Hohe Zinsen lassen Auto-Absatz einbrechen

Die Geldpolitik der EZB zeigt Wirkung auf dem Automobilmarkt: Hohe Zinsen halten viele Kunden vom Autokauf ab, auch wegen der gestiegenen Finanzierungskosten. Die Werkstätten profitieren dagegen von der Kaufzurückhaltung.

IMAGO / Rupert Oberhäuser

In Zeiten hoher oder sogar zunehmender Inflationsraten wollen Notenbanken mit einer verschärften Zinspolitik der Inflationsmentalität in der Gesellschaft entgegenwirken und den Inflationstrend brechen. In den zurückliegenden Jahrzehnten hat das bei der Bundesbank immer funktioniert. Funktioniert das auch bei der Europäischen Zentralbank (EZB)? Zumindest am Automarkt ist der EZB das nachweislich gelungen. Bei Nahrungsmitteln noch nicht, doch das ist hier nicht das Thema.

Jüngst veröffentliche Verbraucherumfragen (Meinungsforschungsinstituts CIVEY, Automobilwoche) belegen, dass die Hochzinspolitik der EZB Wirkung zeigt: Hohe Zinsen schrecken Autokäufer ab. Seit dem 20. September 2023 gilt für den Euroraum ein Zinssatz von 4,5 Prozent. Damit liegt der Leitzins so hoch wie zuletzt zu Beginn der 2000er Jahre. Begründung von Christine Lagarde, Präsidentin der EZB, für die erneute Zinsanhebung ist die nur sehr langsam zurückgehende Inflation in der Eurozone.

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Das Ergebnis der Civey-Umfrage zeigt, dass mehr als ein Viertel der potenziellen Neuwagenkunden angesichts der hohen Zinsen seine Autokauf-Pläne entweder verschiebt, auf preisgünstigere Modelle ausweicht oder den Autoerwerb ganz unterlässt. Jedenfalls ad hoc werden die Neuwagenkäufe eingeschränkt. Rein theoretisch bedeutet das aufs Jahr hochgerechnet ein Absatzvolumen von 800.000 Neufahrzeugen, davon rund 550.000 bei heimischen Herstellern, vor allem VW.

Die hohen Zinsen für Finanzierung und Leasing zeigen also Wirkung: Viele Kunden überdenken ihre Kaufpläne. Das kann auch nicht wundern, denn Autokäufe sind heute mehr denn je eine vermögenswirksame Anlage für den Käufer. Auch wenn derzeit angesichts der sich leerenden Händler-Verkaufsräume langsam wieder die Rabatte zurückkehren, sind Autos zum einen immer noch deutlich teurer als vor der Corona-Pandemie – allein von 2019 bis 2022 legten die Neuwagenpreise im Schnitt um mehr als 9000 Euro zu (Automobilwoche).

Zum anderen sind zugleich die Finanzierungskosten binnen kurzer Zeit auf ein Vielfaches des Niveaus von vor wenigen Monaten gestiegen. Lagen die Kreditzinsen bei freien Autobanken (Non-Captives) im Januar 2022 noch bei rund 2,5 Prozent, stehen sie aktuell bei mehr als sechs – bei Herstellerbanken (Captives) sogar bei sieben bis acht Prozent. Dieser Anstieg hat deutliche Folgen für das Verhalten der Neuwagenkunden, vor allem für den Kauf von strukturell teureren Elektroautos. Laut der Umfrage CIVEY wollen demnach die meisten der Kaufinteressenten auf ein günstigeres Modell ausweichen (14 Prozent), acht Prozent wollen den Autokauf verschieben, vier Prozent komplett absagen und das alte Auto weiterfahren. Bis dass der TÜV uns scheidet…

„Das neue Zinsniveau macht einem erheblichen Teil der Autokäufer gerade einen Strich durch die Rechnung. Die Gesamtbilanz für die Fahrzeughersteller ist verheerend: Insgesamt wird weniger, günstiger oder gar nicht gekauft“ (CIVEY; Automobilwoche). Gerechnet wird mit einem spürbaren Abschwung für die Autobranche. Das gilt zum einen generell für Volumenmodelle, die vor allem von Privaten gekauft werden, zum anderen aber auch für die strukturell ohnehin teureren Elektroautos, bei deren Käufen die Subventionen ab September auf Euro 3000 gekürzt wurden. Vielen potenziellen Kunden reicht diese verbleibende pekuniäre Anreiz offensichtlich nicht mehr aus, um die sonstigen Nachteile beim Fahren eine E-Autos zu kompensieren; vergleichbare Dieselfahrzeuge rücken wieder stärker in den Fokus.

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Die Entwicklung der Neuzulassungen im September spricht Bände: Während der Gesamtmarkt immerhin auf Vorjahresniveau stagnierte, weil deutsche Hersteller um 5 Prozent zulegen konnten, brach der Absatz von Elektrofahrzeugen um 35 Prozent ein, darunter Batterie-Elektro-Autos (BEV) um -29 Prozent, Plug-In-Hybride (PHEV) um -46 Prozent. Für den VDA war für diesen Einbruch der allein „.. relevante(r) Faktor … das Auslaufen des Umweltbonus für gewerbliche Fahrzeuge zum 31. August 2023. Dies machte sich bereits im abgelaufenen Monat auf dem Markt für rein batterieelektrische Fahrzeuge bemerkbar. Während die Neuzulassungen von BEV im August infolge des Vorzugseffekts besonders stark anstiegen, stürzten sie im September erwartbar wieder ab.“

Nach drei Quartalen resultiert aus diesen gegensätzlichen Entwicklungen insgesamt ein moderates Wachstum des Elektromarkts um knapp 5 Prozent auf rund 510.900 Einheiten, während der Gesamtmarkt im gleichen Zeitraum noch um 14 Prozent auf 1.2 Millionen Neuzulassungen zulegte.
Die restlichen Automobil-Monate 2023 dürften bei anhaltend hohen Zinsen – eine Änderung ist vorerst nicht in Sicht – weiterhin schwach verlaufen. Das Vor-Corona-Absatzniveau von über 3 Millionen Neuzulassungen dürfte weiterhin um rund ein Viertel verfehlt werden.

Doch wie immer im Leben, des einen Uhl ist des anderen Nachtigall. Die Werkstattbranche profitiert von der Kaufzurückhaltung. Hier macht sich die Kaufzurückhaltung der Verbraucher infolge der hohen Zinsen, hoher Preise und allgemeiner wirtschaftlicher Unsicherheit deutlich bemerkbar. Die Werkstätten arbeiten am Anschlag und können sich vor Aufträgen kaum mehr retten. Zugleich steigt das durchschnittliche Fahrzeugalter auf immer neue Höchststände (Automobilwoche). Bis Jahresende prognostizieren Experten ein Durchschnittsalter von 10,7 Jahren – zu Jahresbeginn lag der Schnitt noch bei 10,1 Jahren.

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Kommentare ( 36 )

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Unglaeubiger
6 Monate her

Den Zinsen nun die Schuld zu geben, ist wieder einmal das Pferd von hinten aufzäumen zu wollen! Bevor man diese als Ursache in den Vordergund stellt, gibt es weltweit wesentlich gravierendere Umstände und Maßnahmen der Psychopathen um die Welt an die Wand zu fahren. Aber warum 10 Meter nach vorne und 10 Meter zurückschauen, wenn man mit 5 cm in beide Richtungen zufrieden ist? Der Dreck wird sich jedoch schneller als man glaubt, im Bereich der 5 cm auftürmen. Die Frage wird sein, wie viele Menschlein diese wahnsinnige und brutale Orgie der Nichtverantwortung und des nicht selber Denkens und Handelns… Mehr

Carl22
6 Monate her

Wohl dem, der in den letzten Jahren eine verläßliche, vertrauenswürdige und sachkompetente Werkstätte gefunden hat. In meinem Fall hat sich der obligatorische Service der Vertragswerkstätte von VW zu einem Alptraum entwickelt: der Fahrzeugcomputer piepst bei jedem Anlassen des Motors: VW Werkstatt aufsuchen!! Bei 6 T km Fahrleistung /Jahr! Ölwechsel allein ca. 140 €, in summa um die 400 €. Basta!! Vor drei Jahren zum Türken = freie Werkstatt gewechselt, der alles kann, meine nervöse Ehefrau beruhigt und uns jedes Jahr hunderte Euros einspart. Nichts, was er nicht kann. Das Sommerauto Beetle Jg.2013 genauso umsorgt wie das Winterauto Skoda Jg.2008. Ihr… Mehr

Guzzi_Cali_2
6 Monate her

Wenn man beim Vertragshändler Ersatzteile kauft, wird man arm. Ich kaufe zwei Bremsscheiben von Markenherstellern ATE oder Bosch pro Stück für rd. 20 Euro für meinen ollen Peugeot. Beim Händler müßte ich drauf warten und würde das Doppelte löhnen – mindestens. Und würde obendrein vermutlich schlechtere Ware bekommen. Ein fahrender Computer kommt mir nicht ins Haus – allein die allenthalben spinnende Elektronik hat der Teufel gesehen. Wenn man dann noch sieht, was so ein E-Auto wiegt, dann wird einem ganz schnell klar, daß das nicht umweltfreundlich sein KANN. Vergleicht man einen VW E-UP mit meinem ollen Peugeot 205, so stehen… Mehr

Guzzi_Cali_2
6 Monate her

Ich bleibe bei meinen Old- und Youngtimern – einfach zu reparieren, Verschleißteile wie Bremsen, Auspuff und dergleichen kann man auch selber machen. Und dann sollte man auch etwas in Erwägung ziehen, was vor allem die Nachkriegsgeneration noch eingebläut bekam: Wartung, Pflege, Korrosionsvorsorge und umsichtiger Betrieb. Dann hält das Fahrzeug gleich viel länger. Wer seine Kaufentscheidung von staatlichen Zuwendungen abhängig macht, sollte mal überprüfen, ob er im Mathematikunterricht in der Schule nicht dauernd gefehlt hat.

abel
6 Monate her

Der E-Autoplan der GrünLinken Sekte verursacht noch mehr Abgase in der Luft. Ohne dies würden die Leute früher auf moderne, noch sparsamere Verbrenner umsteigen. Wie alles was die GrünLinken Planwirtschaftler durchziehen endet auch dies in einer Katastrophe.

abel
6 Monate her

Wir werden wohl noch 2-Jahre leiden müssen. Danach geht es ganz schnell mit den Importmodellen bei der Einfuhr und es werden bestimmt preiswerte Verbrenner sein.

abel
6 Monate her

VW und Co wissen warum Sie die Mondpreise für den E-Schrott haben wollen. Die wissen ganz genau das nur wenige Bürger das Geld zum Fenster rauswerfen wollen oder können. Die Mondpreise sind sozusagen die Kompensation dafür.

Brauner Bodensatz
6 Monate her

Die Zinsentwicklung stellt m.E. nur ein Randproblem dar. Die Betrachtung eines größeren Zeitraums zeigt, dass ca. 6% Sollzinsen bzw. deren Auswirkungen zu vernachlässigen sind. Ok, evt. hat sich der ein oder andere an noch geringere Sollzinsen gewöhnt, aber dabei dürfte es sich kaum um eine gewichtige in regelmäßigen Abständen teure Kfz neu kaufende Klientel handeln. Letztere dürfte vielmehr eine nicht geringe Schnittmenge mit Immobilienbesitzern darstellen und als solche vor dem viel größeren Problem stehen, ob und wie die Immobilie fit gemacht werden kann für die superlinksgrüne Energie- und Heizungs-„Wende“. Wer sein eigentlich durchfinanziertes Häuschen, für das er schon jeden Monat… Mehr

Last edited 6 Monate her by Brauner Bodensatz
abel
6 Monate her

Ich frage mich vor allem wo ich mein E-Auto schnell und günstig laden kann und vor allem gibt mir der Hersteller kostenfrei eine neue Batterie wenn die keine 10-Jahre alt wird. Desweiteren brauche ich keine 20.000 Euro Geldverbrennungsschleuder.

Bernd Bueter
6 Monate her

Beim E-Schrott erfolgt der Eintritt des Totalverlustes deutlich vor der finalen Schlusszahlung des Kredites.
Zum Wiederverkaufswert, Totalausfall der Batterie bis zur Endverwertungsmöglichkeit schweigen sich alle am E-Autobetrug Beteiligten ja beharrlich aus.

Ein „Weiterleben“ als mit Verbrennermotor reanimiert wird wohl nur in Afrika erfolgen.

Nur beim Windmühlen-Rotor-bis-Fundament-Schrott steht die Lösung noch auf Habeck-Niveau: Keine Ahnung.