Olaf Scholz im Bundestag: Wir können nicht alles „wegsubventionieren“

Der Bundestag verabschiedet den Haushalt im Schatten des Fußballs. Dabei gilt die Aussprache dazu als Höhepunkt parlamentarischer Debatte. Das ist sie dieses Mal nicht – aber dafür liefert sie einen entlarvenden Blick auf Kanzler Olaf Scholz (SPD).

IMAGO / Christian Spicker
Bundeskanzler Olaf Scholz während der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag am 23. November 2022

Reden werden gehalten. Meistens. Entsprechend langweilig sind sie dann. Spannend werden Reden erst, wenn sie losgelassen werden. Und ausgerechnet der sonst so selbstbeherrschte Hanseat Olaf Scholz (SPD) gönnt sich in der Haushaltsdebatte eine offene Aussage, die einen entlarvenden Blick auf seine Regierungsidee wirft:

Unter Angela Merkel (CDU) habe Deutschland schwere Fehler in der Energiepolitik begangen, räumt Scholz ein. Dass er an dieser Regierung als Vizekanzler beteiligt war, lässt er lieber unerwähnt. Jetzt jedenfalls, so brüstet sich Scholz, habe die Ampel umgesteuert: Gasspeicher gefüllt, Flüssiggasterminals eingerichtet und die Atomkraftwerke für dreieinhalb Monate länger laufen lassen. Dann fällt der spannende Satz:

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Deutschland könne den Anstieg der Energiepreise nicht vollständig wegsubventionieren. „Aber wir reduzieren ihn auf ein erträgliches Maß.“ Das ist aus zweierlei Sicht bemerkenswert: Zum einen räumt Scholz ein, dass er strukturelle Probleme mit Geld zuschütten wolle – ähnlich wie es vor ihm Merkel getan hat. Vor allem aber gibt Scholz zu, dass die Grenze dieser Politik erreicht ist. Dass nicht einmal der irreale „Doppelwumms“ von 200 Milliarden Euro reiche, um strukturelle Versäumnisse auszugleichen.

Eine grundsätzliche Kritik des Oppositionsführers Friedrich Merz (CDU) muss Scholz nicht fürchten. Der kritisiert den Kanzler, weil für die Bundeswehr bereit gestelltes Geld noch nicht ausgegeben sei. Aber eigentlich bietet Merz nur drei Botschaften: Alles ist furchtbar – mit ihm wäre es im Prinzip genauso – nur ein wenig mehr, schneller und schöner. Das sind Gemeinplätze und kein schlüssiges Konzept, das bei den Deutschen den Wunsch nährt, dass die CDU nach 16 Jahren ins Kanzleramt zurückkehrt.

Erbärmlich sind die sprachlichen Bilder. Merz sei wie Alice im Wunderland, sagt Scholz, bei der Großes klein und Kleines groß werde. Scholz sei wie der Scheinriese von Jim Knopf, der kleiner werde, wenn man sich ihm nähert, kontert Alexander Dobrindt (CSU). Man kann sich den Redeschreiberstab hinter solchen Kaspereien vorstellen: Nerds, die sich in ihrer Pubertät mit Kinderbüchern über fehlende Einladungen zu Partys weggetröstet haben und jetzt als altgewordene Kinder ihre Lieblinge aus dem Jugendzimmer auf die Politbühne holen.

Damit ist die deutsche Politik letztlich so wie ihre Fußballmannschaft: viel Liebe, Zeit und Engagement fürs Symbolische und wenig Neigung zu Fleiß und Handwerk. Am Ende ist dann der Sieg nicht weg. Es hat ihn nur ein anderer.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 21 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

21 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Nibelung
2 Jahre her

Was ist denn noch erträglich wenn man durch diese unselige Politik pleite geht und da spielt der Stand keine Rolle, bankrott ist bankrott und daran ist die heutige Ampel ebenso schuld wie die alte Koalition, weil sie beide in Abhängigkeit geraten sind und unsere Geschicke garnicht mehr frei und selbstständig bestimmen können. Das hat ihm ja Biden in Washington erklärt, indem er in seiner Gegenwart die Unterbindung jeder Gaslieferung über die neue Pipeline aus Rußland angekündigt hat und dann sind sie oder ihre Beauftragten zur Tat geschritten und haben sie in die Luft gesprengt und der deutsche Held stand sichtlich… Mehr

AnSi
2 Jahre her

Wenn man sich die Reden so anschaut, fragt man sich, was die da eigentlich machen. Da waren ja wenigstens mal ein paar Abgeordnete anwesend, aber trotzdem hat kaum einer wirklich zugehört. JEDER daddelt am Handy oder pennt oder quatscht mit dem Nachbarn. Das ist ja schlimmer, als in der Schule! Ein Affenhaus, was wir Steuerzahler teuer bezahlen! Unglaublich!

Wilhelm Huebner
2 Jahre her

Ich habe einen kleinen Ausschnitt von Scholzens Rede im TV gesehen und gehört. Ich wusste gar nicht, dass Scholz ein sprechendes weißes Kaninchen ist. Schön zu wissen!

elly
2 Jahre her

Wir können nicht alles „wegsubventionieren““
Stimmt, mit seinem Wirtschaftsminister sowieso nicht. „Gutachten: Strompreisbremse verstößt gegen das Grundgesetz …“
„Doch das Einbehalten „fiktiver Erlöse“, das Berlin vorschwebt, … “ als Märchenbuchschreiber kommt man auf solche Ideen, aber Patrick Graichen, Lobbyist und Volkswirt, müsste es besser wissen.
“ Damit wiederhole die Bundesregierung ihre rechtlichen Fehler aus dem September, als sie eine Gasbeschaffungsumlage einführen wollte.“ Immerhin bleibt Habeck sich treu: Fehler stur wiederholen.
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/gutachten-strompreisbremse-verstoesst-gegen-das-grundgesetz-18482533.html

Kaktus 61
2 Jahre her

Ja, wir leben im Wunderland, und nein, es gibt nicht nur gute Wunder. Alice machte heute präzise alle rosaroten Elefanten im Raum sichtbar. Pfui Teufel, solche Nestbeschmutzer im Bundestag, das vertreibt doch den mühsam selbst produzierten Weihrauch der (H)ampeltruppe. Noch eine Lektion von heute: Haltung schießt keine Tore, wie auch Geld nicht. Es ist mit dem Sieg wie mit dem Geld, am Ende hats nur ein anderer.

K. Berkmann
2 Jahre her

Die Rede von Alice Weidel war mal wieder großartig. Gut, dass es wenigstens eine richtige Oppositionspartei im Bundestag gibt. Auch wenn sie von den Medien leider gern vergessen wird.

elly
2 Jahre her
Antworten an  K. Berkmann

Gut, dass es wenigstens eine richtige Oppositionspartei im Bundestag gibt.“
gäbe es den Flügel um Höcke nicht.

RMPetersen
2 Jahre her

Lichtblick: Frau Weidel.

Tizian
2 Jahre her

Sehr geehrter Herr Thurnes, es ist sehr schade und unverständlich, wenn Sie einerseits völlig zu Recht die belanglose Gegenrede des Herrn Merz kritisieren, es aber versäumen, auf die großartige Rede von Alice Weidel hinzuweisen, die eigentlich Herr Merz gehalten haben müßte, wenn seine Partei nicht selbst große Mitschuld an den derzeitigen Zuständen hätte. Aber wie auch immer, Frau Weidel brachte all das auf den Punkt, was zum Zustand dieses Landes zu sagen ist. Daher erlaube ich mir, diese auf dem Sender Phoenix nachzusehende Rede zu verlinken.
https://www.youtube.com/watch?v=WFbWe0tjpMs

November Man
2 Jahre her

Frau Dr. Alice Weidel AfD hat heute im Bundestag zu Recht die linksgrüne Regierung und die Union hart kritisiert. Die Rede von Frau Dr. Alice Weidel war wie immer überragend. Die anderen Redner wie Merz und Scholz waren viel Kindergartengeschwätzt. Frau Weidel hat es auf den Punkt gebracht. Sachlich, fachlich, den Fakten, Tatsachen und vor allem der Wahrheit entsprechend. Sauber, in ordentlichem Deutsch und Duktus die Wahrheiten angesprochen und die Lügen, Verfehlungen und Deutschland schädliche verheerende Fehlentscheidungen der Altparteien aufgedeckt. Die größte Auszeichnung bekam sie von ihrer grünen Nachtrednerin, welche die herausragende Rede der Frau Dr. Alice Weidel offensichtlich konsterniert… Mehr

AnSi
2 Jahre her

Wer wählt so etwas? (rhetorische Frage)
Er lügt (Gasspeicher gefüllt) und lügt (Flüssigterminals eingerichtet) und lügt (Doppelwumms) – aber er kommt damit durch.
Weiter Richtung Regenbogen, wir nehmen jeden Eisberg mit, wir sinken – aber Love, Peace and Harmony (mit zugehaltenen Mündern)!