Im Lebensmittelhandel wird es bunt. Der Nutri-Score soll Essen nach Farben ermöglichen. Grün ist gesund, bei roter Kennzeichnung drohen Risiken. Der Score wird als der informative Weg gepriesen, die Deutschen schlanker und gesünder zu machen. Es ist ein Holzweg.
Das Thema Gesundheit wird durch Interessen und Meinungen geprägt. Eigentlich sollten Fakten die Diskussion bestimmen. Nicht die Auswahl des Müslis ist gesundheitlich relevant, sondern der Lebensstil des Individuums. Eine neue Betrachtung ist dringend notwendig. Dabei lohnt es, die Beweggründe der Akteure zu kennen, die das Meinungsbild in der Öffentlichkeit manipulieren.
Die Bundesbürger, und das betrifft vor allem die nachwachsende Generation, gehen auf eine ungesunde Zukunft zu. Niemanden scheint das zu stören. Dabei beansprucht das Thema Gesundheit so viel mediale Aufmerksamkeit wie die Klimadiskussion. Manchmal passt sogar beides zusammen, weil Veganismus nach dem Glauben seiner Anhänger gleich den ganzen Globus rettet. Warnungen vor …, Empfehlungen zu … oder Konzepte für … sind inflationär. Auffällig ist, dass die Ernährung fast immer im Mittelpunkt steht. Wer die täglichen Ratschläge für angeblich gesunde Kost und die permanenten Warnungen, was man auf keinen Fall essen sollte, bereits zum Frühstück mit der Morgenlektüre konsumiert, hat oft schon für den Rest des Tages den Kaffee auf. Den aber ohne Zucker, weil sonst sehr schnell Siechtum drohen könnte. Besonders sensible Rezipienten dieses Bombardements von angeblichen Erkenntnissen zur Ernährung und daraus abgeleiteten Geboten und Verboten reagieren darauf mit einem neuen Leiden. Sie bekommen Orthorexie, eine krankhafte Konzentration auf gesundes Essen, die zum Mittelpunkt ihres Lebens wird. Ein Genuss ist das nicht.
Das omnipräsente Thema Gesundheit ist zu einer Debatte über Ernährung und Nahrungsmittel degeneriert. Während Wissenschaftler den Einfluss der Genetik auf die Gesundheit erforschen, faszinierende Zusammenhänge wie die Darm-Hirn-Connection enträtseln und die Relationen von Gesundheit und Krankheit in der Medizin immer komplexer werden, berichten die Medien über gefährliches weil wohlschmeckend süßes Müsli und über spannende Erkenntnisse zur Rezeptur von Ketchup.
Pharmazeutika brauchen Märkte
Die öffentliche Gesundheitsdiskussion beschäftigt sich mit Fett, Salz und vor allem Zucker. Speziell dieser soll die Menschheit bedrohen. Die Behauptung fällt leicht, weil es exakt dazu keine evidenzbasierten Forschungsergebnisse gibt. Und er soll süchtig machen. Auch dazu gibt es keine wissenschaftlichen Grundlagen. Aber es gibt eine Neurologin, Prof. Selena Bartlett an der Queensland University in Australien, die seit Jahren den Absatz eines im Hirn die Wirkung von Dopamin blockierenden Mittels für einen großen Pharmakonzern zu fördern versucht. Bisher war es für die Nikotin-Entwöhnung. Der Markt für dieses Präparat, das wegen seiner die Glücksgefühle eliminierenden Wirkung die suizidale Neigung erhöht, braucht eine neue Krankheit. Da ist die Pharma-Propagandistin auf die Zuckersucht verfallen. Süß macht glücklich. Das mögen viele Menschen. Bei der Schokolade gibt es Wiederholungstäter. Wo Dopamin droht, muss die Psyche blockiert werden. Das würde auch mit warmen Sonnenstrahlen, Sex und anderen positive Gefühle auslösenden Phänomenen gehen. Aber eine Linie Zucker sieht ja fast schon aus wie eine Linie Kokain. Und die Lust am süßen Genuss ist weit verbreitet, bietet also Marktpotential.
Dieser Nährboden trägt immer noch reiche Früchte. Aber es sind ungesunde Früchte, weil die Gesundheitsdebatte dort, wo sie in der Öffentlichkeit wirkt, eindimensional ist. Den Menschen wird der Eindruck aufgedrängt, dass es eine Kausalität zwischen einzelnen Inhaltsstoffen der Nahrung, ihrem persönlichen Gewicht und damit schließlich ihrer Gesundheit gibt. Dies ist ein gedankliches Konstrukt, das wegen seiner Schlichtheit eingängig, aber wegen genau dieser Schlichtheit abwegig ist.
Lügen für Spendenquittungen
Zu den Trendsettern in dieser ernährungsorientierten Diskussion zählt Foodwatch. Für die Wahrnehmung ihrer Organisation und den damit verknüpften wirtschaftlichen Erfolg brauchen die Aktivisten eingängige und merkfähige Kampagnen. Bei Foodwatch besteht das strategische Erbe von Thilo Bode in der Erkenntnis, dass Fakten ebenso eine Kampagne stören können wie eine differenzierte Betrachtung von Themen. Kampagnen müssen ein klar definiertes Feindbild und simpelste Botschaften haben, um die Plattform sympathisierender Medien nutzen und Spendengelder akquirieren zu können. Deshalb funktioniert auch die Agitation gegen den Zucker so gut. Der Menschheit lässt sich leicht einreden, dass dessen Kalorien dick machen und der geneigte Leser kann durchaus überzeugt werden, dass Zucker auch Zucker, also Diabetes, macht. Die Argumente stimmen zwar nicht, sind aber attraktiv. So wird weiter die Lebensmittelwirtschaft traktiert, die die angeblich schmackhaften Risiken für die menschliche Gesundheit produziert.
Aber auch Organisationen, denen man eigentlich einen seriösen Umgang mit Wissenschaft und daraus abzuleitenden Empfehlungen unterstellen sollte, agieren trendgerecht. Das Spektrum reicht von Vereinigungen, die mit Diabetes Geld verdienen, bis hin zum Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Dessen Verbands-Präsident Dr. Thomas Fischbach sucht immer wieder die mediale Beachtung. So fordert er aktuell wieder einmal mit der Hoffnung auf Beifall die Zuckersteuer. Er sollte sich mit Berufskollegen unterhalten, um sich erstens auf einen gewissen Erkenntnisstand zu bringen und zweitens in sich zu gehen.
Sobald die Bewegung thematisiert wird, ertönt der Vorwurf, dies sei nur ein ablenkendes Argument der auf jeden Fall schuldigen Lebensmittelwirtschaft. Kommt nämlich die mangelnde Bewegung der Menschen ins Spiel, funktioniert die eindimensionale Agitation gegen Lebensmittel nicht mehr. Die Essensretter von Foodwatch sind dafür sogar bereit, wissentlich die Unwahrheit zu sagen. In den „Sieben Mythen zum Thema Zucker und Übergewicht“ behaupten sie: „Die oft genannte These, dass sich Kinder und Jugendliche heute weniger bewegen als noch vor wenigen Jahrzehnten, lässt sich wissenschaftlich nicht belegen. Auch für Erwachsene gibt es hier keine eindeutigen Ergebnisse.“ Alle bei Foodwatch, die natürlich auch die KiGGS-Basis-Erhebung des Robert Koch-Instituts und andere Studien dazu kennen, wissen, dass die Aussage nicht stimmt. Die Spitze der Hybris ist die Behauptung der angeblichen Essensretter, dass die Anzahl der durch Bewegung verbrannten Kalorien heute nicht geringer sei, als der Energieumsatz von Bauern in so genannten Entwicklungsländern. Wer hätte gedacht, dass es den Bauern dort so gut geht wie uns?
500 Meter statt 20 Kilometer
Sitzende Lebensweise und körperliche Inaktivität prägen heute den Lebensstil vieler Menschen, vor allem auch der nachwachsenden Generation. Dabei geht es nicht nur um die immer wieder angeprangerten Speckrollen. Nicht jeder muss ein Sixpack haben. Die Menschheit ist vielmehr auf dem besten Weg, in naher Zukunft am Stock zu gehen. Die Zunahme des passiven Lebenswandels ist kein nationales Problem, sondern hat mit wachsendem Wohlstand auch international gesundheitliche Konsequenzen. Immerhin will die WHO mit einem globalen Aktionsplan die Quote der Inaktivität bis 2030 rapide senken. Empfohlen werden bei fünf- bis 17-Jährigen täglich 60 Minuten Bewegung mit moderater bis hoher Intensität. Zwischen 18 und 64 Jahren liegt das Maß bei 150 Minuten mit moderater oder 75 Minuten mit hoher Intensität pro Woche. Davon sind wir in der Realität weit entfernt. Die Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS), Europas größter Zusammenschluss von Sportorthopäden und Sporttraumatologen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, nennt erschreckende Zahlen. Während ein Mensch in Deutschland 1910 noch im Schnitt 20 Kilometer am Tag gelaufen ist, waren es 2005 nur noch 800 Meter. Heute kommen viele nicht einmal mehr auf 500 Meter Gehstrecke täglich. Diese permanente Unterforderung hat für den von der Natur für Bewegung entwickelten Körper Konsequenzen, die auch eine grün gepunktete Fertigpizza nicht aus der Welt schaffen kann.
Die dringende Aktivierung der Gesellschaft populär zu machen, wird schwierig werden. Die Strategen, die für das durch Ampeln regulierte Essen kämpfen und die mit ihrer Agitation die Ernährungswirtschaft als Feind der menschlichen Gesundheit diffamieren, wollen diese notwendige und differenzierte Betrachtung nicht. Sie werden opponieren, weil es ihnen nicht um Gesundheit, sondern um den Erhalt ihrer Interessen geht. Wenn der Nachwuchs heute schon Probleme hat, Herausforderungen wie Sackhüpfen oder Balancieren auf einem Bein zu bewältigen, ist es an der Zeit, aus einer Debatte über Nahrungsmittelbestandteile eine verantwortungsvolle Diskussion über den Lebensstil zu machen. Dass Sport und Bewegung zu einer gesunden Balance zwischen Kalorienaufnahme und Kalorienverbrauch führen und damit automatisch schlanker machen, ist dabei eine erfreuliche Konsequenz. Aber es geht nicht nur um die Konfektionsgröße. Vor allem geht es um den aufrechten Gang.
Detlef Brendel, Wirtschaftspublizistik – Kommunikationsberatung.
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Wer keine Zeit für Bewegung opfert, wird in Zukunft sehr viel mehr Zeit für Arztbesuche aufbringen müssen, Bewegung ist das Merkmal des Lebens. Wenn man die vorsichtig gesagt kräftigen Personen der heutigen Zeit anschaut, braucht man sich nicht über die explodierenden Krankheitskosten zu wundern. Ärzte trauen sich erst gar nicht Empfehlungen zum Abnehmen und zu mehr Bewegung zu vermitteln, denn dann verschwindet der Patient zu Kollegen, die dieses Thema meiden. Man sieht also, wir befinden uns in allen Bereichen nicht mehr auf der Elitestrecke, armes schönes Deutschland.
Für Bildungsferne Bürger ist ein Farbcode mit Sicherheit eine Hilfe zu entscheiden, welches Frühstück besser ist. Der Effekt wir aber sicher nicht gewaltig sein.
Wo ist das Problem?
Es ist lustig anzusehen: Supermarkt, davor riesiges Parkplatz, zu 70% leer. Vor dem Eingang kreisen geduldig SUV’s um so nah wie möglich an der Tür einen Parkplatz zu ergattern. Inhalt des Einkaufswagen passt nicht in den Kofferraum des (o Wunder!) des Botox-Autos und muss am Rücksitz verstaut werden. Wenn ich den Inhalt sehe, denke ich: „Hamsterkäufe? Kommt´s Kieg?“ Ich, 67, 189cm, 80 kg, kein Sport, mindestens 12000 Schritte pro Tag, Hund am Fuß, kaufe nur das, was ich nach Hause selbst tragen kann (2-Personen haushalt). 5 Etagen locker ohne Schnaufen. Keine Tabletten. Zugegeben: genetisch nicht vorbelastet. Meine Prognose: die Lebenserwartung… Mehr
Toll, wieder ein neues Wort, dass unsere deutsche Sprache immer fetter macht mit Anglismen. Und der Autor uebernimmt das froehlich und schwafelt vom „score“.
“ Zwischen 18 und 64 Jahren liegt das Maß bei 150 Minuten mit moderater oder 75 Minuten mit hoher Intensität pro Woche“ – Ähem, nur noch durchschnittlich täglich 11-23 Minuten körperliche Aktivität ist viel zu wenig, egal in welchem Alter. 11-23 Minuten Aktivität sind allenfalls das absolute Minimum um einen Ruhetag zu überstehen ohne gleich krank zu werden. Gerade das Zurückfahren von Bewegung als Erwachsener gegenüber dem Kinder- und Jugendalter ist desaströs. Und gerade auch Senioren ab 65 sollten ein hohes Aktivitätsniveau beibehalten, also mindestens täglich 60 Minuten Bewegung mit moderater bis hoher Intensität, genauso wie die fünf- bis 17-Jährigen.… Mehr
„Während ein Mensch in Deutschland 1910 noch im Schnitt 20 Kilometer am Tag gelaufen ist“ Der gesunde Menschenverstand sagt doch, daß diese Aussage 1. nicht stimmen kann, sich 2. von heute aus nicht mehr belegen liesse. Vielleicht liesse sich irgendwie belegen oder schlußfolgern, daß ein Landarbeiter im Jahr 1910 bei der Feldarbeit durchschnittlich 20 km weit lief. Es wurde aber nicht jeden Tag intensiv auf dem Feld gearbeitet, Zumindest Sonntag war Ruhetag und allenfalls Kirchgang. Es gab 1910 viele andere Berufsgruppen die weniger weit liefen; zudem Alte und Kinder die weniger liefen. Zu bedenken ist auch, daß ein Großteil der… Mehr
10.000 Schritte am Tag haben bei vielen Dicken Wunder bewirkt. Es dauerte bei ihnen, aber das Programm wirkte. Gezieltes Krafttraining ist für Männer das Wasser des Lebens. Frauen lieben Yoga und Pilates. Alkohol sollte man nur in Gesellschaft trinken. Das reicht völlig, es sei denn, man möchte eine Karriere als RTL-Protagonist starten. Den Grünen, die letztlich genauso hinter der „Ampel“ stecken wie hinter der „Fleischscham“, passt es nicht, wenn Menschen sich freuen. Weil Essen für viele die größte Freude ist, setzen sie da an. Als Nächstes werden sie die Sexualität angreifen; das tut der den Grünen nahestehende „sexablehnde“ Teil der… Mehr
Ein wichtiger Aspekt wurde meiner Ansicht nach ausgelassen: Immer mehr Menschen können nicht kochen, durch eine Mischung aus Faulheit und Blödheit. Je jünger die Leute, desto eher sind sie zu blöd selbst die einfachsten Gerichte zu kochen und greifen zu schnellen Fertiggerichten, die teilweise so ungesund sind, dass man genauso gut an einer Plutoniumstange nuckeln kann. Die Leute sind abhängig von künstlichen Geschmacksverstärkern, haben kein Plan wie die Zutaten wirklich schmecken und wollen keine zwei Minuten fürs Essen aufwenden, weil es ihnen zu anstrengend sei. Ja, ich traf sogar Leute an, die sogar das Salat waschen und schnibbeln als „furchtbar… Mehr
Was der Artikel völlig außer acht lässt, ist, dass Babys häufiger schon mit Übergewicht geboren werden. Immer mehr Babys haben ein Geburtsgewicht bis 4 kg, was nicht allein den Geburtsvorgang problematisch macht. Diese Kinder werden in der Regel ihre überflüssigen Pfunde nie los, im Gegenteil es werden immer mehr. Und es werden immer mehr, die in jungen Jahren schon mit einem Altersdiabetes zu kämpfen haben. Das Problem mit mehr aufoktroyierter Bewegung lösen zu wollen, ist illusorisch. Es geht nur, wenn man Freude an Bewegung hat, und die hat man nicht, wenn man 20 kg und mehr zusätzlich bewegen muss. Für… Mehr
Das ist nur die halbe Wahrheit. Klar ist es schwer, wenn man mit X Kilos mehr sich bewegen muss, aber wenn man diese Unlust nachgibt, kommt man in einen Teufelskreislauf; Je weniger man sich bewegt, desto schneller setzt man was an… je mehr sich was ansetzt, desto weniger Lust hat man sich zu bewegen… usw… Diesen Kreislauf gezielt zu durchbrechen, sei es auch nur, dass man jeden Tag die Treppe steigt, 10 Minuten spazieren geht oder ähnliches, ist der erste Schritt zur langfristigen Besserung des eigenen Wohlbefindens. Ein wesentlich größerer Einfluss als das anfängliche Geburtsgewicht hat eher das Elternhaus. Die… Mehr
Abgesehen davon, dass ich einige übergewichtige Menschen kenne, die sehr viel Zeit in ihre Kochkunst investieren, sind die Mütter der übergewichtigen Babys in fast allen Fällen schon vor der Schwangerschaft übergewichtig. Es ist inzwischen fester Bestandteil der Wissenschaft und durch zahlreiche Tierversuche und Datenerhebungen untermauert, dass Essverhalten in der weit überwiegenden Zahl der Fälle vor der Geburt angelegt wird. Will das hier nicht weiter ausbreiten, aber einschlägige Literatur ist reichlich vorhanden.
Oh ja, die Gene sind wieder mal Schuld und nicht die Tatsache dass der Dicke 10 Döner am Tag frisst.
„Der Mensch lässt sich leicht einreden… dass Zucker auch Zucker, also Diabetes macht.“
Herr Brendel, das interessiert mich jetzt sehr. Gibt es Links, die sich mit der Verstoffwechselung von Zucker unabhängig vom Pankreas beschäftigen, und die Sie mir zur Verfügung stellen könnten? Alles, was ich bisher dazu gefunden habe, behauptet immer den Zusammenhang von Zucker und Insulin, aber ich habe einen Bekannten mit kompletter Pankreasinsuffiziens (calzifiziert, inkl. Langerhans’scher Inseln), der zwar auf Enzyme angewiesen, aber eben kein Diabetiker ist. Es muss also noch ein pankreasunabhängiges kohlehydratspaltendes Enzym/ Hormon geben. Können Sie mir da etwas empfehlen?