Unwort Lockdown – Unendliche Geschichten

Das wirkliche Erleben von wirklichen Menschen von ihnen selbst erzählt, von Regierten also, hat mit dem Blick der Regierenden über ihrer Köpfe und Herzen hinweg nichts gemeinsam.

picture alliance/dpa | Frank Molter

Eine sehr persönliche Botschaft an die Mutter – ein tiefgründiges Zwiegespräch, ein gedanklicher Spaziergang durch die Jahre, revue passierende Erinnerungen: Fenster im Lockdown.

BeMue kann das ferne Grab ihrer Mutter nicht besuchen, sie „tröstet“ sich und schreibt an ihre Mutter:

Liebste Mutter,
ich wollte dein Grab besuchen, wollte mit dir sprechen, wollte dich wieder hören und du weißt, dass der Weg nach Düsseldorf immer verdammt weit ist. Gern aber hätte ich den Weg und die Übernachtungen auf mich genommen, nur, um einfach dir nahe zu sein. Ich hätte dich gern um Rat gefragt, immerhin hast du eine Lebenserfahrung seit 1918 hinter dir, der erste Weltkrieg war gerade vorbei, als Kind erlebtest du den schwarzen Freitag und die Entbehrungen, du warst ein junges Mädchen, als der erste Diktator Deutschlands mithilfe der Medien, Industrie und Kirchen an die Macht kam, um Millionen Juden grausam zu ermorden, du hattest mir ja vom KZ einige Kilometer von der Wohnung entfernt erzählt. Du hast den zweiten Weltkrieg leidvoll erlebt und musstest die Zerstörung des Elternhauses erleben – und immer wieder bist du aus der Asche, verursacht durch ein Regime, das scheinbar auf breiten Schultern der Bevölkerung ruhte, aufgestanden. Ich habe dich und Opa bewundert, Opa, der die SPD-Fahne auf dem Dachboden versteckte und wollte, dass die damals so ehrbare Sozialdemokratische Partei weiterleben möge. Und du, der du gegen einen NSDAP-Funktionär mithilfe der Düsseldorfer Handwerkskammer dich durchsetztest, Wahnsinn. Ja, ich war auch stolz auf Vater, der seiner Kompanie befohlen hatte zu desertieren. Das war Widerstand im Kleinen und wird heute kaum erwähnt.

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Wie schön, Mama, dass ihr es geschafft habt, aus der Asche hochgekommen mich studieren zu lassen. Welch eine Weitsicht und Toleranz, dass ihr mich gegen euren Rat etwas anderes habt studieren lassen. Danke. Immerhin wurde ich Vizepräsident eines Unternehmens – hey, ihr könnt stolz sein, ihr könnt auch stolz sein, in dieser Demokratie, die leider immer schon falsch konstruiert war, die 68er haben es verdeutlicht, gewisse Freiheiten zu genießen; ich kann nachvollziehen, wer diesen grausamen Mörder erlebt hatte, für den war die ersten Jahrzehnte nach dem WK II eine goldene Zeit, der achtete nicht darauf, dass auch Demokratie als Lüge, manche sagen sogar Betrug dazu, entworfen wurde. Ich will dir ein Beispiel für diese Ungeheuerlichkeit meines Vorwurfes sagen: Wo ist ein Abgeordneter frei, im Parlament seine Meinung zu sagen und nach seiner eigenen Fasson abzustimmen, wenn gleichzeitig die Parteiobrigkeit ihr JA für die nächste Wahlliste geben muss, immerhin hat sich ja Politiker zum Beruf entwickelt. Mein Leben, liebe Mutter, hat mir gezeigt: Bei der Obrigkeit geht es immer nur um Macht und selbst der freundlichste Typ im Bundestag ist ein Machtbesessener, der sich für seinen Judaslohn verkauft.

Aber das waren Details, die euch in den ersten Jahren nicht interessierten. Ich selber habe mit größter Lust und Leidenschaft Tonbandaufnahmen der Bundestags-Diskussionen Strauß gegen Wehner erlebt. Das waren noch Menschen, denen man Respekt zollen musste, auch, wenn sie politisch anders als ich dachten. Das waren noch Menschen mit einer inneren, festen Überzeugung – dagegen sind die heutigen Politiker dumme mitlaufenden Ä…. Es ist fatal, dass aus wenigen mitlaufenden Ä… plötzlich Unterführer werden, die nach wenigen Jahren im Politikerberuf bereits Abermillionen investieren können. Erzähle mir einer noch etwas von Gerechtigkeit! Wenn ich die Zeit nach Ende des WK II überblicken kann, aus einer kleinen Demokratie wurde ein Feudalsystem der Parteiendiktatur, an der Spitze Ihro Majestät, die sich jene machtgeilen Mitläufer kauft und verdammt genau weiß, wie deren Suche nach Stärkung bis zum krankhaften Selbstbewusstsein für den eigenen Glorienschein zu nutzen ist.

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Und, Mutter, du hättest es aus der schwärzesten Zeit Deutschlands wiedererkannt: Viele Funktionsstellen, viele Mitläufer- Vereinigungen sind heute mit gleicher Ideologie durchsetzt, um die neue Philosophie durchzusetzen. „Demokratischer Sozialismus“ heißt es immer offener und beschönigend im Internet – ist es der Weg zu einem demokratischen Kommunismus? Wo, Mutter, sind wir gelandet? Was ist aus deinem und Vaters Lebensideal geworden? Ist das der ganz normale Lauf des Lebens, der Systeme, deren Grundprinzipien wir nie sehen sollten? Liebste Mutter, es geht meiner Familie gut, weil ich teilweise bis zum Umfallen gearbeitet habe. Und meine liebe und kluge Frau Erika hat es auch verdammt weit gebracht, Fachbereichsleitung. Und das war der Grundstein für unser heutiges Leben. Französische Freunde sagten neidlos gern: Ihr habt es euch verdient. Beim normalen französischen Volk ist gegenseitiger Respekt noch etwas wert! Ich bedauere zutiefst, dass ich Jahre nicht an deinem Grab war. Ich sehe die Zeit kommen, dass wir uns wiedersehen können, du magst es als eine naive Einstellung halten, aber es ist meine Hoffnung wenigstens. Ja, und noch etwas Wichtiges: Ich bin froh, wenn ich die heutige Kirche sehe, dass ich der Institution den Rücken kehrte. Daher muss ich mich heute nicht mit der Peinlichkeit dieser Kirchenfürsten herumschlagen.

Die Zeiten heute sind entsetzlich, daher hätte ich dich gern im Herbst besucht. Aber unsere Diktatoren der Neuzeit erlauben es nicht. Hotels sind für normale Bürger, nicht für unsere neuen FÜHRER geschlossen und da ich nur noch Ruheständler bin, kann ich nirgends übernachten. Klar, ich kann meine Unternehmensberatung wieder aufmachen, kann in Düsseldorf auf Akquisition machen und dann im Hotel unterkommen und dann auch mit dir sprechen. Das aber würde meiner Vorstellung von Recht und ehrbarem Verhalten widersprechen. Hab bitte Verständnis dafür. Lass mich noch einen kleinen Gedanken anschließen: Ich bin mir recht sicher, dass weder die deutschen oder europäischen Regierungen dieses heutige Drama veranstaltet haben. Ich vermute, dass US-Politiker seit vielen Jahren diesen politischen Umsturz organisiert haben. Der Staat, der langsam aber sicher seine Welt- Führungsrolle verloren hat, versucht auf andere Weise die alte Position einzunehmen, wissend, dass ein offener Krieg gegen den BRICS-Block zu einer unlebbaren Welt würde.
Aber was sollen diese Gedanken von mir sein? Ich freue mich, dass wir miteinander sprechen durften. Mehr kann ich nicht machen.
Wir sehen uns!

Angelika Püschner erzählt in einfühlsamer Weise vom traurigen Verlust des geschätzten alten Herrn von nebenan, der am Ende dem Lockdown nicht entkam.

Zweisamkeit, Familienbande, gelebtes Miteinander – Tod!

Am 03.01.2021 starb mein Nachbar Hans im gesegneten Alter von 88 Jahren. Hans hatte schwere Vorerkrankungen … Er pflegte jahrelang mit Hilfe von Pflegerinnen aus Rumänien seine schwer demente Frau Käthe, die am 21.01.2020 starb. Trotz Erlösung für seine Frau war Hans sehr unglücklich und todtraurig über ihren Tod. Hans und Käthe hatten keine Kinder, sie lebten sehr bescheiden, gingen ihrem Beruf nach und pflegten im Ruhestand weiterhin ihr Haus und ihren Garten. Ihre Nichte Andrea kümmerte sich aufopferungsvoll um beide, damit ihnen das Altersheim erspart blieb. Die letzten Jahre habe ich immer darauf geachtet, dass ich meine Nachbarn zu Festtagen (Weihnachten, Nikolaus, Ostern, Geburtstage etc.) besuchte, man spürte immer, wie dankbar sie für diese Besuche waren und wie sehr sie sich freuten.

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Am 17.10.2020 hat Hans meine Mutter (81 Jahre) und mich explizit zu seinem Geburtstag eingeladen. Bei Kaffee und Kuchen verbrachten wir einen wirklich wunderschönen und im Nachhinein einen sehr wertvollen Nachmittag bei ihm, wir waren zu sechst (Nichte Andrea, eine Schwägerin, Pflegerin Minna, meine Mutter und ich), wir erzählten von früher, auch Hans und wir haben häufig von ganzem Herzen gelacht. Es war eine wahre Freude zu sehen, wie sehr Hans seinen Geburtstag genoss, er hat sich nicht nur einmal sondern mindestens fünfmal bedankt, dass wir gekommen sind, und wir sollen jederzeit wiederkommen.

Der 17.10.2020 war genau jener Samstag, als unsere Bundeskanzlerin mit einer Brandrede (Podcast) dazu aufrief, auf alle nicht notwendigen Treffen und Feiern zu verzichten. … Wir waren zunächst entsetzt und auch verunsichert, was wir jetzt machen sollen. Gehen wir zu unserem Nachbarn, der uns eingeladen hat oder geben wir ihm einen Korb, weil es die Bundeskanzlerin so will? Ich bin sehr froh, dass wir mit gesundem Menschenverstand entschieden haben und zu Hans gingen … Ich besuchte Hans nochmals am 07.12.2020 und brachte ihm ein kleines Nikolausgeschenk … Wie immer freute er sich riesig, als ich nach ca. 20 Minuten wieder gehen wollte, sagte er: “Gehst schon wieder, Du darfst gerne noch länger bleiben.” Was ich dann auch machte.

Am 19.12.2020 wurde Hans in die Goldbergklinik in Kelheim mit einer Lungenentzündung eingeliefert, er wurde Corona positiv getestet. Er bekam Antibiotika und überstand die Lungenentzündung sehr gut. Am Montag, 28.12.2020 rief man bei seiner Nichte an, die samt ihrer ganzen Familie mit ihren Eltern in Quarantäne genommen wurde, ob Hans evtl. in den nächsten Tagen entlassen werden könnte. Am Dienstag verschlechterte sich sein Zustand jedoch, er hatte große psychische Probleme, es durfte ihn ja keiner besuchen. Man ließ dann in den letzten Tagen seine Nichte zu ihm, sie sagte, er war ganz klar bis zum Schluss, er wollte nicht mehr, es war sein Wille zu sterben. Am 03.01.2021 schloss Hans gegen 21 Uhr für immer die Augen.

Er wurde 88 Jahre alt, in seiner Todesanzeige steht: “Als die Kraft zu Ende ging, war es nicht Tod, sondern Erlösung.” … Mir wurde schmerzlich bewusst, dass nach fast 28 Jahren Nachbarschaft das Haus unserer Nachbarn Hans und Käthe das erste Mal leer war. Hiermit bedanke ich mich bei beiden für die gute Nachbarschaft.

Was bedeutet der Tod von Hans nun in der “neuen Normalität”? Für die Politiker ist es ein wichtiger Toter, um mit hohen Todeszahlen die immer schärfer werdenden Corona-Maßnahmen zu rechtfertigen. Für mich ist der Tod von Hans seine Erlösung …

Schreiben Sie sich Ihre Gedankenlast auch von der Seele?

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Kommentare ( 2 )

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W aus der Diaspora
3 Jahre her

Wenn schreiben etwas ändern würde, es wäre verboten. Das war das Erste was mir einfiel. Jedoch, so ist es nicht, schreiben ändert etwas, zumindest für den der schreibt.
Man fühlt sich hinterher ein bißchen besser, man ist nicht mehr ganz so frustriert, nicht mehr ganz so wütend und nicht mehr ganz so traurig.
Nur, das bedeutet doch zu guter Letzt, durch das Schreiben hält man länger durch. Erträgt diese Regierung länger ohne aufzumucken.
Deshalb wird es auch nicht verboten, denn das Volk hält so länger durch – bis es irgendwann zu spät zum Aufmucken ist …

Deutscher
3 Jahre her

„Schreiben Sie sich Ihre Gedankenlast auch von der Seele?“

Nein, sonst ginge die Hälfte meines Einkommens für Stifte und Papier drauf.