Die EZB finanziert weiter Pleitestaaten

Die Entscheidung des ehemaligen EZB-Chefs Draghi, Pleitestaaten durch Staatsanleihenkäufe zu finanzieren, setzt sich fort. Dabei haben Experten enorme Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pläne von Notenbankchefin Lagarde. Von Samuel Faber

IMAGO / Eibner
EZB-Präsidentin Christine Lagarde, Frankfurt am Main, 07.03.2024

Das Jahr 2015 war in vielfacher Hinsicht ein entscheidendes Jahr. Vor neun Jahren öffnete Angela Merkel die Grenzen und Millionen Migranten kamen nach Deutschland und veränderten das Stadtbild vieler Metropolen. Eine Entscheidung, die bis heute nicht aufgehoben ist. Im Jahr 2023 stellten hierzulande rund 350.000 Migranten einen Asylantrag. In diesem Jahr sind es bereits 50.000 Anträge. Tendenz steigend.

Doch im Jahr 2015 traf man eine weitere Entscheidung, die bis heute anhält. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte weitreichende geldpolitische Maßnahmen angekündigt, um die vermeintlich niedrige Inflation in der Eurozone zu bekämpfen. Vorläufiger Plan: Von März 2015 bis zum September 2016 soll die EZB 60 Milliarden Euro Staatsanleihen und andere Wertpapiere aus den Euro-Ländern kaufen.

„Die EZB trügt und täuscht“

„Die Inflationsdynamik ist anhaltend schwächer als erwartet“, begründete Draghi damals den Schritt. Die EZB hoffte, mit dieser umstrittenen Maßnahme nach dem Vorbild der USA in der Eurozone die Gefahr einer Deflation abwenden zu können. Eine Person gab sich damals besonders begeistert. Die damalige Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, lobte den Schritt. „Das Anleiheprogramm wird das Risiko eines langwierigen Zeitraums niedriger Inflation verringern“, war sich die Französin sicher.

Lagarde ist heute selbst Chefin der EZB und damit Nachfolgerin von Draghi. Nun hat die Europäische Zentralbank verlauten lassen, dass sie gar nicht vorhat, ihre Anleihenbestände überhaupt jemals wieder komplett abzubauen. Aus den ursprünglich 60 Milliarden Euro sind nun fast fünf Billionen Euro geworden. Dies ruft Kritiker wie Markus C. Kerber auf den Plan: „Die EZB trügt und täuscht“, ließ der Professor für Wirtschaftspolitik und Finanzwissenschaften an der TU Berlin gegenüber dem eXXpress verlauten. Kerbers Hauptkritikpunkt: Die Zentralbank finanziert durch den Anleihenkauf indirekt marode Eurostaaten.

Die Inflation ist nach wie vor zu hoch

Daher erhob der Finanzwissenschaftler bereits 2017 eine Verfassungsbeschwerde gegen das Programm. Damals und in den weiteren Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Gerichtshof der EU hatte die EZB „hoch und heilig versprochen, dass die Anleihenkäufe und ihre Wiederanlage nicht ad infinitum durchgeführt werden“, so Kerber. Ein Versprechen, das offenkundig gebrochen wurde. Die Gründe für die Fortsetzung erscheinen dem Experten vorgeschoben zu sein: „Nun erfindet die EZB – einmal mehr – die ‚Eignung‘ eines ’strukturellen Wertpapierportfolios‘ zur Erreichung von ‚Stabilitätszielen‘. Die Entgrenzung des EZB-Mandats hat eine neue Dimension erreicht“, ist sich der Hochschullehrer sicher.

Bisher war es so, dass die Käufe von Staatsanleihen erstens nicht dauerhaft geschehen sollten und zweitens nur unter der Prämisse laufen, dass das Inflationsziel von zwei Prozent eingehalten wird. Doch davon ist die EU weit entfernt. Im Jahr 2023 stiegen die Preise in der Europäischen Union um 6,4 Prozent. Im Jahr zuvor waren es sogar 9,2 Prozent. Auch in den bisherigen Monaten dieses Jahres lag die Inflationsrate bei über zwei Prozent.

Das Vertrauen in die EZB schwindet

Kerber kommentiert die Rechtslage indes wie folgt: „Das dauerhafte Halten von Staatsanleihen dürfte mit dem Verbot der monetären Staatsfinanzierung (Art. 123 AEUV) kollidieren. Denn das Bundesverfassungsgericht – dem EuGH folgend – hat eine Verletzung dieses Verbots durch die bisherigen Anleihenkäufe unter anderem nur deshalb nicht festgestellt, weil die Aufkäufe begrenzt und die Schuldtitel dem Markt nach Erreichung zum Beispiel des Inflationsziels verpflichtend wieder zugeführt werden.“

Doch scheint genau das nun gerade zu passieren. „Nun erfindet die EZB – einmal mehr – die ‚Eignung‘ eines ’strukturellen Wertpapierportfolios‘ zur Erreichung von ‚Stabilitätszielen‘. Die Entgrenzung des EZB-Mandats hat eine neue Dimension erreicht“, macht Prof. Kerber deutlich. Die EZB befindet sich auf dem Scheideweg. Lagardes Entscheidung könnte die wirtschaftliche Zukunft der EU zusätzlich negativ beeinflussen.

Doch auch das Vertrauen in die Institution wird durch die unklare Rechtslage und vor allem durch den Wortbruch massiv erschüttert. Verliert die Bevölkerung das Vertrauen in ihre Notenbank, dann verliert sie auch das Vertrauen in den Euro selbst. Und Vertrauen in eine Währung ist die Basis eines funktionierenden Zahlungsmittels. Das stete Finanzieren von Pleitestaaten seitens der EZB könnte somit der Sargnagel für den Euro sein.

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Kommentare ( 36 )

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Endlich Frei
1 Monat her

Mit dem Euro wurde der Bundesbürger vom Erfolg der deutschen Wirtschaft – und damit von der Arbeit der in Deutschland Werkstätigen – mit einem Schlag abgekoppelt. Plötzlich saß er im Boot mit Italienern, Portugiesen, Griechen, Iren etc…. – und umkehrt, zur Freude des Südens Europas, der nicht nur plötzlich eine viel zu starke Währung in seiner Hosentasche hatte, sondern obendrauf in altgewohnter Weise seine Löhne inflationierte (in D geschah das Gegenteil): Der Rest ist bekannt: Verlust der Wettbewerbsfähigkeit südeuropäischer Wirtschaften, enorme Schuldenberge – die allesamt von Deutschland & Co. abzutragen waren. Und so geschieht dies in Zyklen bis heute. Die… Mehr

Last edited 1 Monat her by Endlich Frei
Timur Andre
1 Monat her
Antworten an  Endlich Frei

Mediannettorente in D 1300 €uro
in Italien >2000 (wie Frankreich)
Mindestrente in I, F, NL, B, DEN etc 1200 Euro
PS Pleitestaat ist Frankreich, die Gesamtverschuldung ist höher als in Italien

RauerMan
1 Monat her

Persönlich hatte ich noch nie Vertrauen in die EZB und die Stabilität des Euro. Das war damals auch Auslöser meiner Zustimmung zur AfD. Der Euro hat massiv an Kaufkraft verloren.Ursprünglich weit höher als der schweizer Franken bewertet, ist der Euro gerade noch 96 Rappen wert. Wer sich neulich bei Maischberger zuschaltete, konnte, was Maischberger garnicht paßte, Bosbach und Ackermann hören, was sie zum Euro sagten. Nichts Positives. Nachzuschauen in der Mediathek von ARD. Wer sich die Euro-Geschichte, und die von Politikern die damit versprochenen positiven Wirkungen für die EU, ansieht, kann nur enttäuscht sein. Z.B.gebrochene, sich selbst verordnete Maastricht Verträge,… Mehr

Meruem
1 Monat her

Das ganze Konstrukt EU inkl Notenbank ist leider systemisch und zwangsmässig darauf ausgelegt immer enger zusammenzuwachsen. Ohne dieses „immer enger“ kollabiert das System bzw wäre schon längst. Auch die aggresive „Expansion“ nach Osten (Ukraine) ist unter diesem Gesichtspunkt zu sehen..

Nibelung
1 Monat her

Sind doch selbst pleite und dann hat man noch eine gewisse Affiniät zu anderen Pleitegeiern und sie halten sich doch nur noch über Wasser per Dekret, denn ansonsten könnten sie schon längst Konkurs anmelden und eine Vorbestrafte an der Spitze ist noch der letzte Ausdruck völligen Versagens und bestäfigt allenfalls noch das korrupte Gefüge, das sich da seit Jahrzehnten in Selbstsermächtigung aufgebaut hat und vermutlich nur noch mit harten Maßnahmen zu beseitigen ist, denn freiwillig treten sie nicht den Rückzug an und Schamgefühl ist ihnen auch nicht bekannt, weil sie sonst schon längst zurückgetreten wären, wenn man sie ihrer Vergehen… Mehr

FundamentalOpposition
1 Monat her

Die Antwort ist der freie Markt. Euros sind kein Kapital, jeder verdiente Euro so schnell wie möglich bei der Kapital-Flucht unterstützen.

Rosalinde
1 Monat her

Abgesehen vom Rechtsbruch (siehe dazu die lauthalsen Versicherungen anlässlich der Abschaffung der DM) muss die EZB diese Kredite zugunsten Anderer nun selbst zurück zahlen und das dürfte wegen mangelnder eigener Einnahmen unmöglich sein.

Last edited 1 Monat her by Rosalinde
Wilhelm Roepke
1 Monat her

Optimisten kaufen Gold und Silber, Pessimisten Konservendosen. Möge jeder selbst entscheiden, was angesichts der Politik der EZB für ihn der bessere Weg ist. Eventuell ja Konservendosen in Deutschland und Edelmetalle in einem echten Rechtsstaat ohne Pläne zum Lastenausgleich…

Endlich Frei
1 Monat her

Heute sieht die Infrastruktur in Deutschland aus wie vor 40 Jahren in den Pleitestaaten. Und in den Pleitestaaten sieht die Infrastruktur heute aus wie in Deutschland vor 40 Jahren.

Mit den Renten ist es analog genauso.

Das ist es, was uns der EURO „gebracht“ hat.

Mausi
1 Monat her

Zu den Pleitestaaten gehört inzwischen auch D. Welcher der Euro-Staaten wäre dann kein Pleitestaat? Die nächste Währung nach der nächsten Währungsreform läuft nicht mehr „analog“. Und für dieses Ziel kann „man“ schon mal einiges tun in Richtung Währungsreform.

Vladimir
1 Monat her
Antworten an  Mausi

Warum wollen die Kriminellen denn sonst das digitale Geld anschaffen? Die drücken auf den Knopf und du bist deine Kohle los.

Timur Andre
1 Monat her
Antworten an  Mausi

>1000 Tonnen Gold liegen noch in den USA, die sind verloren!

StefanB
1 Monat her

Die EZB ist ein Kernbestandteil des europäischen Unrechtssystems. Ohne diese Einrichtung wäre das ganze betrügerische Umverteilungssystem schon längst zusammengebrochen. Die internationalsozialistische EZB-Politik läuft zudem auf markante Disfunktionalität hinaus, so dass sich nicht die Frage stellt, ob das Kartenhaus zusammenbricht, sondern wann. Die nächste Frage ist, was die politische Folge aus diesem Zusammenbruch des Euro wird. Ein totalitärer europäischer Zentralstaat (EUdSSR) samt digitalem Zwangseuro, oder der Zerfall von Eurozone und EU.