Max Otte rät: „Investieren Sie in Ihr soziales Kapital!“

Der bekannte Krisenökonom und Fondsmanager Max Otte liefert eine schonungslose Bestandsaufnahme einer überschuldeten Welt, die durch soziale und geopolitische Probleme sowie durch Covid-19 am Abgrund steht

“Die Krise hält sich nicht an Regeln” von Max Otte ist die Neuausgabe eines vor zehn Jahren, das heißt 2010 veröffentlichten Buches. Natürlich völlig überarbeitet, sodass – wie es umgangssprachlich heißt – kein Stein auf dem anderen geblieben ist. Auf gut 250 Seiten gibt der Autor 99 Antworten auf die wichtigsten Fragen nach dem Corona-Crash.

Aufbau des Buches samt Steckbrief

Das Werk ist sauber gegliedert und hat neben dem Vorwort 11 Kapitel: Natürlich eines zur Weltwirtschaftskrise mit den ersten 10 Fragen & Antworten, zum durch Corona verursachten Crash (11 – 23), zur besonderen Spezies der Volkswirte und Politökonomen (24 – 38), zu Inflation, Deflation und den Kapitalmärkten (39 – 50). Zur Globalisierung und dem Aufstieg Chinas (51 – 58), zu Europa (59 – 63), zum Abstieg der Mittelschicht und der daraus erwachsenden Gefahr des Populismus (64 – 68). Zu unseren „Eliten“ (69 – 76) und zum Informationscrash (77 – 85). Auch gibt es ein Kapitel, wie man persönlich der Krise trotzen kann (86 – 88). Zu guter Letzt, welche Anlagestrategien in den Zeiten von Corona zählen (89 – 99).

Und etwas versteckt, hinter den Anmerkungen und vor dem Personenregister, sogar ein „Steckbrief“ – ja so nennt er ihn selbst – von Max Otte, der bei seiner Geburt noch Matthias mit Vornamen hieß. Wie wir wissen, wurde er protestantisch erzogen, ist jetzt Mitglied einer Mennonitengemeinde. Er steht zu den alten preußischen Tugenden, wie Haltung, Pflichtbewusstsein, Selbständigkeit und nicht zuletzt humanistischer Bildung. Politisch verortet er sich zur Werteunion, einer Sammlung wertkonservativer Kräfte in der CDU.

Kleine Themenauswahl als Appetithappen

Fangen wir ausnahmsweise mal weiter hinten im Buch an. Auch das funktioniert, da die Themenbereiche klar abgegrenzt sind:

Fragen & Antworten 86 – 88

Der Tod der alten Weltordnung, der nach Otte nunmehr auch durch Corona eingetretene Weltsystemcrash, erzeugt in der Bevölkerung Ängste. Zugleich dient der Notstand als Argument für ein zunehmend autoritäres Regierungshandeln, auch unter Umgehung des Parlaments. Hinzu kommen eine Tendenz zur Renationalisierung und Deglobalisierung, das heißt auch eine Verkürzung der Wertschöpfungsketten, sowie die beschleunigte Digitalisierung. Angst und Unsicherheit dominieren.

Bei der Frage, wie man damit fertig werden kann, nimmt Otte auch Bezug auf Jordan Peterson, einen kanadischen Psychologen, der übrigens letztes Jahr fast einer Krankheit – und in deren Folge Covid-19 – erlegen wäre. „Letztlich müssen Sie Ihren eigenen Weg finden, aber ich kann Ihnen vier Hinweise geben, 1. Die praktische Vernunft pflegen, 2. Bücher lesen, insbesondere die Klassiker – gerade in Zeiten der Digitalisierung, 3. Glaube und Tradition und 4. soziales Kapital anhäufen“ (S. 214). Wenn ein gestandener Fondsmanager und Wirtschaftsanalyst dazu rät, sich um belastbare Beziehungen zu kümmern, für eine intakte Familie zu sorgen, am Wohnort vernetzt, angesehen und Mitglied einer Kirchengemeinde zu sein sowie Freunde im In- und Ausland zu haben, dann hat das Gewicht. „Investieren Sie in Ihr soziales Kapital! Es wird die wichtigstes Investition Ihres Lebens sein.“ Gibt uns Max Otte mit auf den Weg (S. 216).

Fragen & Antworten 89 – 99

Und dann kommen seine Anlagestrategien und Empfehlungen, wie: Sachwerte schlagen Geldwerte. Gold als sichere Wertaufbewahrung par excellence. Von Lebensversicherung, Derivaten und Zertifikaten die Finger lassen. Exchange Traded Funds (ETF) als Basisinvestment – am besten voll replizierend auf einen großen Aktienindex, wie Dax oder Nasdaq. Große Skepsis gegenüber Kryptowährungen, beispielsweise Bitcoins, wie auch sogenannten grünen und nachhaltigen Geldanlagen. Hinter letzteren – einem der großen „Blenderthemen“ der Finanzbranche – verstecke sich eine massive Zertifizierungsbürokratie und am Ende wisse man doch nicht, was man gekauft hat (S. 226f).

Die Krise hält sich nicht an Regeln
Max Otte warnt: „Deutschlands Stärke, die Mittelschicht, verarmt“
Aktien generieren als Unternehmensbeteiligungen und Realvermögen das Zinseszins-Wunder, was früher – so haben wir es in der Schule gelernt – wenn sich die Inflation in Grenzen hielt, auch mit einem Sparbuch möglich war. Otte beschreibt noch den inneren Wert einer Aktie, seine Aktienfavoriten und rät, Aktien zum fairen Preis zu kaufen.

Wie von den immensen Schuldenbergen des Staates herunterkommen? Drei Arten sieht er, auch in Kombination: „1. Inflation (oder Negativzinsen, falls die Inflation nicht anspringt) 2. Enteignungen oder Sondersteuern 3. Schuldenstreichungen … gegebenenfalls gekoppelt mit Währungsreformen“ (S. 222). Bei „Preppo fragt nach“ hat er kurz und bündig formuliert: „Zurückzahlen kann diese Schulden keiner mehr.“

Sein nächstes Buch soll im Übrigen ohne jegliche Krisen- und Crash-Thematik auskommen. Denn er möchte nicht auf immer und ewig als der Krisen- und Crashprophet gelten. Diese Sehnsucht Max Ottes ist leicht nachvollziehbar, aber bezieht sich, wie nicht nur die Geschichtsbücher zeigen, auf eine aus globaler Perspektive doch äußerst seltene Konstellation.

Fragen & Antworten 69 – 76 und 24 – 38

Herauszuheben sind noch seine Gedanken über unsere gegenwärtigen Eliten, Parteien, Lobbyisten und Manager. Verallgemeinernd spricht er ihnen die Fähigkeit ab, die wirtschaftlich richtigen Entscheidungen zu treffen. Dazu bemüht er nicht nur das „Peter-Prinzip“, auch das geflügelte Wort „Vom Kreißsaal über den Hörsaal in den Plenarsaal“ bringt er in Stellung. Und er nennt Ross und Reiter. Und beschreibt auch, wie sich in den letzten Jahrzehnten die Kompetenzen von Berlin nach Brüssel verschoben haben. Die bitterböse Aussage von Wolfgang Herles über die unbeirrbare, unfehlbare, unbezwingbare Elite in Sachen Corona, schlägt übrigens in die gleiche Kerbe.

Auch die assoziierten Volkswirte und Politökonomen sowie die zugrundeliegenden Theorien, bekommen genügend Aufmerksamkeit. Dabei begegnen einem Klassiker, Neoklassiker und Vertreter der modernen Geldtheorie. In John Maynard Keynes, dem eine kleine Abhandlung gewidmet ist, sieht Prof. Otte einen der ganz großen Ökonomen (S. 62-65).

Schlussfolgerung und Bewertung

In Summe: wer die Finanzwelt und damit die aktuelle Politik – auch global – etwas besser verstehen möchte, kommt um diesen Autor nicht herum. Dabei ist das Buch kein Regel-, eher eine Art Nachschlagewerk. Es belegt zudem, wie recht die Griechen mit ihrem panta rhei – „alles fließt“ – hatten. Also ein „echter Otte“. Erkenntnisreich und international bewandert, das Endergebnis aktuell, pointiert geschrieben und verständlich auch für Nichtfachleute, damit leichter lesbar. Nur noch kein Klassiker.

Dieser leicht gekürzte Beitrag von Dr. Jürgen Gneveckow erschien zuerst auf www.preppo.de. Wir danken für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.

Max Otte, Die Krise hält sich nicht an Regeln. 99 Antworten auf die wichtigsten Fragen nach dem Corona-Crash. FBV, 256 Seiten, 20,00 €


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Kommentare ( 11 )

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11 Comments
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Iso
3 Jahre her

Das Buch könnte auch heißen: „Mit Otte von der Planwirtschaft in die Tauschwirtschaft“. Wird aber nicht so kommen. Schließlich sind nicht nur einzelne Länder und Königreiche oftmals in den Bankrott gerutscht, sondern auch der ganze Ostblock zusammengebrochen. Die Zivilisation ist daran nicht zugrunde gegangen. Schließlich waren immer noch Rohstoffe in der Erde, das Korn wuchs auf den Feldern, Gebäude und Fabriken waren da, und vor allem die Fähigkeiten der Menschen waren vorhanden. Was sich bei einem Crash in Luft auflöst ist nur das Geld, alles andere bleibt. Zum Thema Inflation ist zu sagen, dass die eine Folge der Geldmengenausweitung ist,… Mehr

Digenis Akritas
3 Jahre her
Antworten an  Iso

Es wird eine Mafia-Wirtschaft geben (gab es nach dem Zusammenbruch im Ostblock auch), für die Sie und die Mehrheit unserer harmlosen Bundesbürger zahlen werden (nennen wir es Schutzgelder). Wer nicht zahlen will, riskiert den multi-ethnischen Bürgerkrieg. Die Preise bestimmen nicht Sie und falls Sie in einer gated community leben wollen (so etwas wie ein goldener Knast), raten Sie mal, woher das Wachpersonal stammen wird…Oder aber, da es global kaum Alternativen gibt, springt China als neue Ordnungsmacht ein, wie schön! Kurz: C’est foutu!

alter weisser Mann
3 Jahre her

Die Ratgeber wie der Herr Otto müssen doch zunächst einmal klären, auf welche Krise sie sich einzurichten gedenken. Es sind etliche realistische Szenarien denkbar, in denen die gemachten Vorschläge wenig bis gar nichts nützen. Das fängt bei einer Umstrukturierung der Lebensgrundlage (aka Weltrettung) an, geht über längere größere blackouts bis zu Systemzusammenbrüchen, egal warum. Grundsätzlich helfen die Ratschläge Ottes nur bei einem langfristig schleichendem Niedergang, bei dem die Gesellschaft aber grundsätzlich weiterfunktioniert. Ansonsten ist alles, was man im System investiert, im Zweifel verloren. Wenns härter kommt, zahlt keiner mehr den ETF aus, keiner nimmt die bunten Euroscheine, das System grätscht… Mehr

Last edited 3 Jahre her by alter weisser Mann
Biskaborn
3 Jahre her

Interessanter Abriss, ohne Zweifel. Nur der Verweis auf eine konservative WerteUnion der Herr Otte jetzt angehört nachdem er vor der bösen AfD weggelaufen ist, darf als nicht wirklich Ernst gemeint gekennzeichnet werden. Diese WerteUnion ist ein Anhängsel der CDU ohne Gewicht und wirkliche Meinung, schon gar nicht im Sinne ehemaliger tatsächlicher konservativer Werte wie sie heuten noch die AfD vertritt. Genau genommen sind es Opportunisten, die sich den Anschein geben konservativ zu sein, mehr nicht.

P_Karl
3 Jahre her

Ich denke, erst einmal wird die Regierung es versuchen, die Schulden über die Inflation zu entwerten. Deshalb auch die größte Steuererhöhung mitten in der Krise – die CO2-Steuer. Erst wenn das nicht gelingt, wird man Sondersteuern, z.B. auf Wohneigentum einführen. Und wenn das nicht reicht, kommt erst ganz zum Schluss der Schuldenerlass, wenn der Karren also so tief im Dreck sitzt, dass es nicht mehr vorwärts und rückwärts geht. Dass man heute den Schuldenerlass noch scheut, liegt für mich daran, dass es das Kapital der obersten 10000 massiv treffen würde. Und mit solchen Leuten stecken die Regierungen reihenweise unter einer… Mehr

gast
3 Jahre her

Soziales Kapital in der Kirche anhäufen. Super Idee. Der Kirchenchor darf seit einem Jahr nicht mehr singen und der Posaunenchor seit einem Jahr nicht mehr spielen. Soziales Kapital sind vielleicht meine Kinder. Ich habe sie nie vernachlässigt und sie haben jetzt selbst große Probleme. Ein anderes soziales Kapital gibt es nicht. Das ist auch kein Kapital im Sinne von Geld. Das ist Bedürfnis nach Gemeinschaft.

Last edited 3 Jahre her by gast
Lucius de Geer
3 Jahre her

Herr Otte ist vor allem Krisen-Gewinnler, mit einem Buch nach dem anderen über die absehbare Not der breiten Masse. Aktien, Gold und gute Beziehungen zum handwerklich begabten Nachbarn – das sind Empfehlungen, die seit 20 Jahren kursieren. Keineswegs falsch, aber kein bisschen originell. Wer Deutschland vor einer gigantischen Krise sieht und jetzt immer noch Mitglied der dafür maßgeblich verantwortlichen CDU ist, dem darf man mangelndes politisches Gespür vorwerfen, um es sehr vorsichtig auszudrücken.

alter weisser Mann
3 Jahre her

Auch Aktien sind bei allen Argumenten nur „Sachwerte“ solange alles schön stabil und geordnet bleibt.
Die etwaige Dividende und den Kurswert/-gewinn gibt es ohnehin nur in Geld, den ideellen Anteil kann man im Ernstfall weder in Realwerte umwandeln oder essen und dass die betreffende AG die Krise übersteht ohne in Aktionärsrechte einzugreifen, ist auch nicht gesagt.
Falls man auf eine ernsthafte Krise abstellt, pflegt man soziales und ausreichend immobiles Kapital auf dem Land, letzteres, soweit nicht zum eigenen Haus gehörig, an Produzenten verpachtet (ewige Rente) und ggfs. mit Wahlrecht der Pachtzahlung in Naturalien.

RMPetersen
3 Jahre her

Die Formulierung „soziales Kapital anhäufen“ finde ich (- mit der Bitte um Verzeihung für die Unfreundlichkeit) bescheuert. Natürlich weiss ich, dass dies seit den 80ern für die Leser von Pierre Bourdieus („capital social“) zu stehenden Redewendung wurde und sowohl traditionell Ansehen und Ehre (- ja!!!) wie auch die gesponnenen Netzwerke etc zusammenfasst, aber ich halte dieses Bezeichnung für eher vernebelnd. Jemand wie Merkel hat sicherlich viel „soziales Kapital“ aus ihrem Networking und auch ihrer Fähigkeit, Leute zu manipulieren. Das finde ich nicht positiv. Verständlicher fände ich einen Aufruf, um sich herum stabile familiäre und freundschaftliche Kreise zu entwickeln und sich… Mehr

Fred Katz
3 Jahre her

Max Otte ist auch Gründer der Spengler-Gesellschaft.
Bei allem was Herr Otte sagt und tut bleibt mir schleierhaft, ob er es ernst meint oder ob das zynischer Humor ist.
Jedenfalls kommt Herr Otte in der Öffentlichkeit so rüber, als wäre er ein Reichsbürger-Querulant.
Schon paradox, andere aufzufordern, in „soziales Kapital“ zu investieren, wenn man selber dermassen bizarre Äußerungen von sich gibt und seine größten Erfolge als Fondsmanager hat.

WeltbegaffenderRumReisender
3 Jahre her
Antworten an  Fred Katz

..Widerspreuche sind nicht unbedingt dazu da um aufgeloest zu werden, sondern sind Ausdruck des Lebens selbst! (E.M. Cioran) Jedenfalls, wer sich selbst rechtzeitig nicht zu helfen weiss, geht in dieser Welt unter!