Die Wahl verändert die EU und isoliert Deutschland

Blind rennen die größeren Parteien in Deutschland ihrer eigenen Ideologie weiter hinterher. Wenn der Wähler nicht mitkommt - sein Pech. Die EU wird sich politisch verändern und Deutschland isoliert als Zahlmeister ohne Einfluss einfach übergehen.

picture alliance/dpa | Jessica Lichetzki
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, Brüssel, 10. April 2024

Wie macht man sich selbst am besten unglücklich? Der Psychologe Paul Watzlawik hat darüber ein ironisches Buch mit einer Vielzahl von Tipps geschrieben, wie man es schafft unglücklich zu sein. Einer der Wege: „Mehr von demselben“. Also, wenn etwas nicht klappt: Dosis erhöhen. Magenschmerzen wegen Aspirin? Noch mal eine Tablette einwerfen. 

Mehr von demselben

Lars Klingbeil, Vorsitzender der SPD, muss dieses Buch kennen – und wie so vieles im Leben falsch verstanden haben. Im Kampf gegen Rechts als einzigen politischen Programmpunkt hat seine SPD gerade das historisch schlechteste Wahlergebnis erzielt; so schlecht, dass selbst ihm und seinem Generalsekretär Kevin Kühnert nix mehr eingefallen ist dazu. Wie lautet Klingbeils Rezept: Er nennt Alice Weidel und die AfD in der Runde der Parteivorsitzenden „Nazis“.

Jeder weiß, auch wer Gegner der AfD ist, dass dies einfach Bullshit ist. Schlimmer – eine Verharmlosung jener Partei, die den zweiten Weltkrieg mit 40 bis 70 Millionen Toten angezettelt und sechs Millionen Menschen in Gaskammern umgebracht hat. Um nur die schlimmsten Verbrechen zu benennen.

Egal, die Bürger wissen das ja. Deshalb hat der Wahlkampf der SPD, der wirklich nur noch „gegen Rechts“ ging, nicht gezündet. Aber statt davon abzurücken: mehr von demselben. Oder mehr Augentropfen gegen Durchfall. Viel hilft viel. So wird man unglücklich, garantiert.

Dabei gäbe es ja einiges, was erkennbar die Wähler verärgert: Immer noch neue Migrationswellen, immer noch höhere Steuern, immer noch höhere Inflation wegen falscher Wirtschaftspolitik, immer noch höhere Kosten für „Erneuerbare Energien”, immer noch höhere Beiträge zur Rentenversicherung, und dafür zukünftig niedrigere Leistungen. Angeblich fehlen ja Fachkräfte, weswegen man das Bürgergeld zur Alternative aufstockt, auf dass die, die den Krempel bezahlen, irgendwann denselben hinschmeissen und sich auch versorgen lassen. Vier Millionen erwerbsfähige, aber untätige Bürgergeldbezieher. Um nur einige Probleme zu benennen.

Der Wähler wird für dumm erklärt

Klingbeil ist nicht der Einzige, der sich selbst unbedingt unglücklich machen will. „Wir müssen unsere gute Politik, die wir zuweilen machen, nach vorne stellen und nicht durch Streit zerreden,“ sagt Omid Nouripour, Parteivorsitzender der Grünen. Wenn man also die Wähler anbrüllt, dass sie zu dumm sind, um den Unsinn der Klimapolitik zu verstehen, dann muss man nur noch lauter brüllen. Vermutlich wird ab heute in ARD und ZDF die Klimakrise noch lauter gebrüllt, rückt der Weltuntergang an die Bettkante und der Planet wird noch schneller verglühen, vermutlich schon heute um 14.35 und morgen gleich zum Frühstück wieder und wieder und wieder. 

Klingbeil wie Nouripour halten ihre Wähler für Volltrottel. Dass die ganz bewusst SPD und Grüne nicht gewählt haben könnten, weil sie sich nicht vertreten fühlen, das können sie nicht mehr verstehen. Nun funktioniert Politik ja nach der bekannten Methode: Wer nicht hören will, muss fühlen. Auch da wiederum scheint das Rezept nicht zu funktionieren: Sie hören nicht, also müssen sie noch mehr Prügel zu spüren kriegen. Aber sie kapieren es trotzdem nicht.

Sie kapieren nicht, dass die Grünen die Jungen verloren haben und die SPD die Arbeiter. Stimmt ja, es gibt wenig Junge und nur noch wenige Arbeiter – aber es gibt sie doch. Von einem Anteil von 33 Prozent bei den Jungen brechen die Grünen auf 12 Prozent ein. Die Grünen sind die Partei der „Omas gegen Rechts“. Und die SPD? Lernt nichts daraus, dass die neue Arbeiterparte längst die AfD ist. Und dass Leute mit Migrationshintergrund auch gerne AfD wählen – einfach weil sie hart gearbeitet, etwas Wohlstand erworben und den nicht weggesteuert haben wollen. Abgesehen davon, dass sie für ihre Kinder bessere Bildung, eine gute Zukunft und nicht unbedingt eine Geschlechtsveränderung anstreben. Und vielleicht wollen die Bauern auf ihren ererbten Höfen bleiben, und nicht als Angestellte der Gemeinde die Wiesen mähen müssen, auch wenn das vielleicht mehr Geld einbringt mittlerweile, als eine Landwirtschaft auf eigene Rechnung zu betreiben?

Grüne und SPD haben sich von der Lebenswirklichkeit entfernt. Stimmt ja, in Berlin Mitte spürt man die Last der Inflation nicht so sehr, für Bundestagsabgeordnete und ihren gesamten Hofstaat gibt es Steuermittel en Masse und Inflationsausgleichszahlungen nebst automatisierter Diätenerhöhung. Aber Berlin Mitte ist halt nur ein Punkt auf der Landkarte und nicht das wirkliche Leben.

Ändert sich etwas in Europa?

Wer allerdings hofft, dass sich jetzt die Politik ändert, den kann man nur warnen. Im EU-Parlament haben diese Parteien immer noch eine fette Mehrheit. Und wenn schon Berlin abgehoben ist von der Wirklichkeit und auf einem imaginären Mond lebt – Brüssel ist die Venus. Es lebt sich gut da, weit weg vom Alltag. Und wer damit zufällig konfrontiert wird, kontrolliert seine Sitzungsgelder und schon ist wieder alles in Ordnung.

Nein, Brüssel ist noch weniger lernfähig als Berlin, einfach weil es noch weiter weg ist von der Wirklichkeit.

Und so werden sie weitermachen. Ursula von der Leyen wird ein paar Zugeständnisse machen, und ansonsten noch mehr Grün durchdrücken, weil sie hofft, noch länger wichtig sein und ihre Lebensglück auf Kosten der Bürger steigern zu dürfen .

Da kennt sie sich aus. Und ja, Giorgia Meloni und Marine LePen werden sie vielleicht dabei unterstützen. Ganz einfach, denn dann haben sie die Guteste in der Hand, ziehen an den Fäden wie bei einer Marionette. Ursula von der Leyen hat sich nie für dieses Land eingesetzt, immer nur für ihr Konto, ihr Pony, ihre Deals. Die neue europäische Südschiene wird Deutschland jetzt erst so richtig ausnehmen. Es gibt niemanden, der sich ihnen in den Weg stellen könnte oder wollte. Deutschland ist ja glücklich, wenn es sich für die EU aufopfern darf. Andere Länder betreiben Interessenpolitik, Deutschland „feministische Außenpolitik“. Die Quittung wird gerade ausgestellt.

Die EU wird sich ändern

Aber kommt es wirklich so, wie CDU und Ursula von der Leyen hoffen?

Der Rechtsruck in der EU ist zu dramatisch. 

  • In Frankreich ergreift Premier Macron angesichts des Erdrutschverlustes seiner Partei die Flucht nach vorn mit Neuwahlen in drei Wochen.
  • In Belgien kündigt Premier De Croo seinen Rücktritt an.
  • In Italien überrundet Melonis Partei die Mitte-Links-Opposition.
  • In Spanien überrunden die Konservativen die regierenden Sozialisten.

In Frankreich kündigt sich eine echte Zeitenwende an. Anfang Juli schon könnte Jordan Bardella vom Rassemblement National (RN) französischer Premier sein.

Also wird es weiterer Wahlen bedürfen. Wer nicht lernfähig ist, muss es eben auf die harte Tour lernen. 

Deshalb werde CDUSPDGRÜNEFDP den Kampf gegen Rechts weiter verschärfen in der unbelehrbaren Hoffnung, dass sie damit von ihrem Versagen ablenken können.

Deutschland ist isoliert in Europa, gelähmt, ohne Führung und Vision.

Dem Land drohen bleierne Zeiten.

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Kommentare ( 136 )

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Elmar
1 Monat her

In einem Land, wo wie in alten braunen und roten Zeiten politisch motivierte Urteile an der Tagesordnung sind, ganz offensichtlich nicht.

Elmar
1 Monat her

Die Zahl von den sechs Millionen Toten ist richtig. Allerdings ist davon nur die Hälfte in Gaskammern der SS ums Leben gekommen. Die andere Hälfte wurde schlicht und ergreifend erschossen oder verhungern gelassen. Auch mit tatkräftiger Mithilfe von Bürgern aus heutigen EU-Mitgliedsländern. In Estland gibt es zum Beispiel für die Mörder von der estnischen SS ein Denkmal. Mal ganz abgesehen von jährlichen Gedenkmärschen für die braunen Verbrecher in der Ukraine, in Litauen, in Lettland und in Estland. Daraus kann man schließen, dass in der offiziellen EU bis zum Umfallen die Scheinheiligkeit regiert.

Schwabenwilli
1 Monat her

„Der Rechtsruck in der EU ist zu dramatisch.“ Von wegen. Die kommenden fünf Jahre werden bleierne Jahre, vdL bleibt und macht es wie ihre Lehrmeisterin, sie kapert die paar Rechten und nutzt die für ihre Politik aus. Es wird in der für die EU entscheidende Uberlebensfrage der ungehinderten Zuwanderung von Muslimen so gut wie keine Änderungen geben und noch wichtiger, denn es sind bereits so viele von denen hier das sie in Zukunft die Politik und Gesellschaft maßgeblich gestalten werden und das heißt nichts gutes für die christlich-jüdische-abendländische Kultur aber auch Wirtschaft, diese Leute in Millionen Stärke aus dem Kontinent… Mehr

Haba Orwell
1 Monat her

> Schlimmer – eine Verharmlosung jener Partei, die den zweiten Weltkrieg mit 40 bis 70 Millionen Toten angezettelt und sechs Millionen Menschen in Gaskammern umgebracht hat.

Die anderen Parteien als die AfD himmeln ein Land an, wo Stepan Bandera angebetet wird, der zu den engsten Verbündeten der Partei aus dem Zweiten Weltkrieg zählte. Wo „westliche Werte“ von 10-12 Billionen USD im Spiel sind (laut einem US-Senator), zählt nichts anderes.

Landgraf Hermann
1 Monat her

VdL gehört weg, liebe Europäer!!! Die hat mit ihrer sagenhaft dummen Politik über 5 Jahre erst diesen Rechtsruck ermögkicht oder gar erzeugt! So ähnlich wie dazumal Merkel mit ihrer dummen Politik die Gründung der AfD ermöglichte.

Sonny
1 Monat her

Dem Land DROHEN bleiernde Zeiten?
Nein, Herr Tichy, ich glaube, wir stecken längst drin. Noch eine Stufe nach unten und dann kommt das große Nichts. Und das ist nicht bleiern, sondern die totale Vernichtung von Wohlstand und Freiheit.

Last edited 1 Monat her by Sonny
Eberhard
1 Monat her

Kampf gegen Rechts? Das kann heute nur Linken einfallen. Wenn es kein „Rechts“ gäbe, wäre Links gar nicht erkennbar. Es ist wie mit Hell und Dunkel, oder Tag und Nacht. Wer dann noch als Linker meint, die AfD Wähler wählen Nazis, hat keine Ahnung von Nazis und Rechts und Links in der Vergangenheit. Damit beleidigt er vor allem die Menschen im Osten, die eine linke Diktatur und ihre Opfer nicht vergessen können. Auch nicht, dass genügend ehemalige Mitglieder der DDR Blockparteien sich aktiv an der SED Diktatur beteiligten. Aber jeder Abweichler als Faschist gebrandmarkt wurde. Oder will Herr Klingbeil sich… Mehr

LuckyCruiser
1 Monat her

Sehe ich auch so: es wird erst noch schlimmer. Wenn es überhaupt nochmal in D für Ds besser wird. Und dann noch schnurstracks in den Ostkrieg.

Joerg Gerhard
1 Monat her

„Klingbeil wie Nouripour halten ihre Wähler für Volltrottel.“
Wo sie recht haben, haben sie recht.
Insbesondere was ihre Hardcore-Stammwaehler angeht.

DuMeineGuete
1 Monat her

Ehrlich gesagt kann ich das künstliche „Tam-Tam“ um die angeblich so wichtige Wahl zum EU-Parlament nicht so richtig nachvollziehen. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat dieses doch sowieso so gut wie nichts zu entscheiden – erinnert mich faktisch dann eher an den Gott sei Dank abgeschafften Bayerischen Senat, wo altgediente, linientreue Politiker ihr „Gnadenbrot“ gefunden hatten. Also stellt sich dann doch eher die Frage, ob Frau von der Leyen im „Hinterzimmer“ ähnlich wie Maximilian Krah wie eine heiße Kartoffel von den französischen und italienischen Rechten (und ggf. der EVP) fallen gelassen wird oder nicht wegen ihrer zahlreichen Skandale und… Mehr

DuMeineGuete
1 Monat her
Antworten an  DuMeineGuete

Vielleicht habe ich den falschen Eindruck erweckt – mir geht es nicht um die Abschaffung des EU-Parlaments – ganz im Gegenteil! Nur stellt sich dieses momentan als „zahnloser Tiger“ dar, in das viele Parteien momentan nur Politiker 2. oder 3. Wahl entsenden. Könnte TE künftig verstärkt Aufklärungsarbeit betreiben, wie sich der momentane Status des EU-Parlamentes darstellt und wie es künftig mit Befugnissen ausgestattet werden könnte, um den demokratischen Wählerwillen am besten abbilden zu können? Zum Beispiel mit Artikelserien à la „Agora-Affäre“ oder indem immer wieder hochrangige Experten in einem Interview zu Wort kommen? So sehr ich ihre Punkte auch nachvollziehen… Mehr