Je weniger Haare, desto mehr Geld, je weniger Regenwald, desto mehr Corona

Es ist sicher nicht verkehrt, anzunehmen, dass in den noch verbliebenen unzugänglichen Regenwäldern der Erde viele Infektionskrankheiten bei Tieren lauern, die dem Menschen gefährlich werden können. Doch die Abholzung der Regenwälder bedeutet deshalb nicht zwingend die Zunahme von Pandemien.
Von Walter Krämer

Unsere Unstatistik ist diesmal wieder ein Korrelationskoeffizient – der zwischen dem weltweiten Bestand an Regenwald und dem Vorkommen von tiergetriebenen (von Tieren ausgehenden oder durch Tiere übertragenen) Infektionskrankheiten wie der aktuellen Corona-Pandemie. Dieser Korrelationskoeffizient ist negativ: je weniger Regenwald, desto mehr Infektionskrankheiten. Dies ergab eine in deutschen und internationalen Medien viel zitierte Studie der französischen Biomediziner Serge Morand und Claire Lajaunie.

Die beiden Forscher hatten für 27 Jahre, von 1990 bis 2016, einen steten Rückgang der mit Regenwald bedeckten Erdoberfläche zusammen mit einem ebenso steten Anstieg von Infektionswellen an verschiedenen von Tieren ausgehenden Krankheiten konstatiert. Daraus wurde dann in einigen Medien ungeprüft und ohne weitere Indizien eine Kausalbeziehung hergeleitet. Beginnend im März und bis in den April hinein berichteten unter anderem „derstandard.de“ („Eindeutiger Befund: Abholzung fördert Ausbreitung von Infektionskrankheiten“), „blick.ch“ („Waldrodung begünstigt Tierkrankheiten“) und „tag24.de“ („Studie zeigt: Holzen wir weiter ab, wird es mehr Infektions-Krankheiten geben“).

Der Regenwald ist wichtig – wegen der Biodiversität

Einige Berichte weisen auf die Notwendigkeit weiterer Studien zur Etablierung einer Kausalbeziehung hin, die meisten aber nicht. Eine solche Kausalbeziehung kann aus den Daten der zitierten Studie nicht abgeleitet werden (und wird von den Autoren auch nicht behauptet). Die möglichen negativen Effekte einer Abholzung von Regenwald auf Mensch und Umwelt wollen wir keinesfalls bestreiten. Allein die dadurch bewirkte Reduktion der Biodiversität ist für viele Missstände verantwortlich.

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Aber nicht alle Übel dieser Erde gehen auf den Rückgang des Regenwalds zurück. Genauso könnte man beweisen, dass der verschwindende Regenwald für die Zunahme an Einbruchsdiebstählen in der Bundesrepublik oder die steigende Staatsverschuldung weltweit verantwortlich ist.

Diese ungeprüften Rückschlüsse von Korrelation auf Kausalität gehören zu den häufigsten statistischen Fehlern überhaupt. So gibt es etwa bei Männern eine negative Korrelation zwischen dem Einkommen und der Anzahl der Haare auf dem Kopf: je weniger Haare, desto mehr Geld. Diese Korrelation entsteht allein schon dadurch, dass bei Männern im Allgemeinen mit wachsendem Alter die Haare ausfallen und das Einkommen steigt. Bei Jeff Bezos von Amazon würde die Korrelation auch passen, auch Steve Jobs hatte eine Glatze, aber was ist mit Bill Gates von Microsoft oder Warren Buffett?

Nonsens-Korrelationen

Der häufigste Grund für solche Nonsens-Korrelationen sind gemeinsame Trends: Zwei Zeitreihen, die – ganz gleich aus welchen Gründen  – in die gleiche Richtung gehen, sind immer automatisch hoch positiv korreliert. So gibt es etwa in Deutschland eine perfekte Korrelation zwischen den Apfelsinenimporten aus Portugal und den Belegungszahlen der bundesdeutschen Trinkerheilanstalten. Beide Zeitreihen sind seit dem Zweiten Weltkrieg angestiegen. Deshalb käme aber niemand auf die Idee, nun Apfelsinen aus Portugal zu verbieten. Genauso sind zwei Zeitreihen mit entgegengesetzten Trends immer automatisch hoch negativ korreliert, wie hier die Fläche an Regenwald und die Infektionsinzidenz.

Die Statistik kennt durchaus Verfahren, zwischen Korrelationen und Kausalitäten zu unterscheiden. In der Studie von Morand und Lajaunie sucht man diese allerdings vergebens.


Mehr vom Autor in: Walter Krämer, So lügt man mit Statistik. Aktualisierte und neu gestaltete Neuausgabe. Campus Verlag, 208 Seiten, 19,99 €


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Kommentare ( 8 )

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Birgit
2 Jahre her

Wenn ich die Intention des Artikels richtig verstanden habe, … geht es um KORREKT angewandte Statistik und nur am Rande als Beispiel um eine Studie, die als PRO Regenwald u.a. von der SPD-‚tag24.de‘ eben falsch ausgelegt und benutzt wird. Aus Dummheit, Sorge oder rot-grüner Polit-Absicht? So ganz genau weiß man das nicht 😉 — Allerdings staunt der (logisch denkende) Betrachter. Denn gerade aufgrund dieser speziellen tag24-Studien-Interpretation müsste sich eigentlich zwingend eine Folge-Korrelation-/Kausal-Breaking News-Headline ergeben haben: „BIO-Produkte vernichten die Menschheit“ o. ä. (Warum? Weil nicht nur in Mittelamerika jährlich ► Abertausende Hektar ursprünglichen Regenwaldes zwecks riesigen, Chemie-getränkten Ölpalmen-Monokulturen für den weltweiten… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Birgit
Heiner
2 Jahre her

Ungeschlagen auf Platz 1 solcher Irrsinns-Korrelationen bleibt der hergestellte Zusammenhang zwischen der Anzahl der Piraten mit dem CO2 Ausstoß und damit der Erderwärmung, mit dem der Gründer der Religion des fliegenden Spaghettimonsters die Schulbehörden in Kansas wegen des Kreationismus auf den Arm nahm und nebenbei gleich die „Weltklimakirche“.
https://de.wikipedia.org/wiki/Fliegendes_Spaghettimonster

Barbarossa
2 Jahre her

Hier eine Nicht-Nonsense Korrelation und ein Weg, Statistiken etwas anders zu sehen: Eine Statistik ist wie ein Bikini, sie zeigt Interessantes, aber verhüllt Wesentliches.

Dozoern
2 Jahre her

Man muss garnicht so tief in die Statistik einsteigen. Der Betrug fängt ja in der Beschreibenden Statistik mit einfachen Balkendiagrammen an, wie sie jetzt die TAGESSCHAU und HEUTE benutzen: Noch vor wenigen Wochen war auf der y-Achse eine Inzidenz von 150 abgetragen, jetzt da die Inzidenz bei 7 oder 10 liegt ist dort der Maßstab 10. Dadurch wird vermieden, dass der Zuschauer den drastischen Rückgang auf einen Blick erkennt, weil die Höhe des Balkens immer noch Bild-füllend ist. Oder die Konstruktion der Inzidenzformel, Inzidenz = Positiv Gesteste Tag 1 + Tag 2 … + Tag 7 geteilt durch Anzahl Menschen… Mehr

Andreas aus E.
2 Jahre her

„Diese ungeprüften Rückschlüsse von Korrelation auf Kausalität gehören zu den häufigsten statistischen Fehlern überhaupt.“ So lange damit keine Propaganda gemacht wird, wäre das ja kein großartiges Problem. Selbst Unwissenheit resp. Dummheit wäre erträglich, aber „die da in den Medien“ sind sicher nicht alle doof, die machen das vollabsichtlich, weil die das selbst glauben oder für Geld (=Maulhure), dann wird (wurde!) das zum ernsten Problem. Ein lustiges Beispiel übrigens zum Phänomen Korrelation und Kausalität, weil ich selbst darauf hereinfiel: Bei uns (Etagenwohnung) tropfte es durch die Decke. Erst vor etwa zehn Tagen, zeitgleich hatte es stark geregnet. Dann wieder vorgestern, da… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Andreas aus E.
hoho
2 Jahre her

Was noch problemtischer ist:es scheint dass Zahl der Leute die in dem Schwimbecken ihr Leben verloren haben, korreliert mit der Strommengen aus dem AKWs. Mindestens in USA stimmt das. Glück dass bei uns die AKWs abgebaut werden, nicht wahr?
Eine Kausalität zwischen diesen beiden Werten existiert wohl doch nicht, aber sie korrelieren, was man auf spurious-correlations Webseite von Tyler Vigen.
Ich denke manchmal dass die uns herrschenden Hypermoralisten die Ideen aus dieser Webseite beziehen. Ich hoffe nicht aber alles deutet darauf. Also aufpassen – es kann sein dass sie alle Schwimmhallen schliessen damit man weniger Nuklearstrom erzeugt.

Schwabenwilli
2 Jahre her

Besteht jetzt eine Korrelation zwischen dem Verschwinden der Regenwälder und der anwachsenden Weltbevölkerung? Oder ist die eine wachsende Weltbevölkerung die Kausalität für das Verschwinden der Regenwälder? Wenn einige wenige Holzfäller mit hochmodernen Maschinen im Rekordtempo hektarweise Regenwald niedermachen und damit auch die Verbreitung von Tierkrankheiten forcieren dann würde das höchstens einige hundert Holzfäller Trupps betreffen. Werden ihr doch die gerodeten Waldflächen in Windeseile mit Menschen besiedelt welche durch den wachsen den Bevölkerungsdruck neue Flächen brauchen und sich infizieren, wie ist das dann statistisch zu veranschlagen?

Andreas aus E.
2 Jahre her
Antworten an  Schwabenwilli

Das Beispiel mit den Regenwäldern ist – mit Verlaub – scheiße gewählt, man könnte ja meinen, die Regenwaldvernichtung werde dadurch schöngeredet.
Aber darum geht es wohl nicht, es geht wohl tatsächlich um das Alltagsphänomen fehlinterpretierter Statistik.

Desungeachtet hätte ich mir als Rezensent ganz sicher ein weniger sensibles Beispiel herausgesucht, irgendwas nicht ganz so Aktuellpolitisches.