Die deutsche Industrie bereitet sich darauf vor, die Produktion herunterzufahren

Während der Bundeskanzler mit einer "konzertierten Aktion" den Kampf gegen die Inflation inszeniert, kündigen Industrieunternehmen an, die Produktion in Deutschland zu drosseln, wenn die Gaslieferungen auf unter die Hälfte der bisherigen Mengen sinken. Die Inflation würde dann noch weiter steigen.

IMAGO / Jan Huebner
BASF-Werk in Schwarzheide, 30.04.2022

Während Bundeskanzler Olaf Scholz behauptet, „Deutschland“ oder „wir“ seien schon bei Kriegsausbruch im Februar „vorbereitet“ auf das, was passiert, „wenn die Energielieferungen unsicher werden“, wird immer deutlicher, dass genau das eben nicht stimmt. Viele Industrie-Unternehmen, die laut „Notfallplan Gas“ der Bundesregierung vor den Privathaushalten womöglich aus Erdgas verzichten müssen, bereiten sich jetzt mit eigenen Notfallplänen darauf vor, entweder auf Öl und Kohle umzusteigen – oder die Produktion deutlich zu drosseln. Das berichtet das Handelsblatt auf Basis von Aussagen aus Unternehmen.

Wenn letzteres tatsächlich geschieht, bedeutet das nach dem Corona-bedingten einen weiteren, vermutlich noch deutlich schärferen Angebotsschock im produktiven Kern der deutschen Wirtschaft, seiner Industrie. Die Folge wäre eine Rezession – und gleichzeitig würde es auch weiter antreiben, was Scholz an diesem Montag mit seinem ersten Treffen im Rahmen der „konzertierten Aktion“ zu bremsen versucht (oder zumindest so tut): die Inflation. Scholz hatte den Dialog mit den Sozialpartnern (Arbeitnehmerverbänden und Gewerkschaften), Ökonomen und der Bundesbank initiiert – ein Rückgriff auf die „konzertierte Aktion“ des einstigen SPD-Wirtschafts- und Finanzministers Karl Schiller. Dass diese damals sang- und klanglos scheiterte und danach die Inflation noch deutlicher anstieg, scheint für Scholz weniger von Belang als der öffentlichkeitswirksame Effekt, etwas gegen die Inflation zu unternehmen. Für mehr Gas kann jedenfalls keiner der Teilnehmer sorgen.

Der weltgrößte Chemiekonzern BASF zum Beispiel rechnet laut Handelsblatt zwar damit, „den Produktionsverbund am Stammsitz Ludwigshafen mit reduzierter Last weiterbetreiben zu können“, aber nur sofern die gelieferte Gasmenge nicht „deutlich und dauerhaft unter 50 Prozent“ sinkt. In diesem Fall „müssten wir den Produktionsstandort unter Einhaltung der notwendigen Sicherheitsstandards herunterfahren“.

Auch bei anderen Indutreiunternehmen, zum Beispiel beim Stahlkonzern Thyssen-Krupp, gilt 50 Prozent als die entscheidende Schwelle, unterhalb derer die Produktion eingestellt werden muss. Man bereitet sich dort „in verschiedenen Szenarien auf eine Unterbrechung oder eine Einschränkung der Erdgasversorgung vor“. 

Beim Düsseldorfer Konsumgüterhersteller Henkel („Persil“, „Pattex“) erwägt man, Büro-Mitarbeiter wieder von zuhause arbeiten zu lassen. „Wir könnten dann die Temperatur in den Büros stark herunterfahren“, zitiert die Rheinische Post CEO Carsten Knobel. Das wäre letztlich nichts anderes als das Abwälzen eines Teils der gestiegenen Energiekosten auf die eigenen Mitarbeiter. 

Nur wenige Industrieunternehmen können wohl so einfach auf Öl umsteigen, wie der im HB erwähnte Duft- und Aroma-Hersteller Symrise, der kürzlich erst in umgekehrter Richtung von Öl auf Gas umgestiegen war, aber noch funktionsfähige Öl-Heizkessel hat. 

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Kommentare ( 72 )

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72 Comments
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Positivsteuerung
1 Jahr her

Ohne die Produktivität der Industrie und der sagen wir 15 % Leistungserbringer in diesem Land werden natürlich auch keine „Leistungen“ mehr gezahlt, weder zur Stützung der Renten- und Krankenversicherung noch H4. Auch die Behördenmitarbeiter werden dann verstehen, dass sie NACHRANGIG sind in der Verteilungshierarchie. Wenn wir nur das haben, was wir an regenerativen Energien zum Laufen bringen, können wir damit eine wesentlich kleinere Bevölkerung versorgen. Es wird also zu Verteilungskämpfen kommen, die Upper Ten setzen sich im Privatjet ab, die Nachbarländer schließen die Grenzen. Der Rest steuert dann auf Verhältnisse wie in Nordkorea zu. Dort grassieren momentan Corona und Enteritis.… Mehr

the NSA
1 Jahr her

Das sagt die oberste DGB Chefin: „The move could devastate the economy and lead to job losses“ „Entire industries in Germany could collapse due to natural-gas supply cuts from Russia, said Yasmin Fahimi, the country’s top union official. „Entire industries are in danger of collapsing permanently because of the gas bottlenecks: aluminum, glass, the chemical industry,“ Fahimi, the head of the German Federation of Trade Unions, told Bild am Sonntag. „Such a collapse would have massive consequences for the entire economy and jobs in Germany.“ The chemical industry, which employs about 346,000 people, is the third-largest industry in Germany, according… Mehr

Innere Unruhe
1 Jahr her
Antworten an  the NSA

Vor diesem Hintergrund erübrigt sich doch jede Diskussion über Fachkräfte.

Julius Schulze-Heggenbrecht
1 Jahr her

Was werden die rotgrünen Politclowns in Berlin eigentlich tun, wenn in den kommenden 2 Jahren etwa 15 – 20 Millionen Menschen in Deutschland in die absolute Armut abrutschen …? In eine Armut, die seit mehr als 70 Jahren in Deutschland unvorstellbar war?
Noch interessanter: Was werden diese 15-20 Millionen Menschen tun, sobald sie durch das dumme, verantwortungslose Handeln deutscher Politclowns in die absolute Armut abgerutscht sein werden?
15-20 Millionen Menschen sind zu viele, als dass man ihrer noch mit Gewalt Herr werden könnte, wenn sie sich erst einmal in Bewegung gesetzt haben …

Last edited 1 Jahr her by Julius Schulze-Heggenbrecht
Ingolf
1 Jahr her

… ganz einfach. Die „Politclowns“ werden den 15-20 Millionen Menschen das „1€-Ticket“ zuwerfen und können sich sicher sein, dass sie dafür gefeiert werden.
Schlimm, aber das Prinzip „Brot und Spiele“ beherrscht diese „Elite“ perfekt (und werden für diese Verdummung der Bevölkerung auch noch gefeiert).

Kassandra
1 Jahr her

Dass die, die sich den „Totalabsturz“ ausdachten, auch schon ausdachten, was sie danach mit uns machen werden, so wir das überleben – daran sollten wir nicht zweifeln.
Es sind etliche, die „to built back better“ bereits in den Mund genommen haben. Neulich erst Klaus Schwab in Davos:“the future is built by us“ Parteitag Speech in 1934 met dezelfde idealen https://twitter.com/Nieuwsprik_neus/status/1528830401481003011

Kassandra
1 Jahr her

Die Agenda sieht nicht vor, dass wir weiter Ressourcen „verbrennen“.
Wir „dekarbonisieren“ – und zwar vollkommen und von einem Tag auf den anderren. Silvester 2022. Spätestens.
Putin würde liefern. Und zwar durch beide Pipelines.
Wenn man ihn denn ließe!
Aber die Agenda nutzt und forciert den Krieg in der Ukraine durch Geld- wie Waffenlieferungen, damit Habeck und die Grünen (oder die hinter ihnen stehen) ihre Ziele erreichen.
Und die Menschen im Donbass werden derweil erschossen.

Kassandra
1 Jahr her

Natürlich könnten sie für mehr Gas sorgen.
Aber das wollen sie nicht.
Sie verfolgen Schellnhubers Agenda der großen Transformation – bis zur totalen Dekarbonisierung.
Und das quasi von einem Tag auf den anderen.

Kassandra
1 Jahr her

Wenn man hingegen dächte, der Ukraine-Konflikt würde genutzt, um die Transformations-Agenda zu puschen – und uns zur totalen Dekarbonisierung zu zwingen, die die Schellnhubersche Agenda seit Jahren vorsieht, hätte er nicht unrecht, der Herr Scholz. Denn die Agenda ist ja bekannt – und wie man sieht, arbeiten Grüne wieselflink daran, die Grundlagen unseres bisherigen Lebens harsch und ohne Rücksicht auf Verluste zu verändern: https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/welt-im-wandel-gesellschaftsvertrag-fuer-eine-grosse-transformation Dass derartige Eingriffe in bislang funktionierende Systeme eher schlimmen Ausgang nehmen können, hatte auch Sieferle in dem anhängenden Gutachten am Ende bedacht: „Will man hieraus Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen, so ist eine gewisse Bescheidenheit angebracht.… Mehr

Memphrite
1 Jahr her

Es ist nicht Putins Krieg, es sind unsere Sanktionen.

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  Memphrite

Der Krieg wäre längst vorbei, wenn der Westen nicht mithilfe dieses Krieges seine Dekarbonisierungs-Agenda durchziehen wollte.
Deshalb schickt „der Westen“ Waffen und Geld – und die Menschen im Donbass werden erschossen. Wenn man Patrick Lancaster, der direkt von dort berichtet, hört, sind es die Soldaten in ukrainischen Uniformen, die alles kurz und klein schießen und vor keiner Zerstörung halt machen.
Nur so wird all das verständlich – dreht einem aber den Magen um, wenn man an so viel Kaltschnäuzigkeit denkt. Pfui Teufel.

Memphrite
1 Jahr her

Nein, unsere „Eliten“ sind gut abgesichert (bzw. Sie denken das noch) und komplett US Hörig.
Biden hat doch gesagt, NS2 wird niemals online gehen. Die USA werden das verhindern.
Erst muss das Volk seine „Eliten“ zusammen mit der representativen Demokratie und der Briefwahl los werden, erst da wird sich was ändern.

Last edited 1 Jahr her by Memphrite
Lacantun
1 Jahr her

Tja, es gebe da ja die Möglichkeit die Sanktionen, die ohnehin nur den Sanktionierern schaden, zu beenden. Aber DAS geht natürlich gar nicht. Daher freuen wir schon mal auf einen schönen kalten Winter. Vielleicht wacht dann doch noch ein Teil der Schlafmichel auf. Aber Hoffnung habe ich wenig. Dieses Land hat fertig.