Bayerische Staatsregierung setzt sich über ein Bürgervotum gegen einen Windpark hinweg

Eine kleine Gemeinde in Bayern wehrt sich per Bürgerentscheid gegen einen Windpark. Doch die Regierung unter Söder und Aiwanger hält daran fest. Sie sitzt am längeren Hebel. Juristisch gesehen hatten die Mehringer Bürger von Anbeginn an keine Chance.

IMAGO / Sven Simon
Windpark in Bayern bei Hirschberg

Die sogenannte Energiewende spaltet das Land – im Großen und im Kleinen. Nun haben sich die Bürger der Gemeinde Mehring (ca. 2.500 Einwohner) im südostbayerischen Landkreis Altötting (ca. 112.000 Einwohner) am Sonntag, 28. Januar 2024, in einem Bürgerentscheid gegen einen Groß-Windpark des Unternehmens Qair auf dem eigenen Gemeindegelände ausgesprochen: mit 928 „contra“- und 454 „pro“-Stimmen, also mit 67,1 Prozent gegen und 32,9 Prozent für den Windpark.

Es soll der größte Windpark Bayerns werden. Bei dem Gelände, auf dem der Windpark entstehen soll, handelt es sich um „Bayerische Staatsforsten“. Dort sollen nach bisherigen Plänen etwa zehn Windkraftanlagen entstehen. Die Bayerische Staatsregierung der Koalition Söder (CSU)/Aiwanger (Freie Wähler) will und wird am Windpark festhalten.

Die Regierenden machen ein wenig auf Empathie – bleiben aber unbeirrt

Für Ministerpräsident Söder ist die Entscheidung der Mehringer „kein Beinbruch“. „Wir haben natürlich Respekt vor der Entscheidung … Deswegen wird jetzt geprüft, wie wir damit umgehen“, sagte Söder bei einer Pressekonferenz nach einer aktuellen Kabinettsklausur. Generell sei aber das Ziel, dass es „keinen Windpark light und auch keinen Windpark mini“ geben solle, sondern etwas Großes. „Da hängt die ganze Region dran, das ist für Südost-Oberbayern ganz wichtig“, so Söder mit Blick auf das sogenannte bayerische Chemie-Dreieck zwischen Trostberg, Burghausen und Töging. Und weiter: „Ich bin am Ende optimistisch, dass wir zu einem Erfolg kommen und gemeinsam diesen Windpark auf den Weg bringen, vielleicht in etwas anderer Form, aber es soll keine großen Abstriche geben.“

Söders Vize, Wirtschaftsminister Aiwanger, sagte: „Ich bin nach wie vor dafür, Windräder in der Region zu errichten, um erneuerbare Energie für den Chemiepark und die Bürger zu erzeugen … Die Entscheidung der Bürger von Mehring zeigt, dass sie mehrheitlich von der bisherigen Planung nicht überzeugt sind. Es gilt jetzt zu prüfen, wie das Windenergie-Projekt weitergeführt wird“, sagte Aiwanger. „Wir werden noch mal versuchen, mit den Betroffenen zu reden, um eine Kompromisslinie zu finden. Und wenn die völlig auf Stur schalten, müssen wir schauen, was wir dann tun werden und tun sollten“, so Aiwanger weiter.

Das Übliche aus der rot-grünen Ecke

Für Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag, kommt das Ergebnis des Bürgerentscheids nicht überraschend. „Was wir sehen, sind die Geister, die Söder und Aiwanger riefen. Jahrelang haben sie und ihre Parteien gegen die Windkraft gewettert und sie mit allen Mitteln verhindert. Natürlich verfangen ihre Phrasen im Land“, so Schulze. Sie bezeichnete die Politik von CSU und Freien Wählern als „Standortrisiko für Bayerns Wirtschaft“.

Nach dem Entscheid fordert SPD-Fraktionschef Florian von Brunn von der CSU/FW-Koalition eine Regierungserklärung zur Energieversorgung des Industriestandorts Bayern sowie eine breite öffentliche Kampagne des Freistaats für Windkraft: „Man kann nicht jahrelang ohne Folgen gegen Windräder Stimmung machen.“ Von Brunn sieht die Schuld bei Wirtschaftsminister Aiwanger: „In fünf Jahren Aiwanger ist bei der Energiewende, insbesondere beim Wind, viel zu wenig passiert.“

Das Kernproblem bleibt der Ausstieg aus der Kernenergie

Klar, Bayern ist kein Windkraftland; Windkraft deckt dort aktuell ca. 7 Prozent ab. Auf Biomasse entfallen rund 13, auf Photovoltaik rund 23, auf Kohle und Gas gut 20 Prozent. Mit leistungsfähigen neuen Turbinen mit hohem Wirkungsgrad deckt Bayern rund 15 Prozent ab (Zahlen von 2022).

Bayern war (!) ein Land der Kernenergie mit bis zu fünf leistungsfähigen Reaktoren. Damit wurden rund 18 Prozent des Energiebedarfs abgedeckt. Dass sie früher oder später abgeschaltet würden, ist das „Verdienst“ einer CDU/CSU/SPD-Bundesregierung. Auch ein damaliger bayerischer Umweltminister Söder war 2011 für den Ausstieg aus der Kernenergie. Falls dieser nicht komme, drohte Söder damals (!) mit Rücktritt. 2023 dann droht er mit dem eigenmächtigen Weiterbetrieb der bayerischen Reaktoren. So ändern sich die Zeiten.

Das aktuelle Problem: Energiewende oder Bürgernähe?

Nun also die Causa „Mehring“: Die Bayerische Staatsregierung sitzt hier am längeren (rechtlichen) Hebel. Es handelt sich nämlich um einen Bürgerentscheid gemäß Bayerischer Gemeindeordnung Artikel 18a. Dort ist von Bürgerentscheiden im „eigenen Wirkungskreis“ die Rede. „Bürgerentscheid“ war 2012 schon einmal in weitaus größerem Stil ein Thema, als die Münchner (!) Bürger sich mit 54,3 Prozent gegen eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen aussprachen. Da diese Entscheidung aber weit über München hinaus reichte, war dieser Bürgerentscheid nicht verbindlich für die bayerische Staatsregierung. Allerdings ist das Thema „3. Startbahn“ dort auch für die Legislaturperiode 2023/2028 auf die lange Bank geschoben.

Es kommt in der Causa „Mehring“ hinzu. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) des Bundes hält in § 2 fest: Erneuerbare Energien liegen im „überragenden (sic!) öffentlichen Interesse“; und weiter: „Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang … eingebracht werden.“ Die Mehringer Bürger hatten also von Anbeginn an keine Chance. Wahrscheinlich erinnern sie sich jetzt an eine Passage des Gedichts „Die Lösung“ von Bertolt Brecht: “Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?”

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Kommentare ( 74 )

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Rene Meyer
2 Monate her

Mein Respekt für die Entscheidung der Bürger von Mehring. Windkraft ist nicht erneuerbar. Dem Wind lokal große Mengen an Energie zu entziehen, verändert das Wetter und das Mikroklima vor Ort, langfristig vermutlich auch regional.

HansKarl70
2 Monate her

Mal abgesehen davon dass das Wort „Staatsregierung“ ziemlich unpassend ist für so etwas Kleines wie Bayern, muss man nun wohl mit dem zufrieden sein was man wahrscheinlich bestellt hat. Mein Mitleid hält sich in Grenzen

Dr. Rehmstack
2 Monate her

Wie man dem Atlas des deutschen Wetterdienstes zur mittleren Windgeschwindigkeit in Deutschland entnehmen kann (https://www.dwd.de/DE/leistungen/windkarten/deutschland_und_bundeslaender.html), liegen Altötting/Burghausen im windschwächsten Gebiet Deutschlands mit durchschnittlicher Windgeschwindigkeit von 4 m/s, da springen die meisten Windkraftanlagen noch nicht an. Erst bei 12 m/s Windgeschwindigkeit wird die Nennleistung einer Windmühle erreicht. Nur zwischen 5 und 12 m/s entsprechend Windstärken 3-6 Beaufort erzeugt eine Windkraftanlage Strom, darüber hinaus bei stärkeren Windstärken muss die Anlage abgeregelt werden. Nach 20 Jahren sind die Stahltürme durch die Vibrationen so stark ermüdet, dass sie abgebaut werden müssen. Ohne Subventionen würde es kein Investor geben, der so etwas finanziert.

bfwied
2 Monate her

In der Gegend kann man nach dem Windatlas mit um 4 m/s Wind rechnen, wobei man allerdings die überall festgestellte Übertreibung (s. mehrere Geographie-Institute – bis 40 % zu hohe Windwerte) einberechnen muss. Bei 4 m/s Windgeschwindigkeit leistet der Rotor ca. 250 kW! Lächerlich! An 24 Stunden an jedem Tag im Jahr 2190 MWh, also 2,19 GWh. Und das bei einer Nennleistung von 4,2 MW, woraus sich 36.8 GWh ergäben. In dem Fall wäre die Ausbeute bei unter 6 % der Nennleistung angesiedelt, was wegen der Windübertreibung zu hoch gegriffen ist. ABER: Die Ausbeute ist generell gering, sie liegt nach… Mehr

kb
2 Monate her

Auch für Bayern gilt: Wie gewählt so geliefert!

Juergen P. Schneider
2 Monate her

Der Bürgerentscheid ist die Übertragung des berühmten Ulbricht-Zitats: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ Was die Bürger mehrheitlich wollen, spielt in „unserer“ d.h. der links-grünen Altparteien-Demokratie, absolut keine Rolle mehr. Wer etwas daran ändern will, muss alternativ wählen. Er muss dann der Schwefelpartei seine Stimme geben. Deren Erstarken führt zu erstaunlichen politischen Kapriolen beim Altparteienkartell. Interessant wäre in diesem Zusammenhang natürlich auch zu erfahren, wem denn die betroffenen Bürger bei der letzten Landtagswahl ihre Stimmen gegeben haben.

bkkopp
2 Monate her

Rechtlich mag die Gemeinde am kürzeren Hebel sitzen. Klima-, umwelt- und energiepolitisch ist sie es nicht. Die hypothetische Leistungsfähigkeit der Rotoren ist nur relevant wenn Wind weht. Es braucht trotzdem teure Ausgleichskapazitäten mit einem Gaskraftwerk, oder teure Importe, um eine stabile Stromversorgung zu schaffen. Eine vollständige Nachkalkulation nach 3-5 Jahren wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegen, dass die Windräder weder klimapolittisch, und noch weniger wirtschaftlich Sinn machen.

J. Braun
2 Monate her
Antworten an  bkkopp

Aber dann sind sie halt da und die Quirle drehen sich (oder auch nicht) und die Windbarone machen ihre Gewinne in jedem Fall, und das Land Bayern bekommt die Pacht für das Gelände auch und kann damit ein paar zusätzliche Spinnereien finanzieren — vielleicht auch noch ein paar Containerdörfer. Die Bezahlung kommt mit der Stromrechnung von denen, die bei den Wahlen eifrig ihr Kreuzchen bei der Nationalen Front gemacht haben (und leider auch denen, die mitgedacht haben, aber dies sind halt zu wenige).

Proffi
2 Monate her

Es ist zum Verzweifeln ! Anscheinend ist auch den kritischsten Köpfen nicht klar, dass es keinen bedrohlichen Klimawandel gibt, und dass CO2 und Methan auf das Wetter (ein Weltklima gibt es überhaupt nicht und dessen Temperatur kann man nicht messen) überhaupt keinen Einfluss haben. Die „Energiewende ist deswegen ein unbezahlbarer Irrsinn. Ihren Propagandisten geht es nicht darum den „Klimawandel“ aufzuhalten, sondern nur ms Geld.

Ohanse
2 Monate her

Das ist schon richtig so. Die bayerischen Wähler wollen Strom aus Wind, dann müssen sie auch die Anlagen dafür bauen. Und wenn da zuwenig Wind weht, dann eben ein paar Anlagen mehr. Wäre ja noch schöner.

Bambu
2 Monate her

Ich würde die politische Entscheidung noch verstehen, wenn Mehring in einer guten Windzone liegen würde, aber selbst das ist nicht der Fall und damit dürfte der Ertrag doch eher mittelmäßig bis schlecht sein, was in der Sache nun auch nicht gerade weiterhilft.
https://www.dehn.de/de/produkte/blitzschutz-erdung/windzone
Das Projekt wird von einem Ableger der französischen Qair Group betrieben. Diese Firma wiederum kaufte die insolvente Green City AG aus München auf. Möglicherweise geht es hier auch darum, dass gegen jeden Verstand einfach Arbeitsplätze gerettet werden sollen.