Kurdenbeirat gegen Erdogan

Der Beirat der Kurdischen Gemeinde Deutschland begrüßt angesichts der sicherheitspolitischen Lage in Europa ausdrücklich die Nato-Beitrittsgesuche Finnlands und Schwedens und wendet sich gegen das Vorgehen des türkischen Präsidenten Erdogan.

IMAGO / Steinach

Der Beirat der Kurdischen Gemeinde Deutschland (KGD) hat sich auf seiner turnusmäßigen Sitzung auch mit dem Vorgehen des türkischen Präsidenten Erdogan gegen die Nato-Aspiranten Finnland und Schweden beschäftigt. Unter Vorsitz des langjährigen Oberbürgermeisters von Hannover, Herbert Schmalstieg (SPD), fanden die Mitglieder des Beirats klare Worte – nicht nur in Richtung Türkei.

Der Wortlaut der Erklärung:

„Der Beirat der Kurdischen Gemeinde Deutschland begrüßt angesichts der sicherheitspolitischen Lage in Europa ausdrücklich die NATO-Beitrittsgesuche Finnlands und Schwedens. Als unweigerliche Konsequenz des völkerrechtswidrigen Überfalls Russlands auf die Ukraine dient die NATO-Erweiterung nicht nur der Sicherheit der beiden beitrittswilligen Länder, sondern auch der gemeinsamen Sicherheit aller demokratischen und friedlichen Staaten Europas.

Die offensichtlich nicht an einer Verbesserung der Sicherheitssituation in Europa orientierte Behinderung des Beitritts durch die Türkei ist aus Sicht des KGD-Beirats objektiv unverständlich und kann nur als Beleg und erneuter, trauriger Höhepunkt einer Entwicklung verstanden werden, bei der die von Erdogan autokratisch geführte Türkei sich kontinuierlich von den vertraglich fixierten Grundprinzipien und gemeinsamen Verpflichtungen des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses entfernt hat. Der Beirat weist daher die unhaltbaren und gegen die gemeinsame Sicherheit gerichteten Forderungen der Türkei energisch zurück.

Es kann nicht sein, dass ein Mitgliedsland, das sich mit seiner rassistischen, nationalistischen und antidemokratischen Innenpolitik ebenso wie mit einem völkerrechtswidrigen Eroberungskrieg in Nordsyrien und Nordirak kontinuierlich außerhalb des gemeinsamen Wertekanons des Bündnisses begibt, die Erweiterung um zwei demokratisch seit Jahrzehnten gefestigte und dem internationalen Recht verpflichtete EU-Staaten zu verhindern sucht. Die absurden Forderungen des türkischen Präsidenten sind an den Haaren herbeigezogen und entspringen einer Europa-feindlichen Grundposition. Sie stellen zudem eine Beleidigung nicht nur der beiden unmittelbar betroffenen Staaten, sondern aller NATO-Mitglieder dar.“

Der türkische Präsident hatte den Beitrittswillen der beiden skandinavischen Länder zum Anlass genommen, deren Asylbereitschaft unter anderem für durch die Türkei verfolgte Kurden als „Unterstützung terroristischer Vereinigungen“ anzuprangern und die Auslieferung der Betroffenen zu verlangen. Weiterhin will die Türkei, dass die Waffenembargos, die gegen die Türkei wegen deren völkerrechtwidrigen Vorgehen in Syrien und dem Irak verhängt wurden, aufgehoben werden. Zudem spielt im Hintergrund die Positionierung Schwedens hinsichtlich des Völkermords der jungtürkischen Regierung im Zuge des Krieges von 1914 bis 1918 als Genozid eine Rolle. TE berichtete.

Hinsichtlich der Erwartungen des Beirats, die die Unterstützung des Vorstands der KGD finden, übte Schmalstieg auch heftige Kritik an Nato-Generalsekretär Stoltenberg und der Bundesregierung:

„Es ist nicht nur absurd, sondern ungeheuerlich, dass Erdogan von Finnland und Schweden verlangt, Menschen an die Türkei auszuliefern, die aus diesem Land vor politischer Verfolgung fliehen mussten und die vor dem rechtsstaatswidrigen Übergriff Erdogans Schutz in Finnland und Schweden gefunden haben. Solange in der Türkei tausende Journalisten, Wissenschaftler, Gewerkschafter, Politiker und selbst einfache Bürger eingekerkert sind und durch eine präsidiale Unrechtsjustiz täglich Freiheits- und Menschenrechte verletzt werden, erwarte ich von der NATO und damit insbesondere von unserer Bundesregierung, dass sie die Forderungen Erdogans in aller Deutlichkeit und unmissverständlich zurückweist.

Unsere Kritik richtet sich daher auch gegen NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Statt die Türkei als wichtigen Partner des Bündnisses zu umschmeicheln, sollte er besser die Einhaltung der Menschen- und Freiheitsrechte in der Türkei einfordern und sich die unausweichliche Frage stellen, ob diese Türkei unter Führung der AKP noch Mitglied der NATO sein kann und darf, will das Bündnis nicht seinen eigenen Anspruch ad absurdum führen. Bis zur Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit und demokratischen Prinzipien sind die NATO-Staaten um ihrer eigenen Glaubwürdigkeit willen aufgefordert, die Mitgliedschaft der Türkei aussetzen.

Wer zurecht die völkerrechtswidrigen, kriminellen Handlungen Putins gegen ein souveränes Nachbarland und dessen Menschen verurteilt und die Ukraine im Rahmen des Völkerrechts bei der Verteidigung gegen den Aggressor unterstützt, darf nicht schweigen, wenn ein Mitgliedsland fremde Territorien besetzt, terroristische Organisationen unterstützt und mit fragwürdigen Terrorvorwürfen gegen eine Minderheitsethnie kontinuierlich Bombenangriffe auf Nordirak und Syrien befehlen lässt.“

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Kommentare ( 11 )

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Ralf Poehling
1 Jahr her

Sehr schön, danke. Wie kann die NATO und das gesamte westliche Politikerbiotop allen ernstes andauernd mit dem Finger auf Russland zeigen, während die Erdogan Türkei Mitglied in der NATO ist? Was macht Russland denn anders als die Türkei? Meiner Beobachtung nach ist die Türkei für uns derzeit das weit größere Problem als Russland. Und das hat genau damit zu tun, dass sie NATO Mitglied ist. Wäre sie kein NATO Mitglied, hätte die NATO bereits mehrfach den Verteidigungsfall gegen die Türkei ausrufen müssen. Man kann doch nicht auf der einen Seite das Handeln einer Nation verurteilen, nur weil sie nicht Mitglied… Mehr

RMPetersen
1 Jahr her

Beirat der Kurdischen Gemeinde Deutschland“
Dass es sowas gibt, ist sicherlich nützlich für die Gruppe der zugereisten Kurden.
Dass sie gegen Erdogan sind, ist verständlich.
Was ist nun der Sinn der Meldung hier?

Aegnor
1 Jahr her

Das dürte noch in mehrerer Hinsicht interessant werden. Zum Einen wird spannend zu sehen, was den Amerikanern wichtiger ist. Die Türkei aufgrund derer geostrategischen Lage weiter als (unzuverlässigen) Verbündeten zu halten oder die Norderweiterung. Letztere nimmt man zwar gern mit, besonders die wehrfähigen und vor allem kampfbereiten Finnen, die in der Lage sind den Russen in einem konventionellen Krieg im Norden sehr weh zu tun, aber eigentlich braucht man sie nicht. Man sitzt bereits über Norwegen an der russischen Grenze. Die Frage ist also wie weit man bereit ist Erdogan entgegenzukommen. Ich fürchte, dass die Amerikaner da sehr freigiebig sein… Mehr

MaximilianMueller
1 Jahr her

Wunderbar, damit stellen die Kurden sicher, dass Erdogan NICHT zustimmt

Hugo Treppner
1 Jahr her

Nordzypern wurde 1974 durch die türkische Armee völkerrechtswidrig okkupiert. Es wurde die sogenannte Türkische Republik Nordzypern ausgerufen, die von der Staatengemeinschaft nicht anerkannt wird. Alle griechischsprachigen Zyprioten mussten aus Nordzypern fliehen. Ihr gesamtes Hab und Gut war verloren. In allen Kirchen Nordzyperns findet kein Gottesdienst mehr statt. Viertausendmal mal wird im Jahr das Hoheitsgebiet Griechenlands durch schwerbewaffnete türkische See- und Luftstreitkräfte verletzt. Letztes Jahr wollte die Türkei in griechischen Hoheitsgewässern nach Gas bohren. Erdogan spricht in Wahlkampfveranstaltungen von osmanischen Inseln, auf denen eine fremde Sprache gesprochen wird und meinte damit die Inseln Griechenlands. In Ismir (Smyrna) merkte Erdogan in einer… Mehr

bkkopp
1 Jahr her

Auch wenn inhaltlich alles richtig ist, die Breitseite gegen Erdogan, und sogar Stoltenberg, scheint mir ein Störfeuer zur falschen Zeit zu sein. Wir wissen, dass für Erdogan (fast) jeder ein Terrorist ist, der anderer Meinung als der Sultan ist. Aktuell haben Schweden und Finnland eine Sprachregelung mit Ankara zu finden, die für Ankara zumindest akzeptabel ist. Darüberhinaus scheint es für Erdogan um amerikanische Waffensysteme zu gehen, die er wegen seiner Verirrung zu einem russischen System nicht bekommen hat. Es wird gesagt, dass ein Kompromiß möglich sein sollte. Darüberhinaus dürfte es darum gehen, dass sobald auf der Arbeitsebene alle Stolpersteine aus… Mehr

Peter Klaus
1 Jahr her

Wie müssen sich bloß diese stolzen (und reichen) Skandinavier vorkommen, wenn sich jetzt Orientalen, wie Kurden und Türken um ihren NATO-Beitritt auf dem frisch eröffneten „geo-politischen Basar“ streiten? Erdogan braucht Kohle (=Devisen), um seine Monopoly-Währung zu stützen und nebenbei einen Freifahrtschein, um weiter gegen die Kurden im eigenen Land und auch darüber hinaus vorgehen zu können.

thinkSelf
1 Jahr her

„Kurdenbeirat gegen Erdogan“Surprise, surprise. Und morgens geht die Sonne auf. Absolute Nullmeldung.

LadyGrilka55
1 Jahr her

Niemals hätte ich gedacht, dass ich Erdogan in einem Punkt zustimmen könnte. Jetzt muss ich es. Er tut das Richtige, wenn auch vielleicht aus den falschen Gründen, denn weitere NATO-Beitritte würden nur zu weiterer Eskalation führen.

Last edited 1 Jahr her by LadyGrilka55
Ante
1 Jahr her

Die Konstruktion der Nato war ein Fehler. Länder wie Türkei gehören weder in die Nato noch in die EU. Nato und EU sind westliche Bündnisse. Türkei ist kein westliches Land sondern orientalisch. Orientalische Staaten haben ihre eigene Sozialisation. Sie sollten nicht Teil westlicher Zivilisation werden. Schweden und Finnland tun der Nato gut. Beide Völker sind defensiv und zuverlässig und haben ordentliche Streitkräfte. Leider hat Schweden zu viel falsche Migration zugelassen. Dieses importierte Fremdvolk destabilisiert heute Schweden von Innen. In Finnland hat es das nicht. Die Nato muss in puncto Qualität mächtig zulegen. Dann wird Russland nicht mehr wagen, uns anzugreifen.… Mehr