Die Revolution ist abgeblasen

Die Junge Union sucht nach Exit-Strategien, um aus dem Rentenstreit wieder herauszukommen. Schon jetzt wird klar: Die Revolution ist abgeblasen. Die nächsten Hoffnungsträger verraten die CDU - das hat unter Christdemokraten allerdings System.

IMAGO

Die Nerven liegen blank. Die Junge Union trifft sich. Der Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg. Eine Wohngegend, die für alle interessant ist, die in der Jungen Union nicht wegen ihrer Werte sondern wegen ihrer Karriereperspektiven sind. Also so ungefähr 98 Prozent der Mitglieder, bei einer Fehler-Wahrscheinlichkeit von 2 Prozent. Die Junge Union möchte in Kreuzberg über ihren „Politikwechsel“ diskutieren. Mit Philipp Amthor. Staatssekretär „für Digitales und Staatsmodernisierung“. Der 33-Jährige gilt in der CDU als „die Jugend“. Seit fast 20 Jahren. Den Status behält der Staatsmodernisierer mutmaßlich, bis er nahtlos in die Seniorenunion wechselt.

Journalisten sind nicht eingeladen. Einzelne haben es doch in die „Alte Turnhalle“ geschafft. Doch sie werden noch vor Beginn der Rede hinausgebeten. Von einem Sicherheitsteam. Deutschland ist unter Kanzler Friedrich Merz sicher, sagt die Junge Union. Deswegen hat sie für ihren Stammtisch in Kreuzberg gleich mehrere Sicherheitskräfte verpflichtet. Den Ausschluss begründet die Junge Union damit, dass Amthor „Klartext“ reden wolle. Das könne der Staatsmodernisierer nur, wenn die Presse nicht dabei ist. Amthor ist „die Jugend“ in der CDU. Der Staatssekretär weiß, wie man als Jugend in der CDU Karriere macht: Indem man mutig zu seiner Meinung steht. Aber nur, wenn keiner zuhört. Abends heimlich die Revolution beschwören, aber dafür tagsüber den Bückling geben.

Johannes Winkel ist 34 Jahre alt und Vorsitzender der Jungen Union. In der CDU gilt man noch in einem Alter als „die Jugend“, in dem andere ihr Kind schon Richtung Abitur begleiten. Winkel ist ein Jahr älter als Amthor aber immer noch nicht Staatssekretär. Er muss sich mit seiner Karriere also bald sputen. Zwar ist er Abgeordneter im Bundestag. Damit bekommt er über 11.000 Euro Monat Bruttogehalt im Monat, 5000 Euro netto für „Unkosten“, einen Fahrdienst rund um die Uhr und hohe Pensionsansprüche. Immerhin diese „Jugend“ ist also gut versorgt. Aber Winkel will auch mal Staatssekretär werden – und sei es auch nur für „Digitalisierung, Koffertragen, Staatsmodernisierung und Klartext für sich behalten“.

Als Karriereleiter hat Winkel die Revolution gewählt. Er stellt sich gegen die Rentenpläne, die Kanzler Merz sich von der SPD hat abtrotzen lassen. Die will er im Bundestag mit 17 weiteren „jungen Abgeordneten“ verhindern. Das Paket setzt das Rentenniveau der nächsten Jahre künstlich fest, ohne auf die schrumpfende Wirtschaft Rücksicht zu nehmen. Für Winkels Generation bedeutet das, dass sie immer mehr in ein System einzahlen wird, aus dem sie immer weniger erhalten wird. Zusätzlich zu den gigantischen Schulden, die Merz dieser Generation hinterlässt. Doch für Winkel ist die Revolution ein gefährlicher Karriereweg, will der 34 Jahre alte Berufsjugendliche irgendwann mal als Staatssekretär oder mehr reüssieren.

Also beginnt er nun einzuschwenken. Wie jeder verhinderte Revolutionär bleibt er vollmundig und kündigt im Staatsfernsehen an, „nicht alles mitmachen“ zu wollen. Aber Winkel bereitet jetzt schon seine Exit-Strategie vor. Er spricht von Kompromissen, die es noch mit der SPD geben wird und baut auf die Renten-Kommission, die noch zu tagen hat. Arbeitskreis und Klartext für sich behalten. Das Erfolgsrezept der Berufsjugendlichen in der CDU. Was Winkel da als seinen künftigen Erfolg verkaufen will, ist der faule Kompromiss, den Merz schon vorgegeben hat. Ein bisschen Revolution fürs Publikum und ein gebeugter Rücken für den Chef. Für Winkel Merz, für Merz Lars Klingbeil (SPD).

Merz Kompromiss wäre mit „faul“ noch zu euphemistisch beschrieben: Ein Begleitschreiben soll dem Gesetzespaket zur Rente beigefügt werden, indem die schwarz-rote Regierung eine unverbindliche Erklärung abgibt, dass sie nicht gänzlich ausschließt, dass sie einer richtigen Reform ab 2031 nicht unbedingt ablehnend gegenüber steht – unter Finanzierungsvorbehalt. Wie Merz will sich Winkel am Kaufen der Zeit beteiligen. Schon möglich, dass seine Generation viel Geld in eine Rente einzahlt, aus der sie nichts rausbekommt. Aber Winkels Pension ist bis dahin sicher und das ist schließlich der Grund, warum ein 34-Jähriger in der Jungen Union den Berufsjugendlichen spielt.

Dass ein Arbeitskreis das Vortäuschen einer Lösung ist, ist längst sprichwörtlich geworden: „Und wenn ich nicht mehr weiter weiß…“ Doch selten hat ein Verantwortlicher einen Arbeitskreis noch vor der ersten Sitzung so ad absurdum geführt wie Friedrich Merz die „Renten-Kommission“. Die soll in langen Gesprächen Reformen vorbereiten, die gründlich beraten werden müssen – aber schon jetzt haut er ein hunderte Milliarden schweres Rentenpaket raus. Des lieben Koalitionsfrieden wegen. Und weil sich damit leichter Wahlen gewinnen lässt, wie Merz auf dem Deutschlandtag vor der Jungen Union Klartext geredet hat.

Die eigene Macht im Blick. Kurzfristige Wahlerfolge statt langfristiger Vernunft. Nach sechs Monaten Kanzlerschaft ist Merz dort, wo Angela Merkel nach 16 Jahren war. Das hat das Land ausgelaugt. Trotz Rekord-Einnahmen aus Steuer und Beiträgen sind Straßen, Brücken und Breitband unter ihr verkümmert – und brechen die Lohnnebenkosten durch die gefährliche Schallmauer von 42 Prozent. Vor knapp vier Jahren ist Merz angetreten, diese Politik in der CDU zu beenden. Als Hoffnungsträger. Mit 66 Jahren. In der CDU sieht „die Jugend“ oft recht alt aus. Die Revolution kennt sie nur als Marketingtrick. Im Amt setzt sie dann auf alte Karrieretechniken, die nur den eigenen Wohlstand im Auge hat. Karriere durch Berufsjugendtum – mit System.

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Kommentare ( 50 )

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Ein Mensch
26 Tage her

Was war das für ein Theater als die AfD Journos ausgeschlossen hat. Sofort war die ,,freie Presse“ und ,,unsere Demokratie“ in Gefahr, die ,,Nahdsis“ kurz vor der Machtübernahme. Jetzt das gleiche bei der cdu und nichts davon ist in Gefahr. Wenn man denkt die Glaubwürdigkeit der MSM ist schon ganz im Keller, dann klopfen die plötzlich von unten.

Digenis Akritas
26 Tage her

In einer Zeit multipler, ernster, kaum lösbarer Krisen wirken leichte Drohungen und vage Versprechen Wunder. Korrupt aus Angst!
Die CDU ist überdies die Partei ohne Eigenschaften (frei nach Robert Musil).

Micky Maus
26 Tage her

Die junge Union ist doch, wie nun bewiesen, genauso charakterlos wie der Lügenfriedrich. Sie hauen auf die Kacke und am Ende lassen sie sich aus Angst und Machtverlust der CDU, wegen eventuellem Mißtrauensvotum und vielleicht Neuwahlen, erpressen. Was für eine verlogene Politik. Aber in einer Diktatur ist das halt so. „Pack schlägt sich und Pack verträgt sich“.

Dr. Bomke
26 Tage her

Wenn man an jemand keinerlei Erwartung stellt, kann diese auch nicht enttäuscht werden. Wo Dumme mit noch Dümmeren reden, kommt eh nur Dummschwätz raus. Lassen wir die CDU/CSU doch weiter tapfer an ihrem Untergang bauen. Diese Leute gehen ohne ihre Pöstchen in die Binsen. Wie wollen sie ihrem Bankberater noch mehr Kredite für ihre Statusprojekte abtrotzen, wenn ihr Erwerbsverbleib ungeklärt ist. Armselige Würstchen ohne Rückgrat und Verstand, dafür mit umso mehr emotionaler Hysterie, ihre Positionen für immer zu verlieren. Es geht ausschließlich darum. Diese Menschen sind so billig und würdelos. Ob die auf ihrem Sterbebett daran verzweifeln werden, dass sie… Mehr

Memphrite
26 Tage her

Dieses System wird zusammen mit der EU, NATO, „dem Westen“, BRD und CDU untergehen.

Apfelmann
26 Tage her

Die JU hat vollkommen Recht. Wer soll bitte 48% Rentenniveau bezahlen? Das Rentenniveau muss so weit runter das keine Schulden dafür aufgenommen werden müssen. Oder man ist so ehrlich und erhöht den Rentenbeitrag, dann gehts sicher Richtung 25%.

anita b.
17 Tage her
Antworten an  Apfelmann

Würde ich zustimmen, wenn die deutschen eine Gemeinschaft und nicht eine versorgungsanstalt für die ganze Welt wären.

JamesBond
26 Tage her

Diese Union gehört abgewählt und dafür gibt es ständig neue Gründe. Seit Jahrzehnten hat die Union mit einer kurzen Unterbrechung die Regierungsverantwortung und das Ergebnis? Alles wird teurer und als Ausgleich werden wir Bürger und zwar alle immer weiter abgezockt. Einzig Große Konzerne kriegen manchmal ordentlich Kohle und natürlich NGOs oder die Ukraine oder Tesla oder Migranten oder andere Länder – meist geschenkt. Statt einfach mal Umsatzsteuer senken, Energiewende beenden, Heizungsgesetz streichen, GEZ streichen, Einkommenssteuer senken, CO2 Abgabe streichen ….., nix. … dafür diskutieren diese Leute über ein absurd niedriges Rentenniveau, einfach nur noch schlimm – heute gab es einen… Mehr

Last edited 26 Tage her by JamesBond
Oblongfitzoblong
26 Tage her

Die Schmierenkomödien nerven nur noch!
In praktisch allen Problemfeldern werden große Uneinigkeitsszenen inszeniert, die Öffentlichkeit kann sich einige Tagen pseudoinhaltlich austoben. Dann einigt man sich auf das, was vor der Inszenierung sowieso schon feststand. Der defacto-Kanzler und der de-iure-Kanzler haben sich in hartem, politischen Ringen als die überlegenen Politiker profiliert, Bingo.

Elmar
26 Tage her

Bei mir hat die CDU schon seit einigen Jahren für alle Zeit verschissen.

BellaCiao
26 Tage her

Dass die „Revolution“ der JU so schnell und auf diese Weise enden würde, wusste ich zwar nicht, aber dass die Jung-Unionler definitiv bald einlenken würden, war mir schon seit 2 Tagen zu 100 % klar. Allmählich stumpft man ab, bei so viel Vorhersehbarkeit.

Last edited 26 Tage her by BellaCiao