Die Rekonstruktion Europas: Selbstbehauptung statt Selbstauflösung

Europa steht vor der Frage, ob es den derzeitigen Prozess der Selbstauflösung zu neuer Selbstbehauptung umwandeln kann. Erster Teil eines Plädoyers für eine Rekonstruktion des Westens. Von Heinz Theisen

IMAGO / Zoonar

Den radikalen Varianten des Dekonstruktivismus geht es um das Aufgehen des Westens in der bunten Diversität unterschiedlicher Weltkulturen. Gemeinsam ist ihnen die Aufhebung des Westens in globalen Kategorien der Klimareinheit und Gleichheit aller denkbaren Identitäten. Allenfalls darf ein Regenbogen-Westen überleben, in dem seine einst christlich-bürgerlichen Werte von neuen woken Werten abgelöst worden sind.

Die geradezu widernatürliche Selbstverleugnung der eigenen Interessen an billiger Energie und industriellem Wohlstand gerinnt aus dem Heilsversprechen einer global heilen Welt. Um diesen Hoffnungen Nachdruck zu verschaffen, werden apokalyptische Unheilsbotschaften wie insbesondere der globale Klimawandel – oder auch der Russe vor Berlin – mobilisiert und jeder Unglaube an diese Botschaft als Leugnung des Heilsgeschehens gebrandmarkt.

Dieser nunmehr als Globalismus auftretende Utopismus umgreift eine vormals ideologisch für undenkbar gehaltene Koalition zwischen ultraliberalen Entgrenzern der Handelsgrenzen, physischen Landesgrenzen und Geschlechtergrenzen sowie sich – in stalinistischer Diktion – „antifaschistisch“ nennenden Feinden der widerstehenden alten Akteure. Dieser ideologische Strom wurde in seiner Breite so mächtig, dass er die Reste linken Klassendenkens sowie selbst der einst bürgerlich-konservativen Kräfte mit sich fortgerissen hat.

Allen Globalimus-Anhängern gemeinsam ist die Dekonstruktion lokal oder national begrenzter Interessen. Durch konkrete Bedrohungen wie Bevölkerungsschwund, islamische Migration und Deindustrialisierung stößt dieser politisch-kulturelle Dekonstruktivismus heute an seine Grenzen. Das Vordringen von sogenannten Rechten, das heißt die Selbstbehauptung des Eigenen fordernden Kräften, ist eine selbstverständliche dialektische Konsequenz. Je mehr die Ideologie von „No border – no nation!“ schon eine Gegenwehr verhindert, desto stärker werden diese Kräfte werden.

Die Globalismus-Anhänger sind darüber bereits derart in die Defensive geraten, dass sie sich nur noch mit der Dämonisierung Andersdenkender zu verteidigen vermögen. Dieser Machtkampf hat längst die hilflos beschworenen Links-Rechts-Kategorien in den Schatten gestellt.

Die anmaßenden Universalisierungs- und Hegemonieansprüche des Westens haben diesen überdehnt und überfordert. Ihren dramatischen Schlusspunkt erreichen sie mit der Entneutralisierung der Ukraine und Georgiens, womit sie die Einflusssphäre und Sicherheitsinteressen Russlands und die allein noch mögliche multipolare Weltordnung in Frage stellten.

Die selbst die eigene industrielle und physische Existenz gefährdende Russlandpolitik erklärt sich nicht zuletzt aus Selbsthass, sowie auf den dem woken Universalismus entgegenstehenden Putinismus. Die Aggressionen des muslimischen Aserbaidschan gegen das christliche Armenien oder die Gräueltaten gegen Christen in Afrika haben dem gegenüber kaum Aussicht auf Wahrnehmung und Verurteilung, da sie – von Muslimen verübt – nicht in die antiwestlichen Kategorien passen.

Gegenüber dem Kampf der nördlichen Mächte ist der Islam der lachende Dritte. Ohne Panzer und Drohnen dringt er in die geistig-kulturell und zuvor bereits demografisch entgrenzten Staaten Europas vor. Wie wenig die Eliten Europas dies begreifen, zeigt sich an der Syrienpolitik der Europäischen Union. Brüssel freut sich über die Vertreibung des Diktators Assad und bemerkt nicht, dass damit einem blutrünstigen Dschihadismus zur Macht verholfen wurde.

Es bemerkt auch nicht den damit verbundenen Vormarsch des neo-osmanischen Nato-Mitglieds Türkei, welches sich immer deutlicher als trojanisches Pferd der Muslimbruderschaft im Westen entpuppt. Diese Blindheit des Westens gegenüber seinen Feinden ist wiederum nur aus der jahrzehntelangen Dekonstruktion kultureller Bildungsinhalte erklärbar, indem nicht die Selbstbehauptung einer Gemeinschaft, sondern deren Selbstauflösung im Mittelpunkt stand.

Von der De- zur Rekonstruktion

Für eine realistische Außenpolitik müsste daher die Unterscheidung von Autoritarismus und Totalitarismus rekonstruiert werden. Die größte Gefahr für die Freiheit geht nicht vom autoritären Russland, sondern vom wesensgemäß totalitären Islam aus. Der alte Kampf der Mächte und Kulturen wird von einem neuen Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei überwölbt. In diesem Kampf sollte der Westen mit autoritären Mächten wie Russland und China kooperieren, um der Barbarei des islamistischen Totalitarismus widerstehen zu können.

Die nachkommunistischen Länder Mitteleuropas verspüren hingegen keinen Drang zur Selbstauflösung des Westens, nachdem sie ihre Zugehörigkeit zu ihm jahrzehntelang herbeigesehnt hatten. Das vor allem von Ungarn verfochtene Paradigma einer Selbstbehauptung des Eigenen greift nach und nach auf andere europäische Demokratien über. Auch Sozialdemokraten in Dänemark wollen ihren Sozialstaat vor einer zügellosen Migration retten. In Italien sitzen angebliche „Postfaschisten“ in der Regierung, in den Niederlanden regiert der „islamophobe“ Geert Wilders mit. In Frankreich und Deutschland – vielleicht liegt es an ihrer Größe – sind die Zeichen der Zeit bisher nur von Minderheiten verstanden worden.

Die USA haben sich mit der Wahl von Donald Trump gegen die eigene Dekadenz aufgebäumt. Die Parole ›Make America Great Again‹ bringt das Ziel einer Rückkehr zu den besseren Elementen unserer Kultur auf den Punkt. Angesichts der Auflösungsprozesse findet der klassische Konservatismus nicht mehr viel vor, was noch konserviert werden könnte. Benötigt wurden konservative Revolutionäre, die erst die besten Elemente der alten Ordnung rekonstruieren müssen, um sie dann bewahren zu können.

Die Abkehr von globalistischen Projekten wie etwa der Welthandelsorganisation und dem Pariser Weltklimaabkommen ist eine womöglich letzte Chance für den Westen: Mit effektivem Grenzschutz, der Beendigung der Förderung von Regenbogenkultur an den Universitäten, einer klaren Positionierung für die israelische Zivilisation gegen die sie umbrandende Barbarei, mit Zöllen als Mittel zur Ordnung der Wirtschaft und Versuchen zum Aufbau einer multipolaren Weltordnung.

Da sich Russland selbst den westlichen Sanktionen gegenüber als resistent erwiesen hat, konnte es seinen Rang als Weltmacht behaupten. Dem Westen wird nichts anderes übrig bleiben, als die Koexistenz verfeindeter Mächte des Kalten Krieges zu rekonstruieren. In den selbst in Weltmachtkategorien denkenden USA wurde dies begriffen.

In einer weit mehr multipolaren als multilateralen Welt erleben wir in Washington eine Rückkehr zur Geopolitik, die Großmächte anders beurteilt als Kleinmächte und daher auf die Gegebenheiten der Geographie und kulturellen Grenzen Rücksicht nimmt. In einer multipolaren Welt müssen die Mächte ihre Einflusssphären respektieren und trotz gegensätzlicher ideologischer Ausrichtung miteinander koexistieren.

Sie dürfen sich nicht gegenseitig in Frage stellen und vor allem nicht in den Vorgarten der konkurrierenden Großmacht vordringen, wie es im Falle der Entneutralisierung der Ukraine durch westliche Akteure geschah. Der Paradigmenwandel von Donald Trump – weg von der Universalisierung westlicher Werte – will eine Koexistenz der Großmächte in einer multipolaren Ordnung. Trump rekonstruiert damit erfolgreiche machtpolitische Strategien wie die des Wiener Kongresses von 1815 und des Kalten Krieges, die die damalige Welt zu stabilisieren halfen, indem man sowohl die Grenzen des Feindes respektierte als auch die eigenen Grenzen schützte.

Selten war Hegels Beobachtung von der „List der Geschichte“ treffender als hinsichtlich der Karriere des heutigen US-Vizepräsident J.D. Vance. Er hatte als junger Autor die Dekonstruktion der Industriearbeiterschaft im Mittleren Westen in seinem Buch „Hillbilly Elegie“ beschrieben und analysiert.

Während die Global Player der neuen Technologien Entgrenzungen feierten, blieben den Local Playern nach dem Verlust ihrer Arbeit und Identität nur billigere Konsumgüter und staatliche Sozialhilfen und damit eine seelische Demoralisierung, die selbst in einst bürgerlichen Milieus eine Drogenszene zu verbreiten half.

Vance verbindet seine Appelle gegen die sozial ruinösen Folgen des Globalismus mit der notwendigen Rekonstruktion christlicher Werte. Der zum Katholizismus konvertierte J. D. Vance bemüht die auf Augustinus und Thomas von Aquin zurückgehende „Ordo amoris“ als Leitbild einer Realpolitik, die sich zuerst um die Seinen, dann um die Kommune, den eigenen Staat und – auf dieser Grundlage – erst danach um weitergehende, immer abstraktere Kategorien wie eben jener von der „einen Menschheit“ kümmert.

Der allumfassenden Liebe ersatzreligiös-globalistischen Schwärmertums wird damit eine abgestufte Verantwortungsethik entgegengehalten. Wer als Globalismus-Anhänger die Reihenfolge umdreht, betrügt die Menschen um ihre Rechte im Nahraum. Globales Denken führt lokalen Ruin herbei, was sich etwa in dem Zustand der Infrastruktur in Deutschland unschwer erkennen lässt.

Make Europe Great Again?

Die Grenzen der Europäischen Union sind nach Süden offen bis zur Schutzlosigkeit gegenüber dem vordringenden Islam und nach Osten durch das offensiv agierende Nato-Bündnis bis in die russische Machtsphäre hinein überdehnt. Die Wiederherstellung der Doktrin des Kalten Kriegs von Selbstbehauptung durch Selbstbegrenzung ist im Gegensatz zu den USA unter Trump in Brüssel noch nicht verstanden worden. Mit ihrem Glauben, an ihrem progressiv-globalistischen Wesen müssten Russland, China, die islamische Welt und nunmehr auch noch die USA genesen, übernimmt sich Europa bis hin zur Lächerlichkeit. Es wird sich nach und nach dem Paradigmenwandel der Weltpolitik beugen müssen. Je später, desto größer wird der Schaden sein.

Die Selbstüberschätzung der Westeuropäer beginnt schon beim Namen. Wie selbstverständlich setzen sich die Vertreter der Europäischen Union mit Europa gleich. Dabei ist schon die religiös-kulturelle Trennung Europas in ein westliches und ein orthodoxes Christentum grundlegend für ein einerseits exzessives und andererseits überaus skeptisches Freiheitsverständnis. Die geplante Ausdehnung der Europäischen Union bis in teils muslimische Balkanstaaten und in die russische Einflusssphäre (Ukraine, Georgien) überdehnt bereits die kulturelle Zusammengehörigkeit in einer Weise, dass die Ausdehnung mit der Auflösung der EU einherzugehen droht.

Solange globalistische Europäer schon die Behauptung ihrer kulturellen Identität als politisch illegitim erachten, werden sie sich nicht verteidigen können. Die Europäische Union wird nur eine Zukunft haben, wenn sie ihre kulturellen und politischen Grenzen erkennt und dann zu beschützen in der Lage ist. Selbstbehauptung setzt sowohl Selbstbegrenzung nach innen als auch Stärke nach außen voraus.

Eine integrierte Europäische Verteidigungsgemeinschaft wäre über ein gemeinsames Oberkommando herstellbar. Dieser enorme Machtzuwachs – vergleichbar mit dem einer gemeinsamen Handelspolitik – müsste durch Dezentralisierung anderer Felder zugunsten der Nationalstaaten kompensiert werden. Die unsinnige Alterative eines Ja oder Nein zu Europa würde in der Dialektik einer Vielfalt nach innen und gleichzeitigen Einheit und Stärke nach außen aufgehoben.


Prof. Dr. Heinz Theisen, Jahrgang 1954, lehrte bis 2020 Politikwissenschaft an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen und an Universitäten im Nahen Osten. Er arbeitet als freier Autor unter anderem für die „Neue Zürcher Zeitung“, „Tichys Einblick“ und „Die Neue Ordnung“. Schwerpunkte sind: die Rolle des Westens in der neuen Weltordnung, Konflikte der Kulturen, Europa und der Nahe Osten. Sein Werk „Selbstbehauptung. Warum Europa und der Westen sich begrenzen müssen“ ist im TE Shop erhältlich.


Unterstützung
oder

Kommentare ( 47 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

47 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Marcel Seiler
1 Monat her

Dass man dem jetzigen Russland nur seinen Machtbereich in Europa lassen (also wohl: die Ukraine zur Annexion überlassen) müsste, damit es sich der Verteidigung Europas gegen den Islam anschließt, glaube ich nicht. Putin freut sich über alle Probleme, die der Westen mit dem Islam hat, weil das den Westen schwächt und Russland machtpolitisch profitiert.

Richtig aber alles andere: (a) Dass sich die EU in ihrem kulturellen Unversalanspruch machtpolitisch hoffnungslos überdehnt. (b) Dass eine militärische und politische Eindämmung gegenüber der Barberei (ähnlich dem Containment im Kalten Krieg) nötig ist. (c) Dass als Grundlage eine Rückbesinnung auf die eigenen Werte nötig ist.

Last edited 1 Monat her by Marcel Seiler
Del. Delos
1 Monat her

Ein ganz wunderbarer Artikel, weil er mit sehr gut verständlichen Worten all das zusammenfasst und gleichzeitig aufdröselt, was sich oft als wuster Klumpen in den Hirnen vieler Zeitgenossen befindet… ohne dass sie selbst es für sich einordnen könnten. Das gilt in gewissem Umfang auch für mich selbst. DANKE also dafür!! Ich habe den Artikel soeben auf meinen GETTR- und Facebook-Accounts geteilt mit den folgenden Eingangsworten: „An alle Abgeordneten des Bundestages und der Landtage! An alle, die noch immer den Ernst der Lage nicht begriffen haben!“ Ich habe doch tatsächlich die womöglich unrealistische Hoffnung, dass es dort der Eine oder Andere… Mehr

bkkopp
1 Monat her

Ich würde das Problem mehr in der ideologischen Dekonstruktionsideologie sehen als in dem vielfältigen Begriff von Globalisierung. Letzteres ist einfach zu viel was seit den Kreuzügen, der Kolonialzeit und der Industrialisierung Teil unserer Identität geworden ist.

AHMED
1 Monat her

Ein intellektuell recht souveräner „Rundumschlag“, dessen wichtigste Aussagen ich allesamt gut nachvollziehen kann und auch teile. Für erläuterungsbedürftig halte ich aber die Klassifizierung Chinas als „autoritär“ und des Islams als „totalitär“. Da es ja mehrere etablierte Totalitarismuskonzepte – mit jeweils sehr unterschiedlichen Implikationen – gibt, sollte man zwingend erläutern, welches der verschiedenen Konzepte man zugrunde legt. Andernfalls sind Missverständnisse unvermeidbar.

R.J.
1 Monat her
Antworten an  AHMED

Danke. Der Islam allerdings versteht sich seinen autoritativen, offiziellen Schriften nach (Al-Azhar, Encyclopedia of Islam etc.) als „deen“, d.h. allumfassendes, jede Einzelheit des Denkens und Handelns regelndes juristisch-politisches System, in dem „Religion“ im westlichen Sinne nur an nachgeordneter Stelle vorkommt. Er ist daher gemäß jedem erdenklichen Begriff von „Totalitarismus“ im genauen Sinne des Wortes totalitär, totalitärer geht es nicht. Auch empfehle ich die Konsultation klassischer Werke der Shari’ah der wesentlichen Rechtsschulen, die allesamt in englischen Übersetzungen oder zweisprachigen Ausgaben verfügbar sind. Zu beachten ist, dass immer wieder in Übersetzungen verfängliche Stellen oder ganze Passagen stillschweigend ausgelassen oder modifiziert wurden. Man… Mehr

AHMED
1 Monat her
Antworten an  R.J.

Danke für Ihre Antwort. Sie übersehen aber, dass es prominente Totalitarismuskonzepte gibt – wie etwa das von Hannah Arendt -, die die periodisch wiederkehrende Ausübung von Terror (und also nicht nur die „möglichst umfassende Herrschafts- oder Machtausübung“) als notwendigen Bestandteil einer totalitären Herrschaft konzipieren. Ihre, R.J., Ausführungen passen zwar zum Totalitarismuskonzept C.J. Friedrichs, aber eben nicht zu dem Hannah Arendts.

Marcel Seiler
1 Monat her
Antworten an  AHMED

„sollte man zwingend erläutern, welches der verschiedenen [Totalitarismus-]Konzepte man zugrunde legt.“

Oder man sollte, weil man in einem Artikel nur beschränkte Kapazität hat und weil dies keine Habilitation ist, dies einfach offen lassen.

AHMED
1 Monat her
Antworten an  Marcel Seiler

Sie irren sich gewaltig, Herr Seiler. Theisen schlägt dem Westen ja gerade vor, mit autoritären Regimen (etwa Russland) gemeinsame Sache gegen den Islam zu machen, eben WEIL Russland NUR autoritär und der Islam (potenziell oder aktuell?) TOTALITÄR sei. Die Einschätzung, ob Regime oder Bewegungen nur autoritär oder aber totalitär sind, ist also auch für Theisens Konzeption wesentlich und sollte unbedingt stringent geklärt werden. (Wir sind hier schließlich nicht beim Verfassungsschutz!) Eine solche Klärung passt übrigens in einen Satz. Da ist keine Habilitation notwendig…

Marcel Seiler
1 Monat her
Antworten an  AHMED

Wenn Sie den Islam gegen den Vorwurf, er sei totalitär, verteidigen wollen, dann sollten Sie das tun. Das ist immer so bei Diskussionen: Ein Beitrag lässt etwas offen, und das bewirkt eine weitere Diskussion. Ich bin interessiert an Ihrem Beitrag, nicht jedoch an Ihrem Vorwurf an einen Diskutanten, dass er nicht alles „vollständig“ behandle. Denn Vollständigkeit kann es niemals geben.

Also: Wieso ist der Islam nicht totalitär? Sie sagen, dazu genüge ein Satz. Führen Sie ihn aus; es dürfen auch zwei Sätze sein.

Giovanni
1 Monat her

Der Westen steckt in einem Zustand fortgeschrittener Dekadenz. Er ist wohstandsverwahrlost! Ein wesentliches Merkmal einer Dekadenz ist die Lust an der Selbstzerstörung.

Ordoliberal
1 Monat her

Alles richtig und schön zusammengefasst. Die Analyse ist ja nicht neu, sondern wird seit einem Jahrzehnt in den alternativen Medien verbreitet. Ich stimme nur in einem Punkt nicht zu: der Zusammenarbeit mit China. China unter Xi ist so totalitär wie der Islam und neuerdings ebenso expansiv. Der Westen muss beide Feinde bekämpfen. Und wenn autoritäre Partner wie Saudi-Arabien, Russland und Indien dafür nötig sind, dann ist das eben so.

AHMED
1 Monat her
Antworten an  Ordoliberal

Begründen Sie doch bitte Ihre Ansicht, das heutige China sei „genauso totalitär wie der Islam“. Dass das maoistische China totalitär war – d‘accord. Aber warum das post-maoistische China?

Ordoliberal
1 Monat her
Antworten an  AHMED

China ist nicht post-maoistisch. Xi ist ein großer Bewunderer Maos. Er ahmt ihn nach. China ist immer noch ein kommunistischer Staat. Die CCP kontrolliert jeden Bürger. Spurt ein Unternehmer nicht, wird er verschleppt und auf Linie gebracht. Das Internet steht unter völliger Kontrolle der CCP. Es gibt das System der Sozialkredite. In der Corona-Zeit hat sich gezeigt, wie totalitär China ist. Xi ist expansiv und imperialistisch, weil er Taiwan erobern will, um die Chip-Produktion und damit den Westen zu kontrollieren. Hongkong hat er schon. Auf Südkorea hat er ein Auge geworfen. China stiehlt, lügt und betrügt im internationalen Handel. Früher… Mehr

AHMED
1 Monat her
Antworten an  Ordoliberal

Danke für Ihre Antwort. Nach Einschätzung einschlägiger Politikwissenschaftler und China-Experten (Jürgen Domes, Sebastian Heilmann) ist das China nach Maos Tod und nach der Absetzung der sog. „Viererbande“ Ende der 70er Jahre nicht mehr totalitär, also nicht mehr von periodisch wiederkehrenden Massenmobilisierungs- und Terrorwellen (wie z.B. während der Kulturrevolution unter Mao) geprägt. In den 80er und 90er Jahren wurden sogar weitreichende Wirtschaftsreformen umgesetzt, die den absoluten Herrschaftsanspruch des Staates im Bereich der Wirtschaft zurücknahmen. Das passt nicht zu dem Bild Chinas, das Sie hier zeichnen. Freilich reagiert die KP – wie jede kommunistische Herrschaftsclique – autokratisch und rabiat, wenn sie argwöhnt,… Mehr

Juergen P. Schneider
1 Monat her

Wenn man diesen brillanten Artikel liest, fragt man sich, ob unsere „Eliten“ überhaupt gebildet genug sind, um die hier dargelegten Zusammenhänge zu erkennen und entsprechend zu handeln. Das intellektuell verödete Deutschland hat im Kreis seiner führenden Politiker kaum mehr jemanden, der gebildet genug ist, um die Zeichen der Zeit zu erkennen. Unser Land hinkt in seiner provinziellen geistigen Genügsamkeit den weltpolitischen Entwicklungen hoffnungslos hinterher, hält sich aber für den großen Vorreiter. Die Lächerlichkeit vieler großmäuliger Ankündigungen unseres neuen Bundeskanzlers, wird von der Mehrheit im Land gar nicht mehr bemerkt. Viele Deutsche leben offenkundig noch in den 1990er Jahren und haben… Mehr

Raul Gutmann
1 Monat her
Antworten an  Juergen P. Schneider

Sehr geehrter Herr Schneider, trotz inhaltlicher Schmerzen ist Ihrer Kurzanalyse vollumfänglich zuzustimmen.
Hochachtungsvoll

Del. Delos
1 Monat her
Antworten an  Juergen P. Schneider

Exakt so nehme ich es auch wahr.

RauerMan
1 Monat her

Dieses „Weiterdenken“ wird sich durchsetzen.
Das zu begreifen, dazu sind unsere derzeitigen politischen Führer nicht in der Lage.
Noch nicht, sie werden sich den vernünftigen Realitäten beugen (müssen)
Dazu gehören auch zB widersinnige „Brandmauern“ und damit das Zurückholen von Verketzerten.

Nibelung
1 Monat her

Europa war völlig anders geplant und es sollte nach Adenauer und de Gaulles ein Europa der Vaterländer werden, mit einenden Verbindungen in unterschiedlicher Art und ihre Nachfolger waren dann besessen darüber ein neues Konglomerat einer Zentralinstanz durch Selbstermächtigung zu schaffen und niemand dazu befragt wurde, wobei dann ein Fremdkörper in Brüssel und in Straßburg geschaffen wurde, was nie vorgesehen war und die Sammelleidenschaft der Protagonisten in Brüssel, weitere Länder auf Teufel komm raus hinzu zu gewinnen, war auch eine ihrer Entgleisungen, denn niemand hat sie damit beauftragt und auch in dieser Frage erfolgte keine allgemeine europäische Abstimmung und kostete nur… Mehr

mr.kruck
1 Monat her

Zu Spät !! Der reale Bevölkerungsaustausch, also analphabetische „Facharbeiter“ im Tausch gegen den Brain-Drain, wo Gebildete und Volkswirtschaftlich Wertvolle in Massen das Land fluchtartig verlassen, ist zu weit fortgeschritten. Mit dem Rest, den Schlafschafen, den „Blitzmerkern“ und Ideologischen Konformisten lässt sich nicht einmal ein Scheißhaus stürmen, geschweige denn etwas funktionales Rekonstruieren. Zu weit vollbracht ist auch die Errosion der Bildung und Ausbildung. Gender statt Ingenieure. Wenn die Boomer in Rente sind, wird es Dunkel im Land. Was bitte soll man mit Deppen anfangen, die sich auf die Strasse kleben, um die Drohende Klimaapokalypse abzuwenden, und in ihrer unglaublichen Naivität und… Mehr