Hart aber fair: Kann die ukrainische Offensive nach dem Dammbruch gelingen?

Gab Putin den Befehl zum Dammbruch? Die diplomatische Lösung könnte im Hinterzimmer entstehen. Und eine gesichtswahrende Lösung wird gesucht. Von Fabian Kramer

Screenprint ARD
Der Angriffskrieg Putins setzt Europa unter Spannung. Durch den Staudammbruch scheint ein neues Level der Eskalation erreicht. Bei hart aber fair diskutieren die Gäste einmal mehr über die Wirren des Krieges, doch keiner der Diskutanten kann den Nebel des Krieges Lüften. Mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist die politische Allzweckwaffe der FDP in die Sendung gekommen. Sie hält die Schuldfrage des Dammbruches für geklärt: „Warum sollten die Ukrainer ihr eigenes Land fluten?“, gibt sie zu bedenken. Sie bekräftigt: „Russland fühlt sich unter Druck gesetzt.“ Für Strack-Zimmermann ist der Fall gelöst. Die Frau schießt bekanntlich gerne schnell aus der Hüfte.

Ganz so voreilig will SPD-Mann Ralf Stegner keine Schuldzuweisungen treffen. „Es hat wenig Sinn darüber zu spekulieren“, entgegnet er. Und damit hat er sogar recht: Denn weder er noch Strack-Zimmermann sind Teil der Regierung; dass sie Zugang zu Geheimdienstinformationen haben, ist zu bezweifeln. Sie stellen ihre Forderungen auf Grundlage derselben Presseinformationen wie die Bürger.

Schwierige Gegenoffensive

„Man sieht daran, dass es keine sauberen Kriege gibt“, unterstreicht Stegner seine Sicht der Dinge. Das Militärische behagt dem Sozialdemokraten nicht wirklich. „Mir sind manche der militärischen Überlegungen zu technokratisch“, meint das SPD-Urgestein zum öffentlichen Dauertalk über Krieg und Militär. Über die ukrainische Sicht der Lage berichtet der Berater von Selenskyj, Alexander Rodnyanski. Die Flutkatastrophe ist aus seiner Sicht die Schuld der Russen. „Es war ein Anschlag der Russen, um unsere Offensive zu verlangsamen“, erklärt er. Trotz aller Desinformation sei es der russischen Propaganda nicht gelungen die Schuld zu übertünchen. Wie schwer die Offensive zu werden scheint, ist ihm klar. „Die Russen haben sich eingegraben“, beschreibt er die Lage an der Front. Weitere herbeigeführte Katastrophen hält er für nicht unwahrscheinlich. „Russland wird alles versuchen, um diese Gegenoffensive zu verlangsamen“, äußert er sich eher pessimistisch.

Wie realistisch ist ein großer Wurf der Ukraine überhaupt? Der Militärhistoriker Sönke Neitzel hat Zweifel am Erfolg. „Von vorne herein war klar, dass es sehr schwer wird“, prognostiziert er die Chancen. Der Westen unterschätze die russische Armee. „Die Russen sind bereit und haben sich auf die Verteidigung vorbereitet „, argumentiert Neitzel. Er kippt noch mehr Wasser in den ukrainischen Wein. „Ich habe Zweifel, ob es eine Bundeswehr-Brigade schaffen könnte“, mutmaßt er. Der zermürbende Abnutzungskrieg geht vorerst weiter. Ein ukrainischer Sieg und eine Niederlage Putins sind äußerst fraglich. Kann die Diplomatie helfen?

Zwischen Waffenlieferungen und der Hoffnung auf Diplomatie 

Die Sehnsucht nach einer diplomatischen Lösung ist riesig. Aber ist diese unter den gegebenen Umständen überhaupt denkbar? Die Waffenbefürworterin Strack-Zimmermann zweifelt an Putins Interesse an Diplomatie. „Man braucht für eine diplomatische Lösung immer zwei“, meint sie. „Aber der Zweite fehlt am Tisch“, fügt sie hinzu. Ihre Devise liegt klar auf der militärischen Unterstützung. „Wir als westliche Welt geben der Ukraine, was sie benötigt“, konkretisiert sie ihre Position. Gemeint sind vor allem Waffen. „Gespräche wird es nur aus einer Position der Stärke geben“, urteilt sie.

Stegner ist dafür, die diplomatischen Kanäle offenzuhalten. Er präferiert klandestine Verhandlungen jenseits der breiten Öffentlichkeit. „Diplomatie funktioniert nur hinter verschlossenen Türen“, mahnt er. Wobei er es sich auch einfach macht: Mit Russland kann man verhandeln. Aber was ist man bereit, für den Frieden zu geben?

Die Hilfe für die Ukraine bestünde auch nicht nur aus Waffenlieferungen, so Stegner weiter. „Wir nehmen mehr Flüchtlinge auf als jedes Land in Europa“, wirft er in die Runde. Er hofft auf eine internationale Zusammenarbeit. „Ganz wichtig ist es, wenn andere Staaten Einfluss auf Russland nehmen“, wünscht sich Stegner von der internationalen Gemeinschaft. Doch ein Blick über den Globus macht wenig Hoffnung. Wie können große Player wie China ernsthaft von uns zu diplomatischen Vermittlungen animiert werden? Will das Ausland überhaupt ein schnelles Ende des Konflikts? Europa wird durch den Konflikt geschwächt, derweil China seinen Einfluss auf Russland ausbauen kann und Indien wie die arabischen Staaten als Embargo-Brecher viel Geld verdienen. Sie importieren russisches Öl und exportieren es als ihr eigenes mit Aufschlag.

So präsentieren Stegner und Strack-Zimmermann beide die jeweils unpraktische Extremposition: Das Zuckerbrot, um Russland zu locken, ist die Politik nicht zu geben gewillt; doch die Peitsche reicht nicht aus.

Gesichtswahrende Lösung gesucht

Das Kriege meistens zu Verlust und Niederlage führen, ist nichts Neues. Um einen Ausweg zu finden, braucht es die vielzitierte gesichtswahrende Lösung. Stegner glaubt, diese erreichen zu können. Mittels Diplomatie, versteht sich. Als der Moderator Stegner beipflichtende Zuschauerstimmen vorliest, fühlt sich dieser bestätigt. „Total, es ist die Erfahrung, die man tagtäglich macht“, untermauert er. Aus Stegners Sicht greifen die westlichen Sanktionen nicht, weil viele Länder nicht mitmachen wollen. Als Stegner erneut zu einem Appell für mehr Diplomatie anheben will, grätscht Strack-Zimmermann brachial dazwischen. Es wird hitzig im Studio. „Aber Herr Stegner, dass hat nichts mit Gesichtsverlust zu tun“, echauffiert sie sich wütend über Stegner. Die Liberale nimmt Fahrt auf. „Die Ukraine will überleben“, wehklagt sie. „Sorry, da kriege ich jetzt Puls“, kommt von ihr als Entschuldigung hinterher. Dieser Zwist wird wahrscheinlich weitergehen. Die verfahrene Situation in der Ukraine dürfte nicht nur Strack-Zimmermann auf Temperatur bringen. Die Gefahr einer Eskalation ist nicht gebannt. Die Stimmung im Westen könnte auf Kriegsmüdigkeit umschlagen. Kann die Unterstützung endlos weitergehen? Die Zukunft wird es zeigen, ob die Waffen oder die Diplomatie, oder am Ende beides, eine Lösung sind. Wünschenswert wäre ein möglichst rasches Ende der Brutalität.


Fabian Kramer schreibt für Tichys Einblick als freier Autor.

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Kommentare ( 87 )

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87 Comments
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Peter Gramm
10 Monate her

Hart aber fair ist ein sehr simples Sendungsformat. Der Böse ist bekannt und die Guten dürfen sich äußern und fertig ist der Sendungsquark. Entwicklungen zu hinterfragen die zu dieser Katastrophe geführt haben – Fehlanzeige. Dass Frau S-Z. stark lobbyiert ist nicht zu übersehen und zu überhören. Überzeugend ist dies alles nicht und hat mit den Ereignissen der letzten 8 bis 10 Jahre rein gar nichts zu tun. Würde man dies betrachten müßten ganz andere am Pranger stehen. So gesehen kommt der Zwangsgebührenfunk seinem im Medienstaatsvertrag festgehaltenen Regelungen in keinster Weise nach. So lange das Inkasso nach Russenart funktioniert ist doch… Mehr

Teiresias
10 Monate her

Ein gesichtswahrendes Auskommen für beide Seiten wird daran scheitern, daß der Westen sich auf ein Propagandanarrativ versteift hat, nachdem Putin, der bitterböse einen unprovozierten Angriffskrieg vom Zaun gebrochen hat, um die Sovietunion wiederherzustellen. Das westliche Narrativ verschweigt die gesamte Vorgeschichte seit dem Putsch 2014 mit den ukrainischen „Sprachgesetzen“ und anderen Schikanen gegenüber der russischen Minderheit, dem Betrug gegenüber Russland durch den Westen mit dem „Minsker Abkommen“ auch bekannt als UN-Resolution 2202), den Unabhängigkeitserklärungen der Krim und der Provinzen Luhansk und Donezk, dem Krieg der ukrainischen Regierung gegen die russischen Regionen, die sich 2014 für unabhängig erklärt hatten mit über 14… Mehr

Last edited 10 Monate her by Teiresias
Freigeistiger
10 Monate her
Antworten an  Teiresias

Die Vorgeschichte und Hintergründe dieses Kriegs kommen in der westlichen polit-medialen Propaganda nicht vor. Dann wäre nämlich sofort klar, daß der Westen, insbesondere die USA und England, diesen Krieg provoziert haben. Das ist übrigens auch die Sichtweise von Prof. Mearsheimer, Chicago, und vieler anderer renommierter Experten. Die USA könnten diesen Krieg jederzeit beenden, aber es fehlt bislang der Wille. Zum einen wäre der Gesichtsverlust groß, zum anderen sprudeln die Profite des riesigen militärisch-industriellen Komplexes, mit dem die federführenden Neocons Hand in Hand arbeiten. Man will die Kuh offenbar melken, solange es geht, was übrigens auch für europäische Rüstungskonzerne gilt. Die… Mehr

Last edited 10 Monate her by Freigeistiger
schwarzseher
10 Monate her

Was mir an der ganzen Dskussion fehlt, ist die Vorgeschichte, die letztlich zu diesem Krieg führte. Die Europapolitik der USA war und ist “ To keep the USA in, Russia out and Germany down „. Nachzulesen und zu hören früher in zahlreichen Äußerungen amerikanischer Politiker und Politologen, z. B. bei George Friedman. Den USA bereitete eine Zusammenrbeit von Europa ( Technologie ) und Rußland ( Energie, Rohstoffe ) mehr Sorgen als China. Um dies zu verhindern haben die USA den Rußland zugewandten Präsidenten der Ukraine weggeputscht ( Wer hat wohl die Demonstranten vom Maidan erschossen? ) und erst in Georgien… Mehr

Ali Mente
10 Monate her

Es wäre mal interessant zu erfahren, wieviele von den gelieferten Leopards, Madern, Geparden, PZHaubitze 2000 usw. überhaupt noch vorhanden und einsatzfähig sind. Das sind ja komplexe Waffensysteme deren Einsatzkonzept gewöhnlich den Verbund mit anderen Systemen (etwa Luftwaffe, Raketenattelerie, Grenadiere usw.) vorsieht um so ihre volle Wirkung zu entfalten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die ukrainische Armee solche Einsatzkonzepte innerhalb eines Jahres adaptieren kann. Wenn dann die Waffensysteme einzeln und verstreut eingesetzt werden oder noch schlimmer im klassischen massierten Aktionen a la Rote Armee, dann dürften die genauso verheizt werden, wie das ganze russiche Material über das die Ukraine selbst… Mehr

Fritz Goergen
10 Monate her

Nicht dass Sie das nicht wüssten, aber das war NACH dem 30-jährigen Krieg.

Fritz Goergen
10 Monate her
Antworten an  Fritz Goergen

Ich habe Geschichte studiert …

GefanzerterAloholiker
10 Monate her
Antworten an  Fritz Goergen

Aha.

HDieckmann
10 Monate her

Neitzel: „Ich habe Zweifel, ob es eine Bundeswehr-Brigade schaffen könnte“ Sind denn inzwischen alle verrückt geworden? Ein Bw-Brigade (1.500 – 5.000 Mann) gegen die russische Armee? Diskussionen im deutschen Staatsfernsehen auf diesem Niveau gefährden unsere nationale Sicherheit. Und übrigens: Russland hat diesen Krieg zwar angefangen, aber verursacht haben ihn die USA, Nato und EU (Nato-/EU-Osterweiterung,…). Oder noch richtiger: Begonnen hat der Krieg in der Ukraine bereits 2014 und zwar mit einem Angriff Kiews auf die Ostukraine. Plötzlich sprechen alle von Diplomatie und Verhandlungen. Kiew, Berlin und Paris haben Russland mit Minsk I und II getäuscht, die USA haben die Vermittlung… Mehr

nolimit
10 Monate her
Antworten an  HDieckmann

Sie haben die Situation genau richtig erfasst, Hr. Dieckmann. Die Ukraine war ein relativ unbedeutendes Binnenland ähnlich wie Ungarn oder Tschechien. Im Sowjet- Verbund wurde sie dann aufgeblasen mit der Krim und der Ostukraine. Zu Sowjetzeiten hatte das keinen gestört. Bis 2014 auch kaum jemanden. Dann ging der Krieg gegen die russisch besiedelte Ostukraine los. Russisch als Amts- und somit auch als Gerichtssprache wurde verboten, in der Schule nicht mehr unterrichtet, Russischfreundliche Parteien wurden verboten. Das ostukrainische Steueraufkommen wurde nach Kiew transferiert, aber es kam nichts zurück. Schulen, Krankenhäuser, Infrastruktur wurden sich selbst überlassen. Stattdessen täglicher Beschuss auf Wohngebiete mit… Mehr

Brauer
10 Monate her

Die Person von der FDP erinnert mich an vergangene Zeiten.

November Man
10 Monate her

Die FDP ist gut beraten die Strack-Zimmermann nach Brüssel abzuschieben. Diese Waffenlobbyistin ist eine Belastung für die FDP und ganz Deutschland.

alter weisser Mann
10 Monate her
Antworten an  November Man

In Brüssel kann sie genauso Schaden anrichten, wenn nicht mehr. Für das Spiel der Politik „über Bande“ schickt man so Leut doch dahin, die bringen in Brüssel auf den Weg was zu Haus direkt nicht geht.

Andreas aus E.
10 Monate her

Sehr schade, daß ich nie solche Sendungen schaue, die wäre sicher sehenswert gewesen.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Essig-Stegner sorgten bestimmt für allerbeste Stimmung.
Sollte ich mal in die Verlegenheit kommen eine größere Party schmeißen zu müssen, werde ich die beiden einladen. Das wird dann ein preiswertes Vergnügen, weil meiste Gäste schon vor der Vorspeise „dringende Termine“ vorschützen und abhauen würden, das macht die Rechnung am Ende dann billiger.

Peter Gramm
10 Monate her

Zwangsgebührenklamauk. Herr Gniffke jammert schon wieder um mehr Geld. Vergleichbar dem grünen Führungsduo. Kaum kommen sie in einer Sendung des Zwangsgebührenfunks zu Wort plärren sie schon wieder nach Geld für deren Unterstützungsfantasien ohne jedoch zu sagen wer und vor allem mit welchen Mitteln diese geforderten Unterstützungen finanziert werden sollen. Der Zwangsgebührenfunk ist ein Zoo für freidrehende Politemporkömmlinge. Sendungen über den Ausgang des Ukrainekonfliktes sind entbehrlich.

Last edited 10 Monate her by Peter Gramm