„Wir brauchen eine Klimaschutzpolizei“

Etliche radikale Verfechter des Gesellschaftsumbaus in Politik und Aktivistenzirkeln machen wirklich gar keinen Hehl mehr aus ihren totalitären Fantasien.

IMAGO, Alexander Wendt - Collage: TE

Unter den Verfechtern des radikalen Gesellschaftsumbaus im Namen der Klimarettung gibt es seit einiger Zeit einen bemerkenswerten Trend: anders als früher geben sich viele Protagonisten gar keine Mühe mehr, ihre totalitären Vorstellungen zu verstecken oder zu bemänteln. Das offene Bekenntnis zur antidemokratischen Gesinnung gilt in bestimmten Kreisen offenbar als schick.

In Berlin können die Wähler am 26. März über den Volksentscheid abstimmen, die Hauptstadt bis 2030 „klimaneutral“ umzubauen. Das ginge nicht ohne umfangreiche Zwangsmaßnahmen, etwa die radikale Reduzierung des PKW-Bestandes, zu dem sich die Initiatoren auch bekennen. Aber selbst damit ließe sich die angestrebte Reduzierung der CO2-Emissionen Berlins bis 2030 nicht umsetzen – das Ziel ist völlig realitätsfern. Mit dem Satz „Wir brauchen endlich ein wirksames Klimaschutzgesetz, weil keine Partei im Berliner Senat den Empfehlungen der Wissenschaft zum Einhalten der 1,5-Grad-Genze folgt“ wirbt der in öffentlich-rechtlichen Medien stark präsente Berliner Professor Volker Quaschning für ein Ja bei dem Volksentscheid. Seine Formel, „die Wissenschaft“ empfehle etwas, und die Politik habe dem zu folgen, erinnert an ähnliche autoritäre Verlautbarungen aktivistischer Wissenschaftler während der Corona-Zeit. Dankenswerterweise fasst der Regisseur Mario Sixtus, der in der Vergangenheit auch für das ZDF tätig war, das Quaschning-Zitat noch einmal griffig zusammen: „Wir brauchen nicht nur ein Klimaschutzgesetz, wir brauchen dazu auch noch eine Klimaschutzpolizei.“

— PublicoMag (@PublicoMag) March 14, 2023

Dass diese Klimaschutz-Sonderpolizeitruppe dann gegen renitente Bürger vorgehen würde, ergibt sich aus der Forderung ganz logisch. Twitterer aus den hinteren Reihen machen sich schon öffentlich Gedanken, was mit dem unbelehrbaren Teil der Bevölkerung zu geschehen hat.

Die Forderung, die Politik müsse ausführen, was bestimmte Gruppen vorgeben – am besten als „geloster Gesellschaftsrat“ – trägt auch die Organisation „letzte Generation“ vor. Sie erhält genauso wie die Initiatoren des Berliner Klima-Entscheids massive finanzielle Unterstützung von mehreren Organisationen aus den USA.

Der offen antiliberale Duktus ist längst in der grünen Partei angekommen. Kürzlich erklärte die Berliner Grünen-Politikerin Monika Hermann auf Twitter, Freiheit und Eigenverantwortlichkeit seien „Synonyme für eine unsolidarische egoistische Gesellschaft“ und stellten „kein überlebensfähiges Konzept“ dar.

Der autoritäre Sound beschränkt sich nicht auf die Grünen. Das CDU-Mitglied Christian Reinboth etwa twitterte in Richtung FDP: „Eigenverantwortung tötet.“

Vor allem die FDP, die zumindest gelegentlich noch liberale Themen hochhält, scheint der gemeinsame Feind der neuen autoritären Bewegung zu sein, zu der auch die medial dauerpräsente Luisa Neubauer zählt.

Es lässt sich einwenden: bei den radikalen Freiheits- und Eigenverantwortungsverächtern handelt es sich bisher um Politiker der dritten und vierten Reihe und einzelne lautstarke Aktivisten. Außerdem: Wer außerhalb der Politik- und Mediensphäre liest in Deutschland schon Twitter? Nur: der Transfer von Schlagworten und ideologischen Versatzstücken von Twitter über Verbündete in den Medien in die Politik läuft schnell. Schon jetzt zeigt beispielsweise das Vorgehen von Wirtschaftsminister Robert Habeck gegen Besitzer von Gas- und Ölheizungen eine ähnlich autoritäre Handschrift, die Bürger schon von den Corona-Maßnahmen kennen. Wer sich nicht freiwillig dazu bereitfindet oder auch nur Fragen nach der Sinnhaftigkeit stellt, gegen den ist Zwang nach dieser Logik legitim.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz, dessen Präsident kürzlich die Formel von der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ prägte und dabei Demonstranten gegen Corona-Maßnahmen ins Auge fasste, meldete sich bisher noch nicht zu der Bewegung der offenen Freiheitsverächter in Politik und Medien. Obwohl es eine passende Bezeichnung dafür gäbe: aktive Delegitimierung der Demokratie.

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