DFG rudert zurück: Nuhrs Beitrag ist wieder online

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat sich eines Besseren besonnen: Der Beitrag des Kabarettisten Dieter Nuhr, den man nach viralem Protest entfernte, ist wieder online - samt einer beachtlichen Erklärung der Wissenschaftsorganisation.

imago images / Agentur 54 Grad

Für die Einpeitscher der Cancel Culture ist es ein Rückschlag, für die Wissenschafts- und Meinungsfreiheit ein verspäteter Sieg. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft veröffentlichte heute nicht nur den in der vergangenen Woche nach Protesten in den sozialen Medien entfernten Beitrag des Kabarettisten Dieter Nuhr anlässlich des 100-jährigen Bestehens der staatlichen Forschungsfördereinrichtung, sondern auch eine beachtliche Erklärung. Sie enthält ein eindeutiges Bekenntnis zur „Freiheit des Denkens“, das als Absage an die so genannte Cancel Culture verstanden werden muss.

Diesem Rückzieher ist allerdings ein Disput zwischen der DFG und Nuhr vorausgegangen, als erstere den Beitrag zunächst mit einem erklärenden Zusatz versehen wieder veröffentlichen wollte. Er „habe der DFG untersagt, mein Statement ‚kommentiert‘ online zu stellen“, teilt Nuhr gegenüber Welt schriftlich mit. „Was soll das denn? Alle anderen sagen frei ihre Meinung und meine wird mit einer Warnung versehen wie eine Zigarettenpackung.“

Schließlich hat die DFG sich nun wohl besonnen und diesen Gesinnungswandel mit dieser öffentlichen Erklärung verbunden, den wir im Wortlaut dokumentieren:

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„Die DFG bedauert es ausdrücklich, das Statement von Dieter Nuhr vorschnell von der Internetseite der Online-Aktion #fürdasWissen heruntergenommen zu haben. Herr Nuhr ist eine Person, die mitten in unserer Gesellschaft steht und sich zu Wissenschaft und rationalem Diskurs bekennt. Auch wenn seine Pointiertheit als Satiriker für manchen irritierend sein mag, so ist gerade eine Institution wie die DFG der Freiheit des Denkens auf Basis der Aufklärung verpflichtet. Wir haben den Beitrag daher wiederaufgenommen. Die Diskussion um den Beitrag verdeutlicht exemplarisch die Entwicklungen, die aktuell viele öffentliche Diskussionen um die Wissenschaft kennzeichnen.

In verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft hat sich eine Debattenkultur entwickelt, in der oft nicht das sachliche und stärkere Argument zählt, in der weniger zugehört und nachgefragt, sondern immer häufiger vorschnell geurteilt und verurteilt wird. An die Stelle des gemeinsamen Dialogs treten zunehmend polarisierte und polarisierende Auseinandersetzungen. Gerade bei zentralen Fragen wie dem Klimawandel oder der Coronavirus-Pandemie werden damit die wirklich notwendige Diskussion um wissenschaftliche Themen und der konstruktive Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft behindert. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihre Erkenntnisse öffentlich machen und politische Handlungsoptionen beschreiben, sind immer häufiger Ziel unsachlicher Attacken und persönlicher Diffamierungen. Dies gilt auch für gesellschaftliche Bewegungen, die für die Wissenschaft eintreten und öffentlich dazu aufrufen, wissenschaftliche Erkenntnisse stärker zur Basis von Entscheidungen und Handlungen zu machen.

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Diese Entwicklungen sind der Gesellschaft nicht zuträglich und umso bedenklicher, als die Wissenschaft bei der Bewältigung aktueller Herausforderungen eine zentrale Rolle spielt, mit der sie derzeit in der Gesellschaft stark wahrgenommen und geschätzt wird. Dabei ist sie ihrerseits auf eine kritische, offene und konstruktive Kommunikationskultur angewiesen.

Die DFG möchte diese Beobachtungen zum Anlass nehmen, eine intensive Auseinandersetzung mit der aktuellen Debattenkultur rund um die Wissenschaft anzustoßen. Die DFG steht für Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit sowie für eine differenzierte Diskussionskultur. Hierfür wird sie sich auch in Zukunft weiter mit aller Kraft einsetzen – gemeinsam mit anderen Akteuren aus Wissenschaft, Medien, Politik und anderen Bereichen der Gesellschaft im In- und Ausland.“

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Kommentare ( 55 )

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butlerparker
3 Jahre her

Es könnte aber auch genau umgekehrt gewesen sein. Nämlich, daß jemand bei der DFK massiv seine Kompetenzen überschritten und sich, in der Hoffnung nicht auf Widerstand zu treffen, von einem von den Medien unterstützten aber nicht wirklich realen Zeitgeist beflügelt, bemüßigt gesehen hat, „Gedankenpolizei“ zu spielen.

Überhaupt ist anzumerken, daß vor allem Dank Medien wie TE eine Zeit des „Zurückruderns“ angebrochen ist.

Egal ob Restle oder die „Vaath“ Unterstützer, ob der Demonstrationszahlen in Berlin oder der „Partyszene“ oder oder oder. Es scheint, als ob der Kulmunationspunkt überschritten; die „Radikal-Linken“ einfach überzogen haben.

Stoerenfried
3 Jahre her

Die DFG steht also für Debattenkultur. Gestorben, da ihr euer Fähnchen zuerst nach dem linksgrünen Mainstream gehisst habt. Nun diese vermeintliche Kehrtwende. Äh…Wissenschaft sollte wertneutral Wissen schaffen. Wissenschaft bedeutet die Neugier des Menschen zu hinterfragen und zu befriedigen. Wissenschaft impliziert die großen, letzten Fragen der Menschheit zu beantworten, weil die Philosophie grandios versagt hat. Nochmals: Wissenschaft ist wertneutral, politisch und soziologisch unabhängig. Wissenschaft ist Neugier und mögliche Antworten auf die den Menschen umgebende Natur. Wissenschaft wird oft missbraucht, weil auch Wissenschaftler Menschen mit all ihren Fehlern sind. Fakten, Fakten, Fakten, das ist Wissenschaft, und nicht politisch oportune, geschönte Ergebnisse. Traurig,… Mehr

h.milde
3 Jahre her

Ich denke nicht, daß die anscheinend sinistrovirid infiltrierte sog. „DFG“ einsichtig geworden ist, sondern es ist nur eine Art Taqiya. Schon 33/45, 49/89 wurde die deutsche Wissenschaft iS der jeweiligen herschenden Ideologien/Regime des inter-/nationalen Sozialismus eingenordet, und die Folgen sind sichtbar, bis heute. Finis scientia.

Manfred_Hbg
3 Jahre her

Zitat: „In verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft hat sich eine Debattenkultur entwickelt, in der oft nicht das sachliche und stärkere Argument zählt, in der weniger zugehört und nachgefragt, sondern immer häufiger vorschnell geurteilt und verurteilt wird.“

> Tja liebe DFG, in Zukunft dann besser ERST einmal (nach-)denken und ERST DANN reden bzw schreiben.

Dedaidn
3 Jahre her

Ich habe auf RNB einen Beitrag darüber in F…book gesehen und mir die Kommentare durchgelesen. Ich war total geschockt, wieviele Leute nach wie vor, auf Nuhr geschimpft haben, völlig haltlos ohne im Eigentlichen auf den Inhalt einzugehen und den unreflektiert zu betrachten. Daran sieht man, wie es um unsere Gesellschaft bestellt ist. Es geht nicht mehr darum, eine Meinung/Betrachtung objektiv zu betrachten und zu beurteilen, es geht wirklich nur noch um Haltung, nach dem Motto „wenn du nicht meine Meinung vertrittst, bist du mein Feind“ Und das meist von Leuten, die studiert haben, also sich selbst aus dem gebildeten Spektrum… Mehr

Odysseus JMB
3 Jahre her

Vielleicht sollte man auch die These Wittgensteins einmal kritischer ins Auge fassen, die besagt, dass das, was der Fall ist, Wahrheit bedeute. Ich halte das für ein unsinniges Ansinnen, einen Kotau vor dem Zeitgeist. Seine These ist Positivismus in einfältigster Form und purer Opportunismus. Sie fordert Autorität, wo keine zugestanden werden kann, denn Autorität und Verantwortung können nur Hand in Hand gedeihen. Ich denke, Wahrheit ist keine Kategorie von Wissen. Man kann stets nur wenig von ihr wissen, aber man kann sie sich aufs Panier schreiben und versuchen entsprechend danach zu handeln. Dies erfordert allerdings mehr als eine Dialektik (d.h.… Mehr

fatherted
3 Jahre her

Die DFG ist doch ab sofort „verbrannt“ für jeden der auch nur ansatzweise eine ausgewogene und gleichberechtigte Diskussion einfordert. Und da ist das Thema egal…ob nun Klima, Ernährung, Migration, Corona oder Energiepolitik. Das Eigentor lässt sich nicht mehr ausbügeln.

Oblongfitzoblong
3 Jahre her

In der Causa Nuhr spiegelt sich exemplarisch das gesamte gesellschaftliche Miteinander. Sobald ein Person des öffentlichen Lebens eine Meinung äußert, die nicht vollständig dem Mainstream entspricht, bricht ein shitstorm ohnegleichen los, mit meist undifferenzierten, diskriminiereden Anwürfen. Das kann man erwarten. Was, wie auch in diesem Fall, für die Diskussionskultur verhehrend ist, ist das sofortige Einknicken von dem shitstorm. „War so nicht gemeint, wurde falsch verstanden, entschuldige mich, etc.“ ist die übliche Reaktion. Als ob die Meinung völlig unbedacht und eigentlich unwichtig wäre. Deshalb ist die Reaktion der DFG so wichtig.

Proll27
3 Jahre her

Ich weiß nicht, ob sich der Sinneswandel wirklich auf bessere Einsicht gründet. Wer so verbohrt agiert wie die DFG in der Causa Nuhr hat offensichtlich keine festen ethischen Grundüberzeugungen, sondern reagiert nur auf Druck.

martin ruehle
3 Jahre her

Es wird spannend zu beobachten sein, ob nach der DFG, und dem Schmusekurs des Gesinnungsjournos Restle noch weitere Koryphäen der „Cancel Culture“ ihre Liebe zum denkenden Bürgertum entdecken.
Offensichtlich sind die wahren Zahlen der Gr0ßdemo „Ende der Pandemie- Tage der Freiheit“ vom 01.08.20 im Mainstream angekommen und führen zu einem Strategiewechsel.
Der politisch-mediale Komplex der Hofberichterstatter scheint verunsichert !