Der größte Liberale der Bundesrepublik

Für Ludwig Erhard begann alles mit der Freiheit, sie ist in allem der grundlegende Wert – für Robert Habeck fängt alles mit der Abschaffung der Freiheit an. Es gibt zur Stunde und für Deutschland kein aktuelleres Buch als Ludwig Erhards „Wohlstand für Alle“.

Als Ludwig Erhard vor gut 75 Jahren von Konrad Adenauer zum Bundeswirtschaftsminister berufen wurde, war er von Anfang an eine Art Antipode zum Kanzler – sein Credo war Freiheit und Eigenverantwortung. Auch Angela Merkel hätte einen freiheitlich gesinnten Gegenspieler gebraucht: Ihre Politik formulierte sich praktisch als Gegenentwurf zu Erhards Sozialer Marktwirtschaft. Sie stellte dem Wirtschaftswunder das Wirtschaftsdesaster entgegen, indem sie einer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik Vorschub leistete, die allen voran von den Grünen verwirklicht wird. Ludwig Erhard war wahrscheinlich der größte Liberale unter den Politikern der Bundesrepublik, obwohl er der CDU angehörte.

Im Jahr 1957 erschien Erhards „Wohlstand für alle“. In 16 Kapiteln stellt der Autor die Verwirklichung der Idee der Sozialen Marktwirtschaft mit all ihren harten Kämpfen ausgesprochen anschaulich dar. Deshalb glückte ihm in all seiner Schnörkellosigkeit ein präzises Geschichtsbuch über die Anfänge der Bundesrepublik, aber vor allem ein hochspannendes Lehrbuch über die Grundlagen einer freiheitlichen und erfolgreichen Gesellschaft.

Jeder, der in Deutschland derzeit politische Verantwortung übernimmt, ganz gleich in welchem Bereich, sollte dieses Buch nicht nur lesen, sondern wieder und immer wieder lesen. In einer geradezu erschütternden Deutlichkeit führt uns Erhards Text vor Augen, wie wenig an Sozialer Marktwirtschaft, wie wenig an staatsbürgerlicher Freiheit den Bundesbürgern nach 16 Jahren Merkel und drei Jahren Ampel geblieben ist.

Wovor Ludwig Erhard bis zur Redundanz nicht müde wurde zu warnen, war die Tatsache, dass mit der wirtschaftlichen Freiheit die politische und bürgerliche Freiheit endet und umgekehrt: Nur ein wirtschaftlich freier Bürger wird auch ein politisch freier Bürger sein und vice versa. Es existiert keine freie Marktwirtschaft ohne Demokratie und keine Demokratie ohne eine freie Marktwirtschaft. „Die Freiheit – ich wiederhole es – ist und bleibt ein Ganzes und Unteilbares. Sie darf nicht nach Zweckmäßigkeitsgründen verteidigt oder verworfen werden“, warnte Erhard.

TICHYS LIEBLINGSBUCH DER WOCHE
Das schreckliche Erbe der Angela Merkel
Nur allzu gut hat man noch in Erinnerung, wie mit großer Begeisterung von Union und SPD, mit Jubel der Grünen während der Corona-Zeit die Freiheit erheblich eingeschränkt wurde. Vom Erhard’schen Liberalismus ist in der Union kaum etwas übrig geblieben. Es klingt wie eine Binsenweisheit, die aber trotz ihrer Einfachheit heute nicht mehr verstanden wird: „In der Mitte des 20. Jahrhunderts ist das Gedeihen der Wirtschaft auf das Engste mit dem Schicksal des Staates verwoben, wie umgekehrt die Anerkennung jeder Regierung und des Staates von dem Erfolg oder Misserfolg der Wirtschaftspolitik unmittelbar berührt werden.“

Aus der Erfahrung des Nationalsozialismus mit seiner kollektivistisch oder korporatistisch gelenkten Vier-Jahres-Planwirtschaft und in Beobachtung der kollektivistischen Fünf-Jahres-Planwirtschaft im Osten Deutschlands kämpfte Erhard dafür, dass die Grundlage der Gesellschaft die Freiheit bilden muss, eben auch wirtschaftlich.

In dem Chaos und der Katastrophe der deutschen Nachkriegssituation machten sich die Deutschen an den Wiederaufbau, der nur deshalb im Westen bald schon in das Wirtschaftswunder, in einen langen und bewundernswerten Aufstieg der westdeutschen Wirtschaft und den Anstieg der allgemeinen Wohlfahrt mündete. Erhard kämpfte gegen gewaltige Widerstände – übrigens nicht nur aus den Reihen der Gewerkschaften, sondern auch der Industrie, die die Kartelle beibehalten wollten.

Erhard setzte stattdessen auf die Entfesselung der Möglichkeiten der Menschen als freie Bürger: „Was wir in dieser Situation tun mussten, war, die Fessel zu lösen. Wir mussten dazu bereit sein, um in unserem Volk endlich wieder moralische Grundsätze zur Anwendung zu bringen und den Beginn der Läuterung unserer Gesellschaftswirtschaft einzuleiten. Mit der wirtschaftspolitischen Wendung von der Zwangswirtschaft hin zur Marktwirtschaft haben wir mehr getan, als nur im engeren Sinne wirtschaftliche Maßnahmen getroffen. Wir haben vielmehr unser gesellschaftswirtschaftliches und soziales Leben auf eine neue Grundlage und vor einen neuen Anfang gestellt. Wir mussten abschwören der Intoleranz, die über die geistige Unfreiheit zur Tyrannei und zum Totalitarismus führt. Wir mussten wieder hin zu einer Ordnung, die durch freiwillige Einordnung, durch Verantwortungsbewusstsein in einer sinnvoll organischen Weise zum Ganzen strebt.“

Ade, Marktwirtschaft

Spätestens seit Merkels Kanzlerschaft, doch verstärkt seitdem der Ampelwirtschaftsminister Robert Habeck und Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil am Kabinettstisch sitzen, lässt Deutschland die Marktwirtschaft hinter sich. Die Grundlage für den deutschen Aufstieg schuf Ludwig Erhard mit der kühnen Währungsreform und dem „Gesetz über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform“ von 1948.

Erhard hob einfach die hemmenden Wirtschafts- und Fiskalvorschriften auf, die von den Alliierten vorgegeben worden waren. Ihm half, dass er in der amerikanisch besetzten Zone wirkte, in der er auf die Unterstützung des US-Militärgouverneurs General Lucius D. Clay zählen konnte, während in der britisch besetzten Zone die Kollektivisten und Zwangswirtschaftler gefördert wurden, weil in London gerade die Labour Party mit ihren Ideen herrschte.

Seine Botschaft ist global
Javier Milei: Freiheit in Wirtschaft und Gesellschaft
Erhard ging damals so vor wie heute der argentinische Präsident Javier Milei, der vom Aufräumen mit der Kettensäge spricht. Erhard setzte auf die Konsum- und Produktionsfreiheit: „Ich bin der Meinung, dass es den Staat gar nichts angeht, wie der einzelne Staatsbürger sein Geld verbrauchen will – dass er also in diesem Sinne nicht Morallehrer zu sein hat …“ Erhard wäre Habecks Heizungsgesetz und von der Leyens Verbrenner-Aus vermutlich als ein unbegreiflicher Akt von Einmischung erschienen. Erhards Überzeugung: Der Staat hat sich aus Konsum und Produktion herauszuhalten. Angebot und Nachfrage regulieren die Produktion. Im Wettbewerb verwirklicht sich die Freiheit und sorgt für Aufschwung, Effizienz und Demokratie.

Dass für Grüne und Sozialdemokraten der Begriff Wettbewerb ein unverständliches Fremdwort ist, liegt daran, dass sie im Menschen nicht das selbstbestimmte Subjekt, den mündigen Bürger, sondern nur das Sozialstaatsobjekt sehen, das ständig zu bevormunden und zu alimentieren ist, weshalb ihm auch substanziell keine Freiheit zu gewähren ist, weil Minister und Beamte schon genau wüssten, wie die Zukunft aussieht. „Anmaßung von Wissen“, nannte Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich August von Hayek das.

Auch Erhards Diktum, dass man nur verteilen könne, was man vorher erwirtschaftet habe, scheint mittlerweile völlig in Vergessenheit geraten zu sein. Robert Habeck und Olaf Scholz wollen diesem Gesetz entrinnen, in dem sie die grundgesetzliche Schuldenbremse aushebeln, am liebsten aufheben wollen.

Wenn die Löhne der Produktivität davongaloppieren, wenn die Energiepreise jegliche Stabilität eingebüßt haben, wenn die Unternehmen immer weniger Produktionsfreiheit und die Bürger immer weniger Konsumfreiheit besitzen, dann geraten Firmen in große Krisen – wie die Stahlsparte von Thyssenkrupp oder VW – oder suchen ihr Heil in der Flucht wie die chemische Industrie.

Eintritt in die Mangelwirtschaft

Schließlich löst sich die Marktwirtschaft auf, wird zur Mangelwirtschaft und kann nur noch durch Zwangsbewirtschaftung, also durch interventionistische Eingriffe in den Markt und durch Subventionen, einigermaßen, aber zunehmend schlechter aufrechterhalten werden. Weil die Steuereinnahmen einbrechen, benötigt der Staat immer größere Kredite. Ein alter Witz aus der DDR würde paraphrasiert lauten: „Was passiert, wenn Robert Habeck in die Wüste kommt? Dann wird der Sand knapp.“

Wenn man heute Erhards Buch aufschlägt, liest es sich wie eine überraschend aktuelle Kritik am Kurs der deutschen Regierungen seit dem Kabinett Merkel II. Erhard warnt in seinem Buch vor Kartellen, vor dem Pakt der Politik mit Teilen der Wirtschaft, die keinen Wettbewerb, sondern Sonderrechte wollen. Deshalb singen auch Leute wie RWE-Chef Markus Krebber oder der Bundesverband der Deutschen Industrie Habecks Lied, weil sie darauf setzen, dass sich in einer Subventionswirtschaft vielleicht nur geringere, dafür aber sichere Gewinne erzielen lassen als im lästigen Wettbewerb.

Ludwig Erhard sah im Spitzenmanagement eine Gefahr für den freien Markt. Er bekämpfte die Unsitte der Kartellbildung mit scharfen Wettbewerbsgesetzen. Habeck fördert hingegen durch sogenannte Klimaschutzverträge und Subventionen genau das Ende des freien Marktes. Ludwig Erhard wäre der Erste gewesen, der gesehen hätte, dass dort, wo Klimaschutz draufsteht, Interventionswirtschaft drinsteckt. Für Ludwig Erhard begann alles mit der Freiheit, sie ist in allem der grundlegende Wert – für Robert Habeck fängt alles mit der Abschaffung der Freiheit an. Es gibt zur Stunde und für Deutschland kein aktuelleres Buch als Ludwig Erhards „Wohlstand für Alle“.

Ludwig Erhard, Wohlstand für Alle. Econ Verlag, Hardcover mit Schutzumschlag, 424 Seiten, 22,00 €.


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Kommentare ( 10 )

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Mermaid
24 Tage her

Ergänzend vielleicht. Auf YouTube gibt es ein ausführliches Interview mit Ludwig Erhard, das Günter Gaus geführt hat.

KoelnerJeck
25 Tage her

Ludwig Erhard war sicherlich der durchsetzungstärkste Libertäre Deutschland: Gegen die Besatzer schaffte Ludwig Erhard die Preisbindungen ab. Einen großen Anteil am Erfolg der Marktwirtschaft dürfte sicherlich auch sein Freund Wilhelm Röpke gehabt haben. Wilhelm Röpke war ein überzeugter Anhänger der Marktwirtschaft und des Freihandels. „Die Marktwirtschaft löst die soziale Frage durch Wohlstand für alle,“ das schrieb Röpke bereits 1931.

Monostatos
25 Tage her

Habeck und Konsorten würden eher „Notstand für Alle*“ verfassen.
*: selbstverständlich außer für verdiente GenossINNEN in Parteien, Behörden, Medien und NGOs

Mausi
26 Tage her

Ich fand es interessant zu lesen, dass nach dem Krieg durchaus über Planwirtschaft nachgedacht wurde. Damals sind wir Dank L.E. dran vorbeigeschrammt.
Wer, wenn nicht wir, sollte den Vergleich der Systeme lebhafter vor Augen haben: BRDeutschland und DeutscheDR. Und wir lassen uns auf den Pfad der Planwirtschaft, auf den Pfad von Vater Staat, auf den Pfad eines NannyStaates führen.

Last edited 26 Tage her by Mausi
Mausi
26 Tage her

„Wohlstand für alle“: Bitte ändern im zweiten Absatz: Der Titel schreibt sich „Wohlstand für Alle“.

Last edited 26 Tage her by Mausi
Peter Gramm
26 Tage her

Herr Erhard hat sicherlich Verdienste um Deutschland erworben. Dabei sollten aber immer auch die Bedingungen nicht unberücksichtigt bleiben. Ob Herr Erhard unter den heutigen Bedingungen auch ökonomischen Erfolg haben würde muß hinterfragt werden dürfen. Energie, Zuwanderung, Marktsättigungen, globale Veränderungen…..würden mit den Instrumenten die damals angewandt wurden sicherlich nicht mehr erfolgreich sein. Vor allem die grünen Wirtschaftszerstörer und ihr zerstörerisches Tun müssten berücksichtigt werden.

KoelnerJeck
25 Tage her
Antworten an  Peter Gramm

das allgemeine Bildungsniveau, der Arbeitsethos nicht zu vergessen.

Mermaid
24 Tage her
Antworten an  Peter Gramm

Ich würde es gerne ausprobiert wissen und bin eigentlich überzeugt davon, daß es wieder klappen würde.
Die Freiheit macht den Unterschied. Nicht irgendwelche grünen Nichtskönner.

Klaus D
26 Tage her

„Wohlstand für Alle“….die vorstellungen von Ludwig Erhard dazu erfüllt aber keine partei! Und ob diese überhaupt umsetzbar sind ist auch nicht sicher denn es müssten ja alle mitmachen. Und daran scheitert jede „ideologie“!

H.Arno
26 Tage her

Wir brauchen einen neuen starken Wirtschaftsminister wie Erhard oder einen
Milei, um die Wirtschafts-Zerstörung durch Links-Grüne Diktatur zu beenden!