Der Protest der Bauern wird zur Massenbewegung

Zigtausende Bauern haben bundesweit gegen die Politik der Ampel demonstriert. Auch auf der Kundgebung in Berlin. Der Unmut gegen Scholz und Co. mobilisiert immer mehr Unzufriedene – trotz der Gegenkampagne grünnaher Medien.

IMAGO

Auf dem Pariser Platz ist eigentlich alles wie immer: Touristen versuchen, sich vor dem Brandenburger Tor für den besten Schuss für Instagram in Szene zu setzen. Direkt hinter dem Tor ist eine Bühne aufgebaut. Nichts Ungewöhnliches für die Hauptstadt. Das passiert fast täglich. Dieses Mal haben die Freien Bauern zur Demonstration eingeladen.

Im Vorfeld hat es eine Kampagne gegeben. Von den Teilen der Medien, die sich nicht mehr als Kontrolleure der Mächtigen verstehen, sondern ihre Leser, Zuhörer und Zuschauer auf Kurs halten wollen. Stichwort Haltung zeigen. Vom „Mähdrescher-Mob“ schreibt die TAZ. Und die Redakteure der üblichen grünen Medien tun das, was sie seit acht Jahren tun: Den Nazi in jedem suchen, der nicht mit ihnen auf Linie ist. Diese Journalisten müssen gar nicht lange auf dem Platz des 18. März bleiben. Dort sind vereinzelt auch schwarz-rot-goldene Fahnen zu sehen. Für diesen Teil der Medien reicht das schon, um die üblichen Naziverdachts-Beiträge zu produzieren.

Doch es lohnt sich, durch die Reihen zu gehen. Vom Platz des 18. März über die Straße des 17. Juni. Unter den Tausenden von Demonstranten finden sich nicht nur Landwirte. Manche tragen die Arbeitsjacke einer Spedition. Andere outen sich durch ihre Berufskleidung als Dachdecker, Bauarbeiter, Sanitär- oder andere Handwerker. Menschen halt, die einer Arbeit nachgehen. Nicht wie so oft bei der Letzten Generation Studenten oder Arbeitslose, die keiner vermisst, wenn sie auf einer Straße kleben.

Wieder stehen hunderte Traktoren sowie andere landwirtschaftliche Fahrzeuge auf der Straße des 17. Juni bis hin zur Siegessäule – und darüber hinaus bis zum Ernst-Reuter-Platz. Doch dieses Mal haben sich auch andere Fahrzeuge darunter gemischt. Zugmaschinen von Speditionen oder Betonmischer. Würden diese Demonstranten mit den gleichen Methoden der Letzten Generation arbeiten, könnten sie die ganze Stadt lahmlegen. Denen reichen fünf mal fünf Mann, um fünf Hauptverkehrsadern gleichzeitig abzuwürgen. Hier ist der Protest darauf angelegt, sichtbar zu sein. Dazu muss er stören. Aber das Stören ist in dem Fall nicht der Zweck. Die Bauern haben es anders als die Letzte Generation nicht nötig, eine Massenbewegung zu simulieren – sie sind eine Massenbewegung.

„Wir kommen nicht für eine ‚4-Tage-Woche‘ oder 2 Euro mehr Lohn. Wir kämpfen um unsere Existenz“, heißt es auf einem Banner. „Wir lassen uns nicht mehr länger verampeln“, auf einem anderen. Die Ampel ist das Ziel ihrer Politik. Anlass für die Demonstration waren die Besteuerung von landwirtschaftlichen Fahrzeugen durch die Ampel und die Verteuerung des Agrardiesels. Die Besteuerung hat Olaf Scholz’ (SPD) Regierung zurückgenommen, den Agrardiesel will sie nun schrittweise verteuern. Das sollte den Bauernprotesten den Wind nehmen. Das Kabinett hat am gleichen Tag der Demonstration beschlossen, die Verteuerung des Agrardiesels durchzuziehen. SPD, Grüne und FDP scheinen nicht auf die Bauern zugehen zu wollen.

Die Bauern wiederum lassen sich nicht durch „faule Kompromisse“ den Wind nehmen, sagt Frerk Arfsten vor dem Brandenburger Tor. Der Bauer aus Havelberg hat die Kundgebung angemeldet. Bundesweit sind zigtausende Bauern unterwegs. Unter anderem in Potsdam, Dresden, Köln, München und Erfurt. Im Internet machen Bilder die Runde von Bauern, die mit ihren Traktoren Platz machen, wenn Rettungskräfte durch wollen. Ansonsten legen sie mit ihrem Protest Straßen lahm. Für einen Tag. Morgen arbeiten die meisten wieder. Anders als Studenten und Arbeitslose.

Die Rücknahme der Steuern auf landwirtschaftliche Fahrzeuge ändere nichts, sagt Arfsten. Zum einen, weil die Verteuerung des Agrardiesels ja bleibe. Vor allem aber wegen der Gängelung, der sich die Bauern ausgesetzt sehen. Durch eine Bürokratie in Berlin und Brüssel, in der fachfremde Mitarbeiter in ihren Büros besser als der Landwirt wissen wollen, wann der was anpflanzen soll. Durch Monopolisten in der Abnahme der Produkte. Zwar verspreche die Politik, zu helfen – tue aber nichts.

Der politische Referent der Freien Bauern, Reinhard Jung, erinnerte daran, dass in der Woche vor Weihnachten die Freien Bauern nicht vorm Brandenburger Tor sprechen durften. Der Deutsche Bauernverband hat es verhindert. Der ist auf die Kampagne der grünnahen Medien voll eingestiegen und entschuldigt sich nun präventiv für jeden, der im Rahmen der Proteste etwas sagt, was den grünnahen Medien missfällt. Ob er wirklich Bauer ist oder nicht. Der Bauernverband will zwar hart demonstrieren, aber den warmen Platz in den Lobbys der Ministerien und die Sympathie der Medien nicht verlieren.

„Wirtschaftsminister“ Robert Habeck (Grüne) gibt den Ton der Wehleidigkeit vor. In einem Netzvideo erklärt er zwar, dass er den Unmut der Bauern verstehe, will dann aber bestimmen, was ihnen an Protest erlaubt ist – und vor allem, was nicht. Der Protest bin ich, ist dabei das Motto des grünen Vordermanns. Wenn es um grüne Themen geht, dürfen Demonstranten für gewöhnlich Steine auf Polizisten werfen, Barrikaden anzünden und Rettungskräfte wie Arbeitnehmer blockieren. Aber geht es nach Habeck, dürfen Bauern ihren Protest nur gemäßigt laut vortragen, in gesetzten Worten, dabei niemandem im Weg sein, am besten bei sich zuhause und auch dann immer noch die Grünen wählen. Denn jede Stimme, die grüne Politik ablehnt, ist für Habeck ein Angriff auf die Demokratie.

So sehr sieht Habeck schon sich selbst und Demokratie als eine Einheit, dass er Uneinigkeit mit ihm als Ablehnung der Demokratie versteht. Er ist auch nur noch umgeben von Politikern und Journalisten, die das genauso sehen. Er täte gut daran, die nächste Demo der Bauern zu besuchen. Dann sieht er auf den Bannern, welche Themen die Menschen beschäftigt: buchstäblich die Angst ums tägliche Brot. Er wird merken, dass das Leben auf dem Pariser Platz normal weitergeht, wenn Bauern demonstrieren. Was sich bei Demonstrationen pro Palästina nicht immer sagen lässt. Doch dass Habeck wie andere Politiker auch in einer Blase lebt, in der die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen nicht mehr wahrgenommen werden – genau das führt dazu, dass die Bauern so entschlossen auf die Straße gehen. Und sich immer mehr Berufsgruppen anschließen.

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Kommentare ( 69 )

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Apologetin des Zorns
11 Monate her

Die Anführungszeichen beim Wirtschaftsminister! 🙂
I love you Guys von TE.

Joerg Gerhard
11 Monate her

Die Ampel hat den Bogen überspannt. Sie missachtet immer mehr Leute, Berufe und Lebensleistungen und nimmt ihnen grundlegendste Perspektiven. Darum geht es hier, nicht um ein paar Kröten, deshalb der Protest & die Solidarisierung einerseits und die Reaktion & Diffamierung andererseits. Es hat immer schon nur eines solchen Ausloesers gebraucht, der dann ganz andere, groessere Steine ins Rollen brachte. Persoenlich finde ich Loro Piana Traeger&AR Multi-Mandate-Systemfuzzi Rukwied abstossend und bin sachlich voll bei der AfD Position ‚Abschaffung aller Suventionen‘. Aber eben auch als Ausgleich dafuer: weniger Steuern&Bürokratie und vor allem Achtung und Anerkennung ihres Nutzens und eine Perspektive fuer die… Mehr

Kalmus
11 Monate her

Jeder, der richtig arbeitet, ist verdächtig. Zumal er in der Regel kein Einzelkämpfer ist. Hat er doch weder Zeit noch Muße, sich mit dekadentem Quatsch zu beschäftigen. Auch deswegen das Bestreben nach De-Industrialisierung, Digitalisierung und Homeoffice! Und unter dem Schlagwort „De-Naturierung“ das Totmachen von Bauernhöfen. Die „Große Transformation “ ist nicht nur „,Klima“, sondern auch die Verkrüppelung der Gesellschaft.

Manfred_Hbg
11 Monate her

Schöne Bilder und gute Sprüche?

Ich wohne hier grob gesagt auf der Ecke Hamburg-Bergedorf und weiter in Richtung Hamburg-Stadtgrenze. Und weil hier dann rundherum außerhalb von Hamburg viel Landwirtschaft und Obst-Bauern anzutreffen ist, konnte auch ich gestern ab etwa 10h im Halbstundentakt mehrmals von der Polizei begleitete, jeweils sehr lange, Kolonnen von Traktoren, großen und kleinen LKWs sowie verschiedene Lieferwagen und auch PKWs sehen die jeweils 10-15 Min. benötigten bis sie vorbeigefahren waren. Es waren schon beeindruckende Bilder.

Mögen die Landwirte und sonstig demontrierenden ihre Ziele erreichen.

Combray
11 Monate her

Bemerkenswert ist, dass er in seiner Rede den „erneuerten Republikanismus“ beschwört.
Er besetzt also die Positionen der Demokraten, als auch der Republikaner. Sauber! Eindrucksvoll ist auch das Timing der geplatzten Bombe von Beckenbauers Tod.

Dellson
11 Monate her

Das Imperium schlägt zurück! Alle Medien haben sich auf die Bauern eingeschossen und feuern nun medial aus allen Rohren. Aktuell Focus online im Live-Ticker: „Experten haben errechnet durchschnittlich hat jeder Bauer Land im Wert von 860.000€! Schulkinder mussten bei Minusgraden wegen Blockade zu Fuß gehen!“ Es ist so billig und durchschaubar, was ist nur aus der ehemals ausgewogenen Presse geworden. Wir brauchen keine Experten, jeder Bürger weiß, der ÖR ist superreich und wird mit über 8Mrd.€ zwangs gepampert. Dieser Skandal wird schön unsichtbar gehalten! Die großen Zeitungsverlage erhalten Staatsgelder, Dumont, RND, Madsack ist SPD anhängig usw. Hier auch nur einen… Mehr

Kalliope
11 Monate her

Mit Freude stelle ich fest, dass die halbe Welt Anteil nimmt an den Bauernprotesten: „Internationales Echo auf Bauernproteste – Elon Musk wittert Medienzensur“. „In den Niederlanden äußert sich die Publizistin Eva Vlaardingerbroek, die bereits im Kontext der dortigen Bauernproteste öffentliche Bekanntheit erlangt hatte, bewundernd über die Aktionen. Auf X spricht sie von einem „Aufbegehren normaler, hart arbeitender Deutscher, denen es reicht und die – zurecht – Veränderungen fordern“. „Sogar in Nigeria nahmen X-Accounts Anteil und berichteten über Bauernproteste Unterstützung kommt auch aus Frankreich. Die EU-Parlamentarierin des „Rassemblement National“, Patricia Chagnon-Clevers, drückte auf X ihre Unterstützung für die Bauernproteste aus. Sie… Mehr

szenaria
11 Monate her

Die Bauern haben das Zeug, das schlafende Volk aufzuwecken, Risse zu kitten und die Bürger untereinander ein Stück weit zu versöhnen. Diese mutigen Bauern haben die Seriösität und die Autorität, begründet in dereren Fleiß und Bodenständigkeit, den vielbeschworenen Ruck, der durch die Gesellschaft gehen muss, zu erzeugen. Die Bauern sind Diejenigen, den man Glauben und Vertrauen schenkt. Das macht diesen Aufstand für diese verkommene, ungebildete Herrscherklasse so gefährlich. Die Handwerker und andere Berufsgruppen, die in deren Windschatten mitsegeln, stärken diese Revolte. Die Masse des „Demo-Personals“ nimmt zu. Um die Bauern herum ist ein Stützgerüst von Loyalität und Kampfgeist entstanden und… Mehr

Kalliope
11 Monate her

Es wird nur wenig über das Ausmaß der Proteste berichtet. Alle fest auf Linie. So kann es nicht weitergehen. Aber der Protest an der Fähre, der keineswegs eine Gefahrenlage war, wird schamlos ausgeschlachtet. Als was müssen wir uns eigentlich noch alles beschimpfen lassen. Bei Gabriel waren wir schon das Pack, jetzt Mob, Rechtsradikale und Umstürzler. Es wird höchst Zeit für einen Wechsel. Die Herrschaften scheuen vor nichts mehr zurück, scheint mir. Aber Hauptsache die Haare sitzen für Millionen Euro, um zu verschleiern, dass darunter nicht viel los ist.

Hanno Spiegel
11 Monate her

„grünnaher Medien.“
Lustige Beschreibung für die z.T.zwangsfinanzierten Volkserzieher mit Wort und Bild.

Last edited 11 Monate her by Hanno Spiegel