Wehe, jemand lacht

Die SPD gibt sich wegen des Heiterkeitsausbruchs bei Bärbel Bas‘ Rede zutiefst beleidigt. Wieder mal ist die Demokratie in Gefahr. Das finden tausende auf X zum Kugeln. Deren Witze sind tausendmal besser als die der Ministerin.

picture alliance/dpa | Harald Tittel

In seinen besseren Zeiten reimte Günter Grass: „Wer lacht, der macht Verdacht, dass er aus Gründen lacht.“ Das passierte kürzlich auf der Arbeitgebertagung bei der Rede der SPD-Vorsitzenden und Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas. Zur Erinnerung: Zur (in Wirklichkeit illusionären) Festschreibung des Rentenniveaus bis 2031 und darüber hinaus erklärte die Politikerin in ihrer Rede: „Wir finanzieren diese Haltelinie aus Steuermitteln. Sie belasten damit die Beitragszahler nicht.“

Als darüber Gelächter im Auditorium aufkam, meinte sie: „Das ist überhaupt nicht lustig.“ Das stimmt sogar. Eigentlich müsste dieses Volkswirtschaftsverständnis trübe stimmen. Bei den allermeisten Beitrags- handelt es sich auch um Steuerzahler, für die es nur eine untergeordnete Rolle spielt, auf welchem Weg ihr Geld in die Rentenkasse gelangt.

— Michi (@at_michii) December 1, 2025

Bas’ Spruch erinnert an den berühmten Satz des damaligen französischen Präsidenten François Hollande: „Das kostet Sie nichts, das bezahlt der Staat.“ Ähnlich wie die heutige Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU): „Guten Morgen – ein Tipp für die Frühaufsteher: Um 7.15 Uhr spreche ich im Live-Interview mit dem Deutschlandfunk über die Flüchtlingsfrage und wer für die Kosten aufkommt. Der Steuerzahler jedenfalls nicht – der Bund hat gut gewirtschaftet!“ Auch Robert Habeck meinte als Wirtschaftsminister ganz ähnlich, die Stromkunden seien um die EEG-Umlage entlastet worden: „Die übernimmt der Staat.“ Aber im grauen November und angesichts der ohnehin depressiven Stimmungslage entschieden sich Bas’ Zuhörer sich für allgemeine Heiterkeit.

Es dauerte ein paar Tage: Dann erklärte die SPD-Spitze das Lachen über die Ministerin zum Skandal, ja im Grunde zur Demokratiegefährdung. Auf dem Juso-Kongress am vergangenen Wochenende meinte Bas, immer noch sichtlich erregt, die Reaktion auf dem Arbeitgeberkongress habe ihr gezeigt, „gegen wen wir kämpfen müssen“.

Juso-Chef Philipp Türmer assistierte ihr in einer Tonlage irgendwo zwischen Thälmann-KPD und SED: „Ich will, dass denen das Lachen im Hals stecken bleibt und die wieder Angst vor uns haben.“ Und SPD-Fraktionschef Matthias Miersch postulierte, „dass das Auslachen einer Ministerin an dieser Stelle überhaupt nicht geht“.

Allerdings ohne zu verraten, welche Stellen er zu diesem Zweck für besser geeignet hält. Das Lachen über Politiker gehört in einer Demokratie zu den Grundrechten. In Unsererdemokratie offenbar nicht. Aber auch hier greift ein Urmechanismus: Wenn sich jemand, der sich nach Strich und Faden lächerlich gemacht hat, das Lachen verbittet, kugeln sich die Leute draußen erst recht. Jeder kennt das aus seiner Schulzeit. Zunächst einmal erinnerten mehrere Nutzer auf X, dass Bas, als sie während der Corona-Zeit mit einem positiven Testergebnis in Quarantäne musste, von zu Hause aus ein Video von sich mit quäkiger Kinderstimme in die Welt schickte.

So legt man schon einmal eine gute Respektgrundlage für später. Mehrere Kommentatoren auf X widmeten sich der Frage, ob die SPD als nächstes die Monarchie wieder einführt – und damit den Tatbestand der Majestätsbeleidigung:

Aber vielleicht, meinten andere, wird politikerdelegitimierendes Gelächter auch ohne Monarchie bald zum Straftatbestand. Einer nutzte für diese Überlegung kreativ ein Szenenbild aus der mittlerweile berühmten ABC-Dokumentation über deutsche Staatsanwälte, die Meinungsdelikte verfolgen.

Das berühmte Meme der Szene mit Christoph Waltz aus „Inglorious Basterds“ durfte natürlich nicht fehlen:

Genauso wenig wie der Rückgriff auf Monty Python:

Es gab auch helfende Kritik: X-Nutzer Gert Wöllmann zeigte den Arbeitgebern und überhaupt den Bürgern draußen im Land, wie sie sich so verhalten, dass es beim nächsten Mal keinen Ärger in der SPD-Spitze gibt:

Je mehr sich die SPD in ihr Beleidigtsein hineinsteigert, desto lustiger wird’s.

Mit dem Guten Politikerreden-Reaktionsgesetz kommt das demnächst alles in Ordnung. Das regelt nämlich die Klatschordnung (solo, rhythmisch) und beantwortet außerdem die Rechtsfrage, ob Schunkeln im Saal bei einer Bas-Ansprache erlaubt ist, oder vielmehr als besonders raffinierte Herabwürdigung gilt.

Andere versuchten, der SPD Geschichtsunterricht zu geben, ein mühsames Unterfangen allerdings bei einer Partei, die für sich in Anspruch nimmt, seit 156 Jahren gegen den Faschismus zu kämpfen.

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