Es ist schon bemerkenswert, wie Anne Will es in ihren schon über zwei Jahre fast monothematischen Round-Table-Betrachtungen zu Corona schafft, sich immer wieder um die eigentliche Misere herumzudrücken. Anstatt den Entwicklungen auf den Grund zu gehen, verliert sich die Debatte erneut in gegenseitigen Schuldzuweisungen der eingeladenen Politiker, dem sprunghaften Beschreiben von Missständen, apokalyptischen Vorhersagen und ebenso überzogenen Euphorismen für die Zukunft – wenn sich nur alle an die Vorgaben hielten. Auf der Strecke bleibt meist der Zuschauer, der danach verwirrter ist als vor dem Anne-Will-Talk. Genau nach diesem Muster wurde auch diesmal um den heißen Brei herumgeredet.
Herr @Bundeskanzler@OlafScholz – bitte machen Sie diesem Drama ein schnelles Ende und entlassen diesen völlig verwirrten, unfähigen Ungesundheitsminister! pic.twitter.com/KK4al3grVC
— DerB (@ergroovt) February 13, 2022
Dann aber setzt Lauterbach einen Angstmacher der Sonderklasse in die Welt: Dass Corona harmloser werde, etwa wie eine Erkältungskrankheit, sei in den nächsten 10 Jahren falsch, das träte vielleicht in 30, 40 Jahren ein.
Eine Politik, die das nicht zur Kenntnis nehmen will, muss zwangsläufig in eine Vertrauenskrise führen. Auch die Qualifizierung der Bürgerproteste als rechtsradikale „Sumpfblüte“, entspricht in Deutschland nicht der Realität und kann erst recht nicht für die klassischen Demokratien in Frankreich und den skandinavischen Ländern behauptet werden. Hinzu kommt eine inzwischen tiefe Müdigkeit in der Gesamtbevölkerung, die nicht zuletzt Folge einer nicht abreißenden Serie von Pannen und schlichtem Missmanagement ist.
Niemand kann auch verstehen, warum unverändert jede Nachrichtensendung mit immer neuen Horror-Meldungen über steigende Inzidenzen (positiv Getestete, nicht Infizierte) beginnt, obwohl jeder weiß, dass ausschließlich die Situation in den Krankenhäusern die Belastung des Gesundheitssystems und damit unserer Gesellschaft durch die Pandemie spiegelt. Und da sind die dramatischen Schreckensszenarios von Lauterbach und Co. nicht eingetreten – umgekehrt: Ungeachtet steigender Inzidenzen muss in den Krankenhäusern kein Notstand ausgerufen werden.
Es ist schade, dass die Moderatorin diese allgemeine Stimmungslage samt ihrer Ursachen nicht zum Thema machte. Diese Zurückhaltung trifft übrigens auf den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu. Da dort mittlerweile jeder weiß, dass die Existenz des gesamten Systems immer mehr vom Willen der Politik abhängt, scheut man die Kritik an deren Entscheidungen. Über das Aufzeigen von Symptomen reicht der journalistische Ehrgeiz offenbar nicht mehr hinaus.
Anne Will hätte also noch viel Stoff für spannende Sendungen, doch so lässt sie es immer wieder einfach dahinplätschern.