Der Oppositionsführer war Christian Lindner

Christian Lindner als dritter Redner nach der Regierungserklärung stiehlt dem als Erster für die AfD antworten dürfenden Alexander Gauland die Show. Selten noch hat einer dem Oppositionsführer so die Schneid abgekauft.

© John MacDougall/AFP/Getty Images

Was für ein Dilemma – und wir machen das hier mal jetzt in der freien Rede, dem Eindruck nach und ganz ohne den sonst üblichen Zitatebrei – was für ein Dilemma für die AfD, wenn ein Christian Lindner als dritter Redner nach der Regierungserklärung dem als Erster für die AfD antworten dürfenden Alexander Gauland die Show stehlen darf. Selten noch ist ein Oppositionsführer in so einem wichtigen Moment seiner Arbeit so der Schneid abgekauft worden.

Und das liegt weniger am saft- und kraftlosen Auftritt des AfD-Fraktionsvorsitzenden, sondern vor allem am Auftritt Lindners. Wo Gauland sich in einer Gemächlichkeit über die sowieso schon kurze Redezeit schleppt, noch einmal Koblenz und dieses Urteil über rechtsfreie Räume vom Blatt abliest, es quasi aus dem Blatt herauszuzerren scheint, weil der Gedankenfluss so quälend langsam dahin plätschert, scheint Christian Lindner fast überkreuz mit seinen Aufzeichnungen, die er am Anfang und zum Ende seiner Rede aufgerollt in der Hand hält, fast wie einen papierenen Marschallsstab.

Gleich zu Beginn vergleicht er Merkel mit Helmut Kohl und fragt, wo denn, wenn sie die 16 Jahre vollgemacht hätte, dann ihre Verdienste lägen. Alles in freier Rede. Aufgewühlt aber kontrolliert, messerscharf wie angriffslustig. Er jedenfalls sähe noch keine bei Merkel.

Als Lindner die positiven Aspekte der Regierungserklärung aufzählt, der Vorhaben für das Land, lächelt die Kanzlerin dankbar bis hoffnungsvoll, aber es war eine Finte. Denn Lindner ergänzt triumphierend, er hätte sich gerade auf Frankreich bezogen. So geht das weiter. Rhetorisch brillant, fit und aufgeräumt. Und das alles macht ihn noch jünger, als er eh schon wirkt neben diesem netten alten Pärchen Gauland und Merkel zuvor, zwei, die man sich für den Moment auch ohne viel Mühe über einen Dackel gebeugt hätte vorstellen können, dem dann gleichermaßen die so unterschiedliche Liebe der beiden zu teil wird. Einen alten Dackel namens Deutschland.

Nein, wenn das der Auftakt einer Oppositionsführerschaft der AfD gewesen sein soll, dann brauchen die so genannten Altparteien diese neue Kraft in den Debatten kaum fürchten. Aber auch Alice Weidel hätte es wohl nicht besser machen können.

Nun beschreiben wir hier natürlich auch eine Reihe von Äußerlichkeiten. Selbstverständlich gibt es auch interessante und wichtige Debattenbeiträge von Rechts, ein Bündel exzellenter kleiner Anfragen, die in der Lage sind, Diskurse zu eröffnen, welche die Regierung in Bedrängnis bringen kann und die Medien an sich binden. Aber selten lagen die Anlässe für solche Diskurse auch so offen auf dem Tisch in so großer Reichhaltigkeit. Lindner kann das universell. Er hat zwar die geringeren Zugriffsrechte auf die Themen der Zeit, aber er weiß, wie man geschickt am Tischtuch zerrt, um noch das dickste Bündel zu sich herüber zu holen. Die AfD wird es schwer haben mit diesem oppositionellen Schwergewicht.

Nein, inhaltlich müssen wir über die sich immer noch neu positionierende FDP nicht viele Worte verlieren, da hat die AfD sicher die bessere, die reifere und dringlichere Ausgangslage. Aber was nutzt ein voller Tank und die prozentual größere Bereitschaft der Menschen mitzureisen, wenn der Fahrer da vorne bereits in Altersteilzeit gegangen ist und ausgerechnet zu Beginn der Reise schon sehnsüchtig nach der Kaffeepause zu schielen scheint. Gauland möchte vielleicht am meisten von allen anderen geliebt werden. Aber anstatt sich in den Verschnaufpausen dieser Bemühungen explosionsartig mit zitierbaren Grenzwerten zu entladen, sollte er seine Kräfte kontinuierlicher einsetzen oder im entscheidenden Moment an den richtigen Stellen bündeln. Diese Gelegenheit wäre heute gewesen. Christian Lindner hat vorgemacht, wie es wirklich geht.

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Kommentare ( 210 )

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Dr. A. Mamsch
6 Jahre her

Aus meiner Jugend habe ich einen Kommentar zur „Effi Briest“ in Erinnerung, der sagte, daß die Sprache Fontanes einer bestimmten Schicht vergönnt war, verstanden zu werden.
(Haben Crampas und Effi…)
Angesichts der Gemengelage: Höcke et.al. hat Gauland eine staatsmännische Rede gehalten, die freilich nur von einer bestimmten (des Deutschen mächtigen???) Person verstanden werden kann.

lasminranda
6 Jahre her

Lindner wird massiv von Springer / Welt protegiert und gepusht….seine Frau, Dagmar Rosenfeld-Lindner, ist Chefredakteurin bei Welt. Linder ist also als Opposition zum bestehenden Parteien-und Medienkartell in etwas so glaubwürdig wie Seehofer als Opposition zu Merkel.

Johann Betz
6 Jahre her

Tja, wenn die FDP noch in der Zeit als sie in der Regierung war, eine vernünftige und am geltenden Recht orientierte Politik eingefordert und durchgesetzt hätte, wäre sie nicht aus dem Bundestag geflogen.

Andreas Koch
6 Jahre her

Herrn Wallaschs Begeisterung für Herrn Lindners Redekunst kann ich nachvollziehen, der ist brilliant. Leider haben viele wortgewaltige und seriöse Persönlichkeiten die AfD verlassen (müssen, aus Gewissensgründen), die sich jetzt in der LKR engagieren. Bei deren Auftritt wären die Fetzen geflogen und zwar in freier Rede, etwa von einem Herrn Lucke, einer Frau Petry, einem Herrn Henkel oder einem Herrn Starbatty. Trotzdem freue ich mich, dass die AfD im Bundestag sitzt und den Laden wieder zum Leben erweckt. Gauland ist eher ein moderater Redner und hat nicht mehr das Feuer eines 30 Jährigen. Muss aber auch nicht schlimm sein.

Michael M.
6 Jahre her
Antworten an  Andreas Koch

„Herrn Wallaschs Begeisterung für Herrn Lindners Redekunst kann ich nachvollziehen, der ist brilliant.“
brilliant? durchaus möglich, wenn lindner einen guten tag hat, aber sicherlich nicht bei besagter rede.

Störk
6 Jahre her
Antworten an  Andreas Koch

Jup, Lucke und Petry vermisse ich auch. Wobei es der „Neupositionierung der FDP“ vielleicht helfen könnte, Frau Petry in die Fraktion einzuladen…

Steffen Sommerfeld
6 Jahre her

Zum Thema FDP und Opposition reicht es einfach den Worten (und Taten) der sog. Opposition zu lauschen:

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/islam-debatte-horst-seehofer-ist-ein-sicherheitsrisiko-15506806.html

Der Text hätte ohne weiteres auch von den Grünen oder der CDU stammen können. Da Seehofer nicht in der AfD ist fehlt die Nazikeule sonst der übliche grün-linke Integrationskitsch mit gelber Bemalung…

Ernst Walter Longbore
6 Jahre her

Ja, Gaulands Rede fand ich auch recht kraftlos. Der wird wohl alle Hände voll zu tun haben, um den AfD-Laden zusammen zu halten. Da bleibt in diesem Alter dann nicht mehr so viel Kraft für brilliante Reden. Und Lindner ist eben ein rhetorisches Talent.

Volker
6 Jahre her

Ach doch, reden kann der Lindner gut, das ist nicht die Frage.
Die Frage ist, warum sich so ein Hochbegabter dafür hergibt, Leiter von Merkels Hilftruppe zu werden.
Dass er, abgesehen von Nebensachen, der Kanzlerin jemals richtig Ärger gemacht hätte, ist noch niemand aufgefallen.

Anne
6 Jahre her

Herr Wallasch, Ihre persönliche Lobeshymne für Herrn Lindner in Ehren. Ich war ja schon ganz benommen, solche Begeisterung.
Deshalb habe ich mir die Reden nochmals mehrfach angehört und angeschaut.

Wo finde ich denn den -Schneid- den Herr Lindner Herrn Gauland abgekauft hat?
In welcher Rede hält Herr Lindner seine Aufzeichnung von Anfang bis Ende gerollt in der Hand, wie einen papierenen Marschallstab?
Bei all Ihrer überschwänglichen Begeisterung, das stimmt einfach so nicht!
Anfang und Ende waren frei gesprochen. Ansonsten lag der -Marschallstab- ausgerollt auf dem Rednerpult. Reingeschaut hat er auch.

Kairo
6 Jahre her
Antworten an  Anne

Zitat aus Herrn Wallasch Beitrag:
“ scheint Christian Lindner fast überkreuz mit seinen Aufzeichnungen, die er am Anfang und zum Ende seiner Rede aufgerollt in der Hand hält“
Also es lohnt schon, mit etwas Sorgfalt zu lesen.
Schöne Grüße
Kairo

Paul Mittelsdorf
6 Jahre her

Nun, der von Herr Wallasch ernannte „Oppositionsführer“ Lindner hat neulich, als es um den Schutz der deutschen Grenzen ging, im Bundestag gegen jenen Schutz gestimmt. Wie weitere 70 seiner Parteimitglieder. Ein einziger FDP-Abgeordneter hatte den Mut, für den AFD-Antrag zu stimmen (Prof. Dr. Martin Neumann). Herr Wallasch, was nützt denn eine Opposition, wenn sie dieselbe Politik wie die Regierung vertritt?

Känguru
6 Jahre her
Antworten an  Paul Mittelsdorf

Stimmt, doch der Kult sind die Grünen. Die regieren schon wieder mit.

Dicker
6 Jahre her

Jau Leute, wenn man die Beiden schon vergleichen muss:
Lindner war für mich so ´ne Art jugendlicher Gauland auf Kocks und mit der resultierenden Lust am inhaltsarmen Schwadronieren.
Gauland ein gereifter, bereits etwas müder, alter Lindner jedoch mit dem Blick für das Wesentliche.

Iris
6 Jahre her
Antworten an  Dicker

Danke für das Koks.
Das ist immer mein Gedanke, wenn ich den reden sehe.