Grundrente – Flucht aus der Verantwortung

Die Bundesregierung ertränkt Wirtschaft und soziale Sicherungssysteme geradezu im Geld. Ihr Ziel ist, nichts auf den Prüfstand stellen zu müssen und weiterwursteln zu können wie bisher.

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Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat viel Pech bei der Einführung der Grundrente, die er sogar als „sozialpolitischen Meilenstein“ betrachtet. Hätte er noch eine Weile bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie gewartet und sie als Corona-Grundrente tituliert, wäre sein Vorhaben wohl schon längst durchgewunken. Denn die Corona-Krise hat die Geldschleusen geöffnet, was die Bundesregierung dazu nutzt, nicht nur die unmittelbaren Folgen der Corona-Krise in den Griff zu bekommen. Wirtschaft und soziale Sicherungssysteme werden geradezu im Geld ertränkt, um schon zuvor bestehende Probleme bestmöglich unter den Teppich zu kehren.

Mit der Grundrente versucht sich die Regierung – wie bei den Corona-Hilfen – aus ihrer Verantwortung zu stehlen. Anstatt die Weichen dafür zu stellen, dass es für alle ausreichend und gut bezahlte Jobs gibt, soll die Grundrente individuelle Löcher in der Erwerbsbiographie sozialpolitisch stopfen. Sie zielt darauf ab, denjenigen einen Rentenzuschuss zukommen zu lassen, die zwar über einen langen Zeitraum – mindestens 33 Jahre – gearbeitet haben oder andere anrechenbare Zeiten vorweisen können, aber dennoch wenig verdient haben. Oft liegen deren individuelle Renten kaum oberhalb oder sogar unterhalb der Grundsicherung im Alter.

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Die Grundrente soll jeden Menschen, der „sein Leben lang gearbeitet hat“ und dennoch eine nur niedrige Rente erhält, so Heil, ein Zubrot zu gewähren. Damit setzt sie zwar an einem Problem an, nicht jedoch an dessen Ursache. Diese niedrigen Renten resultieren daraus, dass viele Menschen aufgrund der zuweilen grassierenden Arbeitslosigkeit in den letzten Jahrzehnten über längere Perioden arbeitslos waren oder nur Teilzeit arbeiteten. Für diese Phasen konnten sie nur geringe oder keine Rentenansprüche aufbauen. Andererseits steigen die Reallöhne seit den 1970er Jahren immer weniger, so dass – völlig unabhängig von dem in die Diskussion geratenen Rentenniveau – die Rentenansprüche niedrig bleiben. Seit Mitte der 1990er Jahre sind die Reallöhne in Deutschland durchschnittlich um nur etwa ein halbes Prozent jährlich angestiegen. Besonders problematisch ist die Entwicklung beim am geringsten entlohnten Drittel der Beschäftigten. Im Jahr 2015 lagen die realen Stundenlöhne dieses unteren Drittels niedriger als 20 Jahre zuvor.

Die Heilsche Mission besteht demnach in dem Versuch, die heutigen und zukünftigen Rentner mit Almosen zufriedenzustellen sowie das öffentliche Gewissen zu beruhigen. Dann muss nicht für wirtschaftspolitische Weichenstellungen gekämpft werden, die die Unternehmen in die Lage versetzen würden, zukünftig höhere Löhne zu zahlen und gute Jobs für alle zu bieten. Die Grundrente ist nichts anderes als der Versuch, sich mit Gerechtigkeitsrhetorik und ein wenig Umverteilung eines wichtigen, sozial- und wirtschaftspolitischen Problems zu entledigen.

Um an den Ursachen anzusetzen, müsste sich Heil mit den Gründen für die löchrigen Erwerbsbiographien und für die kaum noch steigenden Reallöhne befassen. Beides hängt ursächlich damit zusammen, dass es die Unternehmen in Deutschland kaum mehr schaffen, technologische Innovationen durchzusetzen und mit neuen oder besseren Produkten und Prozessen ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern oder neue Märkte zu erschließen.

Grundrente – der falsche Weg
Investitionen in neue Maschinen, Anlagen, Gebäude und Infrastruktur sind der entscheidende Treiber zur Verbesserung der Arbeitsproduktivität. Produktivitätssteigerungen bewirken Reallohnsteigerungen und heben den Massenwohlstand. Diese Sachinvestitionen entwickeln sich seit Jahrzehnten immer schwächer weshalb die Arbeitsproduktivität in Deutschland inzwischen sogar stagniert und zudem wenig neue Jobs in gutbezahlten High-Tech-Bereichen entstehen. So entfällt der Löwenanteil der von 2006 bis 2016 zusätzlich entstandenen fünf Millionen sozialversicherungspflichtigen Jobs auf schwächer entlohnende Dienstleistungsbereiche. Die meisten Jobs sind im Gastgewerbe, dem Gesundheits- und Sozialwesen sowie bei freiberuflichen und sonstigen Dienstleistungen entstanden.

Dennoch besteht die wirtschaftspolitische Herangehensweise seit der Finanzkrise 2008, im Wesentlichen darin, diese Stagnation mit dem vielen Geld der EZB zu verwalten und die zugrundeliegenden Probleme zu übertünchen. Die Corona-Krise bietet daher einen weiteren willkommenen Anlass mit noch mehr Geld, die Ursachen der Investitionsschwäche und die technologische Stagnation der Unternehmen nicht adressieren zu müssen.

So geht es erneut darum die schwächsten und unprofitabelsten Unternehmen die nicht etwa wegen, sondern unabhängig von der Corona-Krise unprofitabel sind, zu retten, um so weitermachen zu können wie bisher. Mit viel, viel Geld werden nicht nur marode Unternehmen auf Dauer durchgepäppelt. Auch soziale Leistungen werden ermöglicht, die die Erwerbstätigen in dieser geschwächten Wirtschaft nicht mehr durch ihre eigene Arbeit erwirtschaften können. So gelingt es den wirtschaftlichen Niedergang und die schleichende Erosion des Massenwohlstands zu verschleiern. Solange die Bundesregierung die Probleme nicht ins Auge fasst, die die Wohlstandsentwicklung in Deutschland entscheidend limitieren, verlieren Rentner und Erwerbstätige sowieso. Egal, ob die Grundrente nun kommt oder nicht.


Alexander HornDie Zombiewirtischaft. Warum die Politik Innovation behindert und die Unternehmen in Deutschland zu Wohlstandsbremsen geworden sind. Edition Novo, 377 Seiten, 15,00 €. 

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Kommentare ( 33 )

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Onan der Barbar
3 Jahre her

Das Ziel ist die vollständige Enteignung der Deutschen, und dazu muss es flankierend eine massive Inflation geben, um die Flucht aus den Sachwerten und das Verbringen von Geldern ins Ausland unattraktiv zu machen.

GerdF
3 Jahre her

Was Sie sagen, berührt einen Teilaspekt der Arbeitswelt und der industriellen Herstellung von Gütern. Um den Verlust mancher Arbeitsplätze und deren Ersatz durch Automaten/Roboter ist es wirklich nicht schade,… denken Sie nur an den Gussputzer, der früher den lieben langen Tag, fünf Tage die Woche mit der Flex in der Hand an den Gussgehäusen den Gusssgrat weg flexte. Der Arbeitsplatz laut und dreckig, in einer dunklen hinteren Ecke der Werkhalle. Es gibt noch einen anderen Aspekt, mir klingt es noch in den Ohren, wie in den 70er Jahren ein Wirtschaftsminister tönte: „wir sind ein Technologieland, wir exportieren Blaupausen, keine Billigprodukte“.… Mehr

GP
3 Jahre her

Grundrente für alle = Hartz IV für alle. „Grundrente“ hört sich nur besser an, und nur das zählt. Wer kann denn schon rechnen….

Alf
3 Jahre her

„Solange die Bundesregierung die Probleme nicht ins Auge fasst….“?

Diese Bundesregierung faßt keine Probleme ins Auge, diese Bundesregierung kann nur Probleme.

„Wir haben uns viel erspart….Freuen wir uns über alles, das jetzt wieder geht…“

Also hört endlich auf zu meckern.

baul
3 Jahre her
Antworten an  Alf

…der Kanzlerin abgelauscht …

GerdF
3 Jahre her

Leider baben Sie recht! Die Zustimmungswerte für CDU/CSU irgendwo zwischen 35 und 40% sprechen eine deutliche Sprache. Beobachte ich Menschen beim Einkaufen, fällt mir auf, viele tragen den Putzlappen nicht nur im Spermarkt, sondern ebenso draußen auf dem Parkplatz. Ist das nun der Glaube an den Schutz vor Infektion oder einfach nur bereitwillige Unterordnung unter behördliche Willkür?

GerdF
3 Jahre her

Sie Haben recht! Der Staat, jeder Staat, hat zuvorderst die Aufgabe die Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Wirtschaften herzustellen, Schlagwort „Infrastruktur beteitstellen, wie: Bildungswesen, Gesundheitswesen, Energieversorgung, Wasserversorgung, Transport- und Verkehrswege, Informationswesen (Telekommunikation, Datenverkehr einschließlich den Schnittstellen zu anderen Ländern). Genau hier versagt unser von Parteien und Parteiinteressen geleitetes Staatswesen zunehmend…. nicht erst seit heute. Das erste und schlagendste Beispiel ist doch die bundesdeutsche Energiepolitik, gleichrangig die Steuer- und Investitionspolitik! Elektrische Energie – Wunschenergie unserer schwarzrotgrünen Weltverbesserer – wird nicht nur kontinuierlich verteuert, sondern gleichzeitig in ein unzverlässiges Luxusgut umgewandelt (da stehen wir noch ganz am Anfang). Wie sollen Aluminium- Glas- und… Mehr

elly
3 Jahre her

Die Grundrente ist ein Schlag ins Gesicht aller in Vollzeit Arbeitenden. Was wohl wenigen klar ist: sollte es tatsächlich eine Finanztransaktionssteuer geben, zahlen auch die Begünstigten mit. Aber so ist die SPD schon immer gewesen: ihre sozialen Wohltaten lässt sie von den Begünstigten teuer bezahlen. Die Zustimmung im Volk wurde mit vielen Berichten über rührselige Einzelschicksale herbeigeführt. Wie immer die alleinerziehende Mutter, die nie fehlt, dann Schicksale von jetzige Armutsrentnerinnen. Wer die Berichte gelesen hat, das machen leider die wenigsten Leser , der kam bei vielen Beispielen von jüngeren Personen auf Lücken in der Erwerbsbiografie. Verleugnet wurde, dass seit 1.… Mehr

baul
3 Jahre her

…aber massiv vom „Produktiven Job“ erarbeitetes Geld dem schuftenden Schwein per Gesetz wegnehmen kann „der Staat“. ungeniert und ungestraft.

baul
3 Jahre her

eines, das wie andere auch ohne Folgen für dieVerantwortlichen(soweit Politikdarsteller verantwortlich sind) bleiben wird.

CIVIS
3 Jahre her

Eingangszitat: >Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat viel Pech bei der Einführung der Grundrente, […] <

Wie sage bereits Alfred Tetzlaff in der WDR-Serie "Ein Herz und eine Seele" : "Der Sozi ist nicht grundsätzlich dumm, er hat nur sehr viel Pech beim nachdenken."

Warum sollte es da gerade der Hyper-Koryphäe Hubertus Heil besser gehen ?

USE
3 Jahre her
Antworten an  CIVIS

Ich hatt es bereits geschrieben. Hubertus Heil kann nicht die Quersumme voon 21 bilden (bei Günther Jauch). Und dem vertrauen wir unsere Rentenpolitik an?