Die Niederlande sagen Nee

Alles deutet darauf hin, dass die niederländische Lektion für die große Mehrheit der Therapie-Resistenten in den Spitzen der Regierungen noch lange nicht reicht.

Es ist ja nur eine Minderheit der Niederländer, die das Handels- und Assoziierungsabkommen mit der Ukraine abgelehnt hat, sagen die Beschwichtiger. Doch erstens wurde das erforderliche Quorum von 30 Prozent überschritten. Vor allem aber hat die Mehrheit in einer der offensten Gesellschaften Europas gegen die EU gestimmt, die Ukraine war nur der Anlass.

Premierminister Mark Rutte sagt, man müsse die Zustimmung zum Abkommen überdenken. Seine Wahl: Er kann sich entweder mit der EU anlegen – 27 Mitglieder haben das Abkommen bisher ratifiziert – oder mit seinen Wählern. Das macht seine Entscheidung interessant.

Rutte und seine Kollegen in allen EU-Haupstädten sollten sich besser nichts vormachen. Wären 70 statt 30 Prozent zur Wahl gegangen, wäre das Ergebnis nicht anders ausgefallen. Eine zerstrittene und desolate EU in der Griechenland-Krise überbietet sich in ihrer Handlungsunfähigkeit in der Zuwanderungskrise fortlaufend. Die neuen Töne aus Brüssel, die Zuständigkeit für die Asylfrage statt der Nationalstaaten an sich zu ziehen, sprechen nicht für Selbsterkenntnis, sondern signalisieren den Verlust des letzten Restes von Realismus.

Die Verlierer der Volksabstimmung sind Rutte und seine Regierung, die EU und alle verbliebenen Anhänger einer „immer tieferen“ Union – allen voran ihr unbeirrbar sturer Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der mit Wählererpressung die Ablehnungsbefürworter bestätigt hat, das Nein “könnte die Tür zu einer Krise auf dem Kontinent aufstoßen”. Außenminister Bert Koenders toppte Juncker mit seinem „Argument“, Wladimir Putin, würde im Falle eines Nein „ohne Zweifel eine Flasche Champagner aufmachen.“

Durch die Türe, mit der Juncker drohte, gehen heute die Gewinner Geert Wilders, Nigel Farage und ihre Gleichgesinnten in allen EU-Ländern und stoßen mit Putins Champagner an. David Camerons Chancen gegen Brexit sind gesunken. Die Auswirkungen des niederländischen Nee werden wir bei allen vor uns liegenden Wahlen und Abstimmungen sehen.

Mit Junckers berühmt-berüchtigten Motto von 1999 geht es nicht weiter: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert“ und „Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt“.

Das Nee der Niederländer steht stellvertretend für die Entfremdung zwischen den politischen Eliten und dem Souverän Volk in allen EU-Gesellschaften. Für mich deutet alles darauf hin, dass die niederländische Lektion für die große Mehrheit der Therapie-Resistenten in den Spitzen der Regierungen noch lange nicht reicht.

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