Wie linke Politiker und Medienleute die Morde von Hanau umschreiben

Mit einer groß angelegten Kampagne erinnerten Meinungsmacher an den dritten Jahrestag des Amoklaufs – und sie biegen die Geschichte zurecht. Ihnen geht es darum, mit dem Verweis auf die Morde eine aggressive Agenda durchzuboxen.

IMAGO / Patrick Scheiber

Am vergangenen Wochenende erinnerten Dutzende Grünen- und SPD-Politiker und führende Medienmacher an den Amoklauf in Hanau vor drei Jahren. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) widmete dem Jahrestag sogar einen längeren Beitrag im SPIEGEL. Schon die prominente Betonung des Datums und die ausdrückliche Nennung der Opfer, die der Täter namens Tobias Rathjen damals in der hessischen Stadt erschoss, unterscheidet sich deutlich von Erinnerungen etwa an das Attentat vom Breitscheidplatz in Berlin 2016, ausgeführt von dem tunesischen Islamisten Anis Amri, oder dem Mehrfachmord durch den Somalier Abdirahman Jibril A. im Jahr 2021 in Würzburg: In diesen Fällen gibt es keine öffentliche Verlesung der Namen und keine Forderungen nach weitreichenden politischen Maßnahmen.

In der Erinnerung an die Hanau-Morde fällt allerdings noch eine andere Besonderheit auf: Reihenweise sprachen Prominente – von Familienministerin Paus und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) über Bundestagsvize Bärbel Bas (SPD) bis zur Grünen-Fraktion und der ZDF-Journalistin Dunja Hayali von „neun Toten“ oder „neun Opfern“, die Rathjen – stets eingeordnet als „Rechtsterrorist“ – am 19. Februar 2020 in Hanau erschossen habe. Er tötete damals allerdings 10: neun Menschen mit Migrationshintergrund – und seine Mutter. Anschließend nahm er sich selbst das Leben.

Diese Fakten zu dem Amoklauf dürfte jeder kennen, der sich drei Jahre später dazu äußert. Eine ganze Riege im politisch-medialen Betrieb reduzierte also kurzerhand die Zahl der Getöteten, sie strichen ein Opfer von der Liste – was umso grotesker wirkt, da die meisten gleichzeitig die Aufforderungen „say their names“ (sagt ihre Namen) mittwitterten.

Dafür, dass sie das zehnte Opfer wegließen, gibt es einen naheliegenden Grund: Es macht deutlich, dass es sich bei dem Täter von Hanau um einen psychisch schwer kranken Psychopathen handelte – und eben nicht um einen rechtsextremen Terroristen, der einem ideologisch-rassistischen Mordschema folgte. In seinem „Manifest“, das er kurz vor der Tat verlas und sich dabei mit einer Videokamera filmte, erklärte Tobias Rathjen, dass die CIA ihn seit seiner Geburt überwache; außerdem wisse er von unterirdischen Räumen in den USA, in denen Kinder gefoltert würden.

Rathjen glaubte auch, seine Ideen seien von dem Fußballtrainer Jürgen Klopp gestohlen worden. Die Erwähnung Klopps stellt den einzigen Bezug zu Deutschland in dem wirren Manifest dar. Deutsche Politik oder Politik überhaupt kommt darin nicht vor. Nach Ermittlungen des Bundeskriminalamtes unterhielt der Täter von Hanau keinerlei Verbindungen zu rechtsextremen oder überhaupt zu politischen Gruppierungen.

Allerdings gab es offenbar eine massive familiäre Vorbelastung: Rathjens Vater, ehemals parteiloser Lokalpolitiker auf dem Ticket der Grünen, hängt sehr ähnlichen Wahnvorstellungen an. Die BKA-Ermittler fanden auch keine Anhaltspunkte für rassistisches oder ausländerfeindliches Verhalten in Tobias Rathjens Vergangenheit. Insgesamt ergibt sich das Bild eines psychisch Schwerkranken, dessen Handeln keiner nachvollziehbaren Logik folgte.

Gravierend an der Umschreibung der Hanau-Geschichte erscheint vor allem, dass sich daran gleich zwei Justizminister beteiligten: neben Buschmann auch die sächsische Ministerin Katja Meier (Grüne).

Sie meinen wie die anderen offenbar, die von Rathjen ermordete Mutter sei kein Opfer – weil sie die Geschichte vom rationalen rechtsterroristischen Täter stört. Die künftige ZDF-heute-Moderatorin Dunja Hayali gab auf Twitter eine originelle Begründung dafür, das zehnte Mordopfer nicht zu erwähnen: „Diese Tötung war nicht rassistisch motiviert.“

Nach dieser Logik muss die Mutter also überhaupt nicht erwähnt werden – weil der Mord an ihr sich nicht argumentativ verwerten lässt. Mehr noch: Schon der bloße Hinweis auf sie ist laut Hayali „ein Schlag ins Gesicht der Hinterbliebenen“.

Warum es so wichtig ist, den psychisch kranken Mörder von Hanau zum Rechtsterroristen umzuschreiben, macht Familienministerin Lisa Paus in ihrem SPIEGEL-Beitrag deutlich: Das Narrativ dient dazu, eine sehr weitreichende politische Agenda durchzuboxen. Auch ihr Text beginnt mit einer Geschichtsfälschung: „Am Abend des 19. Februar 2020 starben in Hanau neun Menschen, getötet von einem rechtsextremen Täter mit rassistischer Ideologie.“

Screenprint: Spiegel

Wie schon die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman („Deutschland hat ein Rassismusproblem“) benutzt Paus die drei Jahre zurückliegende Tat von Hanau, um praktisch allen Deutschen ohne Migrationshintergrund pauschal Rassismus zu unterstellen.

„Drei Jahre nach dieser schrecklichen Tat“, schreibt die Grünen-Politikerin, „stellen sich alte und neue Fragen. Rassismus ist also für viele Menschen Alltag in Deutschland, auch wenn sie einen deutschen Pass haben.“ Danach steigert sie sich zu einer geradezu ungeheuerlichen Realitätsverzerrung: „Sie bekommen in der Schule schlechtere Noten oder finden schwerer eine Wohnung. Sie werden beleidigt, angespuckt, attackiert, geschlagen.“ Dass Kinder aus arabisch- und türkischstämmigen Familien öfter in der Schule scheitern und seltener Abitur ablegen als der Durchschnitt, so suggeriert die Ministerin, liegt also daran, dass Lehrer sie absichtlich aus rassistischen Gründen schlecht benoten. Einen Beleg dafür präsentiert sie selbstredend nicht. Und auch keine These dafür, warum in den gleichen angeblich rassistischen Schulen Kinder aus Familien ostasiatischer Herkunft überdurchschnittlich gut abschneiden.

Auch Pausenhöfe in Neukölln oder Offenbach, auf denen die Minderheit autochthoner deutscher Schüler die Mehrheit mit Migrationshintergrund beleidigt, anspuckt, attackiert und verprügelt, wird Paus nicht so ohne weiteres nennen können. Und für schwere Straftaten ergibt sich aus der BKA-Kriminalstatistik eindeutig: Deutsche werden wesentlich öfter Opfer von Nichtdeutschen als umgekehrt.

An faktischer Argumentation liegt der Grünen-Politikerin allerdings nichts. Wohin sie zielt, macht sie in ihrem SPIEGEL-Text deutlich: „Wir müssen aber auch den strukturellen Rassismus in den Blick nehmen – die rechtsextremen Chatgruppen in Polizei und Justiz haben hierauf ein erschreckendes Schlaglicht geworfen. Das gilt für alle Lebensbereiche: Erst, wenn in Fragen von Gesundheit, Wohnen oder Bildung alle Menschen gleichwertig behandelt werden, erreichen wir eine umfassende gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe. Darum arbeitet die Bundesregierung an der Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und einem neuen Partizipationsgesetz.“

Ganz nebenbei: Dass auch Politiker ihrer eigenen Partei Menschen in der Gesundheitspolitik gerade sehr ungleichwertig behandelt hatten – je nachdem, ob Corona-geimpft oder nicht –, ist ihrem Gedächtnis offenbar schon wieder entfallen. Aus ihrem Kommentar spricht vor allem der Versuch, die „Critical Race Theory“ regierungsamtlich auch in Deutschland zu verankern – also die Lehre, wonach die gesamte Gesellschaft als „strukturell rassistisch“ zu gelten hat, und jeder Unterschied etwa im Bildungserfolg nur rassistische Ursachen haben kann – jedenfalls dann, wenn die Betreffenden den „marginalisierten Gruppen“ angehören. Umgekehrt sieht diese Lehre in jedem Weißen mehr oder weniger einen Rassisten, der „Privilegien“ genießt.

Am Ende ihres SPIEGEL-Beitrags macht Paus noch einmal deutlich, warum ihr die politisch zurechtgeschnitzte Hanau-Erzählung so wichtig ist: „Alle diese Maßnahmen resultieren aus der Verantwortung, die wir spätestens seit dem Terroranschlag von Hanau spüren. Die Namen der Opfer zu nennen, ist ein kleines Zeichen, dass wir diese Verantwortung annehmen. Sie sind unvergessen: Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin.“

Der Name des einen Mordopfers, der das Narrativ stört – er fehlt.

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Kommentare ( 78 )

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KoelnerJeck
1 Jahr her

Die Kommentare der Politiker zeigt nur, dass sie Kollektivisten sind. Das Motiv für eine Tat spielt doch überhaupt keine Rolle! Mord bleibt Mord (auch bei „psychisch“ krankem Täter). Wie will man überhaupt beweisen, dass das Motiv Rassismus (oder Hass) war? Es kommt auf die Legitimität von Handlungen an.Mord ist niemals legitim, weil die Zustimmung des Opfers fehlt. (Sonst müste man von Tötung auf Verlangen sprechen, was legitim ist, denken Sie an Sterbehilfe)

Last edited 1 Jahr her by KoelnerJeck
mac4ever
1 Jahr her

Logik scheint nicht die Kernkompetenz von Frau Hayali zu sein. Entweder hat der Täter aus rassistischen Motiven gehandelt – dann hätte er seine Mutter nicht ermordet und sich selbst dazu. Oder er hatte keine rassistischen Motive – dann wurden auch die 9 anderen Opfer nicht aus solchen ermordet. Dass diese zweite Variante der Wahrheit entspricht, zeigt ganz klar das Manifest, das in Windeseile innerhalb einer einzigen Stunde nach der Tat komplett aus dem Internet gelöscht wurde. Allerdings gab es Quellen, die es retten konnten. Ich habe 80 % davon gelesen, das Manifest ist nicht wirr, sondern beweist praktisch schulbuchmäßig eine… Mehr

DerWestfale
1 Jahr her

Ich habe weder von Links/Rechtsradikalen sowie Islamisten je gehört dass diese ihre Mütter umbringen, letztere höchstens ihre Schwestern.

Phil
1 Jahr her

Wenn man die „Kernelemente“ seiner Äusserungen betrachtet, so waren diese ein beliebiges Sammelsurium an bunt zusammengewürfelten Verschwörungstheorien eines komplett Irren (paranoide Schizophrenie), dessen Vater bereits ein komplett Irrer ist. Das man einem Kerl der mehrmals auf verschiedenen Polizeistellen Anzeige erstattete, dass er von einer Geheimorganisation „überwacht“ werde, von Amtes wegen Schusswaffenbesitz erlaubt, ist an sich schon nicht nachvollziehbar. Einen Einblick in den geistigen Gesundheitszustand des Delinquenten erhält man am ehesten beim überfliegen seines Manifests mit dem Titel „Botschaft an das gesamte deutsche Volk“: Microsoft Word – Skript _mit Bilder_ (wordpress.com) Das ist wirklich absolut abgedrehter Scheiss, dieser geistig verwirrte hätte… Mehr

Querdenker73
1 Jahr her

Mit welcher Schamlosigkeit werden die Opfer dieses Verbrechens von der Regierung und deren ÖRR missbraucht, um politische Statements los zu werden! Die Verkündungsstrategie im ÖRR setzt aber voraus, dass die er Zuhörer und Zuseher mit der gleichen Einfalt geschlagen sind, wie die Berichterstatter selbst! Sie sind es aber nicht!

Kuno.2
1 Jahr her

Blöder geht es nun wirklich nicht: einfach einen Toten weglassen, weil der nicht ins Konzept passt. Ähnliches habe ich in den USA oft erlebt. Die dortige „Anwaltsindustrie“ stürzt sich auf jeden Fall eines von Polizisten erschossenen schwarzen Verdächtigen, der sich der Festnahme widersetzte. Nur weil er schwarz war. Aber diese Anwälte verloren regelmäßig dann vor Gericht, wenn der Polizist selbst ein Schwarzer war. Denn dann konnte von dem immer gern unterstellten „Rassismus“ nicht mehr die Rede sein. Im aktuellen Fall erschoß der Täter auch seine Mutter- und dann kann eben von „Rassismus“ nicht mehr die Rede sein.

IJ
1 Jahr her

Grüne und Linke beklagen notorisch, dass bestimmte Straftaten von sog. Rechten instrumentalisiert würden, um etwa gegen illegale Einwanderung vorzugehen. Mir ist in den vergangenen Jahren indes keine schlimmere und schamlosere politische Instrumentalisierung untergekommen, als die Instrumentalisierung der Morde von Hanau durch Grüne und Linke und deren Medien-Entourage.

DerVoluntaer
1 Jahr her

In den letzten 8 Jahren, gab es so viele brutale und mörderische Übergriffe auf unschuldige Menschen, dass das Jahr gefühlt nicht genug Tage hat um all den Opfern zu gedenken. So bleibt es anscheinend eine politische Entscheidung, wem man gedenkt und wem nicht. Die Grenze wem gedacht wird und wem nicht, verläuft nicht zwischen Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund, sondern wird scheinbar nach politischem Kalkül gezogen. So gedenkt man nicht der berliner Transsexuellen mit Migrationshintergrund und auch nicht den mit X Messerstichen ermordeten Ehefrauen. Das dabei sozusagen die Angehörigen der Opfer durch unsolidarisches Gedenken sozusagen auf oder abgewertet werden, ist… Mehr

Brotfresser
1 Jahr her

Die doppelten Maßstäbe, die den Danisch zurecht immer so ank…, präsentieren sich hier wieder mal auf das Widerlichste: Sobald ein Neubürger aka. „Einmann“ mit „Allahu-Akbar“-Rufen und Messer, Axt oder dergl. durch die Gegend zieht, wird reflexhaft – egal ob Verletzte, Tote, Vergewaltigte oder Kombinationen davon zu beklagen sind – „traumatisiert“, „psychisch gestört“ oder mindestens „verwirrt“ als Diagnose abgesondert, noch bevor der Tathergang überhaupt geklärt ist. Passt aber eine psychische Störung, die gleichermaßen gravierend und offensichtlich ist, wie im Falle Hanau, nicht ins Narrativ, dann werden mengenmäßig 10% der Opfer glatt verschwiegen (auch und gerade, weil der Muttermord für Unbeteiligte emotional… Mehr

Evero
1 Jahr her

Es ist für jeden erkennbar: die linke Meschpoke konstruiert die „allgegenwärtige rechte Gefahr“. Kein Weg führt reakistisch dahin!
Als sei ein neuer Hitler schon „ante portas“ und würde morgen die Macht übernehmen und die „Gleichschaltung“ befehligen.
Wer die faulen Tricks der sozialistischen Dialektik kennt, versteht sofort, was in Wahrheit abläuft. Eine linksradikale Meschpoke hat die Spitze der Macht erklommen und will von ihrem antidemokratischen Treiben ablenken.
Es lebe Vielfalt, es lebe Demokratie und saubere Wahlen. Es lebe der Geist der Verfassung. Die linksextremen Zerstörer Deutschlands müssen tagtäglich gestellt und entblößt werden!

Last edited 1 Jahr her by Evero