Macron steht vor einer großen Niederlage bei den Kommunalwahlen

"La République en Marche!", die Regierungspartei des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, dürfte bei den Kommunalwahlen am Sonntag in keiner einzigen großen Stadt einen Bürgermeisterposten gewinnen. Die Unzufriedenheit mit Macron in der Corona-Krise ist groß.

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In 4.922 Städten und Gemeinden Frankreichs werden am Sonntag die Bürgermeister gewählt. Es sind die Stichwahlen nach der ersten Runde am 15. März. Dazwischen liegt die Corona-Krise, die die eigentlich für den 22. März geplanten Stichwahlen um mehr als drei Monate verschob. Für die Bewegung des Staatspräsidenten Emmanuel Macron „La République en marche“ (LREM) – zu deutsch: Die Republik in Bewegung – kündigt sich eine außergewöhnliche Niederlage an. Die Sammlungsbewegung, zu der vor Macrons Wahlsieg viele Politiker der Sozialisten und Liberalen, aber auch der alten gemäßigt-rechten gaullistischen Partei stießen, dürfte nach Umfragen keinen einzigen wichtigen Bürgermeisterposten erobern. In der Nationalversammlung dagegen hat sie dagegen auch Dank des französischen Mehrheitswahlrechts eine satte absolute Mehrheit.

Die Beteiligung im ersten Wahlgang war ungewöhnlich gering. Vermutlich schon wegen der Covid-Epidemie gingen zwei Tage vor dem offiziellen Beginn der Ausgangsbeschränkungen nur rund 55 Prozent der Wahlberechtigten, rund 20 Prozent weniger als sonst, ins Wahllokal.

In den Umfragen liegen die LREM-Kandidaten in keiner bedeutenderen Stadt vorn.   Die Unzufriedenheit mit der Amtsführung während der Covid-Krise ist unübersehbar. Das gilt erst recht für Paris. Der Bürgermeisterposten dort gilt als Sprungbrett für höchste nationale Ämter. Ex-Präsident Jacques Chirac war zuvor viele Jahre Pariser Bürgermeister.

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 Die wegen ihrer relativ erfolglosen Covid-Politik (Frankreich hat viel mehr Todesopfer zu beklagen als Deutschland) angeschlagene gewesene Gesundheitsministerin Agnès Buzyn als Spitzenkandidatin von LREM geht mit nur 18 Prozent aus der ersten Runde abgeschlagen lediglich als Dritte in die Stichwahl gegen die bisherige sozialistische Amtsinhaberin Anne Hidalgo und die konservative frühere Ministerin Rachida Dati. Buzyn war für den ursprünglichen LREM-Spitzenkandidaten, Ex-Minister Benjamin Griveaux, eingesprungen, der seine Kandidatur wegen einer Porno-Affäre zurückgezogen hatte.

In vielen Städten und Gemeinden allerdings haben sich, wie im französischen Politikbetrieb üblich, Allianzen der Parteien gebildet, die bestimmte Bürgermeister-Kandidaten unterstützen und gemeinsame Listen bilden. In vielen Städten stehen Kandidaten der „Ecologistes“ (EELV), der französischen Grünen nach der ersten Wahlrunde ganz oben. Vielfach werden sie von den Parteien der extremen Linken (vor allem „La France insoumise“) unterstützt. Frankreichs zweitgrößte Stadt Lyon zum Beispiel könnte demnächst von dem Grünen Bruno Bernard regiert werden, mit Unterstützung von diversen Stadträten aus dem linken bis linksradikalen Spektrum. In Marseille liegt die linke Aktivistin Michèle Rubirola in der Vorwahl mit rund 35 Prozent in den Umfragen vorn. In ihrem Bündnis „Printemps Marseillais“ (Marseiller Frühling) sind viele linke und grüne Gruppen vereint. Der Kandidat des Rassemblement National, Stéphane Ravier, liegt bei über 20 Prozent. Allerdings mangelt es ihm wie den meisten anderen RN-Kandidaten an Verbündeten. Nur in wenigen Städten, zum Beispiel in Perpignan, hat der RN eine realistische Chance auf das Bürgermeisteramt.

Der Bürgermeister-Posten einer großen Stadt ist in Frankreich oft ein Nebenamt und Machtbasis für Spitzenpolitiker in nationalen Ämtern. So ist Premierminister Edouard Philippe auch Bürgermeister von Le Havre – und will es auch bleiben, wozu die Chancen nach einer Umfrage recht gut stehen. Philippe ist allerdings nicht Mitglied der LREM, sondern parteilos. Philippe gilt daher nicht als treuer Vasall, sondern eher als zukünftiger Konkurrent von Präsident Macron.

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Kommentare ( 16 )

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Nibelung
3 Jahre her

Ein ehemaliges Mitglied einer sozialistischen Regierung und gleichzeitig Vertreter des Großkapitals paßt ungefähr so zusammen wie Schwarzwälder Kirschtorte mit Senf bestrichen und die wenigsten haben sich die Frage gestellt, wie es möglich war über Nacht eine neue Partei aus dem Boden zu stampfen, die inhaltlich widerrum eine Kehrtwende bedeutede und solche Tänze muß man erst mal auf`s Parkett legen um damit zu überzeugen, was sich nun im Nachhinein als immer schwierigen erwiesen hat. Nun haben alle französischen Präsidenten eines gemein, im Gegensatz zur Mentalität der deutschen Regierung, sie holen eher Geld herein, als sie es verschenken und trotzdem sind sie… Mehr

Sonny
3 Jahre her

Und was ist mit Marine Le Pen und ihrer Partei?

CIVIS
3 Jahre her

Nun ja,
…dass sich Grün, Links und Rot auf Kommunalebene zusammenschließen und einen gemeinsamen Spitzenkandidaten auskungeln, macht die Lage ja auch nicht gerade besser !

Haben die etwa von Deutschland gelernt ?

Ego Mio
3 Jahre her

So weit ich weiß, stimmt es nicht mehr, dass Macrons LREM in Besitz dieser satten Mehrheit in der Nationalversammlung ist. Die Mehrheit ging durch einige Fraktionsaustritte flöten. Macron ist jetzt auf Koalitionspartner angewiesen.
Die Wahlergebnisse in den Großstädten entsprechen den demographischen Entwicklungen. Ich halte es auch für angemessen, wenn linke Politiker zum Zeitpunkt des Ausbruch der größten Gesellschaftskrise direkt mit den großstädtischen Problemen betraut sind. Natürlich wird das die Landflucht verstärken.

Schwabenwilli
3 Jahre her

Ah ja, die Grünen also auf den Vormarsch. Warum? weil viele Moslems mit französicher Staatbürgerschaft eben nicht Mehr Macron wählen aber auch nicht Le Pen.
Was das für Auswirkungen haben wird ist klar.

Tee Al
3 Jahre her
Antworten an  Schwabenwilli

Frage ist, ob die Grünen in FR genauso durchgeknallt sind, wie die in DE.

Amerikaner
3 Jahre her

Was hat er auch bewegt? Nichts. Er ist ein französisches Gegenstück zu Frau Merkel. Nur reden, zaudern, abwarten. Immerhin hält er paar kurzweilige und pathosgeladene Reden.

Andreas aus E.
3 Jahre her

Keine Tausend Jahre nach Kriegsende diese Geste – unglaublich!1!11!

Talleyrand
3 Jahre her

Diejenigen, die ihm und seinem Marsch seinerzeit den Blitz – Wahlkampf finanziert haben, dürften ganz zufrieden sein. Er hat die Zentralbank im Griff, Merkel finanztechnisch über den Tisch gezogen, die EU manipuliert und auch sonst noch manchen bunten Unfug angezettelt. Eine lohnende Investition für die Geldgeber, fürs Volk nicht. Der Mohr ( huch!, Lapsus, Verzeihung) hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Möglicherweise habens die Franzosen aber bemerkt, was sie sich da eingehandelt hatten und sind wütend.

Aletheia
3 Jahre her

Es ist nicht so wichtig, dass Macron die Kommunalwahlen verliert.
Was soll er mit den hochverschuldeten französischen Kommunen?
Er hat doch etwas viel Wichtigeres gewonnen, nämlichen die Billionen Euro der deutschen Steuerzahler im Rahmen der sogenannten europäischen Solidarität durch die Zusagen der lieben Angela und der lieben Ürsüla!

Kurt Drummer
3 Jahre her

Ob ich das besser finde, das dort grüne und linke Politiker das Amt übernehmen könnten, erschließt sich gerade nicht für mich. Irgendwie etwas von „Pest oder Cholera“.