Entlarvend: Wenn eine Sprachpolizei nicht Sprachpolizei heißen will

Das Unwort des Jahres 2021 lautet "Pushback". Auf Platz 2 ist “Sprachpolizei“ gelandet – ein klassisches Eigentor: Die Jury macht einen auf Sprachpolizei, und dann kritisiert sie den Begriff. Geht’s noch entlarvender, ja verlogener?

IMAGO / Sven Simon

Wieder einmal hat sich eine belang- und namenlose „Jury“ in Szene gesetzt. Alljährlich im Januar „kürt“ eine selbsternannte „Sprachkritische Aktion“ das „Unwort des Jahres“. Der „Jury“ gehören vier sogenannte Sprachwissenschaftler und eine Journalistin an. Eine der „Wissenschaftlerinnen“, die Sprecherin der „Aktion“, ist unter anderem Spezialistin für „Genderlinguistik“. Aber das ist ein anderes, sprachpolitisch und sprachmanipulativ freilich verwandtes Thema.

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Nun also hat diese „Aktion“ wieder zugeschlagen. Von „Leitmedien“ und NGOs wie Amnesty International und PRO ASYL eifrig orchestriert: „Pushback“ sei das Unwort des Jahres 2021. Bravo, ein englischer Begriff, ein Anglizismus, als Unwort des Jahres in Deutschland! Was ist gemeint, wo „pushback“ doch ursprünglich nichts anderes heißt als „Gegenwind“ oder im Sport „Anspiel“ oder als Verbum „zurückweisen“?

Gemeint ist etwas angeblich Hochpolitisches, ja Inhumanes, nämlich die Zurückweisung von „Migranten“, „Schutzsuchenden“, „Asylbewerbern“, „Flüchtenden“ an einer nationalen Grenze. Zum Beispiel kürzlich die Zurückweisung von Afghanen, Irakern und Syrern, die der weißrussische Machthaber Lukaschenko nach Minsk hatte einfliegen und an die polnische Grenze bringen lassen, um die EU zu erpressen.

Dieser Hintergrund interessiert die „Jury“ nicht. Sie ist der Auffassung, dass durch ein „pushback“ den Menschen auf der „Flucht” die Möglichkeit genommen werde, ihr „Grundrecht auf Asyl“ wahrzunehmen. Dabei wissen wir, dass weit über 90 Prozent dieser „Migranten“ nach deutschem, europäischem und internationalem Recht kein Anrecht auf Asyl geltend machen können.

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Das interessiert die „Sprachwissenschaftler“ nicht. Sie haben auch nichts mit Sprachwissenschaft auf dem Hut, denn diese Etikettierung dient nur als Feigenblatt. Hier versucht vielmehr eine 68er-epigonale „Aktions“-Minigruppe Politik qua Framing zu machen. Man will den politischen Diskurs in eine gewisse Richtung drängen, nämlich in Richtung „offene Grenzen“ und letztlich in Richtung Transformation Deutschlands qua voraussetzungslose Migration.

Die „Jury“ verfolgt damit seit Jahren ganz eindeutig eine reichlich monothematische Polit-Agenda: In den letzten 30 Jahren kürte die „Jury“ mehr als zehnmal Begriffe, die mit Migration zu tun haben: zum Beispiel „Rückführungspatenschaft“, „Überfremdung“ und „Anti-Abschiebe-Industrie“. Weitere zehn ähnliche Begriffe landeten auf dem zweiten Platz.

Die Kür all dieser Wörter ist im Grund eine späte Hommage auf eine gewisse Angela Merkel. Diese hatte nach der von ihr willkürlich angeordneten Grenzöffnung für fast eine Million „Flüchtlinge“ am 31. August 2015 quasi ihre deutsche Identität über Bord geworfen: „Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mehr mein Land.“ Dann gab sie im September 2015 in einer CDU/CSU-Fraktionssitzung zum Besten: „Ist mir egal, ob ich schuld am Zustrom der Flüchtlinge bin, nun sind sie halt da.“ Um am 7. Oktober 2015 bei „Anne Will“ zu sagen: „Es liegt nicht in unserer Macht, wie viele nach Deutschland kommen.“

Die Unwort-„Jury“ als Sprachpolizei

Zurück zur „Sprachkritischen Aktion“ und ihrer „Jury“: Auf Platz 2 für das Jahr 2021 hat man “Sprachpolizei“ gesetzt. Das ist denn doch ein klassisches Eigentor. Die „Jury“ will ja eigentlich Begriffe eliminieren, sie will – siehe Orwells Big Brother – damit die Reichweite der Gedanken begrenzen. Denn eines wissen wir auch, wie Ludwig Wittgenstein meinte: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“

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Will sagen: Wenn ich für bestimmte Vorgänge („Asylmissbrauch“) keine Begriffe mehr habe oder wenn ich sie euphemistisch ummantle („Bereicherung“ durch Migration), verschwinden diese Probleme und alles wird gut. Das ist die infantil-volkspädagogische Agenda der “Jury“. Man fühlt sich zurückversetzt an strenge Gouvernanten im Kindergarten: „Du, du, du, das sagt man nicht!“

Oder anders – und wieder Orwell: Die „Jury“ macht auf Sprach- und damit Gedankenpolizei. Und dann kritisiert sie auch noch den Begriff „Sprachpolizei“, den sie auf Platz 2 setzt. Geht’s noch dümmer, alberner, entlarvender, ja verlogener!? Schließlich ist „Sprachpolizei“ kein Unwort, sondern längst rot-grüne-mainstreamige-„gutmenschliche“ Realität „im besten Deutschland, das wir je hatten“.

Ach ja, noch was: Wie schmal die Basis ist, auf der die „Unwort-Jury“ ihre Entscheidungen trifft, kann man an dürren Zahlen ablesen: Bei der „Jury“ gingen bis 31. Dezember 2021 ganze 1.300 Einsendungen mit 454 unterschiedlichen Begriffen ein. Das ist für eine Aktion, die gerade einmal jährlich stattfindet, ein dürftiges Ergebnis. Zum Vergleich: Die anglizismen-kritische „Aktion Lebendiges Deutsch“ des Quartetts Walter Krämer / Wolf Schneider / Cornelius Sommer (+) / Josef Kraus hatte in 50 Monaten der Jahre 2006 bis 2010 monatlich (!) bis zu 10.380 Einsendungen.


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Kommentare ( 49 )

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Andreas aus E.
2 Jahre her

Gehört – wegen „Genderlinguistik“ – entfernt zum Thema des Artikels: Derzeit lausche ich dem „Atelier neue Musik“ im Deutschlandfunk.
Grausam, aber interessant. Nur schlimm dieses bemühte „Musiker-Pause-Innen“ der Redakteuse. Ich nehme an, daß ausschließlich Männer diese merkwürdige Musik fabrizierten. Denn hätte es da brauchbare Frauen mitwirkend gegeben, hätte es nicht dieser lächerlich-dämlicher Bruchsprache gebraucht. Die Sängerin ist vermutlich Kastrat.
Naja, egal, das was da vorgestellt wurde ist ohnehin wertloser Multikultikram, sehr bedauerlich, ich bin „neuer Musik“ durchaus aufgeschlossen, aber so pädagogisch geht gar nicht, weder von der Musik her noch nach der Schluckaufsprache der Moderation.

moorwald
2 Jahre her

Es gibt keine „Unwörter“. Die Absicht ist klar und wird auch von vielen deutlich gesehen: Es sollen mit gewissen Wörtern auch die damit bezeichneten Sachverhalte eliminiert werden. Die Jury betreibt also ideologisch geprägte Politik.

Man kann zwar als Bürger Vorschläge einreichen, aber am Ende entscheidet die Jury ganz unabhängig von der Mehrheit der Einsendungen. Dieses pseudodemokratische Mäntelchen entlarvt am deutlichsten die Geschäftsgrundlage des Unternehmens.

Last edited 2 Jahre her by moorwald
Loewe
2 Jahre her

Push back ist nicht das Unwort, sondern das Gebot der Stunde. Das sind solche Spinner. Das Buch von Rabbi Spero trägt denselben Titel: Push Back – The Battle To Save Americas Judeo-Christian Heritage.

giesemann
2 Jahre her

Pushback ist unsere letzte Hoffnung, unsere letzte Chance. Die Griechen und die Polen haben es begriffen – man lässt sich nicht erpressen von Leuten wie Erdogan und Lukaschenko. Auch nicht, wenn Putin mit hilft. Das Geschäftsmodell der Hyperfertilen heißt: Wir werden immer mehr und wir beanspruchen DE und Europa für uns. Das müssen wir zurückweisen, klar und eindeutig.Sollte Russland in die NATO kommen, samt Ukraine und Belarus, dann wäre der pushback leichter zu machen, die islamische Zumutung wäre leichter ab zu wehren. Wäre Russland in der NATO, dann könnten wir noch lockerer auf die Türken verzichten. Kasachstan ist riesengroß, zu… Mehr

LRH
2 Jahre her
Antworten an  giesemann

Vìele Medien haben Angst vor der Meinung der Bürger ! Man schafft Daumen hoch und runter ab ! Ich weiß es zu schätzen das Tichys Einblick nicht zu den Angsthasen gehört !

Physis
2 Jahre her

Ich kann mich nicht erinnern, dieses „Unwort“ jemals gebraucht zu haben.
Aber sämtliche Qualitätsmedien sagen mir mit diesem Wort, dem meistens ein „illegal“ voran gesetzt wird, nahezu täglich, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.
Zitat Wiki:
Der Ausdruck ist umstritten. Die „Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres“ wählte Pushback zum Unwort des Jahres 2021 und monierte, der Begriff verharmlose das Vorgehen, Flüchtlinge am Wahrnehmen ihres Grundrechtes auf Asyl zu hindern.

Ja was denn nun?


imapact
2 Jahre her
Antworten an  Physis

Vollkommen richtige Beobachtung. Diese selbsternannten Sprachhygieniker sind nicht einmal in der Lage, zwischen der Kritik an einer Bezeichnung und der an dem bezeichneten Sachverhalt zu unterscheiden.
Normalerweise stören die sich an Begriffen, welche sich auf Tatsachen beziehen, die nicht in ihr verpeiltes linkes Weltbild passen, wie etwa „Gutmensch“ oder „Sprachpolizei“. Der überflüssige Anglizismus „pushback“ jedoch wird nahezu ausschließlich von ihren linken no-border-Gesinnungsgenossen verwandt und stets im hochmoralischen Verurteilungsduktus.
Man sieht darin, wie intellektuell minderbemittelt diese „akademische Jury“ ist.

Sabine W.
2 Jahre her

Egal, komplett egal. Es ist irrelevant für den täglichen Sprachgebrauch, ob er nun von ‚Unwörtern‘ verschont bleibt, die irgendeine selbstdefinierte ‚Sprachjury‘ kreiert, oder von Genderbesoffenen dominiert werden soll. Da habe ich immer noch die Hoffnung (und auch den Glauben), dass dieses breit abgelehnte Sprach-Statement durch die Bevölkerung erhalten bleibt. Niemand wird die in den letzten Jahren gekürten ‚Unwörter‘ vermeiden, und eine weiterhin sehr breite Masse wird nicht gendern. Es wird bei dem netten Versuch einer vermeintlich politisch korrekten Minderheit bleiben, Menschen umzuerziehen. Selbstverständlich wird man es versuchen – aber… ‚Stell dir vor, es ist Sprache – und keiner macht mit.‘… Mehr

Sabine W.
2 Jahre her
Antworten an  Sabine W.

Nachtrag: Das erinnert mich ein wenig an die Besorgnis einiger Verwandter von eineiigen Zwillingen vor X Jahren: Die meinten festzustellen, dass diese Zwillinge doch etwas zurückgeblieben seien in Bezug auf ihre (zu dem Zeitpunkt frühe) Sprachentwicklung. Juchuuu, ich hab da gerade für eine Prüfung in ‚Entwicklungspsychologie‘ gelernt und konnte sagen, dass insbesondere (eineiige) Zwillinge gerne eine Art Eigensprache untereinander entwickeln, die oft abgekoppelt vom üblichen Sprachlernen/-erwerb stattfindet. Aber das gibt sich wieder. Vielleicht ist das nun sprachpolizeilich ähnlich: Eine Minderheit (symbiotisch abgekoppelt) kreiert eine eigene Sprache, die nur sie versteht und reagiert ggf. mit Ablehnung/Unverständnis darauf, dass eine Mehrheit ihre… Mehr

zweisteinke
2 Jahre her
Antworten an  Sabine W.

Es sei denn man geht in das grünrotlinks veredelte, ehemalige Land der Dichter und Denker.
Hier wird diese Gepflogenheit durch selbsternannte „Gutmenschen“ in das genau Gegenteil pervertiert.
Denk ich an Deutschland in der Nacht…..

Last edited 2 Jahre her by zweisteinke
country boy
2 Jahre her

Um zu benennen, was in Deutschland vor sich geht, ist allerdings ein weiterer Anglizismus notwendig: „the loony left“. Während „die durchgeknallte Linke“ in anderen Ländern nur ein Randerscheinung ist, wird sie von unseren Eliten nicht nur für voll genommen, sondern von „deutschen“ „Intellektuellen“ richtiggehend hofiert. Wie sonst ist es möglich, dass Gruppierungen wie „Sprachkritische Aktion“ oder „Zentrum für Politische Schönheit“, wo sich angeblich 70 „Aktionskünstler“ und „Kreative“ tummeln, von unserem medialen Mainstream mit so großer Aufmerksamkeit bedacht werden? Vielleicht liegt es daran, dass Journalisten – selbst in einst angesehenen Publikationen wie DER SPIEGEL – mittlerweile einen geistigen Zuschnitt haben, der… Mehr

Last edited 2 Jahre her by country boy
imapact
2 Jahre her
Antworten an  country boy

Ganz einfach: auch sog. „Journalisten“ und „Intellektuelle“, „Künstler“, „comedians“ gehören in der überwiegenden Mehrzahl dieser „loony left“ an, die sämtliche Schlüsselpositionen in der Gesellschaft gekapert hat.
Kleine Korrektur: nicht in allen Ländern ist die loony left eine Randerscheinung; ein Großteil der kranken woken Ideologie wurde an den „Elite-Unis“ in den USA und Großbritannien ersonnen und dann wie üblich freudig von Deutschland importiert; Douglas Murray bietet in seinem Buch „Der Wahnsinn der Massen“ einen guten Überblick.

Kuno.2
2 Jahre her

Wenn ein englisches Wort in die deutsche Sprache integriert werden soll, dann kommt denglisch dabei heraus.
Dann ist das Wort „Sprachpolizei“ geradezu erfrischend ehrlich.

Sonny
2 Jahre her

Dabei ist es doch ganz einfach:
Bei der Kür von UNWorten können wir zu 100% ausgehen, dass diese gekürten Unwörter gleichzeitig die populärsten und wahrsten sind.

Private Constructor
2 Jahre her

1.300 Einsendungen in einem Jahr, das heißt die 3 gutgestopften Juroren mussten sich nur täglich zum Frühstück jeweils ein Wort aus ihrer linken Frühstückszeitung rauspicken und konnten den Rest des Tages Eier schaukeln.
Wissenschaftler im Home Office. Zukünftig sogar mit Recht auf Home Office. Bezahlt zuhause bleiben, die Linken haben sich wirklich was erkämpft, das kann man nicht leugnen.

Last edited 2 Jahre her by Private Constructor