„Meine Bilder haben dazu beigetragen, dass die Verdrängung nicht funktionierte“

Vor fünf Jahren gingen die Aufnahmen des Fotografen Markus Böhm von den Silvesterübergriffen in Köln um die Welt. Im TE-Interview erinnert er sich an die Nacht – und die Folgen.

picture alliance / dpa | Markus Boehm

TE: Sie hatten 2016 Aufnahmen von der Silvesternacht in Köln gemacht, die dann um die Welt gingen. Wie kam es damals zu diesen Aufnahmen? War Ihnen damals schon klar, welche Erschütterung die Kölner Silvesternacht auslösen würde?

Markus Böhm: Meine Aufnahmen der Szenen vor dem Hauptbahnhof in Köln hatte ich eher durch Zufall gemacht, sowohl das Video als auch die Fotos. Ich wollte eigentlich nach Köln, um Bilder von dem Silvesterfeuerwerk einzufangen. Dann hatte ich gesehen, wie Raketen und Böller in die Menschenmenge geworfen wurden. Ich hab dann geistesgegenwärtig fotografiert und gefilmt.

Sie waren damals sehr nah dran an den Ereignissen. hatten Sie selbst keine Angst?

© Markus Böhm

Angst – das würde ich nicht sagen. Aber ein ungutes Gefühl. Die Stimmung vor dem Bahnhof hatte ich als aufgewühlt, aggressiv und kochend empfunden.

Ich hatte mitbekommen, wie eine Frau von einem Mann geschlagen wurde, und verständigte dann die Polizei. Das war an der Domplatte, wo damals der WDR-Sendewagen gestanden hat. Man merke auch das einige Personen sehr angetrunken waren, manche waren auch schon sturzbetrunken und wussten nicht mehr, was sie taten.

Das Gedrängel und enge Aufeinanderrücken in der Menge war auch beängstigend.

Die meisten Medien berichteten damals erst sehr spät. Wem hatten Sie ihre Bilder damals angeboten? Wie fielen die Reaktionen aus?

Ich hatte am 3. Januar 201 mein Video auf meinem Youtube-Kanal veröffentlicht. Dann kamen ein paar Tage später, am 5. und 6. Januar die Medien, die mich per E-Mail, SMS und Telefon kontaktierten. Die Medienvertreter, mit denen ich gesprochen hatte, waren von meinen Aussagen schockiert. Sie fragten sich: Wie kann den so etwas passieren? Wo war die Polizei? Alle waren fassungslos.

Meine Bilder und Videos wurden dann von CNN, New York Times, BBC, RTL, SAT 1 NRW, ZeroPointZero und vielen anderen Medien und Agenturen weltweit übernommen.

Sind Sie selbst wegen Ihrer Aufnahmen angegriffen worden?

Ich bin in der Silvesternacht vor Ort aus der Menge heraus als Nazi, Jude und Rassist beschimpft worden. Auf meinem Youtube-Kanal hatte ich sogar Gewaltandrohungen bekommen.

Wie schauen Sie heute nach fünf Jahren auf das Ereignis und dessen Aufarbeitung zurück?

Man hätte mehr an die Betroffenen denken müssen, die Opfer von mehr als tausend Straftaten in dieser Nacht. Wo war anschließend die psychologische Hilfe für die Opfer? Frauen sind kein Freiwild – diese klare Aussage von Politikern hätte ich mir damals gewünscht. Den Satz der Oberbürgermeisterin Reker über die mit Armlänge Abstand empfand ich deplatziert. Das hätte die sich sparen können.
Ich empfand es auch als irritierend, dass ich nicht als Zeuge des parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landtags eingeladen worden war.

Wie lautet Ihr Fazit fünf Jahre nach den Übergriffen?

Medien und Politiker hätten ehrlich den Bürgern gegenüber sein müssen. Es war ein falsch, dass sie zuerst versucht hatten, den Vorfall zu vertuschen und herunterzuspielen – angefangen mit der falschen Pressemitteilung der Polizei über den angeblich friedlichen Verlauf der Silvesternacht. Zum Glück haben auch meine Bilder dazu beigetragen, dass diese Verdrängung nicht funktionierte.


Markus Böhm, 43, arbeitet als Fotograf und Schauspieler

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Kommentare ( 21 )

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21 Comments
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Endlich Frei
3 Jahre her

Köln 2015 war nur eine Frage der Zeit. Praktisch jedes Jahr vor 2015 bin ich – der ich unweit von Köln wohne – kurz nach Mitternacht am Kölner Hbf angekommen, um Silvester in unserer Stammbar zu feiern. Ich konnte da längst eine Entwicklung verfolgen, denn mir fiel auf, dass sich Menschen fremder orientalischer Kulturen zu diesem Datum auf dem Bahnhofsplatz vor dem Dom konzentrierten und extrem aggressiv „feierten“ – sprich ihre Aggressionen u. a. am Bauwerk (Beschuss) etc…. ausließen. Da war kein Feiergedanke, sondern das Auslassen von Hass. Allerdings mitnichten in der Zahl wie in der besagten Nacht. Dennoch sagte… Mehr

Niklas
3 Jahre her

Die Schande von Köln steht vor allem dafür, wie Desinformation funktioniert. Die Politik hatte nur einen einzigen, kleinen Fehler begangen, das darf man nie vergessen: Sie hatte die Polizei kritisiert. Prompt wurde der ECHTE Polizeibericht an die Bild-Zeitung durchgestochen und das Drama nahm seinen Lauf. Die Bevölkerung wurde ins Bilde gesetzt und die Politik verlor die Kontrolle über das Narrativ. Seitdem wissen die Polit-Darsteller, was passiert, wenn das Gesetz der Omerta gebrochen wird und die Krähen anfangen, sich die Augen gegenseitig auszuhacken. So etwas wird sich nie mehr wiederholen. „Damage Control“ ist eine Disziplin professioneller PR und so wäre das… Mehr

Casta Diva
3 Jahre her
Antworten an  Niklas

LINKS kommt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet: Unaufrichtig-verschlagen-falsch-hinterhältig-nicht rechtschaffen“. Armseliger Kommentar! Ich selbst habe bereits zwei Übergriffe durch die bekannte Klientel erleben müssen. Dass nicht mehr passiert, liegt vor allem an der Vorsicht und der mangelnden Kontaktbereitschaft zu „Zuwanderern“. Aus Schaden wird Frau klug. Mögen Sie, Ihre Freundinnen, weiblichen Verwandten nicht verschont bleiben von den Auswirkungen dessen, was sie euphemistisch bejubeln!

Dr_Dolittle
3 Jahre her
Antworten an  Casta Diva

Bitte den Kommentar von Niklas nochmal genau lesen: er schreibt wie das nächste Mal „das Narrativ“ besser formuliert würde. Ich finde der Text hat die negativen Daumen nicht verdient.

LadyGrilka55
3 Jahre her

Die überschäumende Dankbarkeit dieses „Geflüchteten“ rührt einen wahrlich zu Tränen.

Würde ich dem mal in persona gegenüberstehen, würde ich ihn sicher nicht freundlich behandeln. Mir fallen da ein paar Alternativen ein, die ich hier nicht im Einzelnen aufführen möchte.

Solche „Geschenke“ nannte man früher Trojanische Pferde.

Korner
3 Jahre her

Müsste es nicht anstatt Verdrängung Vertuschung heissen?

fory63
3 Jahre her

Sorry, aber die mediale und in konsequente politische Handlungen führende Betrachtung, die diesem Raubzug hätte folgen müssen, gab es nie. Ganz im Gegenteil: noch immer gibt es „wir haben Platz“, Schlepperboote im Mittelmeer, linke Aktivisten, die medial positive Bilder der Invasion zeichnen.

Sonny
3 Jahre her

Danke Herr Böhm! Wir können Ihnen gar nicht genug danken, dass d i e s e Vertuschungsaktion der Regierung und Bundespresse die Realität nicht verstecken konnte. Leider hat selbst die weltweite Darstellung der Vorkommnisse nicht viel gebracht: Die meisten Täter laufen frei herum und brüsten sich damit, über die dummen deutschen Kartoffeln zu herrschen, wie es ihnen gerade gefällt. Die vielen Frauen, die für ihr Restleben gezeichnet sind und die Vergewaltigungen verarbeiten müssen, sind dem Regierungsapparat anscheinend völlig gleichgültig.

Dieter Rose
3 Jahre her
Antworten an  Sonny

Mal abwarten, wie ihm „gedankt“ wird.

Hoffnungslos
3 Jahre her

„Medien und Politiker hätten ehrlich den Bürgern gegenüber sein müssen.“ Wenn die Realität nicht ins politische Konzept passt, dann wird sie eben weggelassen. Worüber nicht berichtet wird, das ist dann einfach nicht passiert….

Korner
3 Jahre her
Antworten an  Hoffnungslos

Wie Sie sehen konnten, hat das die Auszähler und Wahlleiter nicht beeinflusst. Die wissen, was zu tun ist. Und so wird es auch dieses Jahr wieder sein. Merkel weiss, dasscs8ecsichvdarsuf verlassen kann. Due USA haben es gerade wieder gezeigt. Seriöse Kontrollen gibt es nicht.

LadyGrilka55
3 Jahre her

„Medien und Politiker hätten ehrlich den Bürgern gegenüber sein müssen. Es war ein falsch, dass sie zuerst versucht hatten, den Vorfall zu vertuschen und herunterzuspielen“ Ehrlich? Ehrlich zu sein ist das letzte, was linksgrüne Medien und Politiker interessiert. Die wollen ihre Ideologie und „Haltung“ an den Bürger bringen, die Realität stört da nur, vor allem, wenn sie so hässlich daherkommt wie an jenem Silvesterabend. Und ja, natürlich war es falsch, zu vertuschen und herunterzuspielen. Aber das tun sie doch immer noch, jeden Tag! Außerdem verschweigen, verdrehen, beschönigen, relativieren sie, usw. Die Realität der regenbogenbunten Illusionsrepublik ist natürlich immer noch so… Mehr

Last edited 3 Jahre her by LadyGrilka55
Manfred_Hbg
3 Jahre her
Antworten an  LadyGrilka55

Zitat: „natürlich war es falsch, zu vertuschen und herunterzuspielen. Aber das tun sie doch immer noch, jeden Tag! Außerdem verschweigen, verdrehen, beschönigen, relativieren sie, usw“

> UND WAS haben uns doch die Politiker und Verantwortliche aus den Qualitätsmedien nach Sylvester 2015/16 und nach anschließend nochmal nach den Brexit alles gesagt und versprochen: „wir müssen uns ändern u. verbessern, mehr auf den Bürger/Leser hören, mehr und besser erklären, die Leute mitnehmen usw, usf“.
UND WAS ist aus deren Vorhaben und Versprechen geworden? NIX!

LadyGrilka55
3 Jahre her
Antworten an  Manfred_Hbg

Das Allerwahnwitzigste daran ist, dass der deutsche Michel diese Parteien trotzdem immer wieder wählt und ihnen damit die Macht gibt, ihr unheilvolles Werk weiterzuführen.

Kassandra
3 Jahre her

„Ich hatte mitbekommen, wie eine Frau von einem Mann geschlagen wurde, und verständigte dann die Polizei. Das war an der Domplatte, wo damals der WDR-Sendewagen gestanden hat.“ Jetzt interessiert mich doch, wann der WDR über das „Spektakel“ zum ersten Mal berichtete und wie? Mittendrin im Getümmel und weder Bild noch Ton! Nach Maßgabe von wem wir wohl „beschwiegen“ wurden? Buhrow als Intendant soll nachträglich seinen Hut nehmen und sich in Grund und Boden schämen. Lebt, wie diese ganzen „Anstaltsdiener“, von eingezogenen Geldern deutscher Haushalte und lässt uns nicht erst seit Silvester 2015 Tag für Tag dermaßen einseifen. Pfui. Was für… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Kassandra
Manfred_Hbg
3 Jahre her

Zitat 1: „Den Satz der Oberbürgermeisterin Reker über die mit Armlänge Abstand empfand ich deplatziert. Das hätte die sich sparen können.“

> Na, für zumindest mein Gefühl ist das aber sehr freundlich u. nett ausgedrückt.

~~~~~

Zitat 2: „Man hätte mehr an die Betroffenen denken müssen, die Opfer von mehr als tausend Straftaten in dieser Nacht.“

> Wobei ich auch hier nochmal daran erinnern möchte, dass es bspw auch noch in Düsseldorf und Hamburg mehrere hundert Opfer gegeben hat.