Manfred Weber (CSU) macht auf Schwarz-Grün

Posttraumatische Belastungsstörung oder Stockholm-Syndrom oder Naivität oder Angleichung an Martin Schulz?

Trister Media/Getty Images

Manfred Weber (CSU, 47) ist ein netter, bodenständiger Kerl, sagt man dort, von wo er herkommt: aus dem Landkreis Kelheim an der Donau, also aus der Mitte Bayerns. Er hat den FH-Ingenieur in Physikalischer Technik gemacht und Unternehmen im Bereich Umwelt- und Qualitätsmanagement gegründet.

In die höhere Politik ging er 2002 als 30-Jähriger – zunächst für zwei Jahre als Abgeordneter des Bayerischen Landtags, dann ab 2004 und ununterbrochen bis heute als Mitglied des Parlaments der EU. 2014 wurde er Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) ebendort. Zur sogenannten Europawahl 2019 trat er als Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei EVP für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten an. Seit 2015 ist er einer von fünf stellvertretenden Parteivorsitzenden der CSU.

Bis Mai/Juni 2019 ist alles glatt gelaufen für den zumeist ganz und gar nicht bajuwarisch auftretenden Weber. Dann machten ihm allen voran Merkel und Macron einen Strich durch die Rechnung, konkret durch seine Ambition, Chef der EU-Kommission zu werden. Ursula von der Leyen wurde für dieses Amt aus dem Hut gezaubert, Weber blieb das, was er war: Vorsitzender der EVP-Fraktion im EU-Parlament. Der Ex-EU-Spitzenkandidat-Kandidat war ausgeschmiert, aber nicht allein er, sondern vor allem der Wähler, dem man einen Personalköder hingeworfen hatte, um diesen dann umgehend zurückzuziehen.

Weber hat sich seitdem verändert – äußerlich und wohl auch ideell/ideologisch. Er hat sich einen Bart wachsen lassen. Böse Zungen behaupten, er sehe nun aus wie ein mit Foto-Morphing verjüngter Martin Schulz (SPD, 64), der es 2014/2016 für zweieinhalb Jahre zum Präsidenten des Europäischen Parlaments und 2017 zu einer allerdings reichlich glück- und erfolglosen Kanzlerkandidatur gebracht hatte.

Nun tritt Weber nach einer ob der Schlappe bei der Besetzung des Kommissionschefpostens offenbar notwendigen Regenerationsphase wieder auf den Plan. Ob aus Überzeugung oder aus zukünftigen (bundesdeutschen?) Karriereambitionen heraus, sei dahingestellt. Manfred Weber gibt sich in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ soeben überzeugt, dass nur eine schwarz-grüne (oder grün-schwarze?) Koalition auf Bundesebene „gesellschaftliche Konflikte befrieden“ könne und dies das „eigentliche Zukunftsmodell für Deutschland“ sei. Laut Weber hätten sich die Grünen stark gewandelt: „von einer oftmals ideologisierten Partei zu einer Partei, die weiß, dass man in der Verantwortung steht“. Deshalb will Weber, dass sich die CSU „jetzt schon ein Stück weit auf diese Option vorzubereitet“.

Wie ist das zu interpretieren? Psychopolitisch, psychoanalytisch? Nun ja, Weber folgt hier seinem Parteichef Markus Söder, der sich kürzlich aufgemacht hat, „Grün“ auf dem grünen Standstreifen zu überholen. Siehe vorzeitiges Ende der Kohlekraftwerke usw. Vor allem aber folgt Weber Kanzlerin Merkel, die ihn zwar auf EU-Ebene sang- und kampflos fallenließ, der als „Klimakanzlerin“ eine schwarz-grüne Koalition aber längst lieber wäre als eine schwarz-rote.

Was Weber aber offenbar nicht gecheckt hat, ist: Die Grünen sind nach wie vor eine hochideologisierte Linkspartei. Deren Führungspersonal mag es zwar geschafft haben, ins bürgerliche Wählerlager einzubrechen, weil „grün“ gestimmte Wohlsituierte lieber das grüne Original als das schwarze Imitat wählen. Aber die Grünen sind nach wie vor ein anti-marktwirtschaftlicher, industriefeindlicher Club. Sie wollen Deutschland mittels millionenfacher Zuwanderung kulturell entkernen, sie wollen Abtreibung noch mehr liberalisieren, sie wollen die Türkei in der EU haben, sie wollen bereits Schulkinder auf Gender-Ideologie trimmen, sie wollen die Bundeswehr noch mehr schwächen … Glaubt Weber allen Ernstes, die Grünen würden von all dem Abstand nehmen? Oder aber sind CDU/CSU drauf und dran, sich hier anzupassen? Ist Weber einfach nur naiv, ist all das Schönreden der Grünen durch Weber eine Übersprunghandlung oder unkontrollierte Folge eines Posttraumatischen Belastungssyndroms, das er erlebte, als Macron/Merkel in abservierten? Eine Identifikation mit dem (grünen) Aggressor könnte man es auch nennen und damit eine Art Stockholm-Syndrom, als die Gefangenen rasch mit den Geiselnehmern sympathisierten. Klar freilich dürfte eines sein: Mit solchen Gedankenspielchen werden CDU/CSU alsbald dem „Vorbild“ der vormaligen Volkspartei SPD folgen.

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Kommentare ( 77 )

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Steve Acker
4 Jahre her

Die Grünen sind heute ideologisch wie schon lange nicht mehr.
Und was für Leuchten die haben: KGE, Baerbock, Kath. schulze.
Wahnsinn , und die hofiert Weber.

Die CSU hat bei der Europawahl ein beachtliches ERgebnis erzielt.
besser als beim letzten Mal. (und das war vor der Migrationskrise)
Das gute Ergebnis lag sicher an WEber, da “ einer von uns“ dann Komissionspräsident
werden sollte.
Die Kungeleieen von Macron und Merkel waren wirklich wählerbetrug.

schwarzseher
4 Jahre her

Ein weiterer C harakterloser S ** U ntertan.

Betreutes Denken
4 Jahre her

Der Herr Weber ist nicht mehr ernst zu nehmen. Clowneske Gedanken.

Judith Panther
4 Jahre her

Es wird hier immer wieder in einer Mischung aus Hoffnung und Befürchtung ein all-gemeines „Erwachen“ postuliert, wenn´s endlich zum „worst case“ kommt (der für die, die Augen im Kopf haben, ja längst schon eingetreten ist) und sinngemäß gefragt: Was muß noch alles passieren, bis auch der Dümmste aufwacht und „Feuer!!“ schreit? Gegenfrage: Was mußte alles passieren, bis die Deutschen endlich eingesehen haben, daß das mit dem 2. Weltkrieg doch keine so keine gute Idee war? Egal, wie viele Städte noch gebrannt hätten, egal, wie viele Menschen noch krepiert wären – sie hätten weitergemacht bis zum letzten Atemzug. Denn das Kernelement… Mehr

mmn
4 Jahre her

Die CSU-Politiker orientieren sich derzeit offenbar v.a. an den letzten Wahlergebnissen ihrer Partei, die sie mit denen der Grünen vergleichen (hinzu kommen tatsächliche oder auch nur vermeintliche Themenprioritäten und politische Wünsche der Bevölkerung). Es ist zu bezweifeln, daß die CSU im neuen Lager mehr gewinnt, als sie im alten verliert. Wenn die nächsten Wahlen das bestätigen, dürfte es für eine Rückkehr zu spät sein. Die Wähler mögen auch keine so wetterwendischen Parteien.

Gisela Fimiani
4 Jahre her

Ich votiere für die „Karrieregründe“. Die Tatsache, dass der womöglich größte Teil unserer „Parteihöflinge“ keiner anderen (großzügig honorierten) Beschäftigung entgegensehen können, es sei denn die Partei findet für sie eine Anschluss-Verwendung außerhalb der Politik, bestimmt und prägt die deutsche Politik und deren Qualität entscheidend.

Alfonso
4 Jahre her

Mein Gott wie billig ist denn das?

Da sieht man wieder deutlich, welcher Charaktertyp Leute sind, die in die Politik gehen.

Jetzt macht er optisch einen auf Robert Habeck, danach steigert er sich und er entwickelt sich optisch weiter in Richtung Anton Hofreiter.

Eigentlich müsste man Mitleid mit diesem Weber haben.

Ruud
4 Jahre her
Antworten an  Alfonso

Mitleid ist nicht angebracht, dieser verhinderte Öko – Ingenieur (das sind die, bei denen es für den normalen Ingenieur nicht gelangt hat) steckt sich als Politiker ordentlich die eigenen Taschen voll! Gegenleistung: Null.

MarkusF
4 Jahre her

Weber und Söder sind für die CSU das was Schulz und Nahles für die SPD waren; der Offenbarungseid. Die Offenbarung das diese angeblichen Volksparteien personell und intellektell am Ende sind; nicht mehr in der Lage selbst für hochrangige Positionen fachlich kompetentes Personal zur Verfügung zu stellen.

Richard Beuthler
4 Jahre her

Jetzt ist es amtlich: Wer CDU wählt bekommt Grün ! Und es nicht langt nimmt die CDU dann halt im Zweifelsfall auch die Reste der SPD oder die Kommunisten von Linkspartei mit ins Bett (wenn es nach dem MP von SH geht, „Genossen“ Günther ) !

Thomas Hellerberger
4 Jahre her

Die Wahrheit wird man nicht in Kommentarforen finden. Um sie zu finden, um Antworten zu finden auf den Wandel eines Manfred Webers, muß man rausgehen, sich unters Volk mischen. In einer Großstadt geht das am besten im modernen Wohnzimmer der Urban-Mittelschicht, der Gastronomie. In meinem Fall ein Kettenbäcker mit Außenbewirtschaftung, der am Sonntag als Straßencafe und Sammelpunkt für das ganze Viertel fungiert. Da sitzen wirklich alle – Rentner (alles alte 68er, und ein paar Malocher, die noch den lokalen Dialekt sprechen) die über die Mannschaftsaufstellung der Eintracht und ihre Niederlage gegen Arsenal debattieren, der Bäcker selbst, ein Iraner, der mit… Mehr