Demonstrations-Auflösung: Vermutlich rechtswidrig

Die Auflösung der Corona-Demonstration könnte rechtswidrig gewesen sein, weil die Polizei durch Einkesselung und Verengung die Maskenpflicht provoziert hat.

imago Images/Christian Spicker
Ulrich Vosgerau, Privatdozent für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht sowie Rechtsphilosophie an der Universität Köln, nahm gegenüber TE Stellung zur kurzfristigen Auflösung der Corona-Demo in Berlin.

TE: Wie beurteilen Sie rechtlich, dass die Polizei durch ihr Vorgehen die Demonstranten in die Situation bringt, sich ja gar nicht mehr an die Abstandsregeln halten zu können, weil Sie vorne und zur Seite gestaut wurden und von hinten immer mehr Leute nachkamen.

Ullrich Vosgerau: Das ist natürlich offensichtlich unzulässig, wenn es so war. Denn die Versammlungsauflagen dienen ja der öffentlichen Sicherheit. Wenn die Polizei deren Einhaltung gerade unmöglich macht, um die Versammlung zu „illegalisieren“, wäre das ein noch viel größerer Skandal als die Äußerungen des Innensenators über die wahren politischen Motive des nur scheinbar mit gesundheitlichen Gründen versehenen Versammlungsverbots.

Erweckt es nicht den Eindruck, dass auf diese Weise das Urteil des Verwaltungsgerichts unterlaufen werden soll?

Ja. Die „Gefahrendiagnose“ des Innensenators sollte dann wohl im Nachhinein gegenüber den Verwaltungsgerichten bestätigt werden. Dafür ist aber die Polizei nicht da.

Die Veranstalter wollen ja jetzt juristisch gegen die Auflösung vorgehen. Ist es möglich in eine solche laufende polizeiliche Maßnahme hinein eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Gab es so etwas schon einmal?

Eine einstweilige Verfügung gegen eine laufende Auflösung ist nicht realistisch. Man muss die Auflösung hinnehmen und hinterher die sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage erheben. Mit ihr kann im Nachhinein die Rechtswidrigkeit der Versammlungsauflösung bzw. der Polizeitaktik überhaupt geklärt werden.

Die Veranstalter haben ja u.a. gesagt, dass niemand davon abgehalten werden kann zur Siegessäule „zu spazieren“. Was würde in einem Fall passieren, in dem die Demo sich derart auf nicht genehmigte Weise weiterentwickelt?

Auch eine Spontandemonstration fällt grundsätzlich unter die Versammlungsfreiheit. Das gilt aber nicht, wenn diese so spontan nicht ist, sondern erkennbar die Fortsetzung einer verbotenen Versammlung. Dann ist das strafbar.

Vielen Dank für das Gespräch!


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Kommentare ( 133 )

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Ingolf Paercher
3 Jahre her

Der Staat hat den Krieg gegen seine Bürger mit offener Ansage eröffnet.
Kuschen wir wieder wie immer oder nehmen den Kampf auf?

derAlte
3 Jahre her

Vielleicht sollten mal Nägel mit Köpfen gemacht werden:
Wer kann wo eine Fortsetzungsfeststellungsklage erheben?
Was kostet das?
Wie sind die Erfolgschancen?
Was würde eine erfolgreiche Fortsetzungsfeststellungsklage bewirken?
Ansonsten – gut, das wir darüber sprachen.

Paul Brusselmans
3 Jahre her

Das Bild der abgeführten Dame gehört neben jedes Wahlplakat von CDU und SPD im Kommunalwahlkampf in Laschetien…

nonwo
3 Jahre her

SED-Geisel und FDJ-Merkel suchen die Machtprobe gegen das Volk.

Sie haben 1989 verloren.

Sie werden wieder verlieren.

kiki667
3 Jahre her
Antworten an  nonwo

Bei der Pressekonfernz betonte Merkel, dass 1989 nur erfolgreich war, weil die Verantwortlichen es geschehen ließen. Und es stand deutlich in ihr verbissenes Gesicht geschrieben, was sie nicht laut aussprach: Das war ein Fehler, den SIE nicht wiederholen wird.

Mausi
3 Jahre her

Die Überschrift halte ich für übertrieben. Das kann man auch dem Interview entnehmen.

Unterfranken-Pommer aus Bayern
3 Jahre her

„Man muss die Auflösung hinnehmen und hinterher die sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage erheben.“

Ich muß mich reichlich zusammenreißen, um darüber nicht zu spotten. In einem Unrechtsstaat auf den Rechtsweg zu setzen und zu hoffen, das hat schon etwas Befremdliches, oder sogar Weltfremdes…

Del. Delos
3 Jahre her

Die DDR war auch ein Unrechtsstaat und die Menschen haben es FRIEDLICH geschafft, ihn loszuwerden.

kiki667
3 Jahre her
Antworten an  Del. Delos

Die haben aber für ihre friedliche Revolution nicht vorher um Erlaubnis gefragt und der Regierung keine Gelegenheit gegeben, sich wochenlang darauf vorzubereiten

Contenance
3 Jahre her

Plant das Tschechoslowakisches Helsinki-Komitee Beobachter zur Verfügung zu stellt, um die politische Situation in ’schland von neutraler Stelle aus zu beobachten und Regierungsexcesse nach Möglichkeit zu vermeiden?

Thorsten
3 Jahre her

Dieses einem Einkesseln gleich kommende Manöver der Polizei ist EINDEUTIG ein rechtswidriges Einschränken der Versammlungsfreiheit und bedarf der juristischen Aufarbeitung.

Wenn die Polizei sich noch den einfachen deutschen Bürger zum Feind macht, dann steht sie zwischen allen Fronten, denn Politik, Migranten, Clans und Antifa sind wahrlich nicht ihre Freunde.

Old-Man
3 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Thorsten,das sage Ich auch.
Bisher genoss unsere Polizei immer einen untadeligen Ruf bei der Bevölkerung,aber wer sich zum Büttel der linksextremen in Berlin machen lässt,wer sich federführend an der Aushebung des Grundgesetzes(Gewaltenteilung) beteiligt,ja,wie sollte man dem gegenüber noch freundliche Gefühle haben??.
Bei mir in NRW ist die Polizei zum Glück noch nicht so weit wie ihre Berliner Kollegen,aber was nicht ist,das kann ja noch werden.

Pulsarstern
3 Jahre her

Ich war mit meinen drei Kindern (16 – 18 J.) gut 3 Stunden am Demonstrationszug ganz vorne mit dabei. Ich habe dort auch Polizisten gesehen, die sich offensichtlich für ihr Verhalten geschämt haben, ja teilweise, nachdem sie von einzelnen Demonstranten angefleht wurden diesen Zug durchzulassen, den Tränen nahe waren. Bewegend war dann auch die Spontanrede eines pensionierten Polizisten aus Hamburg, der dort auf der Rednerbühne erklärte, dass er noch nie so viele rechtswidrige Vorgänge bei seiner Polizei gesehen habe, sich dann aber mit den versöhnlichen Worten in Richtung der Polizei verabschiedete, dass er dankbar und froh sei, dass die Kollegen… Mehr

Unterfranken-Pommer aus Bayern
3 Jahre her
Antworten an  Pulsarstern

„Ich habe dort auch Polizisten gesehen, die sich offensichtlich für ihr Verhalten geschämt haben, ja teilweise, nachdem sie von einzelnen Demonstranten angefleht wurden diesen Zug durchzulassen, den Tränen nahe waren.“ Ich weiß, es ist schwierig, und wohl auch verkehrt, als jemand, der nicht vor Ort dabei war, darüber zu urteilen…aber das von Ihnen Beschriebene ist halt weiterhin ein Problem, so lange sich die Polizei nicht auf die Seite des Volkes stellt. Ich weiß auch, daß den (jungen) Polizisten bange um Karriere/Zukunft/Pension ist, aber glauben die denn wirklich, daß sie in einem wieder funktionierenden Land auf der Straße stehen würden? Dabei… Mehr

Old-Man
3 Jahre her

Ich gebe ihnen in allen Belangen Recht. Ein alter Freund von mir ist im Frühjahr in Pension gegangen,er war mit Leib und Seele Polizist,einer zum anfassen,einer für „seine“ Bürger,hoch geachtet und überall beliebt,auch wenn er mal ein „Knöllchen“ verteilen musste,niemand nahm ihm so etwas übel. Ich habe ihn heute Morgen beim Bäcker getroffen,und er sagte nur zu mir : sage nichts zu gestern,Ich schäme mich für meine ehemaligen Kollegen,das die so schäbig handeln,das hätte Ich nicht erwartet. Aber wie gesagt,er war hier bei uns in NRW Polizist,und Ich glaube,das er sich selber nicht vorstellen konnte so wie „die“ in Berlin… Mehr

HaSal
3 Jahre her

Ist DAS „DEeskalation“? Wenn man weiß, wieviel Druck es berechtigen Widerstand gibt, einach ein Grundrecht zu verbieten, ist das schon der 1. Fehler. Das letzte Geticht hatte diesen Demonstranten die Maske erlassen , damit sie die andere Regel einhalten könnten: Abstand. Dann hat aber die Polizei den DemoZug gestoppt und …. die Abstände KONNTEN gar nicht mehr eingehalten werden. Und schon bekam Herr Geisel zu seinem Recht, die Demo zu verbieten. Ist das ein Beispiel für gelebte Demokratie?Die