Schöne neue Sprache

Das Gendern der deutschen Sprache mit * und Partizip-Präsenz-Konstruktionen wie "Radfahrende" führt zu immer absurderen Lächerlichkeiten. Von Bettina Hagen.

imago Images

Das erste Mal stolperte ich am 7. Juni 2001 über folgenden Ausspruch von Gregor Gysi, den er in der Talkshow „Berlin Mitte“ zum Besten gab: „Ich würde es gut finden, wenn die Berlinerinnen und Berliner ihren Bürgermeister oder Bürgermeisterin direkt wählen würden.“ Ich dachte, ich spinne, als ich das hörte. Aber nein.

Herr Gysi war schon damals Musterschüler und Meister der Anpassung zu einer Zeit, als die neue Diktatur der politischen Korrektheit erst so richtig in Rollen kam. Unendlich viele Beispiele der verquasten neuen Gendersprache kamen im Lauf der Zeit allein aus seinem Mund. Seitdem verfolge ich die zunehmende Vergewaltigung der Sprache durch sogenanntes Gendern.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Immer wieder frage ich mich, was das für Leute sind, die es sich zum Ziel gesetzt haben, unsere Sprache im Namen der sogenannten Gendergerechtigkeit zu verändern. Wer treibt die Entwicklung einer falsch verstandenen Emanzipation mit derartigen Sprach-Verrenkungen so gnadenlos voran? Und warum?

Sind es komplexbeladene Frauen, die alles bekämpfen, was nach „männlich“ riecht? Oder sind es Männer, die so schwach sind, sich ein Schuldgefühl für eine vermeintlich vermännlichte Sprache einreden zu lassen?

Wie sonst kann man auf die Wahnsinnsidee kommen, künstlich jeden, aber auch jeden allgemeinen, grammatikalisch (nicht sexuell) maskulinen Begriff wie Bürger, Arzt, Mitarbeiter, Autofahrer, Minister, Einwohner, Freund usw. mit einem „femininen“ Zusatz zu versehen? Oder gleich ganz durch die feminine Form zu ersetzen? Wenn man (frau?) das * umgehen will, sind im Reigen der Genderkreationen auch so schöne Partizip-Präsenz-Begriffe wie „Radfahrende“, „Studierende“, „Touristenführende“ usw. entstanden.

Halt! Da fallen mir beim Aufzählen der Begriffe glatt noch einige ein, die ich noch nie als gegendert wahrgenommen habe: Z.B. „Gäste“. Da vermisse ich schmerzlich die „Gäst*Innen“, genauso die „Zuwanderer*Innen“, „Lokführer*Innen“. Bis vor kurzem hatte ich auch noch nie von Nationalsozialist*Innen gelesen. Aber das hat sich geändert. Zum Beispiel hier. Nun werden also auch tote weibliche Nazis nicht mehr diskriminiert. Demnächst wird es vielleicht auch Naz*Innen geben oder Nazierende.

„Beyond Gender Agenda“
Jenseits von Gender: Nutznießer der Ideologie und eine kritische Filmreihe
Und eigentlich ist es auch eine Frechheit, dass „DIE GRÜNEN“ ihre Partei noch immer nicht in „Die Grün*Innen“ umbenannt haben. Eine schreiende Ungerechtigkeit und zutiefst frauenfeindlich, die weiblichen Mitglieder einfach bei der Namensgebung zu vernachlässigen. Nur bei den „Deutschen“ ist das Ändern wohl kein Problem, denn von denen soll man ja ohnehin nicht mehr sprechen.

Ziemlich einseitig und ungegendert bleibt es allerdings auch bei Allgemeinbegriffen wie: Mörder, Täter, Terroristen, Vergewaltiger, Diebe, Einbrecher, Perverse, Randalierer, Chaoten etc. Aber eigentlich auch logisch aus Gendersicht, denn das Böse und die Bösen sind doch gern ausschließlich männlich besetzt. Oder? Auch die Rassisten, Verschwörungstheoretiker und Rechtsradikalen. Oder hat schon mal jemand von „Verschwörungstheoretisierenden“ gehört?

Frauen sind besser als wer?
Gender-Kernschmelze in Corona-Zeiten
Auch ein anderes Problem, liebe Genderist*Innen, ist überhaupt noch nicht geklärt. Wie bekommt man im Sinne einer neuen Gerechtigkeit das männliche Element in grammatikalisch so rein feminine Begriffe wie: die Gesellschaft, die Gemeinde, die Bürgerschaft, die Partei oder die Menge. Und dann gibt es ja noch: die Person, die Koryphäe, die Kapazität. In eurer Logik müsste es doch eigentlich heißen: die Person*Er usw. Denn die Männer sollen doch auch gerecht behandelt werden. Oder haben das diese Machos und Unterdrücker nicht verdient? Und was ist mit neutralen Ausdrücken wie „das Mitglied“? Schreiben wir in Zukunft der/die/das Mitglied? Klärt das bitte!

Im Ernst: Das, was ihr da hervorbringt, ist Deutsch von seiner unangenehmsten Seite: wichtigtuerisch, besserwisserisch und regulierungssüchtig. Und unlogisch bis dort hinaus.

Wenn ihr Genderisten euch anstrengt, bekommt ihr die Sprache noch so zerhackstückt, dass sich bald jeder vernünftige Mensch an den Kopf fasst und die Bürger hoffentlich anfangen, sich dagegen zu wehren. Das sprachliche Wirrwarr samt gruseliger Rattenschwanzsätze sollte sich die Mehrheitsgesellschaft nicht mehr gefallen lassen.

Hoffentlich gewinnen auch die Studenten den gesunden Menschenverstand schnellstens zurück und kapieren endlich, dass mit solch lächerlich gegenderten Begriffen wie „Studierende“ und „Studierendenwerk“ keine vermeintliche Geschlechtergleichheit entsteht. Denn so blöd wie die Genderisten glauben, sind sie nicht!

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 78 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

78 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Der Schlaflose
4 Jahre her

Das Gendern hat nur eine sprachliche und grammatikalische Missgeburt hervorgebracht. Aus diesem hässlichen Sprachkrüppel wird auch nichts mehr. Sie haben sich selbst heillos in ihrem Chaos verfangen und finden nicht mehr raus.

Aber schön zu hören, wie sich die Feminist*Innen an ihren Wortungetümen voller Lust die Zungen brechen. Schluck auf? Nee bin geschlechter*Innen – gerecht.

Reinhard Schroeter
4 Jahre her

Zur Zeit gerade in Ungarn. Ich bin zweisprachig und merke mehr und mehr eben von hier aus, wie sehr die deutsche Sprache verarmt und vekrüppelt. Keinem Ungarn würde so etwas Dummes wie gendergerechte Sprache einfallen , es geht bei diesem Idom auch gar nicht. Man grüßt sich ob alt oder jung mit Guten Tag meine Dame, mein Fräulein oder mein Herr. Das Küss die Hand gehört nach wie vor zur Alltagssprache, es gibt dafür keinerlei Ersatz. Und alle so angesprochenen mögen und erwarten es genau so. In amtlichen Schriftsätzen wir ebenfalls diese höfliche Ungarisch benutzt, ganz natürlich und selbstverständlich. Eine… Mehr

Wolf Koebele
4 Jahre her

In Großbritannien gilt die explizit feminisierte Form als frauenverachtend. Im Nachspann von Fernsehfilmen soll / darf der Begriff „actress“ nicht verwendet werden, Also: Dame Wendy Miller ist ein actor.

Gerhart
4 Jahre her

“ Djihadist_innen“ , gerade im Deutschlandf, ähm, ich meine, “ Schon länger hier lebenden Funk „

Heike
4 Jahre her

Wie nennt man diesen Unfug ohne sofort an die Zeiten von „Gesichtserker“ und „Abstammungsnachweis“ zu denken? Für mein Sein habe ich beschlossen, ich mache diesen Blödsinn nicht mit. Wir zwei, Frau und Hund gehen jetzt zur Gassirunde. Für die Angepassten: Hundehalterinn läuft mit Hündin sozusagen trifft Hündinnenhalterin gleich mehrere Hundehalterinnen, Hündinnenhalterinnen, Hundehalter und Hündinnenhalter. Ihr habt doch den letzten Schuss nicht gehört!

Amerikaner
4 Jahre her

Die Sprache wird als Geisel des politischen Willens genommen. Was über die Sprache gesagt werden soll, wird unerheblich und kaum noch verständlich. Nur noch wie etwas gesagt wird zählt. Was bei den Linken kein Verlust ist. Die haben eh nie etwas von Substanz zu sagen.

H. Priess
4 Jahre her

Früher hätte ich wie Kermit gerufen: Applaus, Applaus, Applaus!!!! Heute nur ein lahmes: zu spät, zu spät, zu spät!!! Mark Twain hatte die Vereinfachung der deutschen Sprache gefordert, besonders die dummen Endlosbandwurmwörter sollten wir unterlassen. Schopenhauer beklagte die methodisch betriebene Verhunzung der deutschen Sprache. Da kannten beide die durchgegenderten Kampffeministinnen noch nicht oder besser sie hatten Gott sei Dank keine Gelegenheit dazu. Eine Sprache verändert sich im laufe der Zeit, alte Worte verschwinden, neue andere kommen hinzu. Ich persönlich finde es Schade, daß Worte aus dem Sprachschatz verschwinden die, wenn man sie in ihrem Sinne richtig versteht, die Sprache einfach… Mehr

Gottfried
4 Jahre her

Sind sie doch!

kopfschuettelnder Buerger
4 Jahre her

In einem Punkt muss ich Sie korrigieren:
Die Kaberettistin Gerburg Jahnke („Ladies Night“) spricht grundsätzich immer von ihrer nächsten „Gästin“.

Ottilie
4 Jahre her

Wobei ich mir nie sicher bin, ob sie es ernst oder ironisch meint. Ich tendiere zu letzterem. Ihre Beiträge sind teilweise ganz schön böse oder auch darüber hinaus, sodass ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass sie all‘ ihre Beiträge so meint, wie sie gesagt werden. Vielleicht möchte sie, dass man sich seine eigenen Gedanken macht. Vielleicht bin ich aber auch nur naiv.

Biskaborn
4 Jahre her

Ob gerade die Studenten diesbezüglich wieder zur Vernunft kommen glaube ich am allerwenigsten. Die sind es doch gerade an vorderster Front die jeden links-grünen Unfug bis zum Exzess treiben.