WHO und Gesundheitsministerien als „Wahrheitsministerien“?

In elektronischen Medien dürfen Behauptungen von WHO und nationalen Gesundheitsbehörden nicht hinterfragt werden. Ein Gericht in Berlin hat entschieden, dass diese Institutionen heilig sind und Online-Foren jegliche Kritik an ihnen verbieten dürfen. Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Zensur entscheiden.

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Das höchste Berliner Zivilgericht, das Kammergericht, hat vor einigen Wochen entschieden, es sei mit der Meinungsfreiheit vereinbar, dass eine Online-Plattform – in diesem Fall das in erster Linie der beruflichen Vernetzung dienende Portal „LinkedIn“ – ihren Nutzern durch eine Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) verbietet, Beiträge zu veröffentlichen, die zu „Leitlinien“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder einer nationalen Gesundheitsbehörde (zum Beispiel Bundesgesundheitsministerium, Robert-Koch-Institut) im Widerspruch stehen.

Darf eine solche Einschränkung der Meinungsfreiheit bestehen bleiben? Gegen das Urteil hat der Freiburger Staatsrechtler Professor Dr. Dietrich Murswiek am 17. Oktober 2025 als Prozessvertreter des betroffenen LinkedIn-Nutzers Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. TE veröffentlicht vorab seine Erklärung dazu:

„In seinem Urteil vom 18. September 2025 (Az.: 10 U 95/24) hat das Kammergericht gesagt, es komme nicht darauf an, ob eine auf LinkedIn veröffentlichte („gepostete“) Äußerung richtig, teilweise richtig oder falsch ist, es komme nur darauf an, ob sie einer Äußerung der WHO oder einer nationalen Gesundheitsbehörde widerspricht: Dann sei sie verboten und dürfe von LinkedIn gelöscht werden.

Der Kläger in dem zugrundeliegenden Rechtsstreit hatte Beiträge gepostet, die sich kritisch mit der Ausgrenzung von Ungeimpften während der Corona-Pandemie, mit der damals in Vorbereitung befindlichen Corona-Impfpflicht und mit Nebenwirkungen der Corona-Impfung befassten. LinkedIn hatte diese Beiträge gelöscht, weil es sich um „falsche Inhalte“ handele, die nach den Nutzungsbedingungen nicht gepostet werden dürften. Die Begründung dafür lautete aber ausschließlich, dass sie Leitlinien der WHO beziehungsweise einer deutschen Gesundheitsbehörde widersprächen. Außerdem hat LinkedIn wegen angeblich mehrfacher Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen das Nutzerkonto des Klägers gesperrt.

Dem Kläger war es also ebenso gegangen wie Tausenden anderer Menschen, deren Beiträge zur Corona-Politik auch auf anderen sozialen Netzwerken, wie Facebook, Instagram oder YouTube von den Plattformbetreibern gelöscht wurden, nachdem die US-Regierung und wohl auch andere Regierungen entsprechenden Druck ausgeübt hatten.

Gegen die Löschung der Beiträge und die Sperrung des Nutzerkontos richtete sich die vom Kläger erstinstanzlich vor dem Landgericht Berlin II und in zweiter Instanz vor dem Kammergericht (dem Berliner Oberlandesgericht) gegen LinkedIn geführte Klage. Während er in der ersten Instanz einen Teilerfolg erzielt hatte – sein Nutzerkonto musste wiederhergestellt werden –, hat das Kammergericht als Berufungsgericht die Klage vollständig abgewiesen.

Das Kammergericht hat die Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Entscheidung einer zivilrechtlichen Streitigkeit zwischen der Betreiberin einer Online-Plattformen und einem Nutzer dieser Plattform in geradezu grotesker Weise verkannt. Auch Internetunternehmen, die Online-Plattformen einrichten, sie ihren Nutzern zum Austausch von Meinungen zur Verfügung stellen und damit Geld verdienen, müssen die Meinungsfreiheit achten. Sie sind zwar nicht wie der Staat unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Aber die Grundrechte wirken im Wege der ‚mittelbaren Drittwirkung‘ beziehungsweise, wie man auf europäischer Ebene sagt, im Wege der ‚Horizontalwirkung‘ auf die Privatrechtsbeziehungen ein. Ein Unternehmen, das ein Forum für den Austausch von Meinungen schafft, kann nicht beliebig die Meinungsfreiheit einschränken. Eine AGB-Klausel, die jede Kritik an den Auffassungen der WHO oder einer nationalen Gesundheitsbehörde verbietet, verletzt die Meinungsfreiheit in ihrem Kern und lässt sich auf keinen Fall rechtfertigen.

In der Verfassungsbeschwerde wird das Urteil des Kammergerichts wie folgt kommentiert:

Das Kammergericht selbst stellt fest, dass nach der in Rede stehenden Klausel eine zu den ‚Leitlinien‘ der WHO oder einer nationalen Gesundheitsbehörde im Widerspruch stehende Meinungsäußerung auf der Plattform auch dann verboten ist, wenn diese Aussage richtig ist. Darauf kommt es nach der Klausel nicht an. Sie macht falsche oder irreführende Aussagen der hoheitlichen Gesundheitsinstitutionen unangreifbar und entzieht sie der Korrektur durch richtige Aussagen der Plattformnutzer. Dafür kann es keine Rechtfertigung geben.

Wie krass die Missachtung von Meinungsfreiheit und Demokratie ist, die aus der Argumentation des Kammergerichts spricht, wird besonders deutlich, wenn man sich vorstellt, der Anwendungsbereich der Klausel würde verallgemeinert: Für alle politisch relevanten Lebensbereiche würden entsprechende Wahrheitsinstanzen eingesetzt – für die Konjunkturpolitik, die Infrastrukturplanung, die Verteidigung, den Umweltschutz, die Klimapolitik, die Altersvorsorge usw. –, für alles gibt es Experten, auf welche die Regierung ihre angeblich richtigen ‚Leitlinien‘ stützen kann. Die Regierungsmeinung wäre immer die ‚richtige‘ Meinung, alles damit nicht Vereinbare wäre ‚Desinformation‘ und daher verboten, und zwar auch dann, wenn Regierungsbehauptungen falsch und die Kritik daran richtig ist. So etwas kennen wir nur aus Orwells ‚1984‘ und von diktatorischen Willkürregimen. Im vorliegenden Fall geht es zwar ‚nur‘ um die Gesundheitspolitik, aber strukturell ist die Verachtung von Demokratie und Meinungsfreiheit dieselbe.

Bis zu diesem Urteil des Kammergerichts war es schlechthin unvorstellbar, dass ein Gericht der Bundesrepublik Deutschland es für mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit vereinbar erklären könnte, die Veröffentlichung einer Meinungsäußerung aus dem einzigen Grunde zu verbieten, dass sie im Widerspruch zur Meinung der Regierung oder – wie hier – der WHO oder einer Gesundheitsbehörde steht. Diese antidemokratische Auffassung des Kammergerichts steht in so krassem Widerspruch zur konstitutiven Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Demokratie und zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die die Machtkritik zum unverzichtbaren Kern der Meinungsfreiheit rechnet, dass es unbedingt notwendig ist, dieses Urteil aufzuheben.”

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Kommentare ( 14 )

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luxlimbus
1 Monat her

Das Urteil ginge in Ordnung, wenn es den Warnaufkleber auf Tabakwaren entsprechend als Warnhinweis im Banner von „LinkedIn“ gäbe. WIR SEHEN UNS ALS KETTENHUND AUSFÜHRENDES ORGAN DER WHO UND LÖSCHEN GEGEBENFALLS AUCH WISSENSCHAFTLICHE ERKENNTNISSE, DIE DEN VERLAUTBARUNGEN DER WHO WIDERSPRECHEN

Jan Frisch
1 Monat her

Wir leben aber in keiner Demokratie mehr, sondern in „ihrer Demokratie“.

Klaus Uhltzscht
1 Monat her

Angenommen, die BRD tritt aus der WHO aus. Wären dann in der BRD Meinungen, die den Leitlinien der WHO widersprechen, wieder erlaubt?
Und angenommen, die AfD übernimmt die Regierungsmacht in der BRD. Sind dann kommunistische Meinungen, z.B. von Herrn Steinmeier und Tessa Ganserer erlaubt oder verboten?

Unglaeubiger
1 Monat her

„………..macht hoheitliche Gesundheitsinstitutionen unangreifbar!“ Tja, selbsternannte, ungewählte Irre und deren korrupte Drecksorganisationen haben selbstverständlich immer recht, ihnen darf nicht widersprochen werden, sonst würde ja die von ihnen angestrebte Diktatur nicht funktionieren! Dass dafür natürlich noch Milliarden von Steuergeldern (allein D 600 Mio in 2024) verschleudert, veruntreut werden, darf natürlich auch nicht zu groß publiziert werden, und wenn doch; dann halt nur unter dem selbstgestrickten Mäntelchen, „Gutes“ für die Weltgesundheit zu tun. Menschlein wann begreifst du endlich???

Konservativer2
1 Monat her

Wieso? Das ist doch jetzt normal, da war ich mir sicher. Oder gibt es das Miniwahr gar nicht?

Last edited 1 Monat her by Konservativer2
Biskaborn
1 Monat her

Das BVerfG wird dem Berliner Kammergericht zustimmen, das dürfte vorab feststehen. Hier wird ein Exempel statuiert zur finalen Einschränkung der Meinungsfreiheit!

Maja Schneider
1 Monat her

DIE WHO in ihrem Weltregierungsplan lässt keine Kritik an ihren mehr als kritikwürdigen Aktionen zu, ganz im Gegenteil, möglichst fernab der Bürger versucht sie in Hinterzimmern seit Jahren, den alleinigen Einfluss auf die Weltgesundheit zu nehmen, immer die Milliardengeschäfte mit der Gesundheit der Menschen im Blick, die sie nur allzu gerne in Angst und Panik versetzt. Nach ihren Vorstellungen und denen ihres fragwürdigen Leiters Ghebreyesus können die Menschen jederzeit bei Ausrufung eine Pandemie ihrer Grundrechte beraubt werden, auch die der körperlichen Unversehrtheit, sobald ein Nationalstaat dem Pandemievertrag mit der WHO zugestimmt hat und seine Souveränität an sie abgegeben hat. Wohl… Mehr

Magdalena
1 Monat her

Ist doch im Grunde keine Überraschung. Denn bereits im Oktober vor einem Jahr hat Tedros Adhanom Ghebreyesus auf dem Weltgesundheitsgipfel, World Health Summit, die Einschränkung der Meinungsfreiheit der Bürger gefordert. Er störte und stört sich an kritischen Äußerungen zur C-„Impfung“, zu Masken, Lockdowns und generell zum relativ hohen Anteil an „Impf“verweigerern. Deutschland ist wie stets eifrig darauf bedacht, die Forderungen des mehr als umstrittenen WHO-Generaldirektors umzusetzen. Die Rede des WHO-Diktators: https://www.who.int/director-general/speeches/detail/who-director-general-s-opening-remarks-at-the-world-health-summit—13-october-2024

Der Person
1 Monat her

Die WHO, die WHO, die hat immer recht!
Untertanen, es bleibe dabei;
denn wer kämpft für Pharma,
der hat immer recht.
Gegen Wahrheit und Aufklärerei.
Wer das Karlchen beleidigt,
ist dumm oder schlecht.
Wer Spahns Maske verteidigt,
hat immer recht.
So, aus Berlinschem Geist,
wächst, juristisch geschweißt,
die WHO, die WHO, die WHO.

Buck Fiden
1 Monat her

Ich bin Demokrat. Auf Basis des – „alten“ – GG.

Das hier ist nicht mehr mein Staat, nicht mehr meine Demokratie. So wie das hier aussieht, könnte man sich ja in Nordkorea freier fühlen. Das ist zwar auch ne Diktatur, aber die haben wenigstens keine Messermänner.
Nur noch wirderlich.
Symptomatisch erscheint mit ein Paradoxon: Höcke wird für den Spruch „Alles für…“ von einem Gericht verknackt, an dessen Aussenwand der Spruch in Stein gemeisselt steht „Jedem das Seine“.
Also die Tor- Inschrift des KZ Buchenwald…

Symbolisch für unsere Ochlokratie?

Last edited 1 Monat her by Buck Fiden