UNRWA abschaffen? Die FDP spuckt große Töne

In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass mehrere UNRWA-Mitarbeiter nach israelischen Erkenntnissen direkt oder indirekt in das Hamas-Massaker vom 7. Oktober involviert waren. Eine Regierungspartei verlangt jetzt ganz offiziell die Auflösung der UNRWA, wenn auch in mittelfristiger Perspektive. Ob daraus etwas folgt, ist mehr als fraglich. Schon jetzt machen die alten Apologeten des Palästinenser-Hilfswerks mobil.

IMAGO

Der neuerliche Skandal um das „UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge“ (UNRWA) schlägt auch auf die deutsche Nahost-Debatte durch. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass mehrere UNRWA-Mitarbeiter nach israelischen Erkenntnissen direkt oder indirekt in das Hamas-Massaker vom 7. Oktober involviert waren.

Der israelische Regierungssprecher Eylon Levy bestätigte am Dienstag die Details: Demnach identifizierte Israel zehn UNRWA-Mitarbeiter als Hamas-Mitglieder, zwei als Mitglieder des Palästinensischen Islamischen Dschihad und einen als organisatorisch nicht gebundenen Täter. Sechs der Personen seien nach Israel eingedrungen, vier Personen seien in Entführungen verwickelt gewesen.

Eine Person sei damit beauftragt worden, logistische Unterstützung zu leisten, eine weitere habe einen Operationsraum aufbauen sollen. Davon unabhängig verwies Levy darauf, dass zwei entführte Israelis nach ihrer Rückkehr ausgesagt hätten, dass sie in Häusern von UNRWA-Lehrern festgehalten worden seien. Nach Angaben des Sprechers geht Israel davon aus, dass zehn Prozent von insgesamt rund 12.000 UNRWA-Mitarbeitern für Hamas oder Dschihad aktiv und weitere fünfzehn Prozent Verwandte ersten Grades sind.

In Deutschland haben alle großen Medien die Thematik aufgegriffen. Es scheint, als drehe sich die Stimmung gegen die UN-Organisation. So meinte ein Kommentator im Tagesspiegel, die UNRWA habe sich „über Jahre zur Komplizin der Hamas gemacht“. Das Werk solle aufgelöst werden. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kommentierte, die UNRWA sei „eine institutionelle Brutstätte des Antisemitismus“ und „Teil des Problems“. Ein Spiegel-Leitartikel forderte gleich den Rücktritt von UN-Generalsekretär Antonio Guterres.

Bereits am Wochenende hatte die FDP auf ihrem Europaparteitag einen bemerkenswerten, gleichwohl kaum bemerkten Beschluss gefasst: Die Liberalen fordern in ihrem neuen Europawahlprogramm, dass die UNRWA „in den bewährten Strukturen“ wie dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR oder dem UN-Entwicklungsprogramm UNDP aufgehen müsse. Im Klartext: Eine Regierungspartei verlangt jetzt ganz offiziell die Auflösung der UNRWA, wenn auch in mittelfristiger Perspektive.

Ob daraus etwas folgt, ist mehr als fraglich. Schon jetzt machen die alten Apologeten des Palästinenser-Hilfswerks mobil. So erklärte Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, via X, die UNRWA sei „unverzichtbar und unersetzbar“. Im Deutschlandfunk meldete sich Matthias Schmale, vormaliger Leiter der UNRWA, mit der Annahme zu Wort, dass die israelischen Vorwürfe zum aktuellen Zeitpunkt politisch motiviert seien. Auch er erklärte das Werk für alternativlos.

Die Bundesregierung hatte am Samstag reagiert: Deutschland werde „temporär“ keine „neuen Mittel“ für die UNRWA „in Gaza“ bewilligen, teilten das grün geführte Auswärtige Amt und das rote Entwicklungsministerium mit. Mehrere andere Länder taten dasselbe. Die zeitliche und örtliche Beschränkung der Ankündigung und der Hinweis, dass „ohnehin“ derzeit keine neuen Zusagen anstünden, verdeutlichen jedoch, dass die Regierung ihre Unterstützung bis jetzt nicht grundsätzlich überdenkt.

Das wäre auch nicht konsistent. Denn die Vorwürfe gegen die UNRWA sind bereits seit Jahren bekannt. Auch in den vergangenen Wochen und Monaten – nach dem 7. Oktober – hatte es neue Berichte über Verstrickungen von UNRWA-Mitarbeitern in Terrorverherrlichung gegeben. Die jetzigen Erkenntnisse der israelischen Regierung spitzen das bereits Bekannte also allenfalls weiter zu, liefern aber nichts qualitativ Neues. Demnach stellt sich die Frage, warum sich SPD und Grüne gerade jetzt von ihrer Politik des „Augen zu und durch“ abbringen lassen sollten.

Für die FDP bedeutet das, dass sie sich mit ihrer Forderung gegen ihre beiden Koalitionspartner und das ministerielle Establishment durchsetzen müsste. Das war schon in anderer Sache nicht gelungen: So hatten die Liberalen jahrelang kritisiert, dass sich Deutschland bei anti-israelischen Abstimmungen in den Vereinten Nationen nicht deutlich genug an Israels Seite stellt. Im Koalitionsvertrag von 2021 stand dann, die Ampel-Regierung mache sich stark „gegen Versuche antisemitisch motivierter Verurteilungen Israels“. Praktisch änderte sich nichts Entscheidendes: Selbst nach dem 7. Oktober setzte die Bundesrepublik ihr uneindeutiges Abstimmungsverhalten fort.

Hinzu kommt, dass der internationale Druck weiter steigen wird, die Zahlungen wie gewohnt fortzusetzen. Schon jetzt setzt UN-Generalsekretär Guterres alles daran, jene Länder, die einen Zahlungsstopp verkündeten, zur Umkehr zu bewegen: Am Sonntag verwies er auf die „schrecklichen Nöte der verzweifelten Bevölkerung“ in Gaza. Die UNRWA selbst droht bereits mit ihrem Kollaps Ende Februar.

Mithilfe dieser Strategie der moralischen Erpressung hat die Flüchtlingsorganisation noch immer Millionengelder aus den Geberländern herausquetschen können. Mit Deutschland als nützlichem Idioten gelang es ihr nach 2018 so sogar, den von Donald Trump angestrengten mehrjährigen Zahlungsausfall aus den USA zu überleben.

Denn unter der CDU-Kanzlerschaft Angela Merkels verfünfundzwanzigfachte (mal 25) sich der deutsche Beitrag nach UNRWA-Angaben von 8,3 Millionen Euro im Jahr 2006 auf zwischenzeitlich 210,4 Millionen Euro (2020). Jetzige Forderungen aus der Union, die UNRWA aufzulösen (so der Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei), sind bis zum Beweis des Gegenteils also auch nur als oppositioneller Klamauk anzusehen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 4 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

4 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Andreas aus E.
2 Monate her

Mal abgesehen von den aktuellen Vorwürfen: Gibt es außer der UNRWA  noch eine weitere UN-Organisation, die sich speziell um eine einzige Bevölkerungsgruppe kümmert?
In Krisengebieten helfen (UNHCR) ist ja in Ordnung, Extrawürste aber nicht. Darum stimme ich ausnahmsweise mal der FDP zu.

Helfried Petersen
2 Monate her

Ach, es kommt noch besser: Am Donnerstag hat Asmund Aukrust, Minister in Norwegen, UNRWA für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen…

Sonny
2 Monate her

Früher wäre so was wie die UNRWA der absolute Supergau in den Massenmedien gewesen. Was für ein Skandal! Die hätten keinen Tag länger in der Welt überlebt als bis zu diesen Veröffentlichungen. Aber was hat merkel mit ihren Gehirngewaschenen nur aus diesem Land gemacht? Die Zustände von heute sind nicht von selbst entstanden. Sie wurden forciert, geschliffen und in 16 Jahren fleißig weiter der DDR angeglichen. Dieser vergiftete Apfel hat alle Körbe infiziert und zu Giftkörben mutieren lassen, die es in Deutschland seit der Jahrtausendwende jemals gab, ganz besonders die Presse. Als Jugendliche waren wir in den 80`ern „auf Klassenfahrt“… Mehr

Last edited 2 Monate her by Sonny
HansKarl70
2 Monate her
Antworten an  Sonny

Langsam, langsam, Merkel ist bestimmt an vielem Schuld aber nicht an allem. Ich würde mal den Blick mehr auf den deutschen Wähler richten, ich denke da werden Sie eher fündig. In einem haben Sie recht, die Zustände von heute sind nicht über Nacht entstanden, der Wähler hat daran einen großen Anteil.