Telegram und X knicken ein

Im Kampf um den Schutz von Privatsphäre und Meinungsfreiheit im Internet mussten zwei der wichtigsten Plattformen, Telegram und X, einen herben Rückschlag in Kauf nehmen. Beide unterwerfen sich in Zukunft den Auflagen von Behörden und kompromittieren dabei ihre Prinzipien.

picture alliance / NurPhoto | Jonathan Raa

Nun ist es also soweit: Zwei der größten Internetplattformen für freie Meinungsäußerung, Pawel Durows Telegram und Elon Musks X, geben nach langen Streitigkeiten den Forderungen von Regierungsbehörden nach. Durow, der vor einigen Wochen in Paris festgenommen wurde, da man ihm vorwirft kriminelle Aktivitäten auf seiner Plattform ungenügend zu bekämpfen, kündigte an, zukünftig mit Behörden zusammenzuarbeiten und diesen auf offizielle Anfrage Telefonnummern und IP-Adressen von Verdächtigen zu übermitteln.

Damit legt Telegram eine bedeutende Kehrtwende hin. Bislang galt die 2013 von Durow gegründete Plattform als eine der datenschutztechnisch sichersten Social-Media-Seiten, deren Verschlüsselung dafür sorgte, dass nur sehr wenige Daten von Nutzern erfasst wurden.

Galt bislang noch die Regel, dass Telegram nur bei Terrorverdacht einschritt, wurde dies nun auf der Verdacht „krimineller Handlungen“ erweitert, so Durow am Montag. Die Änderung solle den Missbrauch der Suchfunktion verhindern, die manche Nutzer „für den Verkauf illegaler Artikel“ genutzt hätten.

Bereits in den Wochen zuvor wurden mit Hilfe künstlicher Intelligenz „problematische Inhalte“ auf Telegram gelöscht. Zwar betonte Durow, dass Telegram bei offiziellen Anfragen eine rechtliche Bewertung vornehmen würde, dennoch führt diese Änderung der Datenschutz-Richtlinien zu einer deutlichen Einschränkung der bisher gewährleisteten digitalen Privatsphäre auf Telegram.

Der russische Tech-Milliardär Durow wurde Ende August in Frankreich festgenommen, die französische Justiz wirft ihm vor, Telegram ermögliche Drogenhandel, Geldwäsche, Betrug, sowie Vergehen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch. Vor allem letzterer Vorwurf ruft auch Kritiker auf den Plan, die darauf verweisen, dass Mark Zuckerbergs Instagram ein weithin bekanntes Problem mit „Grooming“ (bewusster Kontaktaufnahme mit Minderjährigen zwecks Herbeiführung sexueller Kontakte) habe, Zuckerberg aber nicht ins Visier der Fahnder gerate, da er sich in Sachen staatlich gewünschter Zensur stets kooperativ gezeigt hat.

Durow kam nach einiger Zeit in Haft auf Kaution frei, darf seitdem Frankreich aber nicht verlassen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die französische Justiz mit dieser ersten Konzession zufrieden gibt.

Auch X gibt im Streit mit Brasilien klein bei

Während Durow persönlich in Frankreich festsitzt, entbrannte in Brasilien ein Privatkrieg zwischen Elon Musk und der brasilianischen Regierung, die den Zugang zum Social-Media-Dienst X kurzerhand sperrte, da X nicht genug zur Bekämpfung sogenannter Desinformation tue. In einer ersten Reaktion bot Elon Musk den Brasilianern Zugang über sein eigenes Satelliten-Internet Starlink an, um somit die Auflagen der brasilianischen Richter zu umgehen. Musk bezeichnete darüber hinaus den verantwortlichen Richter als den „Diktator Brasiliens“.

Später jedoch ruderte Musk zurück, als der zuständige Richter Alexandre de Moraes mit einer Geldbuße in Höhe von umgerechnet 825.000 € pro Tag für die „vorsätzliche, rechtswidrige und dauerhafte Missachtung“ der Auflagen drohte.

Nun scheint es zu einer Einigung zu kommen, denn laut Berichten der New York Times ernannte X juristische Vertreter in Brasilien, die gelobten, die Auflagen des Obersten Bundesgerichts umzusetzen. Die New York Times vermutet hinter diesem Schritt vor allem geschäftliche Interessen, da in Folge der wochenlangen Sperre viele brasilianische Nutzer mittlerweile zu Konkurrenzplattformen abgewandert sind.

Es ist ein schwarzer Tag für die freie Rede im Internet, wenn gleich zwei der wichtigsten Plattformen für freien Meinungsaustausch sich staatlichen Einschränkungen der Privatsphäre und Meinungsfreiheit unterwerfen müssen. Man darf davon ausgehen, dass dieser Kampf damit aber noch lange nicht beigelegt ist.

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Kommentare ( 51 )

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Stefferl
2 Monate her

Das Traurige an der Geschichte ist ja, daß die meisten Leute gar nicht merken, daß die Zensur gegen sie selbst gerichtet ist. Bei uns wird immer argumentiert mit Terrorismus, Kinderpornographie und Kamof gegen Rechts. Dabei ist es ein Kampf gegen die Bürger. Und die Wahlergebnisse der letzten Wahlen zeigen ja ganz deutlich, daß 2/3 der Bevölkerung nicht begriffen haben, daß die Regierungen gegen das Volk kämpfen. Das Volk ist aber so dumm und wählt seine Schlächter selbst.

A.Kroemer
2 Monate her
Antworten an  Stefferl

Was glauben sie eigentlich, wie es aussehen würde, wenn andere regieren würden? Es gibt dann nämlich andere Interessen, um sich selbst zu schützen, weil die Kritiker zu oft zu hören wären. Stellen Sie sich einfach nur mal vor, dass es in einem Land, das unter einer Diktatur steht, eins soziale Plattform existieren würde, die sich der staatlichen Kontrolle entzieht. Was glauben sie wohl, wie schnell so eine Plattform plötzlich von heute auf morgen verschwinden würde? In bekannten Diktaturen sind z. B. Suchmaschinen so eingerichtet, dass sie bei bestimmten Anfragen, die bestimmte Begriffe enthalten, gar nicht antworten (können). Andererseits können Apps wie… Mehr

doktorcharlyspechtgesicht
2 Monate her

Brauch ma des wirklich? Einige Leute, die ich kenne, sind komplett verroht wenn es um die Inhalte ihrer Kommentare auf X geht. Sie sind süchtig und liefern sich Kommentarbeleidigungsschlachten mit ihren digitalen Gegnern. Ein enger Freund bezeichnete X „als den letzten Dreck von dem er nicht loskomme“. Jedem der wirklich der Ansicht sein sollte, dass irgendeine Form der digitalen Kommunikation nicht milliardenhaft nach Art der Rasterfahndung durchsucht werden kann und dass sein Smart Phone ein sicheres Kommunikationsmittel sei, muss doch mittlerweile klar sein, dass dem nicht so ist und ohne eigene vertiefte Kenntnisse und einigen Aufwand auch nie so sein… Mehr

Lafevre
2 Monate her

Dass Unternehmen irgend etwas gegen Staaten, die mit Gewaltmonopol ausgestattet sind, bewahren können, ist wohl ins Reich der Illusionen zu verweisen.

Howard B.
2 Monate her

Beide Konzerne sind profitorientiert. Daher ist dies der Normalzustand in diesem System. Wenn die Nutzer diese Plattformen boykottieren und damit den Profit ruinieren, dann setzt vielleicht ein Umdenken ein. Dies wäre das normale Prinzip in einer Marktwirtschaft. Da aber die Bevölkerungen weit überwiegend zu bevormundenden „Kindern“ erzogen wurden und werden, wird dies nicht erfolgen. Leider keine gute Prognose.

Last edited 2 Monate her by Howard B.
HansKarl70
2 Monate her

Wer von den Regierenden wird schon auf die Macht, die Kontrolle nun mal hat, so einfach verzichten wollen? Solange wir vom Geld regiert werden, wird sich da auch nichts großartig ändern. Egal welche Ideologie oder welchen Namen man für seine Pläne verwendet.

Last edited 2 Monate her by HansKarl70
HansKarl70
2 Monate her

Wenn „Telegram“ oder „X“ meinen, Sie müssten mit Regierungen zusammenarbeiten müssen sie das halt tun und auch die Folgen tragen. Ich brauch beide nicht.

Don Didi
2 Monate her

Was ich nicht verstehe ist, wieso amerikanische bzw. russische Unternehmen dem Recht eines beliebigen Drittlandes unterliegen sollten. Erstens könnte mit gleichem Recht auch der Irak, Nordkorea, China oder der Vatikanstaat die Einhaltung seiner Regeln verlangen (was das Internet als Ganzes töten würde), zweitens widersprechen einige bis viele dieser Regeln den eigentlich für X geltenden amerikanischen Gesetzen bzw. der Constitution.
X darf als amerikanische Firma nicht zensieren, das widerspricht der Verfassung.

fatherted
2 Monate her

Siehe auch die Empfehlung der „Bürgerräte“ die letztens an Frau Faeser übergeben wurden.

siebenlauter
2 Monate her

Der weltweite Siegeszug der Bürokraten, Etatiszen und Bolschewisten aller Colour ist schon erstaunlich.

Manfred_Hbg
2 Monate her

Zitat 1: „Später jedoch ruderte Musk zurück, als der zuständige Richter Alexandre de Moraes mit einer Geldbuße in Höhe von umgerechnet 825.000 € pro Tag (……..) drohte“ > Nun ja, ich weiß natürlich nichts darüber wo und welche Geschäfte E. Musk am tatigen,ist. Aber im Fall von Brasilien könnte ich mir vorstellen, dass er dort irgendwelche Werte(z.Bsp Firmen o.s.) liegen hat auf die die brasilianische Justiz zugreifen könnte und weshalb er dann lieber nachgegeben hat. Sollte ich hier richtig vermuten, dann würde es wohl so ähnlich verlaufen wenn es sich um die EU handeln würde da Musk nun ja auch… Mehr