Zeit-Umstellung: auch politisch Winterzeit

Dass die Zuwanderung eine politische Zeit-Umstellung bedeutet, werden wenige bezweifeln.

Heute Nacht werden die Uhren von drei auf zwei zurückgestellt. Um eine Zeitumstellung handelt es sich auch in der europäischen Migrationskrise. Während die Zeitumstellung heute nachts zurück zur Normalzeit bedeutet, führt die große Wanderung, die Jahre weitergehen wird, in ein New Normal, ein Neues Normal, das wir heute alle nicht kennen (können).

Wohin wird Europa umgestellt?

In der Ölkrise zum Energiesparen eingeführt, hat die „Sommerzeit“ diese Aufgabe nie erfüllt. Drei Viertel der Deutschen halten die jährliche Zeitumstellung für Unsinn – in diesem Fall dürfen wir Meinungsumfragen trauen, da pro und kontra Zeitumstellung (noch?) kein Thema des geistigen Bürgerkrieges zwischen Links und Rechts ist. Dass es sich bei der Migrationswelle, die Jahre und Jahrzehnte anhalten wird, um eine politische Zeit-Umstellung handelt, werden wenige bezweifeln.

Ob Europa politisch-kulturell europäisch bleiben kann oder seine politische Kultur sogar stabilisiert, darum geht es für wenigstens ein Jahrzehnt.

Erdogan wird als Söldner Europas die Zahl der Zuwanderer begrenzen, wenn seine finanziellen und politischen Forderungen erfüllt werden – Forderungen auf einer nach oben offenen Euro-Skala. Nein wird die EU zu Nichts mehr sagen, weil Erdogan immer an der Migrationsschraube drehen kann. Es kommen also ab Weihnachten oder so weniger aus der Türkei nach Griechenland. Dann nimmt auch der Druck auf die Länder entlang der Balkanroute langsam ab.

Sollen die neuen Flüchtlinge aus Syrien in seine Nachbarländer nicht zunehmen, muss die EU Putin helfen, Assad die Kontrolle über große Teile Syriens zurückzugewinnen. Einfach ausgedrückt und sehr schwer getan heißt das schlicht: Der Westen muss die Zustände in Syrien vor seiner Intervention wiederherstellen, die im Irak am besten gleich mit. Leider geht das alles nicht mit einer Zeit-Umstellung wie heute Nacht.

Wie viele Zuwanderer nach den neuesten Ankündigungen in Berlin und Brüssel in ihre Herkunftsländer zurück gebracht werden, wissen wir erst, wenn das tatsächlich stattfindet. Wie viele oder wie wenige es immer sein mögen, die vielen, die auf lange Zeit in Deutschland und anderswo in der EU bleiben, brauchen eine, eher zwei Generationen, bis sie in den Gesellschaften Europas angekommen sind. Und früher werden wir, die schon da waren, nicht wissen, wie uns diese Zeit-Umstellung bekommt.

Wunschzettel für Weihnachten und Regierungen

Da der Sonntag vor der Tür steht und es dann wieder wie jedes Jahr ganz plötzlich und überraschend Weihnachten wird, schreibe ich schon mal meinen Brief ans Christkind. Liebes Christkind, bitte schenk‘ uns in Europa Regierungen, die zuerst sorgfältig nachdenken und dann entschieden handeln.

Ich weiß, das ist ein ziemlich frommer Wunsch. Aber vor Weihnachten ist das erlaubt. Liebe Leser, ich höre Ihre Kommentare schon: Gott wie naiv – wird noch der freundlichste sein. Aber auf den bekannten Satz „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ habe ich schon immer gesagt: Falsch, die Hoffnung ist unsterblich.

Morgen wählt Polen vermutlich eine national-konservative und euroskeptische Regierung. In der Schweiz haben SVP und FDP den Parteien links von ihnen sehr deutlich Stimmen abgenommen; die beiden Lieblings-Gegner werden kooperieren müssen. Spanien geht am 20. Dezember an die Wahlurnen, dort drängt der liberale Neuling Ciudadanos mehr in den Vordergrund als die Syriza-Schwester Podemos. Im traditionell Zuwanderer-freundlichen Schweden dreht sich nach Dänemark die Zeit-Stimmung ebenfalls. Noch bevor die Christbaum-Kerzen brennen, wissen wir, mit welchen politischen Zeit-Umstellungen wir ins Neue Jahr gehen.

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