Zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember führt die Deutsche Bahn eine informationelle Neuerung ein: Die in allen (insgesamt 5400) Bahnhöfen aushängenden Ankunftsfahrpläne werden abgeschafft. Laut DB stellen sie meist eine „veraltete Datenlage“ dar, übersetzt: Die vielen Verspätungen machen sie nutzlos.
Zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember führt die Deutsche Bahn (DB) eine informationelle Neuerung ein: Die in allen (insgesamt 5400) Bahnhöfen aushängenden Ankunftsfahrpläne werden abgeschafft. Laut DB stellen sie meist eine „veraltete Datenlage“ dar, übersetzt: Die vielen Verspätungen machen sie nutzlos. Stattdessen empfiehlt die DB den „Kund:innen“, sich über die „prognostizierte Ankunft … aus den dynamischen Medien wie der Live-Ankunftstafel auf bahnhof.de“ zu informieren. Fazit: Pünktlichkeit ist passé und wird digital ersetzt durch prognostizierte Ankunftszeiten. Fortschritt?
„Pünktlich wie die Eisenbahn“ – diese Redewendung kennt jeder deutsche Muttersprachler: Sie hat im Digitalen Wörterbuch der Deutschen Sprache (DWDS) einen eigenen Eintrag und bedeutet – genauer: bedeutete – „zur festgesetzten, verabredeten Zeit; auf die Minute genau“. Die Redewendung entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Eisenbahn zum herrschenden Massenverkehrsmittel wurde. Sprachlich verengte sich damals die Bedeutung des Adjektivs „pünktlich“ auf die Genauigkeit im zeitlichen Sinn; vorher bedeutete es ganz allgemein „gewissenhaft“, „zuverlässig“, „gründlich“, „penibel“, also Charaktereigenschaften. In diesem Sinne schrieb 1824 Goethe über seine Mutter, sie habe „ihr Leichenbegängnis so pünctlich [Hervorhebung vom Autor] angeordnet, dass die Weinsorte und die Größe der Bretzeln, womit die Begleiter erquickt werden sollten, genau bestimmt war.“ Diese allgemeine Bedeutung von „pünktlich“ ist im Gegenwartsdeutsch veraltet.
Politische Korrektheit ersetzt Pünktlichkeit
Warum war früher die Eisenbahn in Deutschland pünktlich? Weil sie es sein musste, um zu funktionieren: Die heutige Unpünktlichkeit hätte bei den damaligen Kommunikationsmitteln zu einem Systemzusammenbruch geführt. Pünktlichkeit war das A und O des Bahnbetriebs, sichtbar und überprüfbar in den vielen Fahrplanaushängen, den überall angebrachten Bahnhofsuhren und dem Aufsichtsspersonal am Bahnsteig mit dem Kursbuch in der Hand. Die Bahnhofsuhren hat die DB schon seit Jahren ausgedünnt (wg. Energieverbrauch!), ebenso die Fahrplanaushänge und das Aufsichtspersonal. Nun fallen die Ankunftsfahrpläne ganz weg, und die Abfahrtsfahrpläne werden sicher bald folgen. Die Fahrgäste sollen sich digital auf dem Laufenden halten.
Die DB setzt nicht mehr auf den professionellen Wert Pünktlichkeit, sondern auf neue, politisch korrekte Werte wie Toleranz, Vielfalt (Diversität) und Klimaschutz. Im Namen des Klimaschutzes wurde dieses Jahr schon die Plastik-Bahncard abgeschafft (O-Ton DB: „Damit leisten Sie mit uns zusammen einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit“); nun entfallen die gedruckten Ankunftsfahrpläne als „Beitrag für die Umwelt durch Verzicht auf Papier“ (Kund:inneninformation v. 21. November).
Digitale Diskriminierung
Durch die Digitalisierung des Kundenservice schließt die DB eine Kundengruppe kommunikativ aus, nämlich Personen, die weder PC noch Smartphone haben. In der Generation 80 plus kommt dies häufig vor, und dieser Personenkreis wird bei Sätzen wie „Wenn Sie kein Smartphone besitzen, haben Sie die Möglichkeit, auf www.bahn.de/bcservices in ihrem Kundenkonto Ihre digitale BahnCard als PDF-Dokument herunterzuladen“ nur „Bahnhof “ verstehen. Aber hier kennt die DB – und damit der Staat als ihr Eigentümer – keine Toleranz!
Aktualisierung vom 29. November 2024, 13:40:
Die DTS-Nachrichtenagentur meldet, dass die Deutsche Bahn nach der Kritik von Fahrgästen und Verbänden von ihrem Vorhaben abgerückt ist, die weißen Ankunftspläne nach dem Fahrplanwechsel 2024 abzuhängen. Sie bleiben so auch für die nächste Fahrplanperiode an den Bahnhöfen – neben den gelben für die Abfahrtszeiten.
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Bei der Bild schreiben sie, dass sie Züge nächtelang durch Berlin fahren ließen – mangels Abstellgleisen: https://www.bild.de/news/inland/bahn-laesst-nachts-geister-ices-durch-berlin-fahren-ohne-passagiere-an-bord-6748ffcf6ee5aa76f748d03a
„Negativer Nebeneffekt: Die Lokführer sind nachts stundenlang unterwegs, fehlen oftmals für reguläre Dienste am Tag. Die Lücken im Dienstplan müssen dann anders geschlossen werden. Gelegentlich bleiben die Züge auch stehen, um die Fahrzeit künstlich zu verlängern. Auf Dauer können sie aber meist nicht halten, weil noch andere Züge fahren.“
Ich finde die Entwicklung gut. Früher waren die Leute immer sauer auf mich, wenn ich zu spät zu einer Verabredung, einem Termin oder zur Arbeit kam. Heute brauche ich nur sagen, dass ich mit der Bahn gefahren bin. Dann freut sich jeder, dass ich überhaupt gekommen bin, egal wann.
Mit der „veraltete Datenlage“ die die ausgehängten Pläne darstellen sind natürlich die zahlreichen Änderungen wegen Baustellen gemeint, wovon jeder regelmäßige Nutzer ein Lied singen kann.
Digitalisierung allerorten bedeutet nichts anderes, als staendig mit geladenem Mobilphone unterwegs zu sein. Und wehe, der Netzemfang ist schwach, wehe, das Prepaidkonto nicht aufgeladen, der Akku ist schwach – will heissen: Du bis wie tot. Smartphone statt Ausweis, Ticket, schoene schreckliche neue Welt.
Ja. Und mit geladenem Mobilphone unterwegs sein bedeutet permanente Überwachung.
Die Bahn ist spät dran, mit der Auslagerung von Leistungen an den Kunden, aber sie macht Tempo. Alles rund um die Bahnfahrt soll das smartphone der Kunden nicht mehr verlassen. Der Rest vom „Kundendienst“ kann vom heute vorhandenen Personal dann gerade noch bewältigt werden … natürlich nur eben so. Und der Bahnbetrieb steht eh auf einem anderen Blatt.
Kümmern Sie sich gefällig selbst! Es steht „alles“ auf Ihrem smartphone und wenn nicht, dann ist auch egal.
Bei einer abendlich-nächtlichen Zugfahrt von Wien über München nach Stuttgart stimmte einfach nichts, keine Ankunfts-, keine Abfahrtszeit und auch kein Bahnsteig. Aber aus irgendwelchen Gründen kamen wir zu einer grosszügig betrachtet gar nicht so falschen Zeit an, und wir bekamen sogar noch eine kostenlose mitternächtliche Gruselshow am Stuttgarter Hauptbahnhof geboten, dieser Mischung aus Baustelle, Investruine und um diese Tageszeit Treffpunkt „junger Männer“. Wenn man bedenkt, daß die Eisenbahn immer auch ein Aushängeschild des Landes ist, mit dem es sich dem Ausland präsentiert…
Die Bahn ist dann nicht mehr unpünktlich, wenn alles Gedruckte wegfällt. Wer das dann noch behauptet, ist ein Schwurbler und Querdenker. Irgendwann können wir uns darauf einstellen, dass auch die gedruckten Bücher dem Klima zuliebe abgeschafft werden – dann gibt es nur noch die „Wahrheit“ nach Belieben der jeweils Mächtigen. Schöne neue Welt – wohl denen, die noch gedruckte Bücher gebunkert haben.
Die Bahn könnte viel wirtschaftlicher sein wenn sie aufhören würde irgendwelche Leute irgendwo hin zu kutschieren. Da hätte sich auch die Pünktlichkeit erledeigt. Aber Scherz bei Seite, ich habe das Gefühl, je mehr Digitalisierung je weniger funktioniert noch richtig. Oder wie man sagt, alles was hier klappt sind die Türen.
Die elektronischen Anzeigen sind die Diode nicht wert. Minütlich wechseln die Anzeigen von 10 min Verspätung auf 40 min und dann auf „fällt aus“. Ansonsten Anzeigen am falschen Gleis, falsche Ziele, gar keine Anzeige usw. Wertlos, wie die ganze Bahn. Und due Verantwortlichen der letzten 25 Jahre.
Ich habe Fotoserien, da läuft die Anzeige für einen ICE in Schritten von Fahrplanmäßig bis auf 2 Stunden Verspätung hoch und dann kam nur noch die Ausfallmeldung.
In Japan würde ein Bahnchef nach einer Woche „Seppuku“…begehen, wenn seine Bahnen eine Woche lang nicht pünktlich fahren würden.
Hierzulande dürfte in den Aufsichtsräten angesicht üppiger Boni wohl das feixende Lachen, angesichts des ihrer Meinung nach grenzdebilen Kundenstamms…der nicht angesichts dieser underperformenden S*itshow(, was die Bahn nur noch abliefert)…ohne auf die Barikaden zu gehen, ausbrechen…Und Politik dürften fröhlich mitfeixen..ist doch nur der „Pöbel“…der die Bahn braucht ( der aber lieber sein Maul nicht aufmacht!)…davon betroffen.
Der würde – allein schon aus Gründen seiner Würde – keine Woche warten. Beim Ausmaß des Desasters ist spätestens Tag zwei Schicht im Schacht.