Die Ursachen der demografischen Krise

Wer die demografische Krise überwinden möchte, muss erst einmal verstehen, welche Ursachen sie hat. Denn während es lange Zeit schien, als sei der Geburtenrückgang ein Problem des Westens, lassen sich globale Gemeinsamkeiten herausarbeiten.

picture-alliance / Image Source | Image Source/Takahiro Igarashi

Die demografische Krise ist die existenzielle Bedrohung der Menschheit. Während Degrowth-Anhänger am linken Ende des politischen Spektrums die kollabierenden Geburtenraten begrüßen, da sie deren endgültige Konsequenz nicht nur nicht auszusprechen, sondern auch nicht zu denken wagen, verläuft sich die rechte, bzw. konservative Kritik im immerwährenden Anprangern der ewig gleichen Teilaspekte der selbstzerstörerischen Ideologien, die zum bevorstehenden Bevölkerungskollaps geführt haben.

Von der Energiewende bis zur Migrationskrise sind die großen Probleme unserer Zeit nur Teile eines großen Ganzen, das nirgendwo deutlicher kulminiert, als in der fundamentalsten Krise des modernen Menschen, der seinen grundlegendsten Trieb zur Fortpflanzung und somit zur Sicherung des Überlebens der Spezies zu verlieren droht. Wer Lösungen für diese Symptome sucht, ohne das große Ganze im Auge zu behalten, droht einfache und falsche Lösungen zu suchen, die zwar die Symptome behandeln, aber nicht die ihnen zu Grunde liegende Krankheit.

Wer aber im Gegenteil danach trachtet, das Problem der demografischen Krise in all seiner Komplexität in Angriff zu nehmen, wird dabei automatisch auf altbekannte Probleme stoßen, denen er sich nun aber nicht mehr von einer rein ideologischen Seite nähert, sondern einen strikt lösungsorientierten Ansatz verfolgt – vorausgesetzt man hat den Mut, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen, die ansonsten selbst im konservativen Lager sozial geächtet werden.

Die demografische Krise ist aber zu ernst und existenzbedrohend, als dass man Wahrheiten verschweigen dürfte, nur weil es unbequem ist. Diese Artikelreihe ist ein Versuch, einige Ursachen für die demografische Krise beim Namen zu nennen und aus ihnen möglichst konsequente Schlüsse zu ziehen. Keineswegs soll damit der Anspruch von Vollständigkeit, noch von Unumstößlichkeit dieser Behauptungen gestellt werden. Stattdessen sollen die Lösungsvorschläge einen ersten Anstoß darstellen, um der demografischen Krise wieder Herr zu werden, ein Unterfangen, wohlgemerkt, an dem selbst Regierungen rechts wie links mit ihren Bemühungen bisher gescheitert sind. Es mag vermessen klingen, solche Lösungen von einem Journalisten zu erwarten, aber dafür hat der liebe Gott diesen Berufsstand auch mit entsprechendem Ego gesegnet.

Der Status quo der demografischen Krise

Die demografische Krise stellt eine existenzielle Bedrohung für die Menschheit dar. Aufgrund der vielen Faktoren, die zu den drastisch fallenden Geburtenraten geführt haben, ist nicht absehbar, dass dieser Trend sich bei unveränderten globalen Entwicklungen wieder umkehren würde. Während also die rückläufige Reproduktionsrate der letzten 50 Jahre bereits unweigerlich eine große gesellschaftliche Belastungsprobe für die meisten entwickelten Nationen darstellen wird, steht zu befürchten, dass eine weitere Verschärfung des Problems in den nächsten 10-20 Jahren zu einer Katastrophe ungeahnten Ausmaßes führen wird. Im Gegensatz zu Klimamodellen, die seit 50 Jahren falsch die Zukunft vorhersagen, beruhen diese Erwartungen allerdings auf der Empirie der letzten Jahrzehnte, sowie auf einfachen mathematischen und wirtschaftlichen Schlussfolgerungen aus Entwicklungen und Entscheidungen, die schon längst stattgefunden haben, die aber erst zeitverzögert ihre vollständige Tragweite entfalten werden.

Die demografische Krise ist nicht nur eine Krise eines dekadenten Westens, sondern ein weltweites Phänomen. Auch viele muslimische Länder haben stark rückläufige Geburtenraten, der Mythos, Muslime würden einfach durch ihre Fortpflanzungsbereitschaft den Westen überlaufen, kann von den vorliegenden Fertilitätsraten nicht gestützt werden. Zur Einordnung: Die Vereinigten Arabischen Emirate haben eine Geburtenrate von 1,46 und liegen damit noch hinter Österreich (1,47) und gleichauf mit Kanada und Polen. Auch der Iran liegt mit 1,69 noch hinter Ländern wie Tschechien (1,70) und Dänemark (1,72) und selbst die Türkei liegt mit 1,89 unter dem Reproduktionsniveau, wobei dieser Wert ohne die kurdische Landbevölkerung noch deutlich niedriger liegen würde.

Afghanistan aber liegt mit einer Geburtenrate von 4,64 am anderen Ende des Spektrums, woraus deutlich wird, dass es nicht der Islam ist, der die Geburtenraten entscheidend beeinflusst, auch wenn seine pro-natalistische Lehre ein höhere Fertilität sicherlich begünstigen könnte.

Vergleicht man die Geburtenraten weltweit, zeichnen sich einige Faktoren als besonders ausschlaggebend für die Fertilitätsrate aus. Dazu gehören:

  • Der Grad der Urbanisierung
  • Der Zugang zu Bildung, vor allem für Frauen
  • Das Wohlstandsniveau
  • Wie säkular/religiös die jeweilige Gesellschaft ist
  • Das Ausmaß äußerer Bedrohung

Vor allem in den ersten drei Punkten herrscht eine deutliche Korrelation zur Geburtenrate einer Nation. Je höher der Grad der Urbanisierung, desto niedriger die Geburtenrate, wobei moderne Metropolen die mit Abstand niedrigsten Geburtenraten aufweisen. Gleiches gilt für das Bildungs- und Wohlstandsniveau. Die wenigen Regionen der Welt, die noch disproportional hohe Geburtenraten aufweisen, sind nicht nur einige der ärmsten Länder der Welt, sondern auch mit der höchsten Rate an Analphabeten.

Religiosität und das Ausmaß äußerer Bedrohung stehen in geringerem Maße in Korrelation zur Fertilität, da auch sehr religiös auftretende Gesellschaften teilweise desaströse Geburtenraten aufweisen. Allerdings handelt es sich dabei auch fast immer um Gesellschaften mit einem fortgeschrittenen Maß an Urbanisierung, was auch in diesen Ländern die Herausbildung einer meist säkularen Schicht mit sich bringt, deren Fertilitätsrate deutlich unter jener streng religiöser Schichten liegt. Nichtsdestotrotz ist die soziale Dominanz pro-natalistischer Religionen einer der einflussreichsten Faktoren für Gesellschaften mit positiven Geburtenraten.

Das Ausmaß äußerer Bedrohung ist ein komplexes Feld, denn während der aktive Kriegszustand, wie z.B. in der Ukraine, den dortigen Bevölkerungskollaps noch beschleunigt, kann ein permanenter Bedrohungszustand häufig zu einer besonders resilienten Fertilität führen, was vor allem am Beispiel Israels beispielhaft erkennbar ist. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die Schere zwischen der säkularen Bevölkerung Israels und den streng orthodoxen Juden in Sachen Fertilität ebenfalls massiv auseinander klafft. Auch die geburtenstärksten Länder der Subsahara-Region, sowie Länder wie Afghanistan, befinden sich in einem Zustand steter Bedrohung, ob nun von außen oder von innen (Bürgerkriege) und haben entsprechend hohe Geburtenraten. Allerdings gehören diese Länder auch zu den ärmsten Ländern dieser Welt.

Basierend auf diesen Einsichten, sind es all jene Länder, die ein Mindestmaß an Urbanisierung und allgemein zugänglicher Bildung, sowie eines bestimmten Wohlstandsniveaus erreicht haben und in denen ein Trend weg von pro-natalistischer Religion, sowie relativ stabiler Friede zu verzeichnen sind, die einer Blaupause bedürfen, um die demografische Krise wieder in den Griff zu bekommen. Leider bedeutet dies mittlerweile, dass die Mehrheit der Länder dieser Welt eine solche Blaupause benötigen. Und es werden ständig mehr.

In den folgenden zwei Teilen dieser Artikelreihe sollen Thesen aufgestellt werden, wie Gesellschaften diese Herausforderungen in Angriff nehmen könnten, ohne dabei auf Empfindlichkeiten der politischen Korrektheit Rücksicht zu nehmen. Diese Thesen erheben dabei keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und dürfen vor allem nicht losgelöst voneinander als alleinige Lösungen für das Problem betrachtet werden. Nur im Zusammenspiel der verschiedenen Elemente, sowie vieler weiterer Faktoren – wie z.B. dem religiösen Aspekt, der in den nachfolgenden Thesen ausgespart wurde – kann eine nachhaltige Trendwende bei der Fertilität eingeleitet werden. Wahrlich eine Mammutaufgabe, der uns zu stellen aber unumgänglich ist.


Lesen Sie hier Teil 1 der Reihe, das Interview mit dem tschechischen Youtuber KaiserBauch, der mit seinen detaillierte Analysen zur demografischen Krise hunderttausende Zuseher erreicht:

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Kommentare ( 21 )

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Ombudsmann Wohlgemut
2 Monate her

Die „demokraphische Krise“ als Bedrohung der Menschheit zu betiteln, ist kompletter Unsinn.
Spätestens nachdem die Bevölkerung derart gestutzt wurde, dass man nicht mehr den sozialistischen Traumwelten nachjagen kann, wird sich das ganz automatisch regulieren.

Gerhard-66
2 Monate her

Wo ist jetzt die Erkenntnis..?
Das in den 60igern die „Pille“ auf den Markt kam..? Oder das ab einem Pro Kopf Einkommen >2 US$ pro Tag die Geburtenrate zurück geht..?

Wo ist jetzt die „NEUE“ Erkenntnis..?

Deswegen zählt ja nur eines.. hol die Menschen aus der extremen Armut.. aber wo ist dabei die neue Erkenntnis..?

gast
2 Monate her

Die „demokraphische Krise“ ist keine Bedrohung der Menschheit. Ganz im Gegenteil. Die Menschheit könnte erhalten bleiben, wenn sie sich zurücknimmt. Wie es ausschaut, wird das vielleicht nicht gelingen.

LadyPink
2 Monate her

Etwas romantisch verklärt gesprochen: Die Menschheit scheint irgendwo die Weite, das Fremde, eine Bedrohung, Perspektive und letztendlich auch Zeit und Platz zu brauchen, um sich zu.vermehren. Der urbanisierte Lebensraum, in dem jeder Karriere machen muss, scheint dies nicht zu bieten. Das dräuende Übel kollabierender Renten- und Wirtschaftssysteme scheint da auch nicht zu reichen. – Ich bin also gespannt auf die weiteren Teile der Serie!

PS: Herr Boos, ich schaue sehr gerne ihr Format „Redaktionsschluss“, wann darf man die nächste Folge erwarten? Danke

LunaMystic
2 Monate her

Seit Anfang der 1970er wurden in Deutschland jedes Jahr ca. 100.000 Föten abgetrieben.
Das sind bis 2023 etwa 5,3 Millionen abgetriebene Föten.
Kein Wunder, dass wir eine demographische Krise haben.
Der Import von Migranten, die größtenteils keine oder nur eine minimale Schulbildung haben, wird das Problem nicht lösen.

Jochen2
2 Monate her

So kompliziert ist es gar nicht. Eine alleinstehende Frau kann sich keine Schwangerschaft und Jobverlust leisten. Und kaum ein Mann kann alleine Frau und Kind ernähren. Dann schon lieber 100.000 Abtreibungen p.a. in D. Und bei 25% der Paare, die ein Kind wollen, bleibt die Schwangerschaft wegen Berufsstress aus.

Wini
2 Monate her

ChatGTP meint dazu:
„Das gegenwärtige Wachstum der Weltbevölkerung liegt bei etwa 0,8 % pro Jahr . Dies entspricht 67 Millionen Menschen pro Jahr. Allerdings verlangsamt sich das Bevölkerungswachstum …..Trotz dieser Verlangsamung wird die Weltbevölkerung laut Schätzungen der Vereinten Nationen bis etwa 2050 auf 9,7 Milliarden Menschen anwachsen, bevor sie um 2100 möglicherweise ein 10,4 Milliarden erreicht.“
Eine möglicherweise ungünstige Alterspyramide kann eine zunehmende Automatisierung in ihrem Auswirkungen abmildern. Ein ständiges Weiterwachsen der Weltbevölkerung ist jedenfalls nicht wünschenswert.

whgreiner
2 Monate her

Bei der schwachen Geburtenrate sind viele Hunde des Hasen Tod. Ein hierzulande meist schamhaft verschwiegener, aber sehr wesentlicher Grund dafür ist der feministisch diktierte Umgang unserer Gesellschaft mit geschiedenen Vätern: es hat sich unter deutschen Männern längst herumgesprochen, dass sie nach einer (meist von der Frau eingeleiteten) Scheidung amtlich zu Eltern zweiter Klasse und weitgehend rechtlosen Zahlsklaven der Ex samt ihrer Kinder degradiert werden. Um nicht in diese bodenlose Situation zu geraten, bleiben deutsche Männer lieber kinderlos. Deutsche Frauen würden dagegen durchaus gerne mehr Kinder haben; aber zu einer Zeugung gehören nun mal zwei.

tsundoku2
2 Monate her

Ein Gedanke zum Irrsinn der jetzigen Migrationspolitik: Wenn es bei der Migration tatsächlich vordringlich darum gehen würde, dem Bevölkerungsschwund in den westlichen Industrieländern entgegenzuwirken, hätte man vor allem alleinstehende junge Frauen anwerben müssen – nicht alleinstehende junge Männer. Es ist anzunehmen, dass viele junge Frauen, vor allem, wenn sie aus patriarchal geprägten Kulturen kommen, das Leben im freien Westen tatsächlich als Chance begreifen würden, lernwilliger wären, anpassungsfähiger, eher bereit, „niedere“ Tätigkeiten aufzunehmen, weniger aggressiv usw. Und selbst wenn diese Frauen dann ihrerseits wieder nur 1,2 bis 1,4 Kinder bekommen würden, dann würde das bei einem Frauenüberschuss unterm Strich immer noch… Mehr

cernunnos
2 Monate her
Antworten an  tsundoku2

Oje oje, dann hätten damals aber keine teddybärenwerfenden Mädels an den Bahnhöfen gestanden wenn da tausende junge hübsche Mädels aus den Zügen gequollen wären und heute stünde die AfD bei 65%. Was Sie schreiben ist natürlich logisch. Aber man stelle sich das mal vor, man hätte Millionen junge Frauen importiert, was dann passiert wäre. Sehr lustig.

Thorsten
2 Monate her

Es fehlen weitere Faktoren wie die indirekte Belastung durch den dysfunktionalen Staat wie mangelnde Kindergartenplätze, kaputtgesparten und ideologisiertes Bildungssystem, hohe Kriminalität und finanzielle Belastung durch Mehrausgaben wie besondes bei den Mieten.
Kinder scheinen sich eher als „Geschäftsmodell“ bei bildungsfernen Schichten wie Migranten zu lohnen, da die Transferleistungen dort nicht mit dem Arbeitseinkommen VERRECHNET werden. zb Kita-Gebühren