Sebastian Kurz spricht von einem »gezielten« Angriff Erdoğans

Im Gegensatz zur deutschen Kanzlerin macht Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz "klar, wer der Täter ist" in der Migrationskrise: der türkische Präsident Erdoğan. Kurz unterstützt die Grenzschutzmaßnahmen Griechenlands.

imago images / Eibner Europa
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (Mitte), Karl Nehammer (rechts), Werner Kogler (links)

In der Migrationskrise am Evros hat sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) klar an die Seite der Griechen gestellt und ihnen personelle und materielle Unterstützung bei der Sicherung der EU-Außengrenzen angeboten. Eine mögliche humanitäre Krise sei allein durch Erdoğan ausgelöst worden. Der türkische Präsident habe tausende Migranten mit Bussen und falschen Versprechungen in die Grenzregion verfrachtet.

Für den österreichischen Bundeskanzler ist »klar, wer der Täter ist«. Sebastian Kurz übte am Dienstag massive Kritik am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Nach Beratungen auch mit dem Außenminister und der Verteidigungsministerin trat Kurz zusammen mit seinem Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und dem grünen Vizekanzler Werner Kogler vor die Presse (Video hier).

Kurz sprach zunächst von einer »massiven Zuspitzung« an der griechisch-türkischen Grenze und einem »organisierten Ansturm von Migranten nach Europa«. Das Verhalten der türkischen Seite sei ein »Angriff auf die EU und Griechenland«. Er hebt dann hervor: »Wir hatten vor einer Woche noch keine humanitäre Krise in der Türkei oder an der griechischen Grenze.« Die Krise im türkischen Grenzgebiet sei, wenn überhaupt, durch Erdoğan ausgelöst worden, der zehntausende Menschen in Autobussen und unter falschen Versprechungen an die Grenze transportiert habe. 

Angela Merkel hat geladen
Nach dem Integrationsgipfel ist vor der nächsten Massenzuwanderung
Der von der Türkei koordinierte Angriff finde dabei nicht etwa an der Grenze zu Bulgarien, sondern »ganz gezielt« an der griechischen Grenze statt. Derzeit liefen 13.000 Menschen gegen die griechische Grenze am Evros an. »Das alles zeigt eins: Dieser Ansturm ist kein Zufall, sondern er ist organisiert.« Es handele sich mitnichten um Syrer, die aus dem umkämpften Idlib in Richtung Griechenland fliehen, vielmehr seien es »Menschen, die teilweise schon jahrelang in der Türkei leben und dort aufhältig sind«. Ganz bewusst organisiere Erdoğan, mit Transportbussen und Falschinformationen, den Ansturm auf die griechische Grenze. 

Der türkische Präsident missbrauche so die Migranten »als Spielball, als Waffe und als Druckmittel gegenüber der Europäischen Union«. Dieses »unwürdige« Vorgehen gehöre »aufs Schärfste verurteilt«. Kurz mahnt insbesondere Unterstützung für Griechenland und Geschlossenheit in der Europäischen Union an. Gemeinsam müsse man Druck auf die Türkei ausüben, um den türkischen Präsidenten von »diesem menschenunwürdigen Verhalten« abzubringen.

Volle Unterstützung für die griechischen Grenzschützer

Den mit dem Grenzschutz befassten Griechen spricht Kurz denn auch seine volle Unterstützung aus. Am Dienstag reiste der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) nach Griechenland, um zu besprechen, welche Unterstützung Griechenland im Moment braucht. Daneben hat Kurz, für den Fall, dass die griechische Grenze nicht halten sollte, auch seine Kontakte auf dem Westbalkan aktiviert, um ein »Weiterwinken« der Migranten zu verhindern. Den Innenminister Nehammer und die Verteidigungsministerin Klaudia Tanner hat Kurz beauftragt, »dafür Sorge zu tragen, dass sich Bilder wie 2015 nicht wiederholen«. Seitdem habe man Polizisten eingestellt, eine bessere Ausrüstung hinzugekauft und die Einsatztaktik erneuert, berichtet Nehammer.

Das Deutschlandbild der Griechen hat gelitten
Migration nach Griechenland: "Man macht Deutschland dafür verantwortlich"
Eindeutig äußerte sich zunächst auch der grüne Vizekanzler Werner Kogler: »Es handelt sich um eine bösartige Provokation des türkischen Präsidenten, der hier Menschen missbraucht, die es ohnehin nicht so leicht haben.« Es sei ohne Zweifel ein »Erpressungsversuch«, dem man nicht nachgeben dürfe. Daneben will aber auch der Grünen-Bundessprecher – ähnlich wie Norbert Röttgen in Deutschland – einen »möglicherweise nicht ganz unberechtigten [räusper] Hilferuf« der Türken vernommen haben, den er offenbar für später im Auge behalten will. »In der längeren Perspektive« sei der Flüchtlingspakt zu verlängern. Die EU habe durch ihre Zuwendungen an die Türkei erfolgreich dafür gesorgt, dass die Migranten dort sozial abgesichert seien, Schulbildung genießen könnten, ja sogar beschäftigt werden.

Seinen Vorschlag vom Montag, notleidende Frauen und Kinder von den griechischen Inseln in Österreich aufzunehmen, bezeichnete Kogler nun als seine »persönliche Meinung«, die vielleicht nicht der Konsens im Wiener Regierungsbündnis sei. In der Tat: Kurz und Nehammer wiesen den Vorschlag umgehend zurück. Österreich sei durch die Migrationskrise seit 2015 schon massiv belastet. Außerdem folge auch bei der Aufnahme von Frauen und Kindern ein Familiennachzug auf dem Fuße. Der aber würde die österreichischen Kapazitäten definitiv übersteigen. An die in die EU und speziell nach Österreich strebenden Migranten gewandt, sagte Nehammer: »Wir werden sie nicht aufnehmen, es hat keinen Sinn zu kommen.«

Die eigentliche Krise, so hatte Kurz zuvor festgestellt, finde derzeit an der türkisch-syrischen Grenze statt. Für die Notleidenden dort hat die türkis-grüne Koalition drei Millionen Euro »losgeeist«, die über das Rote Kreuz, als humanitäre Hilfe, direkt in die umkämpfte Region Idlib gelangen sollen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 116 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

116 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
der Doc
4 Jahre her

Jedem, der noch halbwegs denken kann in diesem Land, sollte schon lange klar sein, daß „der klebrige Klaus“ ein ideologisch vernagelter Agitator im Diensten seiner Herrin ist, der mit Propaganda und Agit-Prop alles, mit seriösem Journalismus (bis auf seine Verkleidung mit Anzug und Schlips…) nichts zu tun hat.

Eberhard
4 Jahre her

Kurz nennt das Kind beim richtigen Namen. Asylschwindel, denn was da in die EU will, wird in der Türkei ja gar nicht verfolgt. Es geht vielen nur um ein besseres Leben. Aber wenn wir alle zu uns kommen und hier leben lassen, die in der Welt besser leben wollen, gibt es auch hier bald kein besseres Leben mehr. Denn dieses bessere Leben hat uns selber viele Opfer, Fleiß und harte Arbeit gekostet. Wenn es trotzdem vorbei, wer wird uns dann aufnehmen, damit unseres danach wieder besser wird? Es bleibt auch noch festzustellen, alle die dafür sind den Druck für Veränderungen… Mehr

Pigscantfly
4 Jahre her

Tu felix Austria – glückliches Österreich

Hans Schmidt
4 Jahre her

Die Migranten, die jetzt versuchen die Grenze zu Griechenland zu durchbrechen, mögen Glücksritter sein, die auf falsche Versprechungen reingefallen sind. De facto agieren sie wie eine Söldnerarmee von Erdogan. Sie werfen Steine und Tränengasgranaten auf griechische Grenzpolizisten und versuchen sich gewaltsam Zutritt nach Europa zu verschaffen. Würden die Griechen ihnen gestatten einen Asylantrag zu stellen, käme das einer Kapitulation gegenüber Erdogan gleich. Es ist richtig, dass der griechische Staat, diejenigen, die in Griechenland aufgegriffen werden, nicht wie Flüchtlinge sondern wie Kriegsgefangene behandelt.

Karl Napf
4 Jahre her

So, jetzt mal fuer paar linken Millenials, die sich hierher verirren.
Mal was zum ‚Lesen‘

Deutsche Aussenpolitik ?
Oesterreichische Aussenpolitik ?

Merkel und Maas ?
Kurz?

Johann Thiel
4 Jahre her
Antworten an  Karl Napf

??????????????

Karl Napf
4 Jahre her

Man kann es drehen wie man will, Sebastian Kurz macht die beste deutsche Aussenpolitik – und das so nebenbei mit.

Das Maass-Maennchen und seine Halterin, oder heisst das Fuehrerin, ach egal, die beiden Kasperle bringen nichts, aber auch gar nichts hin.

country boy
4 Jahre her

Sigmar Gabriel bei Lanz über Erdogans Vorgehen: „Wieso ist das eigentlich Erpressung?“
Und der Mann war deutscher Außenminister und Vizekanzler. Der bekommt ja anscheinend gar nichts mit.

Karl Napf
4 Jahre her
Antworten an  country boy

Gabriel muss man entschuldigen – er ist Mitglied der SPD, der Partei fuer betreutes Denken.

Armin Latell
4 Jahre her
Hartmut Rosenau
4 Jahre her

Lieber Herr BK Kurz, meinen herzlichen Dank möchte ich Ihnen und Ihrer Regierung sagen für Ihre politische Haltung und Ihre richtigen, klaren Worte. Mein Dank und meine moralische Unterstützung muss reichen, denn wählen kann ich Sie leider nicht. Kurz und gut, eigentlich müssten Sie „Groß“ heißen, denn was Sie politisch abliefern, ist genau das. Wo die ’numerisch Großen‘ auf diesem Kontinent schweigen, sich wegducken, weggucken, rumeiern, taktieren und paktieren mit Korruption, Menschenverachtung und Erpressung nehmen Sie (nicht nur) die Interessen Ihres eigenen Volkes und diejenigen des griechischen Volkes vorbildlich wahr, zeigen Sie mit politisch klarer Rede Größe und übernehmen Verantwortung… Mehr

Sonny
4 Jahre her
Antworten an  Hartmut Rosenau

Hallo Herr Rosenau, vielen Dank für Ihren Kommentar, dem ich zu 100% zustimme. Wie schön zu wissen, dass es in der Nachbarschaft auch jemanden gibt, der bei Tichys Einblick zuhause und „Freund im Geiste“ ist.

Gisela Fimiani
4 Jahre her

Die klare österreichische Aussage steht gegen die deutsche Verfasstheit des „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Der Mut einerseits, seinen Souverän zu schützen, steht gegen Feigheit und Opportunismus andererseits, die keinen Souverän kennen. Dem „Andererseits“ ist der deutsche Bürger ausgeliefert.