest. Die kritische Infrastruktur ist verwundbar wie selten zuvor.
picture alliance/dpa | Jan Woitas
Unbemannte Fluggeräte bedrohen die kritische Infrastruktur. Insbesondere für Flughäfen ist das Risiko inzwischen drastisch gestiegen. Zugleich zeigen sich grundlegende Defizite bei der Frage wirksamer Abwehrmaßnahmen. Der Blick auf Hintergründe, Gefahrenpotenziale und den aktuellen Zustand in Deutschland belegt den dringenden Handlungsbedarf.
Drohnen als reales Risiko für Flughäfen und kritische Infrastruktur
Drohnen gelten längst nicht mehr nur als Spielzeug oder Freizeitgerät – sie werden zunehmend als Instrumente der Spionage, Überwachung und möglichen Sabotage genutzt. Laut dem Fachmagazin „Global Network and Intelligence“ werden sie „zu gezielten Aufklärungs- und Überwachungsoperationen, wie auch zu Sabotageakten eingesetzt“. Allein an militärischen Liegenschaften wurden in wenigen Monaten „500 Überflüge“ registriert.
Aus naheliegenden Gründen stellen Flughäfen attraktive Ziele dar: Sie zählen zur kritischen Infrastruktur (KRITIS), sind von zentraler Bedeutung für den öffentlichen Verkehr, für die Wirtschaft und nicht zuletzt für die Sicherheit von Fluggästen. Zugleich liegen sie auf dem Präsentierteller und sind kaum komplett abschirmbar.
Vorliegende Zahlen belegen auch in Deutschland eine alarmierende Entwicklung: Laut Angaben der Deutsche Flugsicherung (DFS) wurden bis Ende August 2025 bereits 144 Vorfälle mit Drohnen an deutschen Flughäfen registriert – gegenüber 113 im Vorjahreszeitraum und 99 in 2023. Allein am internationalen Drehkreuz Frankfurt am Main waren es nach t-online.de bis dato 35 Behinderungen. Einige dieser Vorfälle wecken den Verdacht gezielter Aktionen – etwa im Rahmen hybrider Bedrohungen.
Warum Flughäfen besonders gefährdet sind
Mehrere Faktoren machen Flughäfen zu ausgesprochen verletzlichen Stellen:
- Offener Raum und hohe Verkehrsdichte: Start- und Landebahnen sind großflächig, der Luftraum rund um Verkehrsflughäfen ist stark frequentiert. Drohnen stehen dem Sicherheitsinteresse diametral entgegen, sie können den Flugbetrieb lahmlegen und Ausweichbewegungen oder Vollsperrungen erzwingen.
- Folgen von Störungen: Ein Drohnenvorfall kann durch Flugausfälle, Umleitungen und Sicherheitsmaßnahmen erhebliche wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen.
- Schwierige Abwehr: Drohnen – insbesondere kleine Modelle – sind mit hoher Fluggeschwindigkeit kaum zu entdecken, ihr Steuerort ist häufig nicht zu ermitteln. Zudem gelten militärische Abwehrmaßnahmen (z. B. Abschuss) über zivilen Flughäfen als problematisch.
- Hybride Angriffsmöglichkeiten inklusive: Drahtlose Steuerung, rasche Verlegbarkeit ohne Spuren zu hinterlassen und oftmals schwer nachvollziehbar – kleine unbemannte Fluggeräte eignen sich für asymmetrische Bedrohungen gegen Infrastrukturziele.
Stand der Abwehr in Deutschland – großer Nachholbedarf
Obwohl die Gefährdung lange erkannt ist, ist die Ausstattung mit adäquaten Mitteln zur Drohnenabwehr völlig unzureichend. Deutschland steht vor erheblichen technischen, organisatorischen und rechtlichen Hürden:
Es fehlen flächendeckend geeignete Systeme zur Detektion (Radar, Funk/Signal-Analyse, optische Sensoren) und Bekämpfung (Störsender, Netze, Abschuss, elektronische Übernahme). Der rechtliche Rahmen für Abwehrmaßnahmen wie das Abschießen von Drohnen über ziviler Infrastruktur ist bislang nicht geklärt.
Flughäfen fordern verständlicherweise, dass Schutzmaßnahmen als hoheitliche Aufgabe verstanden, vom Staat getragen und nicht einzelnen Betreibern aufgebürdet werden.
Obwohl bereits in der Ampel-Regierung der dringende Handlungsbedarf erkannt wurde, besteht nach wie vor ein zentraler Engpass: Es ist noch nicht mal klar geregelt, wer in Deutschland genau zuständig ist, wann welche Behörde oder welche Einheit einzuschreiten hat.
Laut Bundesinnenministerium sind Zuständigkeiten „nach wie vor nicht klar“ – wer entscheidet und wer handelt bei Drohnensichtung über einem Flughafen? Polizei, Bundespolizei, Bundeswehr, Flughafenbetreiber, Luftaufsichtsbehörden – die Rollen sind teilweise überlappend. Landes- bzw. Bundeskompetenzen laufen in unserem föderalen Rechtstaatsdickicht ineinander.
Rechtlich wirksam Abwehrmaßnahmen einzuleiten, erfordert aber klare Entscheidungs- und Eingriffsbefugnisse – insbesondere dann, wenn es um Abschüsse oder elektronische Übernahmen der Fluggeräte geht.
Weitgehend wehrlos
Kaum zu glauben, aber in Konsequenz dieser Unzulänglichkeiten sind insbesondere Flughäfen derzeit nahezu wehrlos: Meldungen über Sichtungen und Zwischenfälle nehmen zu, aber wirksame Abwehrmaßnahmen sind selten bzw. kommen zu spät. Sicherheitsstellen müssen zunächst entscheiden, ob Handeln erforderlich ist und wenn ja, durch wen – in der Zeit kann aber bereits ein Schaden eingetreten sein.
In der Regel gelingt keine Rückverfolgung: Wer steuert mit welcher Absicht? Eine Abschreckung durch sofortiges Eingreifen oder gar Bekämpfung der Geräte ist daher kaum gegeben.
Jedenfalls verdeutlicht ein Blick auf mögliche weitergehende Bedrohungsszenarien den Handlungsbedarf: Größere Drohnen könnten mit Sprengstoff oder anderen gefährlichen Nutzlasten nicht nur über Flughafenarealen massive Schäden anrichten. Bei einer Kombination mit anderen hybriden Angriffsmitteln wie Cyberattacken oder Störungen des Funkverkehrs drohen Krisenszenarien, die an die Substanz gehen können.
Warum Deutschland – mal wieder – länger braucht
Was sind die Gründe, weshalb Deutschland bei der zivilen Drohnenabwehr nicht auf Augenhöhe ist (im militärischen Bereich sieht es aus weiteren Gründen ähnlich aus, doch dies bedarf einer eigenen Betrachtung)?
Da wäre zum einen die technische Vielfalt & rasche Entwicklung: Drohnenmodelle werden kleiner, günstiger, digitaler – Gegenmaßnahmen kommen nur schwer hinterher, Angreifer sind den Verteidigern regelmäßig einen Schritt voraus.
Ein ganz anderes Problem ergibt sich aus der unübersichtlichen Rechts- und Zuständigkeitslage: Eingriffe in den Luftraum über zivilen Infrastrukturen sind heikel: Eigentumsrecht, Haftung bei Abschuss, oder Einschränkungen durch das Luftrecht sind bekannte Hemmnisse.
Daran anschließend schwächelt es auch bei der Koordination zwischen Bund, Land und Kommunen: Flughäfen liegen oft in der Zuständigkeit von Ländern und Kommunen, der Bund ist für die Luftaufsicht zuständig. Abstimmungs- und Finanzierungsfragen können Bürokraten lange beschäftigen.
Auch Finanzierung und Prioritätensetzung erscheinen problembehaftet. Erwerb und Betrieb von Detektions- und Abwehrsystemen gehen ins Geld – und stehen in Konkurrenz zu anderen Sicherheitsaufgaben.
Die Abwehrmöglichkeiten stecken im politischen und bürokratischen Dickicht fest
Um all dies zu beheben, ist ein Maßnahmenpaket erforderlich. Zuerst einmal sollten klare Zuständigkeiten geschaffen werden: Auf Bundes- und Länderebene muss eindeutig geregelt sein, wer bei einem Drohneneinsatz aktiv wird – Polizei, Bundespolizei, Bundeswehr oder spezielle Einheiten.
Der rechtlichen Rahmen gehört modernisiert. Gesetzliche Befugnisse für Detektion, Störung, Übernahme und ggf. Abschuss von Drohnen über zivilen Flughäfen müssen geregelt, Haftungs- und Verfahrensfragen geklärt werden.
Sodann müssen Detektionssysteme (Radar, Funkerkennung, optische Sensoren) angeschafft werden, insbesondere in Flughafennähe, gekoppelt mit Abwehr-Optionen wie Störsender, ggf. Netzeinsatz oder greifende Systeme einschließlich Schusswaffen. Dabei sollten sich die Länderpolizeien auf lokale und regionale Gefahren konzentrieren, der überregionale Schutz aber in den Händen der Bundeswehr liegen.
Ebenso braucht es Frühwarnsysteme und Lagezentren: Ein ressortübergreifendes Lagezentrum zur Drohnenabwehr (z.B. zwischen Verkehrs-, Innen- und dem Verteidigungsressort) kann enorme Vorteile bringen. Nicht nur der Freistaat Bayern hat die Dringlichkeit der Aufgabe erkannt und prescht mit eigenen Aktivitäten vor.
Wie bei der Feuerwehr auch macht Übung den Meister: Szenarien sind durchzuspielen, die Schnittstellen zwischen Flughafen, Polizei, Bundeswehr und Luftaufsicht festzulegen und Einsatzkräfte zu schulen.
Und schließlich muss über die Verteilung der Kosten gesprochen werden. Flughäfen sollten nicht allein durch eigene Mittel erforderliche Schutzmaßnahmen finanzieren müssen. Hier geht es um hoheitliche Aufgaben. Bundesinnenminister Alexander Dobrindts Forderung, die Industrie werde sich künftig „stärker rüsten müssen“, kann so einseitig nicht funktionieren.
Die Bedrohung nimmt zu
Die Bedrohung kritischer Infrastruktur, insbesondere von Flughäfen durch unbemannte Fluggeräte ist real und nimmt weiter zu. Sobald Angriffe etwa mit großen Drohnen erfolgen, ist das Potenzial für Betriebsstörungen mit erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen oder gar großen Sach- und Personenschäden erheblich.
Deutschland darf nicht länger darauf setzen, dass „nur Spielzeug-Drohnen“ über Flughäfen fliegen und schon „nichts passiert“. Es ist endlich konsequent zu handeln: Abgesehen vom Gesetzgeber sind auch Infrastrukturbetreiber, Sicherheitsbehörden und die Wirtschaft insgesamt gefordert. Gelingen hier keine Fortschritte, käme dies einer Einladung zu Störung und Sabotage gleich. Kritische Infrastruktur muss gegen die Bedrohung durch Drohnen gerüstet werden.

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„Unbemannte Fluggeräte bedrohen die kritische Infrastruktur … Allein am internationalen Drehkreuz Frankfurt am Main waren es nach t-online.de (echt jetzt?!?) bis dato 35 Behinderungen. … Die Bedrohung kritischer Infrastruktur, insbesondere von Flughäfen durch unbemannte Fluggeräte ist real und nimmt weiter zu. …“ Und so weiter und so fort. Belege??? Fehlanzeige!!! Recherche??? Kein Hinweis darauf, dass bis dato keine Drohne „dingfest“ gemacht wurde. Meine Auffassung: Die Bedrohung ist genauso gegenstandslos wie während der vermeintlichen Corona-Pandemie. Hätte ich ein MSM-Blatt wie die FAZ, würde ich mich vermutlich gut informiert fühlen. An TE habe ich deutlich höhere Anforderungen.
Ein interessanter Artikel! Danke für die objektive Berichtserstattung Herr General. Ich bin selber „Modellflugzeug“-bauer und es ist seit jeher Usus, dass unsere Modelle (Flugzeuge u. Hubschrauber) NUR auf zugelassenes Terrain (eigener Boden u. ausgewiesene Modellflugplätze (<FL1=100ft/30m) fliegen dürfen. Scheinbar sieht es jedoch so aus, dass die "Drohnen" inzwischen so ziemlich überall "rumsurren", wie es Jedem "Honk" passt… Die rechtliche Situation ist also schon längst seit Jahrzehnten reguliert und muss einfach NUR umgesetzt werden! Die Zeit (50-60er) der "Acker-,Wald u. Wiesenflieger" ist schon lange vorbei. Wer "Illegal fliegt" wird strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Diese "Figuren" sind auch eine Schande und Rufschädigung… Mehr
Da macht sich wieder einmal staatliche Panik- und Verbotspropaganda auf Tichy breit. Überall ist von „Drohnensichtungen“ die Rede, aber es gibt keinerlei Beweise, dass dies mit Angriffen irgendeiner Art zu tun hat noch ist überhaupt klar, ob die Drohnenaktivität zugenommen hat oder nur mehr dieser Sichtungen gemeldet werden. Es gibt überhaupt bemerkenswert wenig Informationen zu dieser angeblich großen Gefahr. Wie groß sind die Drohnen? Was sollten Drohnenüberflüge überhaupt bewirken? Kleine Drohnen stellen für große Flugzeuge keine Gefahr dar, und Spionage auf Flughäfen ist lächerlich. Fliegen die Drohnen nur in erlaubten Zonen um den Flughafen oder geht es um Eindringen in… Mehr
Wer sagt mir, dass es nicht Steimeiers „intelligente Tools“ sind, um uns „so zu steuern, das nicht das Schlechteste, sondern das Beste aus dem Menschen herauskommt“ ?
Sollte das, wie Kommentator MKF schrieb, zutreffen, daß das Update die kritische Infrastruktur ausgenommen hat, ließe das nur einen Schluss zu: (chinesische) Drohnen für den Privatgebrauch verbieten. Klar, das damit verbrecherisches Vorgehen nicht komplett verhindert wird. Aber der Gebrauch „mal eben“ neben den Flughafen wird zumindest erschwert. Alternativ Verkauf nur mit eingebautem, nicht abschaltbaren Tracker!?
„verbieten“ ist keine Lösung, weil damit ALLE ernsthaften Modellflieger in einem Topf geworfen werden, denn auch Modellhubschrauber u. -Flugzeuge gehören dazu.
Das hysterische, antirussische Gedöns ist eine Einladung für Chaoten aller Art. Egal, ob anonyme Anrufer, die an die unzähligen Bombendroher um 1970 herum erinnern oder Leute, die mit ihrem Spielzeug in Flughafennähe nerven. Jeder Chaot erreicht sein gewünschtes Ziel. Dummland ist halt Dummland.
„Und? Sind diese Drohnen, die Sie immer sehen, jetzt – in diesem Moment – auch da?“ 🤣🤣🤣
Herzlichen Glückwunsch an den Chef…
Geschätzter Herr Tichy,, Ihnen alles erdenklich Gute zu ihrem runden 70. Geburtstag. Bleiben Sie gesund und munter und so wie Sie sind. Wir brauchen sie. Wir brauchen Sie und ihre Redaktion, die Stimme der Vernunft.
Drohnensichtungen noch und nöcher, aber nie wen geschnappt?
Das Geschwätz über hybride Angriffe (ohne Schäden) gehört wohl zur Kriegspropaganda.
oh ja, es gab ja auch vorher schon andere Formen der Flughafensabotage