Kommt die Quoten-Gesellschaft?

Annegret Kramp-Karrenbauer nennt sich selbst eine Quotenfrau, die es nur damit so weit gebracht habe. Man hätte es wissen können. Quoten werden immer beliebter - bald auch für Migranten.

Getty Images

Nicht nur die Neuen Deutschen Organisationen (NDO) halten sie für unumgänglich: Migrantenquoten. Parteien, Behörden, Wohlfahrtsverbände und viele andere Bereiche seien 2020 immer noch überproportional „weiß“, heißt es im NDO-„Manifest für ein plurales, postmigrantisches Deutschland“, „die Gleichstellung aller Menschen im Land muss Priorität bekommen und auf gesetzliche Grundlage gestellt werden (Partizipationsgesetz). Wir brauchen außerdem eine Quote für People of Color und Schwarze Menschen, denn freiwillig funktioniert es offenbar nicht.“

„Minderheiten müssen in politische Räume reinströmen“

Auch die Grünen-Politikerin Aminata Touré erklärte in der „Welt“: „Ein Viertel der in Deutschland lebenden Menschen hat eine Migrationsgeschichte. Die sind in unserer Politik und an anderen entscheidenden Stellen definitiv nicht ausreichend vertreten. Über die Gruppe der schwarzen Menschen hinaus müssen Minderheiten in politische Räume reinströmen und dort repräsentiert werden, weil dort die Entscheidungen getroffen werden. Wenn wir dort nicht vertreten sind, werden keine Veränderungen für unsere alltäglichen Leben stattfinden.“ Bei den jüngsten #blacklivesmatter-Demonstrationen wurden ebenfalls vereinzelt, um „Rassismus“ entgegenzutreten, ethnische Quoten in allen Bereichen der Gesellschaft verlangt, so von der Moderatorin Enissa Amani. „Was ich möchte ist, dass black POCs, POCs, BIPOCs überall in den CEO-Etagen vertreten sind. Oben!“

Keine Frage, Migrantenquoten, Kontingente nach biologischen, sozio-demografischen Merkmalen überhaupt, sind gerade in der derzeit überhitzten Diskussion um „Rassismus“ ein heißes Thema, auch in der einschlägigen Wissenschaft. In der im Frühjahr 2019 veröffentlichten Untersuchung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung „Ost-Migrantische Analogien“ stimmte ein „unerwartet großer Teil“ der Bevölkerung für Quoten. Die Frage, ob es Quoten geben sollte, „damit Migranten entsprechend ihres Anteils [gemeint wohl: an der Bevölkerung] in wichtigen Positionen vertreten sind“, bejahte ein knappes Drittel der Befragten.

Nicht nur hier fällt auf, dass bei einer Thematisierung einer fairen Repräsentation von Migranten bevorzugt „wichtige Positionen“ bzw. schwere Chefsessel in den Blick genommen werden, während „Vielfalt“ im Mittel- und Unterbau der Gesellschaft weniger Aufmerksamkeit findet.

Höhe und Anwendungsfeld der Quoten entscheidend

Dabei bringt eine Umsetzung von „Migrantenquoten“ einigen Klärungsbedarf mit sich. Wie hoch sollen die Quoten sein, in welchen gesellschaftlichen Bereichen sollen sie angewendet werden? Wie genau wird begründet, dass sie sinnvoll sind? Welche Personen fallen konkret unter die Quote?

Wer Quoten für Menschen mit Migrationsgeschichte fordert, orientiert sich gemeinhin bei der Grundgesamtheit am Statistischen Bundesamt. Das bestimmt: „Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. …“. Das Amt weist mit Stand 2019 20,8 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus, darunter 11,2 Millionen Ausländer, die hier leben.

Berlin: Öffentlicher Dienst zielt auf Migrantenquoten entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil

Die Frage ist nun, ähnlich wie bei der Debatte um Frauenquoten, ein wie hoher Prozentsatz und welche konkrete Maßnahmen einem vorschweben, um Menschen mit Migrationshintergrund angemessen zu berücksichtigen. Das Land Berlin, in dem über 35 Prozent der Einwohner Migrationshintergrund haben, gibt sich jedenfalls in puncto Migrantenquoten rigoros. Bereits von 2010 stammt das – vermutlich wenig bekannte – Berliner Gesetz zur Regelung von Partizipation und Integration (PartIntG) für die Verwaltung und Unternehmen, an denen Berlin eine Mehrheitsbeteiligung hält.

Dort heißt es in § 4: „Der Senat strebt die Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit Migrationshintergrund entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung an. Bei Stellenausschreibungen ist darauf hinzuweisen, dass Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund, die die Einstellungsvoraussetzungen erfüllen, ausdrücklich erwünscht sind.“

Als Anspruch des Gesetzes ist formuliert: „(1) Das Land Berlin setzt sich zum Ziel, Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit zur gleichberechtigten Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu geben und gleichzeitig jede Benachteiligung und Bevorzugung … auszuschließen. (2) … Erfolgreiche Integration setzt sowohl das Angebot an die Bevölkerung mit Migrationshintergrund zur Beteiligung als auch den Willen und das Engagement der Menschen mit Migrationshintergrund zur Integration voraus.“

Eine heterogene Gruppe

Nun stellen Menschen mit Migrationshintergrund eine bunte Gruppe dar. Sie unterscheiden sich nach Herkunfts-/Bezugsregion, Geschlecht, Alter, formaler Schulbildung, beruflichen Qualifikationen (hier oder im Ausland erworben?), Sprach-/Deutschkenntnissen, Aufenthaltsdauer usw. Ein Teil dieser Merkmale wird von Statistikämtern, ähnlich wie die Anzahl der Muslime oder Homosexuellen, gar nicht erhoben. Bei der aktuell kursierenden Zahl, wonach mehr als eine Million Schwarze in Deutschland leben – das wäre gut 1 Prozent der Einwohner – handelt es sich um eine Schätzung.

Einem Arbeitgeber, der nicht nur oberflächlich Menschen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheiden will, sondern die wesentliche Binnendifferenzierung von Menschen mit Migrationshintergrund in der Personalstruktur spiegelbildlich abzubilden versucht, wird in praxi einiges abverlangt.
Vor allem die von Interessenverbänden gern genutzte Gruppenbezeichnung „People of Color“ ist kein statistisch griffiger Begriff. Laut den Neuen Deutschen Medienmacher*innen ist dies „eine Selbstbezeichnung von Menschen mit Rassismuserfahrung, die nicht als weiß, deutsch und westlich wahrgenommen werden und sich auch selbst nicht so definieren. … Es geht nicht um Hautfarben, sondern um die Benennung von Rassismus und den Machtverhältnissen in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft.“ Zu entscheiden, wer unter die von den Neuen Deutschen Organisationen eingeklagte PoC-Quote fiele, ist eine echte Herausforderung, zumal es sich nur um einen Teil der Einwohner mit Migrationshintergrund handeln kann.

Tatsächlich birgt die Umsetzung von Migrantenquoten weitere Stolpersteine. Dies kann man unter anderem in dem im Frühjahr 2019 veröffentlichten aufschlussreichen Evaluationsbericht zum Berliner Partizipations- und Integrationsgesetz nachlesen. Er wurde vom früheren Integrationsbeauftragten Andreas Germershausen in Auftrag gegeben und vom Beratungsunternehmen Syspons GmbH durchgeführt, mit der Perspektive, das Gesetz zu reformieren. Die hier ausgesprochenen Empfehlungen basieren auf „Stimmen von Umsetzenden aus der Berliner Stadtgesellschaft“, Interessenorganisationen, „Experten“ sowie Einzelinterviews, Gruppendiskussionen, Gesetzesanalysen.

Wohl wahr: Nicht jeder Migrant braucht Schutz

Im Bericht wird zu Recht problematisiert, dass der statistische Schlüsselbegriff „Menschen mit Migrationshintergrund“ nicht automatisch mit den vom Gesetz als schützenswert angedachten Personen, die von „strukturellen Ausschlüssen betroffen“ sind oder „rassistische Diskriminierung“ erfahren, deckungsgleich ist. Derzeit, heißt es da, greife das Gesetz bei einer deutschen Frau, die die Tochter einer weißen deutschen Mutter und eines weißen US-amerikanischen Vaters ist. Nicht vom Gesetz gemeint seien hingegen eine schwarze Deutsche, deren Eltern ebenfalls Deutsche sind, eine „deutsche kopftuchtragende Frau“, die das Enkelkind ehemaliger in Deutschland lebender türkischer Gastarbeiter sei, und viele Sinti und Roma.

Der Begriff „Menschen mit Migrationshintergrund“ müsse dementsprechend in einer künftigen Novelle „zumindest spezifiziert oder erweitert, wenn nicht sogar komplett ersetzt werden“. Als Alternativen angedacht werden hier: „Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere Neuzugewanderte und diejenigen, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind,“ „Menschen mit Migrationshintergrund und Personen, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind,“ bzw. „Menschen mit eigener Zuwanderungserfahrung und Menschen, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind.“ Damit könnte sich die Zielgruppe, der das Gesetz zur Möglichkeit zur gleichberechtigten Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens verhelfen soll, noch einmal kräftig ausweiten um als unterprivilegiert definierte Nicht-Migranten. In diesem Zusammenhang weist Syspons darauf hin, dass, sollten Menschen ohne Migrationshintergrund im PartIntG weiterhin unberücksichtigt bleiben, diese ja zumindest vom – gerade verabschiedeten und nicht unumstrittenen – Landesantidiskriminierungsgesetz geschützt würden.

Problem: Datenschutz und Erhebung der relevanten Daten

Der 2019er Evaluationsbericht lässt erahnen, wie schwierig es ist, eine gesetzlich geforderte „Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit Migrationshintergrund entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung“ mangels statisch verlässlicher Daten zu dokumentieren und zu verwirklichen. Aus behelfsmäßig herangezogenen Daten wird aber der Schluss gezogen, dass Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst klar unterrepräsentiert sind. Allerdings gebe es einen Trend zu mehr neu angestellten Auszubildenden mit Migrationshintergrund in öffentlichen Betrieben (2018 27%) und Betrieben mit Landesbeteiligung (30 %). Die Berliner Integrationsbeauftragte Katarina Niewiedzial erklärte dazu, der anstehende Generationswechsel im öffentlichen Dienst ermögliche „eine auf Diversität ausgerichtete Nachwuchskräftegewinnung“, und bezeichnete diese als „Motor für die Modernisierung der öffentlichen Arbeitgeber“.

Ansatzpunkte Migrationshintergrund|Selbstidentifikation|Diskriminierungserfahrung
Wie genau sollen und können nun die (hier öffentlichen) Arbeitgeber die vom Gesetz vorgegebene „gleichberechtigte Teilhabe“ von möglicherweise unterprivilegierten Mitarbeitern sichern, diese identifizieren? Laut Evaluationsbericht war in Berlin die Frage, ob Daten von öffentlichen Beschäftigten zum Migrationshintergrund sowie zur Selbstidentifikationen oder „Diskriminierungserfahrungen“ erhoben werden sollten, einer der zentralen Punkte in den geführten Interviews mit Fachleuten und Betroffenen. „Selbstidentifikation“ bedeutet, dass Befragte selbst angeben, als was sie sich sehen, z.B. als „Türkisch-Deutsch“ oder „Person of Color“ oder „Muslimisch“.

Das klingt denn doch nach einer pauschalen Konstruktion von Opfer-Gruppen.
Diskutiert wurde auch, inwieweit man in Personalbögen oder Mitarbeiterbefragungen freiwillige oder verpflichtende, anonyme oder nicht anonymisierte Angaben erbitten sollte bzw. darf. Als Lösungskompromiss wird hier ins Gespräch gebracht:
• „Erhebung des Migrationshintergrundes, konkretisiert durch Herkunftsländer oder -regionen, durch den Personalbogen. Es gibt die Möglichkeit, ‚keine Angabe‘ zu wählen. Hierzu muss das Gesetz die notwendige rechtliche Grundlage schaffen. Erhebung möglichst rückwirkend für alle Beschäftigten und Auszubildenden.
• Mitarbeitendenbefragung: Aufnahme von Fragen zu Selbstidentifikation, Diskriminierungserfahrung und, darüberhinausgehend, zu Unterstützungsbedarfen. …“

Die theoretisch in Erwägung gezogene Abfrage von „Diskriminierungserfahrungen“ bzw. „Selbstidentifikationen“ in Mitarbeiterbefragungen brächte zusätzlich subjektive Faktoren in die Personaldebatte hinein. Es entstünden durch derlei Datenerhebung, denkt man die Idee des Evaluationsberichts weiter, möglicherweise Listen mit Musliminnen aus der Herkunftsregion X mit „Diskriminierungserfahrungen“. Unterstützen könnte man die Betroffenen ja nur, wenn sie sich outen. Dass solche Listen zumindest datenschutzrechtliche und wohl auch politische Probleme aufwerfen, liegt auf der Hand.

Legitimation/Begründung der Vorteilhaftigkeit und Notwendigkeit von Quoten

Jenseits der kniffligen Definition der zu schützenden Bevölkerungskreise stellt sich die Frage, mit welchen Argumenten (Migranten-)Quoten für sinnvoll gehalten werden.

Neben den grundsätzlichen Argumenten pro Migration – humanitäre Notwendigkeiten, „kulturelle Bereicherung“ der Gesellschaft, Behebung des „Fachkräftemangels“ und Vorteile für die Demografie/Verhinderung der Überalterung der Aufnahmegesellschaft – werden Plädoyers für einen höheren/hohen Anteil an Zuwanderern in der Politik, Verwaltung, in Privatfirmen und nicht-kommerziellen Organisationen vor allem mit drei Argumenten begründet:

1. Gesellschaftspolitische Repräsentation und Zugangs-Gerechtigkeit,
2. Überzeugende Interessenvertretung der Eigen-Gruppe,
3. Größerer (wirtschaftlicher) Erfolg durch heterogen zusammengesetzte Arbeits-Gruppen.

Repräsentation und Zugangs-Gerechtigkeit

So argumentieren die Neuen Deutschen Organisationen in ihrem Manifest, Schwarzen und People of Color mangele es an „Sichtbarkeit und Repräsentation“. „Die Gleichstellung aller Menschen im Land muss Priorität bekommen und auf gesetzliche Grundlage gestellt werden.“ Das Ideal „Gleichstellung“ knüpft wohl dem Geiste nach an Art 3 des Grundgesetzes an, wonach niemand wegen bestimmter Merkmale benachteiligt werden darf. Auch die Schwesterorganisation Neuen Deutschen Medienmacher*innen – wirbt für sich mit dem Slogan „Wir sind nicht die besseren Journalist*innen. Aber auch nicht die schlechteren“ – meint, Heterogenität in Journalistenteams sei doch schlicht „eine Frage der Demokratie und der Zugangsgerechtigkeit“.

Überzeugende Interessenvertretung aufgrund eigener Erfahrungen

Nicht nur die oben zitierte Politikerin Aminta Touré legt nahe, dass Menschen mit einem bestimmten Merkmal besonders geeignet sind, die Interessen Ihresgleichen wirkungsvoll zu vertreten. Ähnlich denkt offenbar auch die Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen, wenn sie moniert, im Bundeskabinett gebe es „nicht eine einzige Person, die selbst über Erfahrungen mit Rassismus verfügt“.

Es ist ja nicht unplausibel, dass sich Migranten im wahren Leben mit Interessen von Migranten solidarisieren, Frauen besonders mit Frauen-Anliegen, homosexuelle Politiker mit Vorstellungen der LBGTQ-Bewegung, Politiker aus dem Mittelstand mit mittelständischen Betrieben im Lande. Dies sollte aber nicht überhand nehmen. Sonst würden (zum Beispiel) die Abgeordneten des Bundestags – nach Artikel 38 des Grundgesetzes nur ihrem Gewissen unterworfene „Vertreter des ganzen Volkes“ – zu einem Club von Interessengruppen-Vertretern, die vorrangig ihre Klientel bedienen.

Größerer Erfolg durch Diversität

Neuerdings wird des Öfteren ins Feld geführt, vielfältig zusammengesetzte Gruppen, darunter nach Herkunftsland, erfüllten die Ziele von Verwaltung, kommerziellen Unternehmen und anderen Organisationen besser als weniger vielfältig zusammengesetzte, handelten also letztlich besonders professionell.
So betont die Berliner Polizei, Sprachkenntnisse und „interkulturelle Kompetenzen“ seien auch schon für Bewerberinnen und Bewerber von Vorteil. „Vor dem Hintergrund der Bevölkerungsstruktur“ werden vor allem Kenntnisse in 13 Fremdsprachen als „hilfreich“ bezeichnet. Ferner ist es nachvollziehbar, dass bei Konzernen, die international aufgestellt sind, Repräsentanten, die Fremdsprachen beherrschen und sich mit den Gepflogenheiten des Auslands auskennen, hilfreich sind.

Auch die Neuen Deutschen Medienmacher*innen sprechen Journalisten mit Migrationshintergrund spezifische Leistungen zu. Ihre Studie „Diversität im deutschen Journalismus“ kritisiert, dass in den Chefetagen der hiesigen Medienhäuser zu wenig Migranten vertreten sind. Die personelle „Vielfalt der Redaktionsteams“ sei „eng mit Medien- und Meinungspluralismus verbunden“. Ausgewählte Studien werfen vor allem im Hinblick auf die „überwiegend negative Repräsentation von Migranten und Migrantinnen und Rassismen in den Medien“ die Frage auf, „wer überhaupt in etablierten Medien die Perspektiven der Einwanderer vertritt und öffentlich Gehör findet“. Für die Forscher steht allem Anschein nach auch außer Frage, dass zugewanderte Personen andere Medieninhalte benötigen und wünschen als alteingesessene: „In Städten wie Frankfurt a.M. haben bereits über 75 Prozent der Kinder unter 6 Jahren einen Migrationshintergrund. Wie möchten Sie diese Zielgruppe künftig erreichen?“

BeyondGenderAgenda: „Diverse Unternehmen sind profitabler“

Manche Organisationen heben hervor, das „vielfältige“ Teams wirtschaftlich erfolgreicher in der Erreichung von Zielen seien als homogenere. Zu den Verfechtern dieses Überzeugung gehört die die von der „Kommunikationsexpertin“ Victoria Wagner im Januar 2020 gegründete schwungvolle Initiative BeyondGenderAgenda (BGA), die bereits von zahlreichen renommierten Unternehmen und Organisationen Rückendeckung erfährt und nicht weniger will als „die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft langfristig sichern und ausbauen“.

BGA sieht einen eindeutigen Zusammenhang „zwischen D&I [Diversity & Inklusion] und Business Performance“, d.h. einer möglichst erfreulichen Geschäftsentwicklung. Man kämpft dementsprechend für „die Chancengleichheit von Führungskräften mit Behinderung, anderen Geschlechts, Alters, kultureller Herkunft, sexueller Orientierung sowie Geschlechtsidentität bei der Besetzung von Vorstandspositionen und Aufsichtsratsmandaten“. Der Fokus liegt ausdrücklich auf Führungskräften von börsennotierten und mittelständischen Unternehmen. Auf der Website heißt es dazu:
„Studien … bestätigen eine statistisch signifikante Korrelation zwischen diversen Leadership Teams und finanzieller Outperformance. Darüber hinaus stellt Inklusion von hoch diversen Individuen einen signifikanten Erfolgsfaktor für mehr Profitabilität dar.“ / „Diverse Unternehmen sind profitabler.“

Wagner spricht wohl bemerkt von einer „statistisch relevanten Korrelation“, einem gemeinsamen Auftreten von Variablen, das auch zufällig sein kann, nicht von Kausalität, einer Auswirkung/eines nachweisbaren Einflusses von einer auf die andere Variable.

Studien zum Zusammenhang zwischen Diversität und Geschäftserfolg

Eine der einschlägigen großen Studien, die heterogene Führungsteams und wirtschaftlichen Erfolg (z.B. als Betriebsergebnis vor Steuern und Zinsen) in Bezug setzt, ist die internationale Untersuchung von McKinsey “Delivering Through Diversity” aus dem Jahr 2018. Deren Befunde: hier.

„Mehr Vielfalt im Topmanagement macht den größten Unterschied – Bei deutschen Unternehmen verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein … Je diverser, desto erfolgreicher: … Besonders groß ist dieser Zusammenhang beim Frauenanteil im Topmanagement (Vorstand plus zwei bis drei Ebenen darunter). Unternehmen, die hier besonders gut abschneiden, haben eine 21 % größere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich erfolgreich zu sein. … Bei Unternehmen mit besonders ausgeprägter ethnischer Vielfalt steigt die Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein, um 33 %.“ In puncto ethnischer und kultureller Vielfalt liegen Südafrika und die USA vorn.

Auch zahlreiche weitere Quellen (siehe etwa hier) postulieren, dass „sich Diversity Management für Unternehmen rechnet“, unter anderem weil es einen positiven Einfluss auf die Innovationskraft habe, den Zugang zu neuen Kundengruppen und Märkten eröffne oder für Finanzakteure und Investoren „interessanter“ erscheine. „Organisationen mit vielfältiger Geschäftsführung legen bessere Ergebnisse vor als homogen geführte,“ bringt es das „Factbook Diversity“ der Charta der Vielfalt https://www.charta-der-vielfalt.de/ rigoros auf den Punkt. Einzelne Forscher sehen auch einen Image-Gewinn durch Diversität, etwa in Form einer international geprägten Belegschaft, womit zum Beispiel die Anzeigenkampagne „Made in Germany – Made by Vielfalt“ 2019 warb.

Der Erfolg eines Unternehmens hängt von vielen Einflussfaktoren ab

Grundsätzlich, möchte man meinen, dürfte ein Zusammenhang zwischen einem in der Zusammensetzung „bunten“, inklusiven Management (mit Präsenz ethnischen Minderheiten) und ökonomischen/finanziellen Kenngrößen von Firmen/Konzernen im wahren Leben so leicht nicht wissenschaftlich zu belegen sein. Denn: Jenseits der Mixtur des Führungsteams beeinflusst eine Reihe von unternehmensinternen und -externe Variablen, nicht gemessenen und nicht kontrollierten Bedingungen, das Abschneiden eines Unternehmens. Dazu zählen das jeweilige Betätigungsfeld eines Unternehmens und die konkreten Rahmenbedingungen in einzelnen Staaten. Zudem setzen solche Studien auch voraus, dass sich die Mitglieder der Führungsebene „statistisch durchleuchten“ lassen und sich „Erfolg“ in klar identifizierbare Messgrößen gießen lässt. Auch die Forscher von McKinsey räumen im Übrigen ein, dass sie nicht endgültig erklären können, wie die gefundenen Korrelationen zustande kommen.

Kommt die Quoten-Gesellschaft?

So überzeugt als Argumente für eine höhere Anwesenheit von Migranten in Politik, Verbänden, Verwaltung und kommerziellen Unternehmen vor allem das gesellschafts- und demokratiepolitische Argument, Migranten sollten aus Gründen der Gerechtigkeit in allen Gesellschaftsbereichen fair repräsentiert sein. Ob das auch ohne Quoten funktioniert oder nur mit, wie die NDO meinen, ist die große Frage.
Unterm Strich könnte der Versuch, umfängliche gesellschaftspolitische Gerechtigkeitsvorstellungen zu verwirklichen, indem man in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen, vom Bundestag über die Arbeiterwohlfahrt bis DHL und „Die Welt“, Merkmals-Quoten als Verpflichtung oder Empfehlung einführt, letztlich jedoch darauf hinauslaufen, zumindest in den Führungsetagen eine Art „Quoten-Gesellschaft“ zu etablieren.

Die entscheidende akademische wie praktische Frage ist und bleibt dabei, inwieweit sich derlei Quoten mit dem traditionellen Ideal der Leistungsgesellschaft und dem Ziel professionellen Handelns in allen Gesellschaftsfeldern vertragen. Quoten setzen erst mal bei sozial-statistischen Merkmalen von Personen an und ordnen sie in Kategorien ein – die Leistungsgesellschaft und professionelles Handelns orientieren sich primär an individueller Kompetenz und Erfahrung jenseits sozial-statischer Zuschreibungen. Das sind zumindest zwei verschiedene Herangehensweisen an Zielsetzungen. Tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis setzt hier klare Prioritäten: „Egal, ob ich einen Migrationshintergrund habe oder nicht. Meine Leistung sollte im Vordergrund stehen. … Denn im Umkehrschluss könnte ich mich ja fragen: Bin ich eigentlich nur ‘Tagesschau‘-Sprecherin geworden, weil ich einen Migrationshintergrund habe? … Das wäre ja tragisch.“

Da scheint Bundesgesundheitsminister Jens Spahns Testimonial auf der BeyondGenderAgenda-Website fast wie der Stein des Weisen: „Wer mit anpacken will, darf keinen Nachteil aufgrund von Geschlecht, Alter, Herkunft oder sexueller Orientierung haben. Deshalb unterstütze ich das Anliegen von BeyondGenderAgenda, solche Kategorien zu überwinden,“ erklärt Spahn. Wer könnte da widersprechen. Offen bleibt aber nach wie vor, ob man Kategorien mit Quoten, also der präzisen Einordnung von Menschen in Kästchen, überwindet.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 128 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

128 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Luxor
3 Jahre her

Ihre Politik würde genau so dazu führen, dass wir zur Minderheit im eigenen Land werden.

Die Migrantenbevölkerung würde selbst bei einer Nullzuwanderung immer weiter zunehmen, wie jüngst selbst ein „Migrationsexperte“ offen zugab. Der Grund sind die höheren Geburtenraten. Aber Sie wollen noch mehr Migranten ins Land lassen – noch dazu aus Arabien und Afrika.

Ihre Migrationspolitik läuft also darauf hinaus, eine Form der Verdrängungspolitik durch eine andere zu ersetzen.

Politkaetzchen
3 Jahre her

„Annegret Kramp-Karrenbauer nennt sich selbst eine Quotenfrau, die es nur damit so weit gebracht habe. “

Ich würde mich für so eine Aussage in Grund und Boden schämen…

Der-Michel
3 Jahre her

Und wenn in der JVA, vor Gericht… die Quote erfüllt ist, wird wie verfahren?

Pitt Arm
3 Jahre her

Man muss also erstmal diskriminieren, um Diskriminierung zu beheben. Man steckt die Leute in Schubladen, das ist die Identitätspolitik der Linken. Man stelle sich vor, der Kollege auf gleicher Stufe mit Migrationshintergrund wird lediglich aufgrund des Passes seiner Eltern bzw. seiner äußerlichen Merkmale befördert, trotz schlechterer Arbeitsleistung. Aus meiner Sicht schafft so eine Ungleichbehandlung doch erst Zwietracht im Unternehmen und bereitet den Boden für Rassismus. In Kalifornien will man die Gleichbehandlung aller Bürger durch Änderung der Civil Rights beenden, damit „affirmative action“ möglich wird. An Eliteunis in den USA werden asiatisch-stämmige High Performer abgelehnt, weil die Studienplätze für afroamerikanisch-stämmige Studenten… Mehr

Peter Silie
3 Jahre her

Babylonisches Unvermögen soll bis in jede Ritze durchgedrückt werden.
Wie Quoten ein Land vollkommen runterrockt, kann man sehr gut am Bsp Südafrikas nach dem Ende der Apartheid sehen.
Alle paar Jahrzehnte kapern Irre das Land. Und sie hinterlassen jedes Mal Elend und Zerstörung. Doch dieses Mal könnte die Zerstörung irreperabel sein.

Heinrich Wolter
3 Jahre her

Man sollte sich auch einmal um den Sport kümmern. Bei den Olympiaden habe ich im 100m-Endlauf fast nur Schwarze gesehen. Was ist mit den Chinesen? Von ihrem Bevölkerungsanteil stehen ihnen sicher 2 Startplätze zu. Und erst die Basketballliga in den USA. Auch dort sollten Quoten eingeführt werden.

N. Schwalen
3 Jahre her
Antworten an  Heinrich Wolter

Wie können Sie so etwas sagen? Es gilt weiterhin: BlackLiesMatter!

grenzenlos
3 Jahre her

Die „Bestanderhaltungsmigration“ kommt allmählich in Schwung. Angesichts der Zahlen aus Frankfurt und Offenbach und der in diesem Artikel formulierten Ziele bleibt den Deutschen nur noch ein kleines, ein sehr kleines Zeitfenster, um dieses Experiment noch zu stoppen, bevor es entweder zur Eliminierung der autochthonen Bevölkerung kommt (und damit zum Ende der deutschen Kultur), oder zu einer gesellschaftlichen Reaktion, die wir uns gar nicht so gerne vorstellen wollen.

Markenkern
3 Jahre her

Wenn jemand diesen Bericht über Diversität und Quoten Regelungen entspannt und unvoreingenommen liest, dann wird einem speiübel. Insbesondere dir Zielsetzung die Leistungsfähigkeit von Unternehmen dadurch zu steigern, ist Irreführung der schlimmsten Art. Die dazu angefertigten Studien und Berichte sogenannter „Experten“ (McKinsey und andere) sind unerträgliches Geschwafel. Man schaue sich doch mal an, wo die leistungsfähigsten , profitabelsten und kreativsten Unternehmen sind, die die Weltspitze darstellen. Zum aller größten Teil sind diese in Südkorea. Japan, China, Taiwan. In den USA gibt es noch einige, allerdings nimmt die Anzahl dieser Firmen dort stark ab. In Europa findet man solche Firmen allenfalls noch… Mehr

LiKoDe
3 Jahre her

Den Migrantenlobbyisten geht es um leistungslos wohlversorgte Posten und um Herrschaft.

CIVIS
3 Jahre her

…und nun mal ehrlich:

Einer im Frühjahr 2019 veröffentlichten Untersuchung des >Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung< „Ost-Migrantische Analogien“, wonach ein „unerwartet großer Teil“, ein knappes Drittel der Befragten, für Quoten gestimmt hat, …das soll ich allen Ernstes glauben !?

Zum Zustandekommen von Ergebnissen bei Befragungen, bei Umfragen, bei Studien, bei Gutachten etc. sind ja mittlerweile ausreichend einschlägige Erkenntnisse vorhanden; …angefangen vom Auftraggeber bis hin zum gewünschten Ergebnis und der Veröffentlichung in einschlägigen Medien.

Quintessenz: Traue keiner Studie etc., die Du nicht selbst gefälscht hast !!!