Haushaltsdebatte: Merz stellt bohrende Fragen, Scholz vermeidet Konkretes

In der Haushaltsdebatte ist jeder Hauch von Harmonie und Konsens zwischen Regierung und Opposition verschwunden. Kanzler Scholz und Oppositionsführer Merz zeigen, was bis zum Ende der Ampel-Koalition zu erwarten ist.

IMAGO / Future Image
Robert Habeck, Olaf Scholz und Friedrich Merz im Deutschen Bundestag, 23.03.2022

In einer Demokratie kommt dem Duell zwischen Regierungschef und Oppositionsführer immer eine besondere Aufmerksamkeit zu. Gelten sie doch, den Gladiatoren im alten Rom gleich, als die Schwergewichte im Ring. Kanzler Olaf Scholz und CDU-Chef Friedrich Merz standen sich zum ersten Mal in einer Haushaltsdebatte des Bundestages in diesen Funktionen gegenüber. Um es gleich vorwegzunehmen: Beide setzten ihre Duftmarken und ließen erkennen, was uns bis zum Ende der Ampel-Koalition erwartet. Um es mit einem Bild aus der Tierwelt zu beschreiben: Die Deutschen erlebten ein Aufeinandertreffen von Igel und Luchs.

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Schon die in sich zusammengekauerte Körperhaltung des Scholz, mit fast fühlbar ausgestreckten Stacheln, erinnerte an das drollige Kerlchen aus Wald und Flur. Selbst am Rednerpult verlor der Bundeskanzler diese Attitüde nicht: den Kopf fast nur gesenkt, die Augen halb verschlossen und der Körper nach außen abweisend. Ganz anders der Herausforderer: Die Körpersprache ist offen, die Augen erscheinen hellwach und das Erscheinen gleicht tatsächlich einem der kleineren Raubtiere, dem Luchs. Auch strahlt Merz die lauernde Angriffsabsicht aus, die dem Luchs gleich seinem Artsverwandten, dem schlauen Fuchs, innewohnt.

Oberflächlich betrachtet müsste das Rennen schon vor dem Beginn entschieden sein. Natürlich gilt der Luchs von vornherein als der schnellere und geschmeidigere Sieger. Doch weit gefehlt: So oft der Luchs auch versucht, seine spitze Schnauze mit den gefährlichen Reißzähnen unter die Rüstung des Igels zu schieben, scheitert er an der Heimtücke der widerlichen Stacheln. Am Ende verlassen beide weder als Sieger noch als Verlierer die Arena. Igel und Luchs sind einfach zu verschieden, als dass sie aneinander gemessen werden könnten, vergleichbar einem Hai und einem Adler.

Die Stärken des Friedrich Merz sind seine Klarheit und sprachliche Präzision. Lässt er dabei noch, wie diesmal, jeden Anflug von Arroganz und Herabwürdigung seines Gegenübers beiseite, gewinnt er fast staatsmännische Züge. Die Lage des Landes analysierte „der Lange aus dem Sauerland“ kräftig und grausam realistisch: immer weiter wachsende Verschuldung des Staates, eine galoppierende Inflation, technologischer Stillstand in Forschung und Wirtschaft und nicht zuletzt eine fehlende Konzeption zur Bewältigung der Energiekrise.

Konkret wurde Merz mit bohrenden Fragen nach der Glaubwürdigkeit der Solidaritätsbekundungen zur Ukraine: Wann und welche Waffen wurden der Ukraine, wie versprochen, tatsächlich geliefert? Wie wird garantiert, dass die zur Stärkung der Bundeswehr zusätzlich geplanten Mittel eines Sondervermögens in Höhe von 100 Milliarden Euro tatsächlich und ausschließlich der Bundeswehr zugutekommen. Ohne eine Mitsprache der CDU werde es seitens der Opposition keine parlamentarische Zustimmung dazu geben. Die ist aber zu einer dafür notwendigen Ergänzung des Grundgesetzes durch eine Dreiviertel-Mehrheit des Bundestages zwingend erforderlich! Der Führer der stärksten Oppositionspartei forderte damit nicht nur mehr Aufklärung über die Vorhaben der Regierung, sondern formulierte für die nächsten Monate eine klare Kampfansage.

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Dann ergriff „der Igel“ zur Gegenrede das Wort. Wie es die von Scholz schon gewohnte Art ist, begann er mit ausschweifender Beschreibung der derzeitigen Herausforderungen. Breit lobte er gleich eine ganze Reihe von Mitgliedern seiner Regierung. Das einzig Konkrete war die Zusicherung weiterer Beschlüsse der Regierung zur Abmilderung der Preissprünge bei der Energie- und Nahrungsmittelversorgung. Erneut schloss der Kanzler ein militärisches Eingreifen der Nato zur Abwehr des russischen Angriffs auf die Ukraine aus, was ihm den Beifall des ganzen Hauses einbrachte.

Dann aber verschwand alles wieder im Scholz’schen „Sowohl als Auch“. So würdigte er zum einen die Bemühungen seines Wirtschaftsministers Habeck, neue Quellen für die Versorgung mit fossilen Trägern wie Öl und Kohle zu eruieren, bekräftigte aber gleichzeitig das Ziel einer Transformation unserer Wirtschaft hin zu mehr Energieeffizienz und ökologischer Nachhaltigkeit. Als Motto gab er hierzu die Devise aus: „Jetzt erst recht“. So redete der gewiefte Taktiker in einem Satz gleich allen Seiten zu Munde. Führung ist das nicht!

Mit keinem Wort streifte er auch nur die Möglichkeit eines begrenzten Weiterbetriebes der noch drei verbliebenen und voll funktionsfähigen Kernkraftwerke oder die zusätzliche Nutzung der riesigen Braunkohlevorräte unseres Landes. Ebenso beantwortete Scholz keine einzige der von Merz gestellten Fragen zum Ukraine-Krieg, den versprochenen Waffenlieferungen, so wie er auch das Verlangen der CDU/CSU nach einer Mitwirkung bei der Verwendung der neuen finanziellen Mittel zur Stärkung der Bundeswehr schlicht ignorierte.

Mit diesem Auftakt zu den Haushaltsdebatten des Jahres ist jeder Hauch von Harmonie und Konsens zwischen Regierung und Opposition verschwunden. „Igel“ und „Luchs“ werden immer wieder aufeinander treffen, wobei man gespannt sein darf, ob sie Strategie und Taktik des Kampfes beibehalten.

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Kommentare ( 26 )

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Olaf W1
2 Jahre her

Jetzt ist hier auch schon Amnesie angesagt! Die CDSU ist an der Lage, in der wir uns genau jetzt befinden, genau gleich schuld wie die SPD, denn die „ewige Kanzlerin“ hat das Fundament für diese Politik ja erst gelegt und alles davor planiert. Und da saßen die selben Protagonisten wie jetzt in der Bundestagsfraktion der CDSU. Das Blut Deutschlands tropft noch immer von ihren Händen… Aber das interessiert auch hier nicht mehr, jetzt wird die Partei der Abrissbirne Deutschlands wieder gehypt! Die Quintessenz ist, dass diese Politik, die seit über 20 Jahren unser Land kaputt macht, niemals enden wird…. Aber… Mehr

Andreas aus E.
2 Jahre her

Der „Witz“ ist: Wäre Friedrich Merz nun Koalitionsanführer, er würde es exakt so machen wie Scholz.
Als Pseudoppositonsführer schwingt er nun Reden fürs Protokoll, dabei ist er nichts als eine Lachnummer, gutbezahlt.

Last edited 2 Jahre her by Andreas aus E.
Gerro Medicus
2 Jahre her

Zitat: „Erneut schloss der Kanzler ein militärisches Eingreifen der Nato zur Abwehr des russischen Angriffs auf die Ukraine aus, was ihm den Beifall des ganzen Hauses einbrachte.“
Na klar, ist ja auch absolut glaubwürdig bei einem Politiker, der noch vor wenigen Monaten sagte, es würde keine Impfpflicht geben, dann sagte, er sei schon immer für eine Impfpflicht gewesen und diese jetzt, obwohl sie durch medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse, von den verfassungsrechtlichen Verstößen einmal ganz abgesehen, obsolet geworden ist, immer noch mit Verve betrieben wird?
Wir Bürger sollen in großem Maße verschaukelt werden, wir sind längst bei Kriegsvorbereitungen:
https://t.me/wirinaktion/1467
https://dieunbestechlichen.com/2022/03/webcams-auf-den-autobahnen-bleiben-schwarz-wer-soll-was-und-warum-hier-nicht-sehen/

John Beaufort
2 Jahre her

Ich gebe es auf. Es ist sinnlos. Machen Sie weiter. Wählen Sie immer wieder CDU (oder FDP oder wen auch immer von unserem Parteienkartell). Wählen Sie weiter die, die Ihnen Ihre Grundrechte genommen und Ihre Gesundheit riskiert haben, die Sie per Inflation und Steuern enteignen, die Ihre Grenzen und Kultur nicht schützen und jeden anderen Sargnagel Deutschlands seit Jahren mit hineingehämmert haben. Bitte, wählen Sie Merz‘ „neue“ CDU. Geben Sie diesem Land endlich den offenbar ersehnten Todesstoß. Aber dann tragen Sie es bitte wie ein Mann und sagen Sie mir nicht, das habe doch alles niemand ahnen können und es… Mehr

Last edited 2 Jahre her by John Beaufort
Babylon
2 Jahre her

Man könnte die Politik von Merz erst dann wirklich beurteilen, wenn er in der Regierungsveratwortung wäre, entweder als Chef oder Koalitionspartner. Ansonsten, Reden halten und Politik eigenbestimmt in Vollzug zu bringen sind wohl ziemlich verschiedene Angelegenheiten. Merz als Luchs ist lustig, Scholz als Igel hat noch eine Frau, besser einen Harem, die Damen Baerbock, Habeck, Lindner. Merz als Hase , der vergeblich in seiner Furche rennt , muß vorausichtlich noch vier weiter Jahre rennen. Schaun wir mal, was während dieser Zeit die Damen aus dem Hause Igel machen.

Ohanse
2 Jahre her

Solange die Union nicht offen zugibt, in den letzten 16 Jahren versagt zu haben und sich nicht jedesmal, wenn ein Mikrofon in der Nähe ist, offensiv und unter Nennung von Ross und Reiter ausdrücklich dazu bekennt, solange muss man davon ausgehen, dass die den Merkelkurs weiterfahren wollen. Die Union hat Deutschland derart schwer geschädigt, dass eine Wiederherstellung unmöglich geworden ist. Mit einer Rede ist es nicht getan.

Last edited 2 Jahre her by Ohanse
Max Wilde
2 Jahre her
Antworten an  Ohanse

Ihre Aussage stimmt höchstens zur Hälfte, denn schliesslich hatte Merkel lange Zeit einen Koalitionspartner, der an der Misere nicht unschuldig ist: Die SPD.

Busdriver
1 Jahr her
Antworten an  Ohanse

Wenn Merz wirklich Erfolg haben will und aus der Merkel-Partei wieder die CDU machen will, muss er Merkels Politik so benennen wie sie war: als im höchsten Maß schädlich für Deutschland. Er muss feststellen, mit wem er diese Politik rück abwickeln kann und dann mit diesen Leuten weiterarbeiten. Die Merkeljünger müssen endlich entmachtet werden.

Memphrite
2 Jahre her

Oh ja die CDU wird jetzt Opposition. Die letzten 16 Jahre vergessen, die aktuellen Taten der CDU Landesfürsten vergessen.
Schon beeindruckend wie leicht man 16 Jahre Misswirtschaft und Scheinheiligkeit mit ein paar Worten beiseite wischen kann.
Typisch Deutsch halt. Man lernt absolut nichts aus der Vergangenheit.

alter weisser Mann
2 Jahre her

Auch wenn man froh ist, dass mal jemand die Friede-Freude-Eierkuchen-Ampel herausfordert, ich habe Zweifel, dass das was Merz ankündigt gut für das standing der Abgeordneten ist:
Wenn er ankündigt, der Abstimmung zur Verfassungsänderung nur so viele Zustimmer zuzuführen, dass die Ampel nur bei geschlossener Front ihr Vorhaben umsetzen kann, wird jeder betroffene Abgeordnete zur bloßen Verfügungsmasse der Parteioberen, die dann Gefolgschaftstreue durchdrücken.
So ähnlich hat Merkel auch die eigenen Leute angeführt.

Last edited 2 Jahre her by alter weisser Mann
Kraichgau
2 Jahre her

ich traue Merz nicht und dabei bleibe ich.
Wenn es sich anbietet,geht der auch wieder ne Schwarz/rote Regierung ein oder,wahrcheinlich noch lieber,schwarz,gelb,grün….grün blinken macht er ja schon seit Wahlende

Manfred_Hbg
2 Jahre her

Zu Desaster-Scholz: Für mich als Hamburger war Scholz schon immer nur ein „weicheiger“ Schwafler, Schleimer und Heuchler. Und jetzt als BK ist er für mich nichts weiter als eine Merkel_2. Und, zu Merz: Auch ich fand fand an seiner Rede so einiges gut und so manche Frage berechtigt und richtig. DENNOCH sollte Merz nicht so sehr das Maul auffreißen und sich mal daran erinnern wer die letzten 16 Jahre in der Regierung saß und das ganze heutige Dilemma mitverschuldet hat. Zumindest aber sollte Merz mal damit anfangen – wenn auch nicht grad bei einer solchen Generaldebatte, die letzten 16 Jahre… Mehr