Die EU scheitert an der Nutzung russischen Vermögens – vorerst

Der groß angekündigte Plan der EU-Spitze zur Finanzierung der Ukraine mit russischem Vermögen dürfte doch nicht zu realisieren sein. Es gibt juristische Bedenken gegen die Enteignung. Deutsche Wirtschaftsvertreter warnen vor den Folgen.

picture alliance / Wiktor Dabkowski | Wiktor Dabkowski

Die Europäische Union kommt in der Frage, ob eingefrorene russische Vermögen für die Unterstützung der Ukraine genutzt werden sollen, kaum voran. Nach stundenlangen Beratungen beim aktuellen EU-Gipfel in Brüssel blieb am Ende nur ein Minimalkompromiss: Die Kommission soll „Optionen prüfen“, wie finanzielle Hilfe für Kiew künftig aussehen könnte – mehr nicht.

Dabei hatten vor allem Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf eine rasche Entscheidung gedrängt. Von der Leyen schlug vor, 140 Milliarden Euro an russischen Zentralbankgeldern, die überwiegend in Belgien liegen, als Sicherheit für Kredite an die Ukraine zu verwenden. Russland sollte erst dann wieder Zugriff erhalten, wenn es Reparationen für die Kriegsfolgen zahlt.

Belgiens Premier warnt vor großen Risiken

Doch Belgien bremste – aus guten Gründen: Premierminister Bart De Wever warnte vor massiven rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken: Sollte Russland mit Gegenmaßnahmen reagieren oder Klagen einreichen, könnte Belgien als Verwahrstaat der Vermögen allein haften. Auch andere EU-Staaten äußerten stillschweigend ähnliche Bedenken, wenngleich sie das öffentlich kaum zugaben, berichtet n-tv aus Brüssel.

Juristen warnen, dass eine Enteignung staatlicher Vermögen ohne rechtliche Grundlage gegen internationales Recht verstoßen könnte. Ein solcher Schritt würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, mit Folgen weit über Russland hinaus. Wer würde künftig noch Devisenreserven in Europa lagern, wenn politische Entscheidungen den Zugriff darauf gefährden können?

Auch deutsche Wirtschaftsvertreter schlagen Alarm. „Deutschland hat wie kein anderes Land in Russland investiert“, sagte Matthias Schepp, Vorsitzender der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer. Mehr als 100 Milliarden Euro an Unternehmenswerten seien bereits gefährdet: „Wenn russische Gelder beschlagnahmt werden, drohen Vergeltungsmaßnahmen gegen deutsche Firmenvermögen in Russland.“

Selenskyj drängt auf Beschluss

Während Bundeskanzler Merz das Vorhaben weiterhin unterstützt, spricht man in Berlin zunehmend von einem Balanceakt zwischen Solidarität und Rechtsstaatlichkeit. Die politische Symbolik, Russland zahlen zu lassen, steht gegen die Sorge, dass die EU mit ihrer Maßnahme wirtschaftliches Vertrauen verspielt.

Ungarn blieb dem Beschluss weiter fern – Premier Viktor Orbán reiste spät an und verweigerte erneut die Zustimmung. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj drängte die EU zu mehr Entschlossenheit: Wer die Entscheidung verzögere, schwäche nicht nur die Ukraine, sondern auch Europas Glaubwürdigkeit.

Am Ende steht Brüssel nun wieder dort, wo die Debatte begann: zwischen politischem Willen und juristischer Realität.

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Kommentare ( 42 )

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42 Comments
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Edwin
1 Monat her

Ach Gott gibt es doch noch ein paar in Deutschland, die alle Tassen im Schrank haben. Bei den politischen Entscheidungsträgern in Deutschland und der EU scheint das nicht der Fall zu sein. Eine (ehemalige) Exportnation hat natürlich Geld und Werte über Investitionen in Russland gelagert bzw. sind dort vorhanden. Und wenn Deutschland und die EU russisches Geld und Vermögenswerte in Deutschland und Europa konfisziert, dann macht Russland dasselbe. Wie dumm muß man sein? Der Ukraine ist das natürlich Wurscht, weil es sich ja nicht um ihr Geld und Vermögen handelt und selbst keines in Russland hat. Das ganze macht einen… Mehr

Ron
1 Monat her

Quasi alle Vorredner hier haben das Problem erkannt und benannt. Allerdings würde diese Enteignung nicht nur mangelndes Vertrauen in die EU sondern auch sofortiges abziehen aller Einlagen bedeuten. Nicht nur weil die kleinen Sparer ihr Geld abheben wollen. Das internationale Geld ist ängstlich und flüchtig wie der sprichwörtliche Hase. Kurzum: wenn die EU das durchzieht, sind am nächsten Tag alle Banken, Geldautomaten zu. Geschlossen. Auch die Euroclear Filiale in Hong Kong wäre wahrscheinlich als Gegenreaktion der BRICS umgehend beschlagnahmt, bzw. geschlossen. Kurzum, wir alle hätten kein Geld mehr verfügbar. Außer man hat ein wenig Bargeld in der Schatulle. Achja, das… Mehr

Memphrite
1 Monat her

Wirtschaftlich steht die kurz vor dem Abgrund bzw. die Wirtschaft (Inflations- und von all den schönen statistischen Tricks bereinigt) schrumpft. Keine Rohstoffe und im „kalten“ Krieg mit fast allen BRICS Ländern. Das einzige was wächst sind die Schulden und die Arroganz der unbeliebten Oligarchenpuppen, genannt Staats-, Regierungs- und Kommissionschefs. Also wie kann man nun da Trump kein Geld für die Ukraine übrig hat, die jährlich ca. 140-200 Mrd. EUR für den Unterhalt und Bewaffnung der Ukraine auftreiben? Na klar in dem man das Geld der anderen raubt. Was die EU Staaten mit ihren Bürgern machen, das lässt sich doch auch… Mehr

jwe
1 Monat her

Irgend wann wird der Krieg Ukraine – Russland mal vorbei sein. Irgend wann wird die EU auf Rohstoffe wie auch seltene Erden aus Russland angewiesen sein. Wie will man dann mit den Russen zukünftig leben? Träumt die EU noch immer, die Ukraine gewinnt den Krieg und Russland wird zerschlagen? Nicht die Ukraine wird der große des Krieges mit Russland sein, sondern die EU. Sie tut alles, damit kein Frieden kommt. Ich wage zu behaupten das die EU und die Länder der EU irgend wann gegenüber den Russen ganz kleine Brötchen backen müssen. Die EU ist Trump egal und Putin noch… Mehr

Donostia
1 Monat her

Wer würde künftig noch Devisenreserven in Europa lagern, wenn politische Entscheidungen den Zugriff darauf gefährden können?
Genau das ist der Grund, warum alle Zentralbanken keine $ oder € mehr haben wollen und in Gold investieren, dass bei Ihnen Zuhause eingelagert wird. Wer möchte sich in solchen Zeiten von den Devisen anderer Länder abhängig machen. Mit der anstehenden Inflation wird dieses Geld immer weniger wert, was man am Goldpreis deutlich ablesen kann.

yeager
1 Monat her

Das war doch alles absehbar als die Debatte um die Einziehung russischer Vermögenswerte losgetreten wurde. Da haben sich ein paar Leute groß inszeniert mit der Forderung solcher Maßnahmen, und nun ist nur noch die Frage wie groß der Scherbenhaufen noch werden soll, ob wir die unselige Debatte still und leise im Sand versickern lassen (wobei man dann auch Selenskyj klarmachen muss, dass er besser die Klappe hält), oder ob wir uns selbst in den Fuß schießen, indem wir der Welt klarmachen, dass Geldanlagen in der EU nach Lust und Laune eingezogen werden können. Diejenigen die sich mit den Forderungen profiliert… Mehr

Tesla
1 Monat her

Neue Prüfungsaufgabe in den Schulen: „Aus wie vielen Nullen besteht eine Billion, und benennen Sie diese bitte mit Namen!“

Buck Fiden
1 Monat her
Antworten an  Tesla

Die Frage müsste lauten: Wie viele Nullen entscheiden über eine Billion!

Der Person
1 Monat her

„Die EU scheitert an der Nutzung russischen Vermögens – vorerst“

Dafür gelang vor kurzem den Louvre-Einrechern die Nutzung französischen Vermögens.

Kaesebroetchen
1 Monat her

Unerlaubte „Nutzung“ eines fremden Vermögens ist klassische Gaunersprache. Es geht um Diebstahl, nichts anderes!

Privat
1 Monat her
Antworten an  Kaesebroetchen

In dem Fall ist die russische Regierung in der Lage, europäische vermögen die in Russland greifbar sind zu beschlagnahmen.
Es soll sich um ca. 1 Billion Euro handeln, die Russland im schlimmsten Fall beschlagnahmen wird.
Die Dummheit ist in der EU überall zu finden.

Marco Mahlmann
1 Monat her

Brüssel steht nicht zwischen politischem Willen und juristischer Realität. Brüssels politischer Wille ist illegal.
Das Hindernis auf dem Weg zu Frieden und Freiheit und Wohlstand ist nicht Putin. Die EU und Selenskyj stehen im Weg.