So geht es in einem einst großen Medienhaus zu

Stern TV dementierte per Twitter, dass man etwas mit Stern TV zu tun habe. Hä? Genau, sehr seltsam. Der Vorgang zeigt, wie sehr es in einem einst großen Medienhaus namens G+J drunter und drüber geht.

Screenprint: via twitter

Während unserer langen beruflichen Laufbahn haben wir einiges Gutes, aber auch jede Menge Mist erlebt. Vielfach waren eitle Egomanen am Werk, die mit imaginären Außenspiegeln durch die Welt stapften, um darin ihren Heiligenschein ständig strahlen sehen zu können. Das, was jüngst in der Medienbranche die Runde machte, haben wir indes noch nicht erlebt: Stern TV dementierte vergangenen Sonntagabend per Twitter, dass man etwas mit Stern TV zu tun habe. Hä? Genau, sehr seltsam.

Dieses war passiert: Der bekannte Seichtsender RTL hatte an jenem Abend eine Stern TV-Sendung (unter anderem zu Corona und dem Australien-Skandal um Tennisstar Djokovic) ausgestrahlt, die mit dem eigentlich Magazin Stern TV, das immer mittwochabends bei RTL im Programm steht, nichts zu tun hatte – außer dem Logo. Dazu muss man Folgendes wissen: Vor mehr als zwei Jahrzehnten hat der damalige Verlag Gruner+Jahr die Rechte von Stern TV an Günther Jauch verkauft, Deutschlands Rateonkel Nummer eins. Der brachte die Rechte in seine Medienfirma „i+u“ ein, was Information und Unterhaltung heißt. Die sitzt seit ewigen Zeit in Köln, wie RTL.

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2019 verkaufte Jauch die Firma an den US-Finanzinvestor KKR. Nachdem zum 1. Januar 2022 rechtlich vollzogen wurde, dass der ehemalige Hamburger Großverlag G+J in RTL aufgeht, betrifft das auch das Printmagazin „Stern“. Pikant ist nun nicht nur, dass die Chefredaktion des Stern seit eh und je keinerlei Einfluss auf die Sendungen von Stern TV hat, sondern auch RTL null Einfluss auf „i+u“ – wenn da nicht RTLs-Alzweckwaffe Günter Jauch wäre, der ja trotz des zwischenzeitlichen Verkaufs von Stern TV immer noch vor allem für den Kölner Sender tätig ist.

Was nun mit wem und wann abgesprochen worden ist und ob das Stern TV-Logo von RTL für eigene Zwecke weiter genutzt werden darf, ist unbekannt. Kaum war am Sonntagabend Stern TV gesendet, von Promi-Königin Frauke Ludowig und RTL-Politikchef Nikolaus Blome dilettantisch moderiert, twitterten empörte Mitarbeiter von „i+u“, dass sie damit nichts zu tun hätten. Mit anderen Worten: Wir distanzieren uns von dem Scheiß!

Auch in der Redaktion des „Stern“ hat es dazu kräftig gekracht. Während der Routine-Themenkonferenz dienstags kam diese Woche auch der Inhalt eines Beitrages von letzter Woche zur Sprache, in dem die neue Zugehörigkeit zu RTL beklatscht und zugleich darüber räsonierte wurde, wie mies der Umgang und das Konkurrenzgebaren intern in den letzten Jahren gewesen sei. Das sei aber nun unterm Hut von RTL vorbei. Warum die Redaktion fortan kein Haifischbecken mehr ist, blieb allerdings offen. Tenor aus der Redaktion: Beides, die Nummer mit Stern TV wie auch das unsägliche Jubelstück zur Vereinigung mit dem Sender, war der Chefredaktion um Florian Gless oberpeinlich. Es sei „sehr viel Luft nach oben und man übe noch“.

Angesichts eines solchen Eingeständnisses fragt sich jeder unerfahrene Jungredakteur: Von welcher Amateurtruppe mit mehreren hunderttausend Euro Gehalt werde ich eigentlich geführt? Ein Teil der Antwort, dass die verantwortlichen Herrschaften offenbar größere Defizite haben, steckt in der seit Jahren katastrophalen Auflage. Ein altgedienter „Stern“-Kämpe meint zu der Lage verzweifelt: „Es gibt nicht so viele Tränen, wie man heulen müsste.“

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Es könnte aber für die schreibenden „Stern“-Leute noch schlimmer kommen: Der nicht gerade hochfliegende „Stern“-Chefredakteur Gless, dessen hervorstechendeste Eigenschaft nach Aussagen von Kollegen die geschmeidige Anpassungsfähigleit sein soll, könnte demnächst vom RTL-Politikchef Nikolaus Blome abgelöst werden. der ja ohnehin schon im Laden ist und gern zeigen möchte, was er alles bei „Bild“ und beim „Spiegel“ gelernt hat. Im Springer-Verlag arbeitete Blome ab 1997 für die „Welt”, „Bild am Sonntag” sowie für die „Bild”, zuletzt als deren stellvertretender Chefredakteur.

2013 wechselte er auf Betreiben des damaligen Chefredakteursanwärters Wolfgang Büchner zum „Spiegel“, was in der dortigen Redaktion zu heftigen Protesten führte. Nicht als offizieller „Stellvertretender Chefredakteur“ sondern als „Mitglied der Chefredaktion“ leitete er das Hauptstadtbüro des Nachrichtenmagazins, nahm aber schon zwei Jahre später wieder seinen Hut, nachdem zuvor sein Mentor Büchner vom „Spiegel“ verabschiedet worden war. Zurück bei der „Bild“ fungierte Blome wieder als stellvertretender Chefredakteur, nahm dann aber endgültig seinen Abschied, nachdem ein gewisser Julian Reichelt dort Chefredakteur geworden war.

In seiner anschließenden Funktion beim Sender RTL, der bekanntlich zum Hause Bertelsmann gehört, das auch am „Spiegel“ beteiligt ist, durfte Blome auch an der Hamburger Ericusspitze eine Art Comeback feiern und schreibt dort politische Kolumnen, die man nicht lesen muss.

Die gekränkten Leute vom „Stern“ werden dagegen sicher genau hinschauen, welche Ansichten ihr potenzieller neuer Chef vertritt. Gut möglich ist aber auch, dass durch eine neue Personalie mindestens einer von zwei Chefredakteurs-Sesseln beim „Stern“ neu besetzt wird. RTL hat jüngst bekannt gegeben, dass Gregor Peter Schmitz, 46, bislang Chefredakteur bei der „Augsburger Allgemeinen“, dem Sender beitritt. Für welchen Job, ist zumindest nach außen noch unklar. Nun blühen am Hamburger Baumwall die Spekulationen, ob der Neue Florian Gless beerben wird, der nach Ansicht vieler Redakteure das Blatt bestenfalls buchhalterisch verwaltet, statt es mit Macht, Witz und Ideen nach vorne zu bringen.


Dieser Text basiert auch auf Material von Dossier B.


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